Protocol of the Session on June 30, 2011

(Christian Piwarz, CDU: Ach!)

Wir fordern Sie auf, hier und heute offen und ganz konkret zu sagen, was Sie wegsparen wollen, und dabei auch die Konsequenzen zu benennen.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, der öffentlichrechtliche Rundfunk hat durch das Grundgesetz eine Entwicklungsgarantie. Er braucht auch eine Qualitätsgarantie. Wir fordern auch die Rundfunkanstalten auf zu überprüfen, wie sie ihren Auftrag besser als bisher und effizienter erfüllen können. Ebenso, wie sie sich um Sparmöglichkeiten bemühen müssen, müssen sie aber mit neuen Medienentwicklungen mitgehen können. Deshalb sind wir alarmiert, wenn die Fraktionen von CDU und FDP in ihrem Antrag auch die Rahmenbedingungen für Online-Angebote überprüft wissen wollen. Das kann nichts anderes heißen, als die Internetangebote noch weiter einzudämmen. Auch Ministerpräsident Tillich hat sich unlängst in einem Interview über die Internetaktivitäten der Sender Sorgen gemacht.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie scheinen sich noch in der medialen Steinzeit zu befinden.

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Die Medienkonvergenz schreitet voran. Die Grenzen zwischen einzelnen Medien lösen sich auf. Auf die Qualität und die Vielfalt der Inhalte kommt es an und nicht auf den Verbreitungsweg.

(Robert Clemen, CDU: Die sollen wir alle bezahlen!)

Natürlich, Herr Clemen. – Heute ist Rundfunk etwas anderes als noch vor einigen Jahren. Immer mehr Menschen nutzen Radio- und Fernsehangebote über das Internet. Bei den 16- bis 24-Jährigen sind es bereits 45 %. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen mit dieser Entwicklung Schritt halten, um ihren Auftrag zeitgemäß zu erfüllen und die Akzeptanz, insbesondere bei jungen Leuten, nicht zu verlieren. Sie müssen auch Inhalte in Form von Texten anbieten können. Außerdem kann doch schon heute niemand den Beitragszahlern erklären, warum von ihnen finanzierte Sendungen nur sieben Tage im Netz zugängig sind. Fernsehen, Radio und Internet müssen bei öffentlich-rechtlichen Angeboten gleichberechtigt nebeneinander stehen. Dafür gilt es, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen. Das ist seit Langem eine grüne Forderung, deren Erfüllung immer dringlicher wird.

Ein weiterer Bereich, in dem etwas passieren muss, sind Angebote für Jugendliche. Das sind die Beitragszahler von morgen. Es gehört zum öffentlich-rechtlichen Programmauftrag, alle Bevölkerungsgruppen mit vielfältigen Angeboten zu erreichen. Insbesondere der MDR – von Ihnen, Kollege Clemen, so hoch gelobt – verliert aber die Jugendlichen zunehmend aus dem Blick. Deren Nutzergewohnheiten sind heute durch soziale Online-Netzwerke und Videoplattformen bestimmt. Sie erwarten immer mehr, sich ein Programm spontan selbst zusammenstellen zu können, und wollen mehr Interaktion. Das ist also ein wichtiger Bereich, in dem sich der öffentlich- rechtliche Rundfunk weiterentwickeln und positionieren muss.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Kern dieses Antrages ist ein Eingriff in die Rundfunkfreiheit. Kern ist reiner Gebührenpopulismus und zugleich ein Angriff auf die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deshalb werden wir ihn natürlich ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Die NPDFraktion. Herr Abg. Petzold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen soll nach eigenem Bekunden die Kosten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Grenzen halten und damit für eine Stabilität der Haushaltsabgabe von 17,98 Euro sorgen. Dazu sollen verschiedene Einsparmöglichkeiten geprüft werden, so die Vermeidung peinlicher Doppelübertragungen, wie wir sie bei der Hofberichterstattung über die Hochzeit von Kate und William erleben mussten, oder eine Begrenzung des Programman

gebotes inklusive verschiedener Spartenkanäle oder Zurückhaltung beim Erwerb teurer Übertragungsrechte für Sportveranstaltungen. Leider handelt es sich hier wieder einmal nur um Prüfung statt um tatsächliches Handeln.

Die NPD-Fraktion brachte im Oktober des letzten Jahres einen Antrag ins Plenum ein, der tatsächlich für eine spürbare finanzielle Entlastung der Gebührenzahler und eine Verschlankung des auswuchernden Staatsfunks gesorgt hätte. Unsere damaligen Forderungen haben nach wie vor Bestand.

ARD, ZDF und Deutschlandfunk müssen endlich zu einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt mit je einem Hauptsender und einer finanziell vertretbaren Anzahl von Regionalsendern zusammengefasst werden. Im Zeitalter des Weltnetzes und eines ausgefächerten Angebotes an Privatsendern sind zudem die Spartenkanäle, insbesondere im digitalen Bereich, einzusparen. Nach einem solchen Umbau des öffentlich-rechtlichen Sektors wäre eine ordentliche Grundversorgung schon mit deutlich weniger als 1 Milliarde Euro zu haben, also einem Bruchteil dessen, was der Staatsfunk jetzt kostet. Nach dieser Maßnahme könnte auch die Haushaltsabgabe von knapp 18 Euro auf nur circa 6 Euro reduziert werden, und zwar bei weiterhin bestehender Freistellung von Haushalten ohne TV und Radio, Einkommensschwachen, Auszubildenden, Studenten und den anderen gebührenbefreiten Gruppen.

Als logische Konsequenz der Rundfunkreform fordert die NPD-Fraktion schließlich, die GEZ, die jedes Jahr fast 200 Millionen Euro verschlingt, komplett abzuschaffen. Wohl kaum eine Institution ist bei den Deutschen ähnlich unbeliebt wie eben jene GEZ, die eindrucksvoll belegt, dass das Raubrittertum des Mittelalters überlebt hat. Dies dürfte nicht zuletzt an der Arbeitsweise ihrer berüchtigten Gebührenschnüffler liegen, deren Berufsgruppe gemeinhin noch niedrigere Sympathiewerte erzielt als Zeitschriftendrücker, Zuhälter oder Finanzbeamte. Kritiker und Opfer der GEZ schreiben es ganz offen: Die Schnüffler verschaffen sich oftmals unter fadenscheinigen Vorwänden Zutritt zur Wohnung und erwecken den Eindruck, als hätten sie eine Art Durchsuchungsbeschluss in der Tasche. Sie spielen offizielle Staatsbehörde und legen in ihrer Selbstherrlichkeit Verhaltensweisen an den Tag, die nicht nur als unverschämt, sondern fast schon als kriminell zu bezeichnen sind. Sie stellen den Fuß in die Tür, versuchen die Menschen mit Fangfragen zu übertölpeln und setzen vor allem ältere Menschen oder alleinstehende Frauen massiv unter Druck.

Die NPD-Fraktion fordert nicht nur deshalb, dass die GEZ als ebenso überholtes wie Kosten verschlingendes Modell endlich abgeschafft werden muss. Es wäre viel günstiger, die Abgaben nicht länger von diesem trotz Rundfunkreform weiter wachsenden bürokratischen Monstrum einziehen zu lassen, sondern von den Finanzämtern. Ebenso geschieht es bei der Kirchensteuer, wobei

der Staat im Auftrag der Kirchen jegliche technische Hilfe leistet, um das Geld einzutreiben.

Insbesondere bei der FDP besteht hier erheblicher Erklärungsbedarf, kündigte doch ihr Generalsekretär, der Abg. Torsten Herbst, im Juli 2010 in der „Bild“-Zeitung vollmundig an, die GEZ abschaffen zu wollen.

Dieses Ziel, das die NPD weiterhin mit Nachdruck verfolgt, hat die Umfallerpartei FDP offenbar aus den Augen verloren. Zumindest ist davon sowohl im vorliegenden Antrag als auch sonst nichts mehr zu lesen. Auch wenn dieser heute behandelte Antrag lediglich halbherzige Schritte vorsieht, um nur als seichter Appell an die Verantwortlichen des Gebühren fressenden Staatsfunks verstanden zu werden, wird ihm die NPD-Fraktion zustimmen, weil er zumindest vom Ansatz her in die richtige Richtung geht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich beginne mit der zweiten Runde. Die CDU-Fraktion; Herr Abg. Clemen, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind schon merkwürdige Vergleiche, die hier gefallen sind, wenn einerseits Herr Neubert Teheran, Damaskus, Minsk und Dresden in einem Atemzug nennt. Ich weiß, dass das ein Zitat aus der „F.A.Z.“ ist, aber ich finde es trotzdem merkwürdig; denn ich glaube, dass sich die Städte doch in einigem unterscheiden. Andererseits nennt Herr Petzold Zuhälter und Finanzbeamte in einem Atemzug. Ich denke, wir sind vielleicht doch alle an einem Punkt angelangt, an dem wir die Sommerpause gut gebrauchen könnten, um über das eine oder andere nachzudenken.

In der Diskussion, auch über die unter der Federführung des Freistaates Sachsen etablierte AG Beitragsstabilität, wird immer wieder viel Falsches unterstellt und verbreitet und, ich könnte auch sagen, viel Quatsch erzählt. Es ist eben gerade nicht unser Anliegen, an der Gebührenschraube des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in irgendeiner Weise zu drehen. Das Verfahren hierfür ist ein ganz anderes. Die Rundfunkanstalten melden zunächst ihren Finanzbedarf bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten – kurz: KEF – an. Dann überprüft die KEF diese Vorschläge. Schließlich empfiehlt sie den Landesparlamenten die Festsetzung von Rundfunkgebühren im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.

Wir haben auch keineswegs vor, in die konkrete Programmgestaltung der Sender einzugreifen. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich festgestellt, dass Rundfunkfreiheit insbesondere Programmfreiheit bedeutet. Von staatlicher Seite darf auf die konkrete Programmgestaltung der Redakteure kein Einfluss genommen werden. Freilich heißt das nicht, meine Damen und Herren, dass wir uns unserem Auftrag entziehen, der im Grundgesetz

den Parteien verordnet worden ist: dass die Parteien zur öffentlichen Willensbildung beitragen.

Das bedeutet, dass, wenn wir heute und hier über die Frage der Beitragsstabilität einerseits und über die Struktur des Rundfunkmodells andererseits diskutieren, wir genau diese Aufgabe erfüllen und dass wir als Parteien und als Parlament zur Willensbildung im öffentlichen Raum beitragen.

(Dirk Panter, SPD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte eine Zwischenfrage.

Bitte, Herr Panter.

Das ist sehr nett, vielen Dank. Kollege Clemen, wenn Sie so gut über die KEF Bescheid wissen, wie kommt es dann, dass Sie in der Koalition in dem Antrag die nächste Gebührenperiode, die von 2013 bis 2016 dauert, nicht richtig beziffern konnten? Es steht 2017 drin. Darüber habe ich mich etwas gewundert.

Herr Panter, ehrlich gesagt weiß ich jetzt nicht, worauf Sie hinauswollen.

Auf Ihren Antrag.

In dem Antrag wird eine Zielgröße formuliert. Die Zielgröße bedeutet für uns, dass wir bis zum Jahr 2017 Beitragsstabilität erreichen wollen. Ob uns das gelingt, werden wir sehen. Aber das ist zumindest eine Zielvorgabe, der wir uns stellen sollten.

Wie gesagt, wir haben keineswegs vor, in die konkrete Programmgestaltung der Sender einzugreifen, da das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass Rundfunkfreiheit insbesondere Programmfreiheit bedeutet. Von staatlicher Seite darf auf die konkrete Programmgestaltung der Redakteure eben kein Einfluss genommen werden.

Freilich heißt das aber nicht, dass die Länder keine abstrakten Vorgaben hinsichtlich der in den unterschiedlichen Programmen zu setzenden Schwerpunkte formulieren dürfen. Im Gegenteil: Die Rundfunkfreiheit wird ganz regelmäßig in den Gesetzen der Bundesländer und in den Programmgrundsätzen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten konkretisiert. Für die optimale Wahrnehmung unserer legislativen Zuständigkeit könnte im Rahmen der AG Beitragsstabilität zum Beispiel geprüft werden, inwieweit unter Rationalisierungsgesichtspunkten in Zukunft mehr als bisher die Ausgewogenheit der Berichterstattung eine besondere Rolle in der Rundfunkgesetzgebung spielen kann.

Auf diese einfache Weise kann man die teure Quotenjagd der Sender abschwächen und die Programmqualität verbessern. In der Arbeitsgruppe soll insbesondere die Möglichkeit der Einführung einer ökonomischen Betrachtungsweise in den Rundfunkauftrag untersucht werden.

Dieses Herangehen ist bereits vom Telemedienauftrag des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages geübte Praxis. Dort geht es in einem sogenannten Dreistufentest für neue und veränderte Telemedienangebote des öffentlichrechtlichen Rundfunks maßgeblich darum, die Programmkosten im Verhältnis zum publizistischen Mehrwert der beauftragten Inhalte zu beurteilen. Die Entscheidung, ob ein Programmangebot in dieser Relation sinnvoll ist, treffen dann die zuständigen Rundfunkgremien. Der große und im Internet für jedermann sichtbare Erfolg des Verfahrens sind die qualitativ hochwertigen und gleichzeitig kostenbewusst produzierten Telemedien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ich weiß genau, wovon ich spreche, da ich selbst beim Deutschlandradio in der Kommission gesessen habe, die diesen Dreistufentest zu bewerten hatte.

Es konnte zudem erreicht werden, dass sich diese Angebote klar und deutlich von kommerziellen Internetseiten unterscheiden. Infolge der guten Erfahrungen mit der Telemedienregulierung, die es übrigens in vergleichbarer Weise auch in Großbritannien gibt, ist es vorstellbar, dass sich die Akzeptanz der Rundfunkgebühr und ihre Stabilität durch die Vorgabe einer Balance von publizistischem Mehrwert der beauftragten Inhalte einerseits und der Kosteneffizienz des Programmangebotes andererseits verfassungsgemäß darstellen lässt.

Mit einer solchen Justierung des Programmauftrages können möglicherweise Fehlentwicklungen, wie zum Beispiel die oft angesprochenen Redundanzen, teure Stareinkäufe, Verspartungen oder überteuerte RechteEinkäufe, gestoppt werden. Im Ergebnis würden sich die öffentlich-rechtlichen Programme deutlich von den Privatanbietern unterscheiden. Unabhängig von der geplanten Arbeit am Programmauftrag wollen wir die Sender in Zukunft noch mehr dahin gehend motivieren, gleichzeitig im programmfernen Bereich einzusparen. Auch solche Eigenanstrengungen können helfen, die Beitragssituation zu verbessern.

Ich bitte, unseren Antrag nicht als Bevormundung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sehen; aber die langfristige Akzeptanz der benötigten Rundfunkgebühren ist eine existenzielle Frage für die öffentlich-rechtlichen Sender und deren Zukunft. Wenn heute nicht die Weichen für eine moderate Gebührenentwicklung gestellt werden, steht uns mittelfristig eine schmerzhafte Diskussion bevor, nämlich dann, wenn die Rundfunkgebühr auf massive Widerstände der Gebührenzahler stößt und nicht mehr akzeptiert wird. So weit darf es nicht kommen. Das liegt im Interesse der Allgemeinheit, die einen funktionierenden Rundfunk wünscht – mit all dem Gehalt an Informationen, Kultur, Unterhaltung und Sport, und dies alles in einem ausgewogenen Verhältnis und zu verantwortbaren Kosten.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte ich Sie um Unterstützung unseres Antrages sowie um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Gibt es noch weitere Redner aus den Fraktionen? – Dies ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Dr. Beermann, bitte.

Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin ausdrücklich dankbar für den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, der sich mit einer Diskussion beschäftigt, die dringend öffentlich geführt werden muss, auch in diesem Hause; denn im Artikel 3 der Sächsischen Verfassung steht, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Alle Staatsgewalt ist alle öffentliche Gewalt, und dazu gehört auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Natürlich ist der öffentlich-rechtlich Rundfunk nicht frei schwebend, sondern er muss gestaltet werden – durch Gesetze und entsprechende Staatsverträge –, wenn er über das Gebiet des Freistaates Sachsen hinausgeht. Diese sind durch Sie, die Parlamentarier, zu legitimieren und durch uns als Regierung, die demokratisch durch Sie legitimiert ist, zu verhandeln.

Das bedeutet, es gibt keinen demokratischen Freiraum für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und Politik darf sich an dieser Stelle bei den Grundlagen auch nicht in die Büsche schlagen; denn es sind Sie, die die entsprechenden Anfragen aus Ihren Wahlkreisen bekommen, wenn Sie direkt gewählt sind,

(Horst Wehner, DIE LINKE: Und die anderen?)