Die EU hat sich mittlerweile nicht nur zu einem Umverteilungsregime auf deutsche Kosten entwickelt, sondern ist zu einer Haftungs- und Transfergemeinschaft zulasten aller wirtschaftlichen Leistungsstaaten in der Europäischen Union geworden. Damit ist die Grundidee, die selbst der Europäischen Union zugrunde lag, ad absurdum geführt worden. Mittlerweile füttert nicht nur Deutschland, sondern auch wenige andere EU-Staaten reihenweise Pleitestaaten durch. Wer das nicht sehen will, versündigt sich an den Steuerzahlern nicht nur Deutschlands, sondern auch anderer EU-Staaten.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit daran erinnern, weil Sie hier das „Friedenswerk“ von Europa beschworen haben, dass die französische Zeitung „Le Figaro“ bereits im Jahr 1992 den Vertrag von Maastricht aus deutscher Sicht als „Versailles ohne Krieg“ bezeichnet hat. Mit anderen Worten: Die französische Presse hat Versailles in einem Atemzug mit dem Vertrag von Maastricht genannt, den Helmut Kohl damals ins Werk gesetzt hat, auch um die deutsche Souveränität krass und gewollt zu beschneiden.
Sehr geehrte Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, meinem Vorredner kann ich nur sagen, er sollte seine Schallplatte, die er seit 20 Jahren mit sich herumträgt, endlich austauschen und die Realität hier in diesem Land wahrnehmen. Die Europäische Union hat uns in den letzten 20 Jahren mit fast 20 Milliarden Euro unterstützt.
Ich gehe einmal davon aus, 20 Milliarden Euro zusätzlich für den Aufbau unseres Freistaates Sachsen, das kann man nicht kleinreden. Das können nur Kleingeister kleinreden, die überhaupt keine Ahnung von der Entwicklung dieses Landes haben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen profitiert von Europa. Das ist keine Frage. Wir haben seit 1991 rund
11 Milliarden Euro von der Europäischen Union erhalten, in der laufenden Förderperiode sind es rund 4 Milliarden Euro. Bei unserem Haushaltsvolumen können wir uns alle vorstellen, was es heißen würde, wenn wir dieses Geld nicht hätten. Wir sind Europa in der Tat zur Dankbarkeit für diese Solidarität verpflichtet.
Dieses Geld ist in die Infrastruktur geflossen. Es ist auch in soziale Programme geflossen. Es hat dazu beigetragen, dass wir in Sachsen heute deutlich besser dastehen, als das zu Anfang der europäischen Förderung der Fall gewesen ist. Aus diesem Grunde ist auch relativ klar, dass ein abruptes Förderende die bisherigen Erfolge gefährden würde.
Wir unterstützen ausdrücklich das Ringen der Staatsregierung, insbesondere auch die Aktivitäten des Europaministers, dafür zu kämpfen, dass wir ab 2014 weiterhin Geld aus der europäischen Regionalförderung bekommen, und zwar eine möglichst hohe Summe, um der Europäischen Union zu zeigen, dass das bisher investierte Geld gut investiertes Geld ist, das einen Nutzen für Sachsen, aber auch für Europa bringt, meine Damen und Herren.
Wenn wir auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts blicken, dann ist Sachsen stärker geworden, einmal stärker auch durch statistische Effekte – das lässt sich nicht wegdiskutieren, durch die Erweiterung der Europäischen Union sind wir automatisch stärker geworden –, aber auch durch das Wirtschaftswachstum. Das ist der entscheidende Punkt.
Europäische Hilfen sind ja keine Dauersubventionen, sondern sie haben einen Sinn. Sie sollen Regionen ertüchtigen, sie sollen die Lücke zwischen denjenigen schließen, die wirtschaftlich weiter zurückliegen, und denen, die wirtschaftlich an der Spitze sind.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist für uns Förderung immer auch Hilfe zur Selbsthilfe. Das ist der entscheidende Unterschied zu den Ländern, die Jahrzehnte nur auf Subvention setzen, meine Damen und Herren.
Es wird mit Sicherheit so sein, dass uns in der nächsten Förderperiode nicht mehr die Mittel in der Höhe zur Verfügung stehen wie in dieser laufenden Periode. Ich glaube, das ist allen, die mit der Materie beschäftigt sind, klar.
Es ist auch so, dass sich unser strategisches Interesse verändern wird. Wir haben jetzt natürlich das Interesse, aus der Regionalförderung noch Mittel zu bekommen, aber in der übernächsten Förderperiode werden wir wirtschaftlich mit Sicherheit so stark sein, dass wir gar nichts mehr aus dem Fördertopf bekommen. Wenn dann dort noch Geld vorhanden ist, wird es in andere Regionen fließen, nämlich nach dem Süden und Osten Europas.
Deshalb müssen wir strategisch auch langsam umdenken, müssen schauen, welche Förderziele dem Freistaat am meisten bringen, und wir müssen darauf setzen, dass wir in den Bereichen, in denen wir noch Nachholbedarf haben, genau dort die europäische Unterstützung erhalten.
Das sind Fragen der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes. Das sind Themen wie demografischer Wandel, Fachkräftegewinnung, das ist Bildungsqualität, Nachhaltigkeit auch in der Bildung. Ich bin sehr dankbar, dass in der neuen EU-Strategie der Staatsregierung genau diese Themenbereiche ausdrücklich aufgeführt werden.
Der Kampf um das Geld in Europa ist nicht einfach. Wer die Diskussion verfolgt, auch nach der jüngsten FinnlandWahl, weiß, wie schwierig es sein wird, ein Gesamtbudget hinzubekommen. Es ist noch völlig unklar, wie das aussieht. Wenn das Volumen steht, wird der Kampf um die Förderprioritäten losgehen, weil natürlich regionales Interesse eine große Rolle spielt. Erst dann wird klar sein, was überhaupt in die einzelnen Regionen fließen wird.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir frühzeitig auf allen Ebenen versuchen, der sächsischen Stimme Gehör zu verschaffen. Das tut die Staatsregierung und das tut der Ministerpräsident, das tut der Europaminister. Das tun auch die europäischen Abgeordneten, die aus Sachsen stammen, die im Parlament für sächsische Interessen kämpfen. Auch ihnen möchte ich dafür danken.
Wir werden sowohl in den Gesprächen mit der Europäischen Union als auch in den verschiedenen europäischen Gremien, im Ausschuss der Regionen unserer Stimme Gehör verschaffen.
Ich glaube, dieses Parlament ist in weiten Teilen sogar fraktionsübergreifend der Auffassung, dass wir unserer Staatsregierung in diesem Interessenkampf und dem Verteilungskampf den Rücken ganz klar stärken und sagen, die europäischen Mittel, die hier nach Sachsen fließen, sind gut investiert. Sie helfen Sachsen, stärker zu werden, und helfen Sachsen auch, in der Zukunft ohne Subventionen auszukommen. Sie tragen zur Lebensqualität bei und sie erhöhen die Akzeptanz der Europäischen Union hier in Sachsen.
Für die miteinbringende Fraktion der FDP sprach Herr Kollege Herbst. Ihm folgt jetzt für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Meiwald.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schiemann hat auf die Bedeutung der EU nicht nur für den sächsischen Haushalt, sondern auch für die Entwicklung Sachsens hingewiesen und mit einem sportlichen Zitat geendet. Herzlichen Dank; als sportpolitische Sprecherin freue ich mich immer, wenn der Sport hier eine Rolle spielt.
Lassen Sie mich dennoch mit zwei Zitaten beginnen: „Ich fahre nach Straßburg, weil nur der Erfolg erzielen kann, der in den europäischen Zentralen vor Ort seine Interessen vertritt und Gespräche führt. Wer sich nicht bewegt, verliert und fällt zurück.“ Auch das beinahe ein sportliches Zitat. „Und: Nur durch aktiven und persönlichen Einsatz kann es Sachsen gelingen, seine ganz spezifischen Interessen bei der finanziellen Ausgestaltung und inhaltlichen Neukonzeption der EU-Politik für den Zeitraum 2014 bis 2020 geltend zu machen.“ So lasen wir es vor 14 Tagen in der gemeinsamen Presseerklärung von Staatskanzlei und Justizministerium zur Reise des Ministerpräsidenten und des Europaministers nach Straßburg.
Und wir können noch mehr lernen: dass sich das Kabinett 2011 in ganzen drei Sitzungen mit dem Schwerpunkt Europapolitik befassen wird und zu den beiden jetzt noch folgenden Sitzungen sich sogar zwei Mitglieder der Europäischen Kommission angesagt haben. Meine Damen und Herren, herzlichen Glückwunsch zu so viel Weitsicht!
Dennoch werde ich den Eindruck nicht los, dass wir uns heute in einer Folge von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ befinden. Im Dezember-Plenum haben wir den Antrag der Koalition zum Thema „Die Interessen des Freistaates Sachsen und der Nachbarstaaten bei der Aufstellung des EU-Haushaltes 2014 bis 2020 wahren“ behandelt. Heute nun die Aktuelle Debatte „Sächsische Interessen wahren“. Besteht die neue Qualität nun darin, die Nachbarländer nicht mehr mit zu betrachten? Das will ich nicht hoffen. Was aber, meine Damen und Herren, hat sich substanziell seit Dezember geändert? Nichts.
Wir befinden uns im Verfahren um die Neuausrichtung der Kohäsionspolitik und immer noch nicht an der Stelle, an der es um die konkrete Ausgestaltung geht, denn im Augenblick gehen die gesammelten Stellungnahmen zum 5. Kommissionsbericht ein, auch die sächsische ist darunter. Der mehrjährige Finanzrahmen wird im Juni beschlossen, die Verordnung im Juli und im Herbst beschließen dann das Parlament und der Rat. Was aber die sächsische Stellungnahme anbelangt, so kann man der Forderung nach gerechten und angemessenen Übergangsregelungen und der Fortsetzung der Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nur zustimmen. Ebenso begrüßen wir den sächsischen Einsatz zur Fördervereinfachung.
Dass die EU-Förderung ein höchst kompliziertes Verfahren ist, wissen alle, die in den Genuss europäischer Fördergelder kommen wollen, seit Jahren. Hier ist eine dringende Entbürokratisierung notwendig. Darüber hinaus sind die Richtlinien zur Vergabe europäischer Fördergelder in den Bundesländern höchst unterschiedlich. So kann es passieren, dass ein Radweg zum Beispiel nach Delitzsch ausgebaut werden kann, nach Bitterfeld aber eben nicht. Hier wäre eine länderübergreifende Harmonisierung der Richtlinien geboten. Sachsen könnte und sollte hier eine Vorreiterrolle spielen.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach die Abg. Meiwald. – Als Nächstes spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Jurk.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Debattentitel von Herrn Schiemann „Sächsische Interessen wahren – Erfolg der EU-Förderung im Freistaat Sachsen auch in Zukunft sicherstellen“ ist richtig gewählt. Ich hätte mir gewünscht, dass auch die schreibende Zunft mehr Interesse daran findet. Aber man muss sich auch Gedanken machen, wie meine Vorrednerin bereits ausgeführt hat, ob das Interesse noch da ist, wenn das Thema zu häufig im Parlament diskutiert wird.
Ich glaube, dass das Thema nach wie vor aktuell ist, und der Debattentitel bestätigt mir – und das freut mich auch –, dass wir in der Vergangenheit erfolgreich gewesen sind. Jawohl, die Förderung durch Mittel der Europäischen Union für den Freistaat Sachsen hat unser Land vorangebracht und viel Gutes bewirkt. Ich will ausdrücklich sagen, dass wir gerade in Sachsen dankbar sein können, dass Europa in der Vergangenheit immer schon größer war als die Grenzen der Europäischen Union vor 1990. Ohne die mutigen Entscheidungen der damaligen ungarischen Regierung Ende der Achtzigerjahre, aber auch ohne die Solidarität, die wir in Polen und Tschechien für Botschaftsflüchtlinge empfangen haben, wären wir nicht im gemeinsamen Europa angekommen. Das sollte man immer wieder all denen sagen, die Europa sehr kritisch hinterfragen.
Europa ist ein Europa der Solidarität. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, und da muss man sehr kritisch hinschauen, Europa hat in den letzten Monaten einiges auszuhalten gehabt. Insbesondere die derzeitige Diskussion über Finanzen darf nicht in den Hintergrund stellen, was Europa tatsächlich bedeutet, nämlich eine Gemeinschaft, die nicht nur Wirtschaft und Währung in Zusammenhang bringt, sondern auch sozialen Frieden herstellen und verhindern soll, dass Europa wieder ein Hort von Kriegen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aktivitäten der Staatsregierung werden unter anderem im entsprechenden Fachausschuss für Verfassung, Recht und Europa vorgestellt, unlängst geschehen durch Staatsminister Dr. Martens. Er hat den 5. Kommissionsbericht für Sachsen heruntergebrochen und die Aktivitäten der Staatsregierung erläutert. Ich darf mich hier auch einem Vorredner anschließen und sagen: Jawohl, im gemeinsamen Interesse wünschen wir der Staatsregierung an dieser Stelle viel Erfolg bei ihren Bemühungen, damit wir auch in Zukunft europäische Fördergelder erhalten und sie sinnvoll einsetzen können.
Allerdings, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich ausdrücklich sagen, dass die Veränderung der
Zuständigkeit innerhalb der Staatsregierung meiner Ansicht nach zu hinterfragen ist. Wenn das eine Forderung der FDP war, dass sie das Europaministerium bekommen, dann sehe ich das große Problem, dass am Ende der Ministerpräsident in einer ganz besonderen Rolle stehen wird, was Verhandlungen betrifft, und dass man dann nur darauf setzen kann, dass sie sich untereinander gut abstimmen, um nicht nur getrennt zu marschieren, sondern auch vereint zu schlagen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich stelle momentan einen Gleichschritt zwischen Bundes- und Landesregierungen fest. Das ist wichtig, denn es gibt auch innerhalb Deutschlands verschiedene Interessen zwischen West- und Ostländern. Deshalb ist es richtig, dass man sich hohe Ziele setzt, wenn ich höre, dass die ostdeutschen Ministerpräsidenten dafür plädieren, etwa zwei Drittel der bisherigen Förderung auch für die künftige Förderperiode zur Verfügung zu bekommen.