Herr Dr. Gerstenberg, ich schätze Sie als Kollegen, aber jetzt haben Sie sich selber entzaubert. Sie vertreten nicht die sächsische Wissenschaft, Sie vertreten nicht die sächsischen Universitäten und die Forschung ganz gewiss auch nicht.
Herr Prof. Schmalfuß, ehe Sie sich mit Ihrer Entrüstung völlig ins Wolkenkuckucksheim verspekulieren, möchte ich Sie bitten, einmal ganz konkret zu nennen, an welcher Stelle die GRÜNEN in Sachsen die von Ihnen aufgezählten medizinischen Forschungsthemen infrage gestellt haben.
Herr Dr. Gerstenberg, da ich mir denken konnte, dass Sie mir diese Frage stellen, möchte ich gern aus Ihrer Pressemitteilung vom 14. Juni 2011 zitieren. Sie haben hier natürlich viel Text.
Altes Denken sollte nicht weiter mit Steuergeld finanziert werden. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Dresden – wir sind froh, dass wir von den sechs möglichen Treffern des Zentrenkonzepts im medizinischen Bereich drei Treffer in Sachsen haben – als Partnerstandort arbeitet mit dem Universitätsklinikum in Dresden, mit der Medizinischen Akademie „Carl Gustav Carus“, mit dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf – das war vor 1989 das Kernforschungszentrum – und mit dem MaxPlanck-Institut für molekulare Zellbiologie zusammen.
Mir ist völlig klar, dass Sie mit Ihrer Pressemitteilung plötzlich gemerkt haben, dass Sie da vielleicht ein Stück weit übers Ziel hinausgeschossen sind, sodass das, was Sie in den letzten Jahren, auch in der vorhergehenden Legislaturperiode, aufgebaut haben, die ganze Lobbyarbeit für die Universitäten, für die Fachhochschulen und nicht zuletzt für die Berufsakademie Sachsen, in sich zusammengebrochen ist, und zwar deshalb, weil Sie eben nicht für die Wissenschaftsfreiheit, nicht für die Forschungsfreiheit stehen, sondern weil Sie sagen: Es gibt einen grünen Zeitgeist; wir wollen keine Atomkraftwerke mehr in Deutschland, dafür braucht es auch keine sächsischen Steuergelder. – Jetzt können wir wieder Ihre Pressemitteilung zitieren. Jetzt dürfen wir natürlich auch mit sächsischen Steuergeldern an diesen alten Technologien nicht mehr forschen.
Herr Dr. Gerstenberg, ich darf Ihnen keine Frage stellen. Aber Sie sprechen ja nachher, dann werde ich eventuell von dem Instrument einer Zwischenfrage Gebrauch
machen. – Was ist denn die Frage? – Wollen Sie jetzt auch aussteigen und wollen Sie eine Forschung im Bereich der Kernfusion für ausgeschlossen halten?
Bei dieser neuen Technologie, die vielleicht in 40 und 50 Jahren anwendungsreif sein wird, wollen Sie auch nicht dabei sein.
Das zeigt eigentlich, dass Sie mit Ihrer gesamten Fraktion zu den Vertretern der fortschrittsfeindlichen Aktivisten, der Fortschrittsverneinung und der Fortschrittsfeindlichkeit gehören.
Ja, Herr Präsident. – Ich würde, nachdem ich vom Präsidenten aufmerksam gemacht worden bin, in meiner Rede fortfahren.
Meine Damen und Herren! Das ist ein sehr ernstes Thema, und es wundert mich wirklich, dass die Parteien des linken Spektrums das so spaßig sehen.
Meine Damen und Herren! Die Forschungsfreiheit – ja, Herr Lichdi, das ist das Thema, und Sie als Rechtsanwalt sollten das Grundgesetz kennen – zählt im Zusammenhang mit der Wissenschaftsfreiheit und der Lehrfreiheit zu den bürgerlichen Grundrechten in Deutschland. In Deutschland wird die Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre gemäß Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes als Grundrecht geschützt, meine Damen und Herren.
Ich würde in den verbleibenden Minuten gern noch ein Zitat vorlesen. Damit nachher keine Irritationen auftreten, gebe ich die Quelle an: Das ist der „Spiegel“ Nr. 26 vom 27. Juno 2011. Geschrieben hat das ein Herr Cordt Schnibben. Ich zitiere: „Schon sind die ersten Stimmen zu hören, die vor einer Ökodiktatur warnen, dem Staat, der energiepolitisch durchregiert“,
„der seine Bürger zu Effizienzbürgern erzieht, zu Stromstrebern, zu Solaranbetern, zu Windengeln, zu Autobahnschleichern, zu Biobürgern und zu Ökomoralisten.“
Meine Damen und Herren! Was ist die Antwort der FDPFraktion auf die Ideen und Vorstellungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – Ich möchte schließen mit einem Zitat von Hans Scholl:
Das war für die miteinbringende Fraktion der FDP Herr Kollege Prof. Schmalfuß. – In der weiteren Reihenfolge der Redner ergreift jetzt für die Fraktion DIE LINKE Herr Prof. Besier das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir scheint die alarmistische Formulierung des Themas dieser Aktuellen Debatte reichlich überzogen.
Es hat in den vergangenen Jahren aus weltanschaulichen und religiösen Gründen immer wieder den Versuch gegeben, ethische Schranken gegen Forschungsanstrengungen zu errichten, die nach Meinung jener, die einen Stopp solcher Forschungsbemühungen wünschten, Eingriffe in ihr Menschenbild bedeuten würden, eine Verletzung der Menschenwürde eben. Das geht quer durch alle Parteien.
Die von den GRÜNEN aufgeworfene Frage, ob man Kernenergieforschung in Sachsen weiter mit staatlichen Mitteln fördern solle, hat, so scheint es, unmittelbar den Werte- und Normenbereich nicht gestreift. Es wird lediglich eine mögliche Konsequenz aus dem beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie nahegelegt – mehrheitlich beschlossen, auch von der CDU. Der allmähliche Ausstieg also aus der Atomenergieforschung, soweit sie mit öffentlichen Mitteln – eine weitere Einschränkung, die Herr Kollege Gerstenberg in dieser Pressemitteilung gemacht hat – finanziert wird.
Die Fortsetzung der Atomenergieforschung mit privaten Mitteln wird ausdrücklich für möglich gehalten. Eine Art Anregung wird gegeben. Selbstverständlich ist die Medizin- und Strahlenforschung bzw. Strahlenschutzforschung bei dieser Anregung ebenfalls nicht gemeint. Der Satz, Herr Kollege Gerstenberg, man solle darauf verzichten – ich zitiere –, „Dinge öffentlich zu finanzieren, die gesellschaftlich nicht gewollt“ würden, ist wenig belastbar. Erlauben Sie mir diese Kritik. Ginge man so weit, ihn zu generalisieren, würde vieles wegfallen, was den Zeitgenossen gerade nicht relevant erscheint, was aber zu einem späteren Zeitpunkt völlig anders aussehen mag. In dieser Hinsicht haben die GRÜNEN in den vergangenen 30 Jahren ihrer Existenz oft Minderheitenpositionen eingenommen und konnten froh sein, dass auch im Minderheitenbereich weiter geforscht wurde. Also, auch Dinge, die gegenwärtig nicht im gesellschaftlichen Mainstream liegen, können für Minderheiten durchaus interessant und wichtig sein.
Wissenschaft und Forschung darf ausdrücklich nicht zur Magd des Zeitgeistes werden. Das wird man vor allem
aber an die Adresse jener richten müssen, denen in erster Linie das aktuelle Verwertungsinteresse wichtig ist und die immer den Fortschritt nennen. Mit einer solchen Haltung sind eben die GRÜNEN bisher nicht aufgefallen, sehr wohl aber die FDP.
Von dieser Seite wird mit Recht hervorgehoben, dass Deutschland in Sachen Kernenergie wohl ein hohes Technologieniveau erreicht habe, dass das deutsche Know-how und die Sicherheitsstandards einen exzellenten Ruf im Ausland genössen – ob das so ist, lassen wir einmal dahingestellt –, und dann heißt es interessanterweise, dass unser Know-how gebraucht würde. Das Wort „gebraucht“ zitiere ich ausdrücklich. Das heißt aber doch im Klartext: Zu Hause schaffen wir die Kernenergie ab – mit breiter Mehrheit, darüber gibt es Konsens auf Bundesebene –, aber deren Technologie liefern wir weiter ins Ausland und schlagen damit gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Wir verlieren nicht den angeblich so hohen technologischen Standard, weil wir weiter forschen, die Forschung läuft weiter, die deutsche Forschung mit der angeschlossenen Industrie verdient mit der Kernenergie weiterhin einen Haufen Geld, und schließlich schützt uns das deutsche Know-how vor den Folgen einer nicht hausgemachten Reaktorkatastrophe. Spätestens hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht uns auf, dass wir doch ein ethisches Problem haben, das nur ganz Hartgesottene leugnen können.
jenem, das wir mit der deutschen Rüstungsindustrie haben. Wir haben mehrheitlich für uns entschieden, dass die Risiken und Gefahren der Kernenergie nicht beherrschbar sind, wir haben den mutigen Schritt zum Ausstieg getan – –