Protocol of the Session on November 12, 2009

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Leben an den Schulen ging weiter. Die Freiheit wurde ausgelebt. Am 3. Oktober 1990 hat sich der Freistaat auf der Albrechtsburg in Meißen neu konstituiert. Zwei Wochen später hat sich der erste Landtag konstituiert. Das war eine neue Erfahrung in unserem Land. Bereits am 30. November legte die neue Regierung unter Ministerpräsident Kurt Biedenkopf einen Referentenentwurf für ein neues Schulgesetz vor. Eine neue Schule brauchte das Land.

Der damalige Staatssekretär Husemann sprach davon, dass wir eine parteiübergreifende Solidarität bei der Gestaltung dieses Schulgesetzes hatten. Lehrerverbände, Eltern, die Lehrerkollegen an den Schulen haben eifrig diskutiert, wie denn die neue Schule in unserem Land aussehen sollte. Der Kultusminister Matthias Rößler hat 1998 zurückblickend und zusammenfassend Folgendes festgestellt – ich darf dich an dieser Stelle einmal zitieren –: „In Sachsen war ein Schulsystem zu schaffen, das die Erfahrungen von 40 Jahren sozialistischer Einheitsschule in der DDR und 40 Jahren verschiedener Schultypen und Schulversuchen in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt. Ein großer Vorteil war dabei, dass wir etwas Neues schaffen konnten, ohne durch verkrustete Schulstrukturen oder eine Lobby in eine Richtung gezwungen zu werden.“

Natürlich war es ein Neuaufbruch. Wir haben die Berater aus Baden-Württemberg und Bayern hier gehabt. Die wollten eine bestimmte Richtung. Es gab Berater aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Die wollten eine andere Richtung. Es war immer die Richtung, die sie in ihren Ländern für richtig befunden hatten. Wir haben mit dem Schulgesetz einen neuen Weg eingeschlagen. Wir haben in Sachsen eine neue Mittelschule kreiert. Diese Mittelschule, die damals sehr skeptisch angesehen wurde, ist ein Erfolgsmodell geworden.

Wir haben in der Kultusministerkonferenz für das zwölfjährige Gymnasium gekämpft. Es wäre fast verhindert worden, aber die hohe Wochenstundenzahl von 265

wurde von allen Kultusministern festgeschrieben und wir haben das Gymnasium erfolgreich eingeführt. Jetzt ist unser Modell ein Modellversuch für ganz Deutschland.

Demgegenüber gab es in Deutschland mittlerweile eine 30-jährige Erfahrung mit einer Schule für alle, einer Gesamtschule, nur dass diese Erfahrung durchweg schlecht war, und dies sowohl bei den Leistungsergebnissen als auch bei der Schaffung von sozialer Integration und beim Erwerb sozialer Kompetenzen.

Meine Damen und Herren! Die jüngste Forsa-Umfrage, die uns vorliegt, zeigt, dass zwei Drittel der Deutschen ein gegliedertes Schulsystem wollen, und das nicht nur in den neuen Ländern, sondern auch in den alten Bundesländern. Eine klare Mehrheit ist gegen diese Einheitsschule, gegen die Gesamtschule. Selbst SPD-Anhänger sprechen sich laut der genannten Studie für unser Schulsystem aus.

Kollege Seidel, die Redezeit ist abgelaufen!

Wir haben also einen guten Grund, den erfolgreichen Aufbau unseres sächsischen Schulsystems auch in den kommenden Jahren weiter voranzubringen und noch vorhandene Defizite auszubauen.

Ich will abschließend die Gelegenheit nutzen, den Kolleginnen und Kollegen, die vor Ort jeden Tag an den Schulen das bewältigen müssen, was wir von ihnen verlangen – nämlich die Sächsinnen und Sachsen zu einem guten Leistungsniveau zu führen, unsere Kinder gut auszubilden –, von dieser Stelle aus recht herzlich zu danken.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Vielen Dank. – Als Nächster in der Runde spricht Kollege Herbst von der FDP; bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 20 Jahre Mauerfall, 20 Jahre Leben in Freiheit – das ist ein Jubiläum, auf das wir mit Recht stolz sein können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir können stolz sein, weil der Fall der Mauer, weil die Wende auch hier von Sachsen ausgegangen ist, weil Bürger in Dresden, in Plauen, in Leipzig und in vielen anderen Orten dafür gesorgt haben, dass sich das Regime nicht länger halten konnte, dass sich ein Gesellschaftssystem verändert hat und dass Grundrechte, die in der DDR nicht gegolten haben, in allen neuen Ländern in Ostdeutschland wieder eingeführt wurden.

Das Gesicht Sachsens hat sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Wenn wir ehrlich sind – ohne die Wende gäbe es keinen Freistaat, gäbe es keinen Landtag und wir würden heute nicht hier sitzen. Die Bürger Sachsens haben heute alle Rechte, die die DDR ihnen verwehrt hat.

An dieser Stelle möchte ich denen danken, die ihren Beitrag geleistet haben, dass die Mauer gefallen ist. Ich möchte ganz besonders denen danken, die große Opfer dafür gebracht haben, dass dieses Ereignis zustande kam.

(Beifall bei der FDP, der CDU, des Abg. Thomas Jurk, SPD, und der Staatsregierung)

Wir sollten nicht vergessen, dass es viele gab, die den Kampf für die Freiheit mit ihrem eigenen Leben bezahlt haben. Es gab andere, die haben Haftstrafen verbüßt. Es gab auch viele, deren berufliche Karriere zu Ende war. Es hat schon einen bitteren Beigeschmack, dass einige der Täter heute höhere Renten beziehen als einige der Opfer, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Karl Nolle, SPD: Es gab auch noch Reservekader!)

Herr Nolle, ich weiß nicht, wie Sie sich zu DDR-Zeiten verhalten hätten!

(Zurufe von der CDU: Ja, ja! – Beifall bei der CDU)

Es erforderte nämlich ein großes Maß an Zivilcourage, gegen das System aufzustehen und all das in Kauf zu nehmen, was viele DDR-Bürger am eigenen Leib und an ihrer Familie gespürt haben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Volker Bandmann, CDU: Für Herrn Nolle sind wir nicht auf die Straße gegangen! – Zurufe von der CDU)

Ich möchte denen danken, die die Wende hier möglich gemacht haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Nachbarn in Polen mit der Solidarność-Bewegung , dass die Ungarn die Voraussetzungen geschaffen haben, dass auch die DDR ein demokratisches Land werden konnte.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der Linksfraktion – Beifall bei der Staatsregierung)

Wenn man sich heute mit Ungarn und Polen unterhält, die nicht das Glück hatten, einen reichen Nachbarn zu haben, so sind sie trotzdem stolz, dass wir es gemeinsam geschafft haben, die Teilung Europas zu überwinden.

Meine Damen und Herren! In den vergangenen 20 Jahren hat sich in Sachsen unheimlich viel getan. Wenn man hier zum Fenster hinausschaut und die Elbe sieht, denkt man daran, wie zu DDR-Zeiten die Flüsse aussahen, wie die Luftverschmutzung war. Dann stellt man fest, dass wir trotz aller Probleme einen Riesenschritt nach vorn gemacht haben, und darauf können wir sehr stolz sein.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir hatten Innenstädte mit verfallenen Fassaden. Ganze Stadtviertel wären vermutlich abgerissen worden, wenn die Wende nicht gekommen wäre. Wir hatten eine Situation in Krankenhäusern und Pflegeheimen – jeder, der dort Angehörige besucht hat, wird sich daran erinnern –, die mit Menschenwürde wenig zu tun hatte. Das lag nicht an

den Menschen, die dort gearbeitet haben, sondern einfach an den baulichen Voraussetzungen. Auch das ist eine Veränderung, auf die wir sehr, sehr stolz sein können.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Nicht zuletzt haben wir heute Meinungsfreiheit. Wir haben Reise- und Pressefreiheit. Menschenrechte werden geachtet. Es gibt keine staatliche Willkür mehr. Der Drang zur Freiheit hat 1989 nicht nur eine Regierung hinweggefegt, sondern er hat ein Gesellschaftssystem ins Geschichtsbuch verbannt. Allen DDR-Nostalgikern sage ich: Es ist gut so, dass dies nur noch im Geschichtsbuch vorkommt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Natürlich hatte die Wende für viele auch eine persönliche Dimension. Nicht alle Bevölkerungsschichten, nicht alle Generationen konnten gleichermaßen profitieren. Wir wissen, dass diejenigen, die damals Ende 40/Anfang 50 waren, natürlich nicht mehr dieselben Chancen hatten. Aber es gab viele, die in hohem Maße davon profitiert haben. Ich selbst hatte die Gelegenheit, mein Abitur zu machen. Ich konnte im Ausland studieren. Das wäre früher nicht möglich gewesen. Das sind heute alles Selbstverständlichkeiten, meine Damen und Herren.

Kollege Herbst, denken Sie an die Redezeit.

Auch wenn die Wende für einige schwierig war, so hat sie doch für die allermeisten Vorteile gebracht. Einen Unterschied gibt es aber: Diejenigen, die heute von einer freien Gesellschaft profitieren, sind deutlich mehr als der kleine Kader, der zu DDR-Zeiten dazugehört hat.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Kollege Herbst.

Damit haben die Antragsteller das Wort ergriffen. Die weitere Reihenfolge in der ersten Runde: DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Aber ich habe schon das Signal erhalten, dass die Staatsregierung nicht das Wort ergreifen wird. Bitte, Herr Prof. Besier für DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stehe noch ganz unter dem Eindruck des gestrigen Tages. Ich meine nicht die Abstimmungen über Anträge, ich meine die über Personen, Personen, die als Vertreter des Sächsischen Landtages in die Stiftungen und Kommissionen entsandt werden sollen.

Stünde uns der Wahlkampf bevor, hätte ich das Verhalten der Mehrheit vielleicht noch nachvollziehen können.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Aber der Wahlkampf liegt doch hinter uns.

Die legitime, errungene Majorität sichert Ihnen für fünf Jahre die Macht.

(Peter Schowtka, CDU: Das war auch die freie Gewissensentscheidung! – Christian Piwarz, CDU: Reden Sie doch mal zum Thema!)

Warten Sie doch ab! – Es ist die Mehrheitsfraktion, die wie keine andere die Freude über die vor 20 Jahren errungene Freiheit zelebriert. In den Genuss dieser Freiheit sind aber alle gekommen: die Opfer wie die Schergen. Alle wollen heute an dieser Freiheit teilhaben, auch jene, die sie vor 20 Jahren noch als Niederlage erlebt haben. So sind Menschen. Im selben Atemzug, in dem sie nun dieses Fest der Freiheit begehen, wollen sie jedoch den ehemaligen Stützen des Regimes die Freiheit streitig machen,

(Uta Windisch, CDU: Das ist unerhört!)

die Freiheit, andere geworden zu sein, und das, obwohl sie sie kennen und in der vergangenen Legislaturperiode in Ausschüssen zusammengearbeitet haben. Sie wissen genau, dass diese Leute längst in dem neuen Gesellschaftssystem angekommen sind, auf dem Boden unserer freiheitlichen Verfassung stehen und ihren Sinneswandel in den vergangenen 20 Jahren mit ihrem Leben dokumentiert haben. Diese 20 Jahre sind für Sie anscheinend nichts. Sie aber möchten – jedenfalls in bestimmten Situationen wie dieser – jene 20 Jahre ungeschehen machen. Sie möchten den Augenblick der Revolution festhalten, gewissermaßen für immer konservieren und die Feindbilder von damals noch einmal auskosten.

(Christian Piwarz, CDU: Frechheit!)