Protocol of the Session on September 14, 2011

Wie haben bereits gehört, worum es im Kern geht: Verlieren 35 oder 19 Musiker ihre Stelle? Wie hoch sind die Abfindungen für die zu Entlassenden? Werden die Übernommenen nach Tarif bezahlt oder nicht? Wie wird sichergestellt, dass der neue Arbeitgeber sich an der Altersvorsorge beteiligt? Vor allem aber: Wie ist sichergestellt, dass er nicht unterfinanziert ist und als privates Unternehmen nicht Gefahr läuft, insolvent zu werden, zum Beispiel durch einen verregneten Sommer und deshalb einbrechende Zuschauerzahlen bei der Freilichtbühne Rathen.

Bei solch existenziellen Problemen der Betroffenen auf Tauchstation zu gehen, wie es die Staatsregierung tut, ist ein politisches Armutszeugnis. Aber für Sachsen als Kulturland und für seine musikalische Traditionspflege steht viel auf dem Spiel.

Es ist schön, mit der Staatskapelle Dresden und dem Leipziger Gewandhausorchester internationale Spitzenensembles zu haben, die beide übrigens hoch subventioniert sind und bei denen das Jahresgehalt des neuen Generalmusikdirektors Thielemann in Dresden höher liegen wird als die eine Million Euro, die fehlt, um die Musiker zu halten und damit die erforderliche Doppel-Spielfähigkeit der Neuen Elblandphilharmonie zu gewährleisten.

Wer die Programme der Elblandphilharmonie und der Landesbühnen liest, ist von der thematischen und künstlerischen Vielfalt ebenso beeindruckt wie vom Wirkungsradius und der Spielstättenvielfalt. Wer ein Mindestmaß an Verantwortung für den ländlichen Raum bewahrt, hat dafür Sorge zu tragen, dass gerade dieses letzte Schmuckstück der Hochkultur für die Landkreise Meißen und Sächsische Schweiz/Osterzgebirge erhalten bleibt.

Wenn man den Zustand einer Gesellschaft an dem Stellenwert misst, den sie der Förderung der Hochkultur zukommen lässt, dann sagt das Agieren der Staatsregie

rung viel über den kulturellen Niedergang im Freistaat aus. Die Streicher sitzen hier nicht in den Orchestern, wo sie eigentlich hingehören, sondern in der Regierung. Sie wäre ein einziges Streichorchester, wenn sich nicht auch Pfeifen darunter befinden würden.

Auch die NPD fordert die Staatsregierung auf, sich den Bemühungen der beiden Landkreise und der Stadt Radebeul anzuschließen und die benötigen Mittel bereitzustellen, damit das neue Orchester eine reelle Chance hat.

Wenn nicht, dann haben die entlassenen Musiker wenigstens die Genugtuung, dass der Koalitionspartner FDP auf jeden Fall noch vor der Novum GmbH Insolvenz anmelden wird.

Die NPD wird dem SPD-Antrag zustimmen.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 11

Flüchtlinge aufnehmen – Rahmenbedingungen für dauerhafte Neuansiedlung Schutzbedürftiger aus Drittstaaten schaffen

Drucksache 5/5921, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen.

(Jürgen Gansel, NPD: Allein der Titel ist eine Frechheit! – Weitere Zurufe von der NPD)

Die Reihenfolge ist Ihnen bekannt. Wir beginnen mit der einbringenden GRÜNEN-Fraktion. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Frau Herrmann, Sie bringen den Antrag für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein. Sie haben das Wort.

(Andreas Storr, NPD: Da könnt ihr praktische Hilfe leisten, auf eure Kosten! – Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

(Präsidentenwechsel)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast pünktlich zu Beginn der „Tagesschau“

(Christian Piwarz, CDU: Gut, dass Sie uns daran erinnern!)

möchte ich Sie an die Bilder in den Medien erinnern, die wir in der letzten Zeit immer wieder sehen mussten. Es waren Bilder von ausgemergelten Menschen im Südwesten Afrikas. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind ja keine neuen Bilder. Auch in der Vergangenheit sind wir immer wieder mit den furchtbaren Auswirkungen von Trockenheit, Überflutung und nachfolgend Hunger und Krankheit konfrontiert worden.

Die Spendenbereitschaft der Menschen in Deutschland ist angesichts solcher Tragödien immer groß. Auf politischer Ebene wurde die Bekämpfung des Hungers in der Welt zu einer wichtigen Aufgabe. Allerdings sind die avisierten Ziele bisher nicht eingehalten worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da stellt sich die Frage: Auf welche Weise haben wir in Deutschland, in Europa Verantwortung, für diese Menschen Zeichen der Hoffnung zu setzen? Meist machen wir uns nicht klar, dass die verschiedenen Katastrophen, die weltweit zu riesigen

Flüchtlingsströmen führen, nicht einfach abebben, wenn diese Bilder aus den Medien verschwunden sind und die akute Gefahr vorbei ist.

Viele dieser Menschen sind längst heimatlos.

(Andreas Storr, NPD: Die Deutschen sind auch irgendwann heimatlos!)

Sie leben in Flüchtlingslagern und sind auf die dauerhafte Versorgung durch die Weltgemeinschaft angewiesen, weil sie eben nicht in ihre Dörfer, in ihre Staaten zurückkehren können oder dazu persönlich nicht in der Lage sind. Ohne eine Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben sitzen sie in provisorischen Lagern unter katastrophalen Bedingungen fest, und immer neue politische Krisen, Kriege und andere existenzielle Nöte zwingen jedes Jahr aufs Neue viele Tausend Menschen zur Flucht.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Tatsache ist der Hintergrund der Kampagne „Save me“, die übrigens ihren Ausgangspunkt in Bayern hat, und ist ebenso der Grund für den Antrag, den wir heute hier im Plenum beraten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt sich dafür ein, dass in Deutschland im Rahmen eines Neuansiedlungsprogramms, eines Resettlement-Programms, Flüchtlinge aus den Krisengebieten der Welt aufgenommen werden. Sachsen soll sich gegenüber dem Bund zu seiner humanitären Verpflichtung bekennen, seine Aufnahmebereitschaft bekunden und dabei die Kommunen mit ins Boot holen, um eine gelingende Integration vor Ort sicherzustellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fordern mit dem Antrag nichts, was uns über Gebühr belasten würde, und nichts, was für uns in Sachsen, in Deutschland unzumutbar wäre. Wir, die wir weder Hunger leiden noch von schwerwiegenden Naturkatastrophen betroffen sind, die wir in einem demokratischen Rechtsstaat leben, wir sind aus demokratischen und humanitären Gründen verpflich

tet, schutzbedürftigen Flüchtlingen eine Lebensperspektive in unserem Land zu bieten.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Seien wir doch mal ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Bilder und Berichte machen die allermeisten von uns betroffen. Wir versuchen die Not etwas zu lindern und folgen den Spendenaufrufen der Wohlfahrtsverbände und Nichtregierungsorganisationen. Viel mehr können wir nicht tun, meinen wir immer. Manche allerdings wollten sich damit nicht zufrieden geben. Sie haben sich „Save me“ angeschlossen und sie wollen Paten sein für besonders schutzbedürftige Menschen, die eine neue Heimat eben auch in Deutschland finden könnten.

Denjenigen, die nun fürchten, dass mit der Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen dieses Programms gemeint sei, wir öffnen unsere Türen für eine unüberschaubare Masse an Menschen,

(Alexander Delle, NPD: Nein!)

denjenigen, die nun zigtausende Flüchtlinge bei uns ankommen sehen, sei gesagt: Diese Resettlement-Programme bedeuten gerade nicht, dass wir ad hoc Flüchtlinge aufnehmen, sondern dass wir jedes Jahr planmäßig ein bestimmtes Kontingent an besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen in unserem Land aufnehmen

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

und diesen Menschen Sicherheit, ein Zuhause, ein menschenwürdiges Leben und vor allem eine Perspektive für ihr eigenes Leben bieten.

(Andreas Storr, NPD: Wer soll das bezahlen?)

Seit vielen Jahren stellen sich Staaten dieser Aufgabe. Es gibt Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge. Traditionell sind das vor allem die USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Aber immerhin zehn Mitgliedsstaaten der EU, namentlich Dänemark, Finnland, Niederlande, Norwegen, Schweden, Irland, Island, Portugal, Frankreich, Rumänien, Großbritannien und die Tschechische Republik, nehmen jährlich spezifische Kontingente schutzbedürftiger Flüchtlinge auf und integrieren sie in die Gesellschaft, und zwar mit Erfolg.

Die Zahl der Personen, die jedes Jahr aufgenommen werden, ist unterschiedlich. In Portugal sind es zum Beispiel 30 Flüchtlinge, in Frankreich circa 350 bis 450, in Rumänien sind es 40 und in der Tschechischen Republik 30 Menschen. Bedingung für diese Aufnahme ist grundsätzlich, dass das UN-Flüchtlingshochkommissariat vor Ort im Zufluchtsland eine Person als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkennt.

Darüber hinaus vermittelt der UNHCR nur solche Flüchtlinge an Aufnahmestaaten, bei denen eine besondere Schutzwürdigkeit festgestellt wurde. Dazu zählen Folteropfer, traumatisierte Flüchtlinge und kranke Menschen, die im Zufluchtsstaat nicht adäquat behandelt werden können. Zu den besonders Schutzbedürftigen gehören

auch Frauen, die während der Flucht und später in den Flüchtlingslagern und provisorischen Unterkünften häufig besonderen Risiken ausgesetzt sind, insbesondere dann, wenn sie alleinstehend und alleinerziehend sind.

Weitere Personen, die ebenfalls bevorzugt für eine Neuansiedlung infrage kommen, sind minderjährige oder ältere Flüchtlinge sowie Personen, die bereits Familienangehörige in einem Aufnahmeland haben. Flüchtlinge aber, die eigenständig den Weg in ein europäisches Land geschafft haben, werden in der Regel nicht von einem Neuansiedlungsprogramm erfasst, sondern sie müssen, um Schutz zu finden, ein Asylverfahren in Deutschland erfolgreich durchlaufen.

Die Aufnahme ist damit verbunden, dass der UNHCR den Staaten die Flüchtlinge vorschlägt, diese im Rahmen einer Freiwilligenquote bestimmte Personengruppen aufnehmen und der Aufnahme jedes einzelnen Flüchtlings zustimmen müssen.

Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig, dass wir auch in Deutschland ein Zeichen setzen. Ich bitte Sie schon jetzt um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich freue mich jetzt auf eine angeregte Diskussion dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion Herr Seidel; bitte.