Protocol of the Session on September 14, 2011

Abschließend ist aus meiner Sicht klar, dass die größte Gefahr für die Demokratie von denjenigen ausgeht,

(Andreas Storr, NPD: Von Ihnen geht die größte Gefahr aus!)

die meinen, sie in ihrer vermeintlichen Verteidigung beschneiden zu dürfen, die von einer vermeintlichen Mitte aus Andersdenkende verdächtigen oder verfolgen. Mit den Mitteln des Rechts muss und werden dem noch weitere Grenzen gesetzt werden.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Fraktionen haben noch einmal die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. Ich frage die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ob noch einmal das Wort gewünscht wird. – Dann hat das Wort die CDU; Herr Hartmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! So richtig kann man dieser Diskussion an verschiedenen Stellen nicht mehr folgen. Besonders beeindruckend ist es, wenn man sich hierher stellt und als Erstes feststellt, dass das zwei völlig getrennte Verfahren sind: das eine, was am 19. Februar 2011 in Dresden passiert ist, und das andere: das Ergebnis, was angeblich im Bereich der Ermittlungen läuft. Meine Damen und Herren, in der Tat ist es aber so, dass das eine das andere ursächlich bedingt.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Die Tatsache, warum man überhaupt auf die Idee gekommen ist, diese Funkzellenabfrage zu machen, ist der 19. Februar: Diese Bilder haben Sie hoffentlich verinnerlicht. Ich finde es schon etwas peinlich, wenn ich hier die Verniedlichung wahrnehme, es hätte damit nichts zu tun und es ginge nur um Beleidigung, und die Frage, ob es wirklich so viele verletzte Polizisten gab. Das ist schon unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Es gab diese schweren Ausschreitungen und es geht hier tatsächlich um die Frage einer Verhältnismäßigkeitsbewertung, die immer wieder angemahnt wird. Es wird gesagt, wenn so viele Menschen betroffen sind, dann sei das unverhältnismäßig. Ich finde, dass Herr Avenarius am 07.07.2011 einen sehr treffenden Satz gesagt hat: Die Anzahl derjenigen, deren Verbindungsdaten festgestellt werden, kann doch nicht der alleinige Maßstab sein. Mindestens genauso entscheidend ist doch das Gewicht der Tat, um die es geht.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hartmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Bonk.

Frau Bonk, bitte schön.

Vielen Dank. – Herr Kollege, ich nehme auf Ihren ersten Punkt Bezug. Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass es keinesfalls um eine Verharmlosung oder In-Abrede-Stellung der von Ihnen genannten Tatvorwürfe gegangen ist, sondern vielmehr um die Feststellung, dass es in den ersten Übersichten über eröffnete Ermittlungsverfahren noch gar keine Hinweise und Aufzeichnungen derer, die sich mit der Verletzung von Polizisten beschäftigt haben, gegeben hat, und wir als Opposition gefragt haben: Gehört es nicht zur Sorgfalt gegenüber den Beamtinnen und Beamten, das zu verzeichnen? Insofern ist das keineswegs eine Frage der Verharmlosung, sondern tatsächlich eine Frage der Offenlegung und Transparenz der Verfahren.

Frau Bonk, ich nehme Ihre Ausführungen zur Kenntnis.

(Heiterkeit bei der CDU und der NPD)

Zurück zum Thema. Bei der Funkzellenabfrage geht es also auch um die Frage der Verhältnismäßigkeit zur Tat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach meiner Überzeugung ist es in einer Situation, in der Sie von undefinierten Tätern aus der Masse heraus Steinwürfe auf Polizisten, Pyrotechnik in zerrissenen Straßen, demolierte Autos erleben, in der Sie Bilder aus Dresden sehen, die kein Mensch verantworten kann und braucht, durchaus gerechtfertigt, auch dieses Mittel in Ansatz zu bringen.

Worum ging es denn? Es ging um die Erfassung von Datensätzen für die weiteren Ermittlungen, und nicht um deren Auswertung. Es ging zunächst ganz klar um die Erfassung der Datensätze im Zusammenhang mit diesen Straftaten. Was Sie jetzt erleben, ist eine Diskussion, die die Täter zu Opfern und die Opfer zu Tätern macht.

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Ich denke, dass es an der Stelle nicht nur um die Frage geht, welche vermeintlichen Fehler die Ermittlungsbehörden gemacht haben, und dabei auszusparen, welche Gewalttaten gelaufen sind. Was mich etwas stört, ist die Deutungshoheit, deren sich dieses Hohe Haus hier annimmt; denn ich erlebe es die ganze Zeit: Herr Lichdi, in Ihrem Antrag kann man es nachlesen: Wir stellen schon mal fest, dass der Landtag zur Kenntnis nehmen möge, es wäre rechtswidrig. Ich kenne die Ermittlungsergebnisse abschließend noch nicht.

Dann bin ich bei der Position des Rechtsstaates. Der Rechtsstaat hat sein Verfahren gewählt, und dazu bedarf es nicht der Dialektik dieses Hohen Hauses.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Das Verfahren definiert sich über einen Antrag, den die Polizei auf der Grundlage eines Tatverdachtes bei der Staatsanwaltschaft einreicht und die Staatsanwaltschaft nach Prüfung diesen dann einem Richter zur Entscheidung vorlegt. So ist es auch in diesem Fall gewesen: In dem einen Fall mit Änderungen, in dem anderen ohne, aber es hat diese Prüfung gegeben. Wir unterstellen jetzt, dass ein Richter blanko unterschrieben hätte und stellen das System in Abrede.

Meine Damen und Herren, selbst wenn es so wäre, wovon ich nicht ausgehe, dann ist es genau die Justiz selbst, die die Mechanismen hat, um entsprechend mit einem Hinweis, einer Klage im Rechtsprüfungsverfahren festzustellen, dass diese richterliche Entscheidung so möglicherweise nicht zulässig war. Dann ist es so, Herr Bartl, wie Sie es gesagt haben: dass ein oberrichterliches Gericht feststellt, dass diese erstinstanzliche Entscheidung möglicherweise infrage zu stellen war.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Es wird genau das passieren!)

Aber ich denke, dass das genau der Justiz obliegt. Ich finde es schon spannend, wenn wir in diesem Haus erleben, dass ein sächsischer Staatsminister des Innern aufgefordert wird, klar auf die Handlungsweise seiner Polizeibehörden Einfluss zu nehmen, und der Justizminister gleich noch mit angehalten wird, dass er entsprechend auf die Richter einwirken soll, solche Entscheidungsprozesse zu treffen.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Meine Damen und Herren, es ist nicht Aufgabe und Zuständigkeit des Staatsministers, diese Verfahren, die

durch rechtsstaatliches Handeln geprägt sind, in Abrede zu stellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zur Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten. Ja, meine Fraktion nimmt die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten sehr ernst; denn er ist ein Gremium, das uns beratend zur Seite steht und auch darauf hinweisen soll, wenn Fehler, Mängel eingetreten sind. Meine Damen und Herren, natürlich hat diese Funkzellenabfrage – die Intensität, das Ausmaß – Fragen aufgeworfen, auf die wir Antworten finden müssen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Ich finde die Hinweise des Datenschutzbeauftragten – man kann sie dialektisch so oder so drehen – in der Sache hilfreich und förderlich. Man wird jetzt überlegen, wie man damit umgeht. Einen Großteil, zumindest nach meiner Auffassung, hat die Staatsregierung schon aufgegriffen, indem sie mit ihrer Bundesratsinitiative der Frage der Klarstellung, welche Straftaten betroffen sein sollen, und die entsprechenden Handlungshinweise und die Rechtssicherheit im Verfahren zu geben, gefolgt ist.

Ich glaube aber trotzdem nicht, dass es zum Schluss so dogmatisch herstellbar ist, dass – mit allem Respekt vor den Hinweisen des Datenschutzbeauftragten – die fünf obergerichtlichen Entscheidungsprozesse hinsichtlich Altmetallklau oder Handyerfassung mit den Dresdner Verhältnissen an dieser Stelle tatsächlich abschließend vergleichbar sind. Da bin ich wieder bei Herrn Avenarius, der sagt: Nicht allein die Anzahl ist entscheidend für die Betrachtung der Verhältnismäßigkeit, sondern die Tat.

Meine Damen und Herren, lassen Sie doch den Rechtsstaat an dieser Stelle sachlich, vernünftig und konsequent mit seinen Institutionen seine Arbeit machen. Ich denke, damit sind wir alle gut beraten. Die Instrumentalisierung dieses Verfahrens ist nicht förderlich. Die Aufklärung läuft. Auch der Hinweis sei gestattet: Die Hinweise des Datenschutzbeauftragten hat er doch nicht in mühseliger Kleinarbeit, akribisch mit Geheiminstitutionen erarbeitet, sondern er hat sie völlig transparent von den zuständigen Stellen zugearbeitet bekommen und konnte damit seine Bewertung vornehmen.

Das heißt, es ist doch eine Transparenz da, und es müssen hier nicht irgendwelche geheimen Informationen beschafft werden. Insoweit nehmen wir die Hinweise des Datenschutzbeauftragten ernst. Der erste Schritt dazu ist gemacht.

Hören Sie doch auf, das Thema zu instrumentalisieren. Da draußen stehen 70 Leute, die jetzt der Meinung sind, diese Diskussion zu dem Abhör- und Gefahrenstaat Sachsen ist berechtigt. Ich habe einen Wahlkreis, in dem mich noch keiner darauf angesprochen hat. Aber ich muss Leuten Antwort darauf geben, meine Damen und Herren, warum bisher nicht konsequent darauf geachtet wird, dass solche Gewalttaten in Dresden nicht mehr stattfinden und dass

wir dazu beitragen, dass friedlicher Protest in dieser Stadt möglich ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich frage die SPD-Fraktion, ob noch Redebedarf besteht.

(Sabine Friedel, SPD, steht am Mikrofon.)

Bitte, Frau Friedel.

Ich würde gern auf einen Redebeitrag der Staatsregierung reagieren.

Sie möchten einen Redebeitrag halten, oder möchten Sie eine Kurzintervention?

Ich habe gerade einen Redebeitrag gehalten, der etwa 15 Sekunden lang war.

Die FDP-Fraktion; Herr Biesok, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Der Beitrag der Abg. Bonk gibt noch einmal Anlass, an das Mikrofon zu gehen. Ich lasse das hier nicht mehr durchgehen, wie so mitgegeben wird, dass die Polizei und die Justiz immer gegen ganz unschuldige Leute vorgehen.

Sie haben zuerst den Pfarrer aus Jena angesprochen. Dazu muss man hier im Hause klar und deutlich aussprechen, welcher Verdacht besteht. Er steht in dem dringenden Verdacht, Folgendes gesagt zu haben: „Deckt die Bullen mit Steinen ein!“. Das wurde etwa tausend Personen zugerufen. Das ist der Verdacht. Ob der Verdacht richtig ist oder nicht, muss noch geklärt werden. Dafür hat man Ermittlungsmaßnahmen eingezogen. Auch wenn es ein Geistlicher ist, darf jeder Strafprozess oder eine Maßnahme eingeleitet werden.