Protocol of the Session on June 29, 2011

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Nach diesen Ausführungen des Abg. Storr von der NPD-Fraktion sind wir am Ende der ersten Runde angekommen. Ich sehe nach der

ersten Runde erst einmal keinen Redebedarf der Staatsregierung.

Wir treten in eine zweite Runde ein. Das Wort hat erneut die antragstellende Fraktion DIE LINKE. Das Wort ergreift Herr Kollege Bartl.

(Jürgen Gansel, NPD: Die SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt zum Thema Rechtsstaatlichkeit!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Glück sieht die Republik, sieht die Welt das, was sich am 19. Februar hier in Sachsen abgespielt hat, anders. Um die Dimension noch einmal zu umreißen, zitiere ich einmal aus der „FAZ“, also nicht aus dem „ND“ oder aus der „Jungen Welt“, sondern aus der „FAZ“, die gemeinhin als konservativ gilt, als Leitmedium und dergleichen mehr. Überschrift eines Beitrages vom 25.06. „Polizeiliche Datengier – Teheran, Damaskus, Minsk, Dresden“.

„Die sächsische Polizei hat uns mit ihrer elektronischen Fallanalyse gezeigt, dass Kolonnen fremdgespeicherter Daten uns zu potenziellen Verdächtigen machen können, und erzeugt Profile, die sonst nur in Diktaturen missbraucht werden.“

Es wird berichtet, dass man solche Nachrichten aus Ländern wie Iran, Syrien, Weißrussland und dergleichen mehr hört, und dann wird von der Kommentatorin gesagt: „Der Ort dieser Geschichte ist aber nicht Teheran, Damaskus oder Minsk, die Hauptstadt der weißrussischen Diktatur, es ist Dresden, die Hauptstadt des Freistaates Sachsen mit einem demokratisch gewählten Innenminister, und es ging nicht um Revolten, es ging vielmehr um eine von Dutzenden Initiativen, Vereinen und Parteien getragene, geradezu zivilgesellschaftliche Demonstration gegen Rechtsradikale, die durch die Stadt ziehen wollten.“

Das ist ein ernstes Problem, Herr Staatsminister des Innern, Herr Ministerpräsident und Herr Justizminister. Diese Maßnahme nach § 100g Abs. 2, die Funkzellenabfrage, die eine geheime Überwachungsmaßnahme ist, ist im Kontext mit dem Versammlungsrecht zu bewerten. Sie haben dort hineingehalten und wussten ganz genau, dass sich in dem Funkzellenabfragebereich nicht nur 12 000 Einwohner aus Dresden-Südvorstadt befanden, dass dort zig unbeteiligte, mit dem Zug Durchreisende abgefasst wurden, sondern Sie wussten auch, dass Tausende von friedlichen Demonstranten und soundso viel Berufsgeheimnisträger – Journalisten, Rechtsanwälte, Abgeordnete und dergleichen mehr – darunter sind, obwohl schon § 160a StPO sagt, dass Sie die Maßnahme nicht einsetzen dürfen, wenn Sie wissen, dass Sie damit Berufsgeheimnisträger treffen.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Es waren ja nur ein paar Hundert!)

Es ist mitnichten so, dass der § 100g Abs. 2 ein normales polizeiliches Standardmittel ist. Es ist auch im Verfassungs-. Rechts- und Europaausschuss immer versucht

worden, den Eindruck zu erwecken. Normalität ist, wenn wir eine erhebliche Anlassstraftat haben, dann macht man das selbstverständlich. Zum § 100g gibt es eine gediegene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, des Bundesgerichtshofes, verschiedener Obergerichte, unter anderem einen vom Landgericht Rostock ergangenen Beschluss vom 16.10.2007. Dort wird direkt überschrieben „Beschlussformulierung durch die Polizei – schematische Richtertätigkeit“. Hier kritisiert eben das Gericht, dass der dortige Richter bei einer unverhältnismäßig geringeren Anzahl von Abfragen, einem Bruchteil von Abfragen, verpasst hat zu bedenken und zu begründen, dass in diesen Fällen die Verhältnismäßigkeit ganz maßgeblich geprüft werden muss, wenn unbeteiligte Dritte erfasst werden.

Wo haben wir tatsächlich eine Begründung dafür, dass wir bei der Anlassstraftat eine Million Daten erheben durften? Hier ist einfach die Frage – und das hat der Datenschutzbeauftragte im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss eindeutig gesagt, dass nach seinen bisherigen Erkenntnissen, die sich weiter vertiefen werden, erhebliche Bedenken zur Frage der Verhältnismäßigkeit anzumelden sind. Es ist offensichtlich ganz erheblich zu kritisieren, dass es keine Begründung der Verhältnismäßigkeit gab, und es ist offensichtlich rechtswidrig erfolgt, dass die Daten aus einem ganz anderen Ermittlungskomplex in Höhe von knapp 900 000 in das Verfahren überspielt worden sind. Das sind knallharte Rechtsbrüche.

(Andreas Storr, NPD steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gegenüber Herrn Storr jetzt beim allerbesten Willen nicht. Meine Geschmacksgrenzen haben irgendwo – –

(Jürgen Gansel, NPD: Zeigen Sie doch mal guten Willen!)

Zu der Frage, warum wir tatsächlich eben die Problematik hier im Parlament austragen müssen: Wir kurven mit diesen Maßnahmen, inzwischen republikweit unter Beobachtung – im anderen Sinne –, in mehreren Grundrechten herum: im Fernmeldegeheimnis, im Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, in der Frage der Versammlungsfreiheit und letzten Endes auch in der Frage der geschützten Rechte der Berufsgeheimnisträger.

Da habe ich nur ein Problem: Ich halte es für wirklich kaum nachvollziehbar, dass man jetzt mit dieser Entlassung des Polizeipräsidenten von Dresden den Eindruck erweckt, dass die Verantwortungskette dort begonnen hat und dort endet. Das ist doch überhaupt nicht drin. Dass die Polizei, dass ein Kriminalist dazu neigt, dann das Instrumentarium auszuschöpfen, –

Die Redezeit läuft ab.

Sofort, Herr Präsident! – ist mir nachvollziehbar. Die Maßnahme wäre nie im Leben

ergangen, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungsbefugnis wahrgenommen und den Antrag nicht stellt hätte, und sie wäre nicht ergangen, wenn der Richter ordnungsgemäß die Verhältnismäßigkeit geprüft und es nicht genehmigt hätte. Dazu wird noch etwas zu sagen sein.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die Antragstellerin, die Fraktion DIE LINKE, sprach der Abg. Bartl. Jetzt spricht für die SPD-Fraktion – –

(Christian Piwarz, CDU: Die CDU erst einmal!)

Oh Entschuldigung! Zuerst ist natürlich nach der Rednerreihung die CDU an der Reihe. Es spricht Herr Kollege Schiemann.

(Unruhe)

Das Wort hat jetzt Herr Kollege Schiemann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf meine beiden Vorredner muss ich in folgender Form reagieren. Der Anlass, warum wir heute hier zusammensitzen, ist nicht nur die Frage der Nachprüfung, die durch staatliches Handeln verursacht ist, sondern auch der 19. Februar ist ein Auslöser, an dem kriminelles Handeln durch einige – ich betone: durch einige – Teilnehmer während der Versammlungen durchgeführt worden ist, kriminelle Handlungen, denen sich die Strafermittlungsbehörden

(Zuruf der Abg. Julia Bonk, DIE LINKE – Dr. André Hahn, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

entsprechend zu stellen haben. Das zu meinen Vorrednern. Jetzt möchte ich deutlich machen, dass das staatliche Handeln immer der rechtsstaatlichen Nachprüfung unterliegt, und das ist gut so; –

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Kollege Schiemann?

– denn das ist der Eckpfeiler der Demokratie. Dieser Eckpfeiler der Demokratie

(Andreas Storr, NPD steht am Mikrofon.)

muss auch solche Debatten aushalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Keine Zwischenfrage.

Keine Zwischenfragen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte deutlich machen, dass auch diese CDUFraktion ein ureigenstes Interesse daran hat, dass natürlich Fragen und Probleme, die im Zusammenhang mit dem

Ermittlungsverfahren stehen, beantwortet und aufgeklärt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schließlich, meine Damen und Herren, handelt es sich um Grundrechtseingriffe. Es handelt sich um Bürgerrechte, aber es handelt sich auch um Schutzrechte der während der Demonstrationen annähernd 110 verletzten Polizisten.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Auch diese haben das Recht, ihre Bürgerrechte wahrzunehmen und Beachtung zu finden.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten in den letzten Tagen die Debatte in der Öffentlichkeit sehr stark fokussiert,

(Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)