Dann sind die Rahmenbedingungen klar, dann ist die Qualität klar, und dann haben wir trotz unterschiedlicher Ausrichtung, wie Herr Homann hier gesagt hat, einheitliche Bedingungen, und jeder weiß, worauf er sich berufen kann.
Wie gesagt, wir brauchen im Land eine Imagekampagne, wir brauchen Anerkennung. Was ist da zum Beispiel mit dem ÖPNV, was ist mit Anerkennung des Bundesfreiwilligendienstes als Praktikum und als Wartesemester für das Studium? All das ist unwahrscheinlich wichtig.
Ganz und gar nicht geht, dass wir durch das neue Gesetz auf lange Sicht die derzeitigen Freiwilligendienste verdrängen. Es wird versucht, dort gegenzusteuern, aber es sind Öffnungsklauseln im Gesetz, die unter bestimmten Bedingungen auch zulassen, dass eine Stelle, die vorher im FSJ war, doch durch den Bundesfreiwilligendienst besetzt werden kann. Das würde bedeuten, dass der Bund die Finanzierung übernimmt und das Land aus dem Schneider ist. Diese Entwicklung wollen wir ganz gewiss nicht haben. Deshalb muss man genau beobachten, was da passiert.
Auch die Gefahr, dass Menschen, die ALG II beziehen, verstärkt in diesem Freiwilligendienst eingesetzt werden, wollen wir nicht. Wir wollen diesen Menschen natürlich
die Gelegenheit geben, vor allem, wenn sie selbst motiviert sind und eine Umorientierung für ihre eigene Berufslaufbahn suchen, dass sie diesen Bundesfreiwilligendienst in Anspruch nehmen können. Aber wir wollen jedenfalls keinen Pflichtdienst für Hartz-IV-Empfänger haben.
Das war die Abg. Frau Herrmann für die Fraktion GRÜNE. – Als Nächster spricht für die NPD-Fraktion der Abg. Storr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Debatte hat den Anspruch, Perspektiven zum jetzigen Zivil- und Ersatzdienst zu entwickeln. Ich muss feststellen, dass ich wenig dazu gehört habe, welche tatsächlich realistischen Perspektiven bestehen. Ich will in meinen Ausführungen zunächst auf die Verantwortlichkeit zu sprechen kommen; denn diese Probleme im Zivil- und Ersatzdienst stehen natürlich im Zusammenhang mit der Abschaffung oder Aussetzung der Wehrpflicht.
Wenn man sich den zeitlichen Ablauf anschaut, dann sieht man schon das erste Dilemma: Im November 2009 wurde von der Bundesregierung die Verkürzung der Wehrpflicht und damit auch des Zivil- und Ersatzdienstes beschlossen. Kaum 18 Monate später wird dann die Wehrpflicht ausgesetzt bzw. de facto abgeschafft.
Dabei war die Abschaffung der Wehrpflicht eigentlich vorhersehbar. Meine Kollegin Abg. Gitta Schüßler hat zum Beispiel in der Vorbemerkung zu einer Kleinen Anfrage am 9. November 2009 schon Folgendes ausgeführt: „Die Verkürzung der Wehrpflicht ist nur eine Vorstufe zur endgültigen Abschaffung der Wehrpflicht und führt zu einer weiteren Reduzierung der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr. Die in der Vergangenheit mehrfach durch die NPD prognostizierte Entwicklung hin zu einer Bundeswehr, die ihrer eigentlichen Funktion als Verteidigungsarmee beraubt und zu einer Interventionsarmee an der Seite der USA und Israels umgestaltet wird, bestätigt sich immer mehr.“
Genau diese Entwicklung haben wir. Im Zusammenhang mit der Abschaffung der Wehrpflicht diskutieren wir ja heute, wie man überhaupt Freiwillige rekrutieren kann. Genau dasselbe diskutieren wir natürlich auch für den Zivil- und Ersatzdienst. Diese ganze Entwicklung war vorhersehbar. Es ist in der Tat schon allein handwerklich ein politisches Dilemma, wenn man eine politische Entscheidung trifft und anschließend, nachdem man diese politische Entscheidung getroffen hat, darüber diskutiert, wie man die Folgen dieser Entscheidung bewältigen will.
Eigentlich müsste man es genau umgekehrt machen. Man müsste sagen, dass man die Wehrpflicht abschaffen will, und man müsste, bevor man diese Entscheidung trifft, darüber diskutieren, wie man mit den Folgen dieser Entscheidung umgeht. Dass man es genau umgekehrt
Natürlich muss man auch ganz klar sagen: Die Entscheidung für die Aussetzung bzw. de facto für die Abschaffung der Wehrpflicht ist letztlich vor allem finanzpolitisch diktiert worden. Genau deshalb haben wir auch diese Entscheidungsabfolge, und wir führen die heutige Diskussion allein aus diesem Grunde.
Ich möchte sagen, wir haben ein Problem mit der Bereitschaft von Bürgern, sich ehrenamtlich einzusetzen. Das gilt für den Wehrdienst, das gilt aber auch für den Zivil- und Ersatzdienst und für das Ehrenamt. Es nützt meiner Meinung nach nichts – ich halte das im Übrigen für Worthülsen –, dann von Anerkennungskultur oder von Zivilgesellschaft zu sprechen, in die sich alle einbringen wollen und können. Ich halte das für eine relativ realitätsferne Wunschbegrifflichkeit, die gern verwendet wird.
Wir müssen sehen, dass eine Gesellschaft, die das Individuum absolut setzt, eine Gesellschaft, die von sich sagt, sie wolle eine Ich-Gesellschaft sein, eben keine Gesellschaft mehr ist, die ein „Wir“ kennt, ein „Wir“ formuliert und natürlich auch Anforderungen an den Bürger stellen kann, sich für dieses „Wir“ einzusetzen.
Es ist doch – ich nenne es anspruchsvoll einmal so – eines der zentralen geistigen Probleme dieser Gesellschaft, dass sie einseitig einem Individualismus folgt. Die Konsequenz daraus ist, dass es eben gar keinen Gemeinsinn, gar kein Nationalbewusstsein und kein „Wir“ mehr gibt. Über diese Konsequenz müsste man eigentlich in diesem Zusammenhang auch diskutieren.
Ich will noch kurz etwas zu den Lösungen sagen, die hier genannt worden sind, die ich aber für nicht realitätstauglich halte.
Hier wurde zum Beispiel gefordert, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu schaffen. Ja, liebe Kollegen von der SPD bzw. von der Linkspartei, Sie haben dazu applaudiert, aber die Frage ist doch, wie man das finanzieren will. Wir haben doch das Problem, dass zum Beispiel die Pflegeversicherung in absehbarer Zeit die finanziellen Lasten nicht mehr wird tragen können.
Insofern ist das also nicht realitätstauglich. Allein Imagekampagnen und Anerkennung werden das Problem auch nicht lösen.
Wir sind am Ende der ersten Rednerrunde angekommen und beginnen mit der zweiten, diese wieder mit der einbringenden Fraktion. Bitte, Herr Kollege Schreiber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank für die Redebeiträge. Normalerweise ist es hier gängige Praxis, dass man auf die letzte Fraktion weniger eingeht. Ich möchte aber das Gegenteil tun.
Herr Storr, Sie haben davon gesprochen, dass es ein mangelndes „Wir“ in unserer Gesellschaft gebe. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Wahrnehmung nehmen, wahrscheinlich aus Ihren braunen Sumpfkreisen, in denen das „Wir“ nur das „Wir“ des eigenen Denkens ist.
Anscheinend wissen Sie nicht, dass sich bereits heute mehr als ein Drittel aller Deutschen ehrenamtlich engagiert, und das oftmals ohne Bezahlung, oftmals ohne den materiellen Gegenwert, ob das im Sportverein, in sozialen Einrichtungen, in der Schülernachhilfe, im Jugendverein oder bei den Feuerwehren usw. ist. Ich denke, das verdient großen Dank, statt es hier kleinzureden.
Ist Ihnen bekannt, dass viele ehrenamtliche Vereine und Initiativen über Nachwuchsmangel klagen? Ist Ihnen das bekannt, und sehen Sie in dieser Tatsache nicht doch den Ausdruck eines Problems, das ich zu beschreiben versucht habe?
Herr Storr, dass es das Problem des mangelnden Nachwuchses gibt, wissen wir alle. Aber vielleicht sollten Sie ein Stück Ursachenforschung betreiben. Das Problem ist vor allen Dingen demografisch begründet. Es liegt daran, dass zu wenig Kinder und Jugendliche nachkommen. Die Zahl derjenigen im ländlichen Raum ist noch niedriger, weil viele in die großen Städte abwandern, um zu studieren und zu arbeiten.
Genau aus diesem Grunde ist es richtig, dass der neue Bundesfreiwilligendienst beispielsweise auch für ältere Generationen geöffnet wird, weil wir die Freiwilligkeit in allen Generationen brauchen.
Ich möchte etwas zu Herrn Pellmann sagen. Herr Pellmann, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich habe Ihre eigene Parteistrategie etwas vermisst. Wenn man sich die Reden Ihrer Parteigenossen aus dem Bundestag anschaut, stellt man ganz schnell fest, dass sie diesen Bundesfreiwilligendienst überhaupt nicht wollen. Deswegen frage ich mich auch ein bisschen, warum Sie das hier nicht stringent fortführen und sagen, Sie sind gegen diesen Bundesfreiwilligendienst.
Das ist dort klar zum Ausdruck gekommen. Ich gebe Ihnen allerdings recht, was das Thema Pflege angeht. Das heißt für uns: Wir brauchen unabhängig von der gesamten Diskussion um Freiwilligendienste eine externe Pflegedebatte. Aber Fakt ist auch eines: Sie können nicht erwarten, dass Zivildienstleistende, die mit dem Wegfall des Zivildienstes jetzt in diesem Sinne nicht mehr vorhanden sind, genau die Arbeit leisten, die Pflegefachkräfte zu leisten haben. Ich gebe Ihnen recht, dass wir eine Pflegedebatte führen müssen. Ich bin gespannt, wie konstruktiv Sie sich daran beteiligen.
Zu Herrn Homann. Herr Homann, ich finde es schon recht erstaunlich. Am letzten Freitag – Sie haben es gesagt – hat sich der Bundesrat mit dem Thema Bundesfreiwilligendienste beschäftigt. Ich weiß nicht, was Sie wollen, aktueller geht es doch gar nicht. Hätten wir die Debatte im Vorfeld dieser Entscheidung im Bundesrat geführt, dann hätten Sie sich hingestellt und gesagt: Warum führen wir denn die Debatte heute? Das ist doch noch gar nicht beschlossen! – Sie machen das doch am Ende nur deshalb, damit Sie hier irgendetwas meckern können. Da meckere ich jetzt einfach zurück und frage Sie: Warum haben Sie denn in Ihrer Regierungszeit auf Bundesebene an dieser Stelle nichts getan bzw. nicht so viel getan? Warum denn nicht?