Protocol of the Session on May 25, 2011

Aber wir stellen auch fest: Immer mehr Bereiche haben schlichtweg keine funktionierende Tarifpartnerschaft mehr, und nach der Logik der Subsidiarität ist es an dieser Stelle nötig, dass der Staat in die Bresche springt und handelt. Wenn man neuere Studien anschaut, dann muss spätestens seit der Berkeley-Studie vom November 2010 ernsthaft bezweifelt werden, dass Mindestlöhne Arbeitsplätze kosten.

Vor diesem Hintergrund begrüße ich die vorsichtigen Bewegungen, die zum Teil in der CDU zu beobachten sind. Beispielhaft sei hier eine Äußerung des CDUBundestagsabgeordneten Dr. Matthias Zimmer genannt – ich zitiere –: "Der Staat muss dafür sorgen, dass Arbeit nicht von menschlicher Würde entkoppelt wird. Der Mensch ist nicht Mittel des Wirtschaftens, sondern Ziel und Zweck.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Thomas Kind, DIE LINKE)

Das unterscheidet ihn von anderen Produktionsfaktoren. Deswegen entspricht ein intelligenter gesetzlicher Mindestlohn den besten Traditionen christlich-sozialen Denkens.“ Ich hoffe, dass dieser Weg in der Union auch weitergegangen wird.

Es bleibt aber die Frage: Was bedeutet nun die Arbeitnehmerfreizügigkeit für den Freistaat Sachsen? Hier begrüße ich wiederum die vorsichtige Annäherung der sächsischen CDU an die Realität, nämlich dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Das haben wir in der Vergangenheit oft deutlich anders gehört.

Aber es bleibt selbstverständlich die Befürchtung, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit nur einen marginalen Beitrag zur Behebung des Fachkräftemangels leisten wird.

Dafür gibt es Gründe; zum Teil ist Kollege Brangs bereits darauf eingegangen. Die Öffnung des Arbeitsmarktes kommt für Sachsen deutlich zu spät. Die Migrationspfade führen durch Sachsen hindurch in prosperierende Regionen Westeuropas. Die gut ausgebildeten Fachkräfte sind in Staaten ausgewandert, die ihre Arbeitsmarkthürden bereits früher abgebaut haben.

Es gibt auch hier vor Ort noch bleibende und existierende Hürden, zum Beispiel die Probleme bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Vor diesem Hintergrund ist es für mich unverständlich, warum kürzlich die Koalitionsfraktionen einen Vorschlag meiner Fraktion, um dieses Problem zu beheben, abgelehnt haben. Ich hoffe, dass die Staatsregierung dem Berufsanerkennungsgesetz im Bundesrat zustimmen wird. Ich habe heute der Presse vorsichtige Äußerungen entnehmen können. Ich gehe davon aus, dass das stimmt, was dort zu lesen war.

Zusammenfassung: Die Staatsregierung darf beim Thema Fachkräftemangel nicht einseitig auf Zuwanderung setzen. Das ist eine Facette der Lösung, aber sie ist nicht ausreichend. Zumindest ist das die Rückmeldung, die man aus der Wirtschaft oder aus aktuellen Studien bekommt, zum Beispiel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs

forschung über Herausforderungen des demografischen Wandels für den sächsischen Arbeitsmarkt.

Es gibt noch einen zweiten Punkt: die Qualifikation und Integration bislang vernachlässigter Gruppen. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass die Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in Sachsen im Vergleich zum Vorjahr um 28 % gekürzt wurden.

(Andreas Storr, NPD: Das ist doch konsequent, wenn man Ausländer nach Sachsen holt!)

An dieser Stelle verbinde ich meine Rede mit der Hoffnung, dass Staatsminister Morlok das Thema Arbeit verstärkt zum Thema seines Ministeriums macht und möglichst schnell eine sächsische Arbeitsmarktstrategie vorlegt, die der Komplexität des Themas angemessen ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Die NPDFraktion; Herr Abg. Apfel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorweg: Keiner hat Angst vor unseren Nachbarn. Es ist vielmehr die Wut, die bei vielen aufflammt. Die Wut nicht etwa über die Lohndrücker aus Osteuropa – sie nutzen nur ihre Chance –, sondern vielmehr die Wut über verantwortungslose Politiker, die den deutschen Arbeitsmarkt fluten.

(Beifall bei der NPD)

Das Ziel ist klar: Sie wollen eine Verfügungsmasse auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Sie wollen die Kosten für die Ausbildung in den eigenen Betrieben einsparen. Sie wollen sich aus der Verantwortung für demografische Entwicklung herausstehlen. Sie wollen den Druck auf die heimischen Arbeitnehmer aufrechterhalten; denn die Zuwanderung sorgt dafür, dass bei Minijobs über Zweitjobs, Leiharbeit die Löhne in Deutschland so niedrig wie möglich gehalten werden. Ihnen geht es nicht etwa darum, ausländischen Arbeitnehmern etwas Gutes zu tun oder den angeblichen Fachkräftemangel auszugleichen. Ihnen geht es um die Schaffung eines Millionenheeres von Arbeitsnomaden, die beliebig eingestellt und wieder entlassen werden können als willfährige Verfügungsmasse des internationalen Großkapitals.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Tatsache ist – und das pfeifen längst die Spatzen von den Dächern –: Ihre erhofften Fachkräfte kommen nicht. Kommen werden einzig und allein Billiglöhner und Zuwanderer ins soziale Netz. Es ist wirklich Hohn, wenn man hier nach 24 Tagen bereits Bilanz ziehen will.

Wissen Sie auch, warum kaum qualifizierte Kräfte nach Deutschland kommen werden? Weil in Deutschland das Lohnniveau und die Arbeitsbedingungen längst unattraktiv geworden sind – so unattraktiv, dass bereits im letzten

Jahr über 140 000 Menschen ausgewandert, aber nur 26 000 zurückgekommen sind.

(Andreas Storr, NPD: Löhne auf polnischem Niveau!)

Hinzu kommen die Wanderungsbewegungen innerhalb Deutschlands. Sachsen hat allein in den letzten 20 Jahren über 15 % der deutschstämmigen Bevölkerung verloren.

(Andreas Storr, NPD: Die Ausgewanderten könnte man erst einmal zurückholen!)

In den Jahren 1990 bis 2009 wurden in Sachsen insgesamt 623 400 Kinder geboren. Das sind rund 453 000 Menschen weniger, als im gleichen Zeitraum gestorben sind. Ihre Logik ist eine reine Buchhalterlogik. Sie wollen den fehlenden eigenen Nachwuchs durch Einwanderung ausgleichen, doch Sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn warum, meine Damen und Herren, sollten denn die von Ihnen so ersehnten Fachkräfte ausgerechnet in die von Entleerung bedrohten Gebiete Sachsens gehen? Dorthin kommen doch hauptsächlich die Geringqualifizierten. Sie werden vor allem als Konkurrenz zu den heimischen Langzeitarbeitslosen die Situation weiter verschärfen oder gar die sozialen Sicherungssysteme in Anspruch nehmen.

Der Hartz-IV-Satz in Deutschland zum Beispiel ist heute nach wie vor höher als der Mindestlohn in Polen und in Tschechien. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 4. September 2009 haben in Deutschland lebende arbeitslose EU-Ausländer grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosengeld II, selbst wenn sie nur zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen. Das gilt schon dann, wenn – so das Gericht – das ALG II eine Leistung darstellt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. In diesem Fall handelt es sich nicht um eine Sozialhilfeleistung, von der EU-Ausländer ausgeschlossen werden können. – So der Europäische Gerichtshof.

Mit anderen Worten, meine Damen und Herren: Das ist nichts anderes als ein Freifahrtschein für noch mehr Zuwanderung von Sozialschmarotzern von Osteuropa nach Deutschland.

(Andreas Storr, NPD: Jeder kann kommen!)

Ihre Arbeitnehmerfreizügigkeit ist nichts anderes als ein Verrat an nationalen Arbeitnehmerinteressen.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Letztlich ist diese Arbeitnehmerfreizügigkeit auch gegen unsere polnischen Nachbarn gerichtet; denn im gleichen Maße, wie Arbeitskräfte aus Polen abwandern, wird man sich in Polen für Einwanderer aus osteuropäischen Nachbarländern öffnen – aus Weißrussland, Russland und der Ukraine. Es fragt sich nur: Bleiben sie denn dort oder werden sie die Gelegenheit nutzen, gleich weiter nach Deutschland auszuwandern? Die Regierung will Ausländern aus Drittstaaten die Zuwanderung erleichtern, und

schon jetzt gibt es zigtausend Ukrainer in Polen, die dort meist Schwarzarbeit leisten.

Meine Damen und Herren, so funktioniert der internationalistische, globalistische Verschiebebahnhof in Europa. Opfer sind alle Entwurzelten und ihrer Heimat Entraubten. DIE LINKE träumt nach wie vor von ihrem viel beschworenen europäischen Mindestlohn. Träumen Sie weiter, meine Damen und Herren der LINKEN! Hauptsache ist, die Deutschen wachen auf.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD – Karl Nolle, SPD: Alter Volksverhetzer! – Andreas Storr, NPD: Das war nur die Wahrheit, die ausgesprochen werden musste!)

Ich rufe die CDUFraktion auf; Herr Abg. Krauß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits vor dem 01.05.2011 gab es ausländische Fachkräfte auch bei uns, die unverzichtbar sind. Ich erinnere an die medizinische Versorgung in den Krankenhäusern,

(Andreas Storr, NPD: Ohne Ausländer geht gar nichts mehr, das ist ein Armutszeugnis Ihrer Politik! – Jürgen Gansel, NPD: Sie haben die Deutschen hinausgetrieben durch Ihre Auswanderungspolitik!)

die wohl nicht mehr ohne die ausländischen Ärzte sicherzustellen wäre. 1 400 ausländische Ärzte arbeiten bei uns in Sachsen. Wir sind dankbar für diesen Dienst.

Jetzt ist die Frage – Herr Apfel hat davon gesprochen, es geht um ein Millionenheer, es geht um Druck auf Arbeitnehmer –: Um wie viele geht es eigentlich? Um welches Potenzial geht es, wenn wir davon sprechen, ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu holen?

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Die Bundesagentur für Arbeit hat eine Studie „Perspektive 2025“ aufgelegt und dort das Thema der ausländischen Fachkräfte mit betrachtet. Sie geht davon aus, dass dieses Potenzial bei 16 800 Menschen liegt. Pro Jahr sind das 1 400. Wir sprechen also über eine Zuwanderung, wenn alles gut läuft – es ist ja nicht selbstverständlich, dass das Potenzial voll ausgeschöpft wird –, von 1 400 ausländischen Fachkräften, die pro Jahr zu uns kommen.

(Andreas Storr, NPD: Da kann der Fachkräftemangel auch nicht so groß sein!)

Das sind also so viele Einwohner, die so bedeutsame Orte haben wie Borstendorf im Erzgebirge, Zschaitz-Ottewitz in Mittelsachsen oder Bösenbrunn im Vogtland. So, wie bislang von Borstendorf oder Bösenbrunn keine revolutionären Veränderungen ausgegangen sind, wird auch von den 1 400 zugewanderten ausländischen Fachkräften

keine Revolution in Deutschland ausgehen. Die NPD kann also weiterhin gut schlafen

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

und Herr Apfel muss nicht an Krämpfen und Überfrachtungen seines Redeflusses leiden.

(Andreas Storr, NPD: Da stimmt auch bei Ihnen etwas nicht, die Argumentation!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um die Zuwanderung – ich will es noch einmal betonen – von Fachkräften. Es geht in erster Linie um Ärzte und Ingenieure und es geht weniger um die Putzfrau oder den Hausmeister. In Sachsen haben wir derzeit eine Ausländerquote von 2,1 %.