Protocol of the Session on September 14, 2011

Ich sage ganz offen, dass ich Herrn Schurig in dieser Frage nicht folgen kann, dass er von einer Beanstandung bezüglich der Einbringung der Verkehrsdaten der Blockierer abgesehen hat. Hier hat selbst die Staatsanwaltschaft Dresden gesagt, dass das rechtswidrig war. Wieso hier keine Beanstandung ausgesprochen wird, kann ich ehrlicherweise nicht nachvollziehen. Das zeigt aber, wie äußerst zurückhaltend und peinlich genau der Daten

schutzbeauftragte hier gearbeitet hat. Dieser Eindruck, den Sie hier erwecken, hier hätte Herr Schurig mit großem Schwung in Bausch und Bogen einfach mal so alles verworfen, ist schlicht und ergreifend die Unwahrheit.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Für mich war geradezu erschütternd, in dem Bericht nachzulesen, welche Auffassung die Polizeibehörde und die Staatsanwaltschaft in Dresden noch heute zu diesen Vorgängen haben. Herr Schurig zitiert über Seiten die Repliken der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Dazu sage ich mal ganz salopp: Da fällt man tot um.

(Martin Modschiedler, CDU: Das wäre schön!)

Da fällt man echt tot um.

Es ist unerträglich. Es ist unerträglich! Herr Modschiedler hat sich gerade gewünscht, dass ich tot umfalle, und der Herr Präsident bleibt da hinten sitzen. Vielen Dank.

Wir müssen hier ein Denken miterleben und nachvollziehen, da graust es einen. Da können Sie mal nachlesen. Die Polizeidirektion Dresden geht allen Ernstes bis heute davon aus, dass alle Menschen südlich des Hauptbahnhofs, ausnahmslos alle, Gewalttäter waren und es deswegen gerechtfertigt gewesen sei, ihre Verkehrsdaten zu erheben. Lesen Sie es doch nach!

(Widerspruch bei der CDU)

Sie beschuldigen die Mahnwachenteilnehmer an der Lukaskirche. Sie beschuldigen die friedlichen Demonstranten, und Sie haben es von Anfang an getan. Das ist eine Kriminalisierungsstrategie, die Sie ganz bewusst seit Februar hier fahren, und genau das wird hier aufgedeckt.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Wir müssen doch nur weiterlesen, welche absurden pseudorechtlichen Diskussionen hier von der Polizei geführt werden. Es könne nicht von einer Einschüchterung der friedlichen Demonstranten die Rede sein, da die Funkzellenabfrage ja heimlich erfolge. Was soll denn das heißen? Wenn wir also einen heimlichen Überwachungsstaat haben, von dem der Bürger gar nichts merkt, dann ist ja alles in Ordnung, oder was? Ich frage mich echt, wo Ihr Grundrechtsverständnis ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Wir haben weitere verstörende Details erfahren. Herr Schurig hat zu Recht beanstandet, dass die Daten, die vom Landeskriminalamt an die Soko 19/2 übermittelt worden sind, nicht nur Verkehrsdaten enthalten haben, sondern auch Bestandsdaten. Jetzt wissen wir, dass diese Daten aus dem Landeskriminalamt nicht nur am 19.02., sondern auch am 18. und am 13.02. erhoben wurden. Wir wissen auch, dass das Landeskriminalamt diese Strukturermittlungen mindestens seit dem Frühjahr 2010 durchführt. Wir wissen, dass das Landeskriminalamt zu vielen Gelegenheiten fast standardmäßig Funkzellenabfragen in Dresden durchgeführt hat.

Ich vermute – und ich bedauere, dass Herr Schurig das nicht aufgeklärt hat –, dass in diesem Datenpotpourri, was die Soko 19/2 bekommen hat, natürlich die gesamten Funkzellenabfragen und -auswertungen seit dem Osteranschlag 2009, seit der Funkzellenabfrage am 17. Juni 2010 und seit der Funkzellenabfrage beim Hechtfest im August 2010 kräftig untergerührt worden sind, weil – das sage ich Ihnen auf den Kopf zu – es Ihnen nicht um die Ermittlung der Gewalttäter und der Landfriedensbrüche geht. Ihnen geht es schlicht und ergreifend darum, hier eine gesamte Szene auszuforschen, sie zu verunsichern und zu kriminalisieren. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Inzwischen hat wieder ein hochinteressanter Vorgang stattgefunden. Am Freitag um 11 Uhr hatten wir Abgeordneten endlich das Gutachten. Das war mit ein paar Schwierigkeiten verbunden, dazu kommen wir später noch. Ich glaube, um 13 bzw. 14 Uhr war schon die Staatsregierung auf dem Markt und hat erzählt: Ja, ja, wir denken nicht darüber nach, wir nehmen uns das nicht zu Herzen. Nein, wir haben einen großen Professor aus Berlin beauftragt; der sagt, das stimmt alles nicht.

Heute haben wir in der Pressekonferenz erfahren, dass Herr Battis davon gar nichts wusste. Herr Ulbig geht an die Medien und sagt, Herr Battis widerspreche dem Gutachten. Herr Battis kennt diese Gutachten noch gar nicht und sagt: Mit mir wurde gar nicht telefoniert. Merken Sie denn nicht, wie lächerlich Sie sich machen?

(Vereinzelt Gelächter bei den LINKEN)

Aber es war natürlich sehr gut instrumentiert. Am Sonntag kam der Sächsische Richterverein, am Sonntag kam auch Herr Präsident Hagenloch. Heute früh kommt Herr Generalstaatsanwalt Fleischmann, und heute um 11 Uhr kommt Herr Battis. Dann versuchen wir doch mal, die Argumente ernst zu nehmen. Was sagt Herr Hagenloch? Was sagen die Richter? Sie sagen, es handle sich um einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Nun haben wir hier zum Glück ein Grundgesetz, eine Rechtsprechung und eine Auslegung. Dann wissen wir ganz genau, was Inhalt der sachlichen Unabhängigkeit der Richter ist.

Richterliche Unabhängigkeit heißt, sie unterliegt keinen Weisungen von irgendjemandem. Herr Schurig hat und kann das auch gar nicht: eine Weisung erteilen. Das ist absurd. Es gibt auch eine Kommentierung, die sagt, im Vorfeld einer Entscheidung soll ein Richter aber auch nicht unziemlich durch allgemeine Aufwallungen unter Druck gesetzt werden. Aber wenn die Entscheidung ergangen ist, dann ist natürlich jede richterliche Entscheidung auch der öffentlichen Kritik zugänglich und natürlich selbstverständlich auch der Kritik des Herrn Datenschutzbeauftragten, der ja ein Verfassungsorgan ist – was er aber genau aus Respekt vor dem Gericht unterlassen hat.

Wie man aus diesem Sachverhalt nun eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit zimmern kann, das bleibt wirklich Ihr Geheimnis. Die Frage ist zu stellen: Warum tun Sie das? Wenn ich mir das überlege und zurechtlege, dann komme ich einfach zu der Auffassung – ich habe keine andere Idee: Sie wollen tatsächlich die Arbeit des Datenschutzbeauftragten diskreditieren. Sie wollen die Institution des Datenschutzbeauftragten beschädigen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Sie steuern mit dieser Verhaltensweise – ich sage es ganz einfach – auf einen veritablen Verfassungskonflikt hin.

Uns ist – dies vielleicht zum Schluss – ein Redebeitrag in die Hände gefallen, der hier in diesem Hohen Hause im Jahre 2003 gehalten wurde. Ich kann mich diesen Ausführungen nur voll und ganz anschließen. Ich zitiere: „Das Verbot, die Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei der Verfolgung von Straftaten erst nach Abschluss des Strafverfahrens kontrollieren zu dürfen, wurde gestrichen. Damit verbleibt es auch in diesem Bereich beim bisherigen Verfahren. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte darf wie bisher die polizeiliche Tätigkeit im Bereich der Strafverfolgung zeitnah prüfen. Das halten wir auf diesem besonders wichtigen Gebiet der polizeilichen Tätigkeit für ganz klar erforderlich.“ Recht hat er, der Mann. Der Mann heißt Bandmann, Volker, und das war genau Ihre Auffassung. Das ist die Auffassung der CDU-Fraktion.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Warum halten Sie daran nicht fest? Sie wollen hier unseren Rechtsstaat beschädigen und nichts anderes. Lassen Sie endlich ab von diesem schändlichen Tun!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Bevor wir in der weiteren Aussprache fortfahren, eine Anmerkung: Herr Lichdi und Herr Modschiedler, ich werde dann anhand des Protokolls bezüglich der Äußerung des amtierenden Präsidenten überprüfen – Herr Lichdi, das betrifft auch Sie – und möglicherweise nachträglich gegen einen oder zwei Abgeordnete eine Ordnungsmaßnahme ergreifen.

Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Schiemann. Herr Schiemann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin meinem Vorredner sehr dankbar, dass er meinen Kollegen Volker Bandmann zitiert hat, und ich gehe einmal davon aus, dass das, was Volker Bandmann im Jahre 2003 gesagt hat, natürlich noch geltende Rechtslage im Freistaat Sachsen ist.

(Beifall bei der CDU)

Dennoch kann ich feststellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass meine beiden Vorredner deutlich zurückgerudert haben.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei den LINKEN)

Sie haben deutlich in Kenntnis der Unterrichtung durch den Datenschutzbeauftragten und sicherlich auch nach dem Erkenntnisgewinn der letzten Wochen zurückgerudert; denn wir haben ja sehr intensiv in den Sondersitzungen die Staatsregierung immer bis zur Grenze dessen befragt, was laufende Ermittlungsverfahren uns versagen und was uns dort an Informationsgehalt nicht vorgelegen hat. Dennoch glaube ich, es gibt ein Zurückrudern, weil man sich natürlich den Erkenntnissen auch der Unterrichtung des Datenschutzbeauftragten gegenübersieht, wozu mein Vorredner deutlich gemacht hat: Es gebe ein paar Ansätze, die ihm sehr gefallen, aber bei einigen Ansätzen könne er nicht verstehen, warum der Datenschutzbeauftragte das nicht anders, in eine entsprechende Kritik in Richtung Staatsregierung bzw. Staatsanwaltschaft, umgemünzt hat. Ich glaube, der Erkenntnisgewinn ist richtig. Dieses Zurückrudern ist da. Ich bleibe dabei, dass der Datenschutzbeauftragte des Freistaates Sachsen immer Respekt verdient hat und stets auch vor diesem Hohen Hause hatte und dass wir deshalb seine Unterrichtung auch ernst nehmen.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich erlaube mir dennoch, auf die eigentliche Situation zurückzukommen, –

Herr Schiemann – – es gibt keine Zwischenfragen.

– weshalb wir überhaupt über dieses Thema sprechen. Die Polizisten, die am 19. Februar ihre Haut zu Markte tragen mussten, hätten sicherlich gern Urlaub genommen oder sich einen freien Tag gegönnt, anstatt sich in ein Versammlungsgeschehen zu bewegen, wo sie mit Steinen, mit Holzlatten und Eisenstangen bis hin zu Feuerwerkskörpern beworfen wurden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist eben nicht so, dass es nur gewaltfreie Demonstrationen gegeben hat. Es hat gewaltbereite Frauen und Männer gegeben, die sich unter die friedlichen Demonstranten gemischt und dadurch eine Anonymität gesucht haben und vielleicht hofften, dass im Freistaat Sachsen in dieser Anonymität eben nicht eine Strafverfolgung stattfinden kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Wie viele sind es gewesen?)

Diese brutale Gewalt bei Versammlungen hat es im Freistaat Sachsen in der Hauptstadt Dresden bisher in diesem Ausmaß nie gegeben. Ich gehe einmal davon aus, dass es auch zur Redlichkeit gehört, dass meine beiden

Vorredner ein Interesse an der Strafverfolgung dieser schweren Straftaten haben müssen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich denke aber auch, dass die Polizei, die dort zwischen den Demonstranten gestanden hat, deutlich unsere Unterstützung verdient.

(Beifall bei der CDU – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Ja, natürlich!)

Ich möchte auf einen Aspekt hinweisen: Die Polizei und der damalige Einsatzführer, Polizeipräsident Hanitzsch, haben für Dresden schwierigere, gefährlichere Auseinandersetzungen mit ihrem besonnenen Handeln in dieser schwierigen Einsatzlage verhindert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt kommt der Ansatz, warum die Kritik vielleicht nicht in allen Bereichen gerechtfertigt ist. Wenn den Ermittlungsbehörden bereits im Vorfeld bekannt geworden ist, mit welchen Mitteln die Gäste aus Berlin, Bremen, Düsseldorf, Gießen, Gera, Magdeburg und vielen weiteren Städten zu Massenblockaden aufgerufen haben, dann ist es selbstverständlich, dass der Freistaat Sachsen auch entsprechend reagieren muss und eben mit diesem großen Aufgebot von 6 640 Polizisten dagegen vorgehen musste, um schwerere Straftaten zu verhindern.