Gleiches gilt bei der Rasterfahndung. Auch hier haben wir uns an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes orientiert. Wir haben die Rasterfahndung nicht leichter gemacht, sondern schwerer. Wir haben die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes endlich ins sächsische Gesetz hineingeschrieben und dadurch die Bürgerrechte gestärkt.
Das ist meines Erachtens ein Zeichen dafür, wie angemessen die sächsische Polizei mit den ihr zugemessenen Instrumentarien umgeht, wenn seit 2005 von diesen Instrumentarien kein Gebrauch gemacht worden ist. Dann weiß man, dass man es einmal gebraucht hat. Es gibt Fälle, in denen man die präventive Rasterfahndung braucht, aber man macht nur dann Gebrauch davon, wenn es nützlich ist.
Zu den Alkoholverbotszonen: Dazu habe ich extra ausgeführt, dass wir die Voraussetzungen hochgeschraubt haben, weil wir es nicht einfach machen wollten. Insofern war die Kritik, die in der Anhörung geübt wurde, für mich eine Bestätigung des Gesetzesvorhabens. Wir wollen nicht einfach die Alkohol trinkenden Menschen aus der Stadt vertreiben, sondern wir wollen nur das verhindern, was die Aufgabe des Polizeigesetzes ist, nämlich Gefahren von Leib und Leben von anderen abzuwehren. Deshalb wollen wir es nicht leicht machen.
Vielen Dank, Herr Kollege Biesok. Sie haben gerade die Frage der Rasterfahndung und ihre Anwendung angesprochen. Können Sie mir sagen, in welchem Fall in Sachsen die Rasterfahndung bisher angewendet wurde?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Dazu liegen mir keine Erkenntnisse vor, da ich 2005 noch nicht im Landtag war.
Ein Punkt noch, Herr Gebhardt: Sie haben davon gesprochen, dass wir eine massive Einschränkung der Bürgerrechte haben. In einem zweiten Punkt haben Sie gesagt, dass in der Sachverständigenanhörung unsere Gesetzentwürfe als kontraproduktiv für die Arbeit der Polizei angesehen wurden. Für mich ist auch das ein Zeichen, das wir sehr sorgfältig abgewogen haben,
wo es Bürgerrechte gibt, wo Eingriffe in Bürgerrechte stattfinden und wo es notwendig ist, etwas für die polizeilichen Befugnisse zu tun. Das kann im Einzelfall auch einmal dazu führen, dass die entsprechenden Eingriffsvoraussetzungen für die Polizei erschwert werden.
Liebe Kollegin Friedel, manchmal kommt es vor, wenn man frei spricht, dass es nicht ganz so ausgefeilt ist, als wenn man abliest. Wir haben natürlich nicht vor, da es eine freie Entscheidung eines privaten Veranstalters ist, zu sagen – deshalb stelle ich es klar, und vielen Dank auch für die Nachfrage –, was eine gefährdete Veranstaltung ist und dass man die Daten ausgleichen kann. Wir haben nur eines nicht gemacht: Wir haben der sächsischen Polizei nicht die Möglichkeit in die Hand gegeben zu sagen, das ist eine gefährdete Veranstaltung und da müsst ihr eine Zuverlässigkeitsprüfung durchführen.
Nur dann, wenn vom Veranstalter her der Wunsch kommt, weil er seine Veranstaltung für besonders gefährdet hält, haben wir eine Ermächtigungsgrundlage, und die Polizei muss die weiteren Voraussetzungen, die in der Norm genannt sind, erst einmal überprüfen, ob überhaupt eine Gefährdungslage vorliegt, ob es erforderlich ist, diese Zuverlässigkeitsprüfung durchzuführen, und dann ist sehr genau bestimmt, dass nur eines mitgeteilt werden darf: ob Bedenken gegen die Zuverlässigkeit bestehen. Es wird nicht mitgeteilt, wo diese Bedenken herrühren. Wir haben ausdrücklich Wert darauf gelegt, dass die Betroffenen darüber informiert werden.
Herr Kollege Lichdi, zur Kennzeichenerkennung: Sie sprechen davon, dass wir hier etwas Neues einführen, was über das Internet gemacht wird. Das hat überhaupt nichts mit dem Internet zu tun. Das Internet spielt dabei keine Rolle. Alle Daten werden direkt vor Ort abgeglichen. Es wird keine Internetleitung zu irgendwelchen Großrechnern geschaltet. Es wird kein Datenabgleich vorgenommen, sondern die Kennzeichen, die früher ein Polizist bei einem geringeren Verkehrsaufkommen im Kopf gehabt hat, hat jetzt eine Kiste gespeichert, und die erkennt das Kennzeichen und fischt das Auto heraus, das eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Mehr haben wir nicht gemacht. Ich denke, das ist angemessen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich möchte das Rätsel auflösen. Die Rasterfahndung, die Kollegen Biesok nicht bekannt war, war die Rasterfahndung, die die sächsische Polizei nach dem 11.09.2001 durchgeführt hat. Dabei wurden alle Männer zwischen 20 und 45 Jahren erfasst, in ein Raster gepresst, und dort sollten sogenannte Schläfer gefunden werden. Erfasst wurden insgesamt 775 000 Personen. Von denen gab es dann Anhaltspunkte so etwa in dem Bereich von hundert. Diese wurden dann vom LKA weiter überprüft, und dann wurde an das Bundeskriminalamt im Bereich von 13 – so denke ich – weitergeliefert. Herausgekommen ist kein
einziges Ermittlungsverfahren. Null, niente, gar nichts. Das mag illustrieren, wie wichtig dieses Instrument tatsächlich ist. Es bringt gar nichts. Es bedeutet aber zugleich eine massenhafte Erfassung praktisch der gesamten Bevölkerungsteile.
Ich würde mir einfach wünschen, dass der angeblichen Rechtsstaatspartei FDP dies bekannt ist und sie daraus ihre Schlüsse zieht.
Herr Lichdi, es ist wieder einmal lehrreich, darüber zu diskutieren. Es waren nämlich die Anschläge auf das World Trade Center, die die Polizei veranlasst haben, diese Maßnahme zu ergreifen. Wer die Bilder am letzten Wochenende gesehen hat und noch einmal nachvollzieht, wie viele Menschen dabei zu Tode gekommen sind, wie die Familien betroffen sind, wird zugeben, dass es dann auch einmal angemessen ist, eine präventive Rasterfahndung durchzuführen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Bandmann und Kollege Biesok! Das Angenehme, das Lebenswerte und für mich auch das Lernenswerte an dieser Bundesrepublik Deutschland nach 1990 war ja gerade die Rechtsstaatlichkeit, weil in der Bundesrepublik Deutschland immer die Verabredung galt, dass alle Eingriffsrechte des Staates sich an den Grundrechten der Bürger zu messen haben und dass im Zweifel die Grundrechte den Vorrang haben. Sie sind auf einem Weg – wir haben es längst geschafft –, es umzukehren. Das ist das Problem.
Diesen Weg setzen Sie mit diesem Polizeigesetz fort. Das Problem ist doch: Bei jedem Kriminalbeamten, bei jedem Fahnder werden Ihre Vorhaben immer auf fruchtbaren Boden fallen, wenn Sie ihm sagen: Wir geben euch das gesamte Klavier, das gesamte Instrumentarium für die polizeiliche Arbeit, das denkbar ist. Das ist zum Beispiel mit den Anti-Terrorgesetzen, mit den Anti-Terror-Paketen nach dem 11. September 2001 gemacht worden.
Wenn wir jetzt über Handygate Dresden sprechen im Zusammenhang mit Versammlungsgeschehen, dann sprechen wir über ein Instrumentarium, das im Dezember 2001 in das Gesetz kam, in die Strafprozessordnung. Jetzt nehmen wir es für Sachbeschädigungsdelikte, für Beleidi
gungsdelikte, für Versammlungsdelikte. Was jetzt passiert, ist, dass sie Teile dieser Eingriffsrechte ins Gefahrenabwehrrecht hineinbasteln, noch mehr Teile. Das ist das Typische an diesem Gesetzentwurf, und das ist auch das Verfassungswidrige an ihm. Deshalb werden Sie auch mit ihm scheitern, wie nach 1990 mit den Polizeigesetzentwürfen, vor dem Verfassungsgericht. Sie vermischen zunehmend Prävention, Gefahrenabwehr mit Repression, die einen ganz anderen Zuständigkeitsbereich hat.
Wenn ein Kind oder eine Frau als Geisel genommen wird, wenn eine Vermutung besteht, dass in einer Wohnung – von wem auch immer – ein Mensch als Geisel festgehalten ist, gibt es ganz klare Straftatbestände, und eine ganz klare Regelung, was da passiert. Ich hole mir beim Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluss. Wenn das zeitlich nicht möglich ist, hole ich mir beim Staatsanwalt eine Zustimmung und die StPO sagt sogar, wenn das dann nicht mehr möglich ist, dann darf das sogar der Kriminalist im Einzelfall entscheiden.
Aber das ist geregelt, das ist Repression, das ist Strafverfolgung. Sie wollen aber jetzt in den § 25 etwas hineinbasteln. Ich nenne jetzt nur exemplarisch – – Ich weiß, dass es wenig erfolgreich ist, Sie aufzuhalten. Ich weiß, dass mein Kollege Lichdi recht hat, dass wir dies wieder vor dem Verfassungsgericht austragen müssen. Ich weiß, dass das wieder der Steuerzahler bezahlen muss. Aber nichtsdestotrotz, und wenn es nur der Pragmatismus ist zu sagen, will ich dem Verfassungsgericht wenigstens beweisen, dass wir versucht haben, die Debatte im Hohen Hause in der Sache zu führen.
Wenn Sie jetzt im § 25 – der soll ja auch bleiben – sagen, die Polizei kann durchsuchen, wenn in Gewahrsam genommen werden darf, wenn jemand drinnen ist, widerrechtlich festgehalten wird, wenn jemand infolge Hilflosigkeit an Leib und Leben gefährdet ist, und eine Bestimmung aufnehmen, die folgenden Wortlaut haben soll: „Die Polizei darf auch durchsuchen (ohne richterliche Genehmigung, ohne staatsanwaltliche Konsultation usw.), wenn es darum geht, eine mutmaßlich widerrechtlich festgehaltene Person aufzufinden, wenn ein Wohnungsinhaber wegen einer Straftat gegen das Leben, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt wurde, soweit wegen der Straftat noch eine Eintragung im Bundeszentralregister vorhanden ist und die Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein nichträumlicher Bezug zwischen der Verurteilung des Wohnungsinhabers und dem Verschwinden der betreffenden Person besteht. Das Gleiche gilt, wenn der Wohnungsinhaber wegen einer solchen Straftat nur deshalb nicht verurteilt worden ist, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen war.“
Da frage ich: Welcher Polizeibeamte soll das in einer normalen Lebenssituation erstens überhaupt erfassen und zweitens anwenden? Er braucht nicht nur alle Schulen des mittleren und gehobenen Dienstes zu durchlaufen, er muss dazu wenigstens das erste Staatsexamen haben.
Da ist doch ein Tatbestand im Zusammenhang mit polizeilichen Eingriffsbefugnissen, die auch lebenssituativ immer ganz dynamisch wahrzunehmen sind, der mithin ganz lebensfremd ist.
Diese Regelung ist weder für den Anwender Polizeibeamter geeignet, und noch schlimmer ist, dass der Rechtsbetroffene, der Inhaber der Wohnung – Wohnung ist, so sagt das Verfassungsgericht, der letzte Rückzugsraum des Bürgers, in den nur in allergrößten Ausnahmefällen eingegriffen werden kann – überhaupt keine Chance mehr hat, ohne dass er permanent anwaltlich begleitet wird, noch gewissermaßen herauszufinden, ob zu Recht oder zu Unrecht gehandelt wird.
Das sind Entwicklungen, die letzten Endes nur noch einem Prinzip frönen: Der Zweck heiligt die Mittel. Das hat nichts mehr mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu tun.
Das kollidiert mit dem Artikel 13 Abs. 7 des Grundgesetzes. Das ist klipp und klar vom Bundesverfassungsgeber aufgeschrieben. Es kollidiert auch mit unserer eigenen Norm, dem Artikel 30 der Sächsischen Verfassung zur Unverletzlichkeit der Wohnung.
Nehmen Sie Abstand von dieser Sache! Das ist überhaupt nicht gegen die Handlungsmöglichkeiten der Polizei gedacht. Das ist in keiner Weise dazu gedacht, es den Polizeibeamten bei ihrer komplizierten Aufgabenlösung in irgendeiner Form schwerer zu machen; sondern wir machen hier etwas, was nicht hineinpasst und was es im Gegenteil dem Polizeibeamten kaum noch ermöglicht, sachgerecht und aufgabenkonkret das zu machen, was ihm als Beamten zukommt, nämlich Gefahrenabwehr.
Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Wenn das nicht der Fall ist, frage ich die Staatsregierung. – Herr Minister Ulbig, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sicherheit ist die Voraussetzung und die Basis für Lebensqualität, und die Menschen in unserem Lande erwarten das. Die Polizei setzt sich einerseits Tag für Tag dafür ein, Sicherheit für jeden Einzelnen zu schaffen, ohne die Freiheit des Einzelnen einzuschränken. Über dieses Spannungsfeld ist gerade offen diskutiert worden. Das Sächsische Polizeigesetz regelt eben gerade Maßnahmen, damit die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig wird und nicht Dinge, die im Rahmen der Strafprozessordnung des Bundes, die bei Maßnahmen der Strafverfolgung gilt, zugrunde legt.
Das Polizeigesetz ist auch kein Gesetz, welches sich dem schnellen Wandel unterzieht. Wenn man es sich anschaut, ist die letzte große Novelle im Jahre 1999 durchgeführt worden. Es gibt aber einige aktuelle Gründe, weshalb
diese Veränderung, die Anpassung notwendig ist: einerseits die Anpassung bezüglich der veränderten Rechtsprechung, ganz besonders in Richtung Bundesverfassungsgericht, auch eine Anpassung im EU-Recht und bei den Strukturen des Bundes, hier die Anpassung an die Zollverwaltung, das Thema Koalitionsvertrag und mobiles Kennzeichenerkennungssystem und die beiden vom Datenschutzbeauftragten angeregten Veränderungen.
Über die Wirksamkeit des automatisierten Kennzeichenerkennungsgerätes ist schon einiges gesagt worden, aber es ist in Zweifel gezogen worden, dass es in Sachsen sinnvoll sei, ein solches Gerät einzusetzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erinnere nur an manche Debatte, die wir zum Thema Kfz und Kfz-Diebstähle hatten und dass wir anders als Bremen oder andere Beispielländer, die hier angesprochen worden sind, über eine Grenze von 577 Kilometern verfügen und in diesem Bereich das Kennzeichenerkennungsgerät in Zukunft durchaus eine wirksame Unterstützung bieten wird.
Bezüglich der Problematik der Haftpflichtversicherung – Herr Biesok, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie so intensiv dazu ausgeführt haben – möchte ich nur noch ergänzen, dass sich das Bundesverfassungsgericht gerade mit dieser Thematik befasst hat und dass auf der Ebene des Bundesverfassungsgerichtes bestätigt worden ist, dass in diesen Fällen ein Kennzeichenerfassungsgerät eingesetzt werden kann.
Bezüglich der Problematik der Alkoholverbotszonen gibt es nur noch wenig zu ergänzen. Es ist klar, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, aber auf der anderen Seite gibt es auf der Ebene der Städte und Gemeinden ganz konkrete abgegrenzte Gebiete, in denen eine solche Verordnung zum Tragen kommen wird. Aus diesem Grunde begrüße ich diese Regelung gleichermaßen.
Abschließend zum Thema Akkreditierungsverfahren. Hier geht es wirklich nicht darum, dass eine neue Eingriffsbefugnis geschaffen wird, sondern es geht lediglich darum, dass diese seit Jahren durchgeführte Art und Weise nunmehr eine rechtliche Grundlage bekommt. Die Betroffenen willigen übrigens in die Akkreditierung ein und die Polizei übermittelt dann den Veranstaltern, ob Bedenken bestehen oder nicht.