Es ist nun einmal so, dass auch die Schweiz oder Norwegen europäische Staaten sind, die sehr stark in die EU exportieren, die dennoch nicht EU-Mitglieder sein müssen, um von Europa zu profitieren. Man kann also auch außerhalb der EU stehen und durchaus mit anderen europäischen Staaten gute bilaterale wirtschaftliche Beziehungen pflegen.
Um noch einmal auf den Aspekt der Agrarförderung zurückzukommen: Das ist nun der größte Witz überhaupt, den man ins Feld führen kann. Denn gerade betreffs der Agrarförderung wissen wir, dass seit Jahrzehnten die Franzosen, die Griechen und die Spanier fast komplett vom EU-Kohäsionsfonds profitieren und dass Deutschland eigentlich so gut wie nichts abbekommt. Es ist immer aufs Neue eine Irreführung auch der Bürger, die hier auf der Tribüne sitzen, wenn man absolute Zahlen ins Feld führt. Natürlich hat Sachsen ein paar Gelder von der EU bekommen. Aber, wie gesagt, das ist alles nur im Rahmen einer Umverteilungsmaschinerie geschehen. Es ist so, dass wir ein Nettozahler sind und dass dementsprechend all diese absoluten Summen, die hier in den Raum gestellt werden, nicht zählen, weil wir wirklich nur einen Bruchteil dessen zurückbekommen, was wir eingezahlt haben.
Das ist nicht gerecht gegenüber dem deutschen Steuerzahler. Wenn Sie das nicht ansprechen wollen, ist das Ihr Problem. Aber wir werden dieses Demokratiedefizit auch weiterhin ansprechen, auch wenn Ihnen das nicht gefällt.
Herr Schimmer, noch einmal: Unsere Geschäftsordnung schreibt ausdrücklich vor – das bitte ich Sie in Zukunft zu beachten –, die auf der Tribüne Sitzenden nicht anzusprechen.
Wir fahren in unserer Rednerreihenfolge fort. Jetzt schaue ich zur Staatsregierung. Gibt es Redebedarf schon in dieser Runde? – Das ist nicht der Fall. Wir beginnen also wieder mit den einbringenden Fraktionen. Zuerst hat die einbringende Fraktion der CDU das Wort. Es spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Hähnel.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Wenn ich in Deutschland unterwegs bin, mich mit den Menschen unterhalte und sage „ich komme aus Sachsen“, dann höre ich meist positive Worte. Viele sagen: Ihr habt in Sachsen viel geschafft, ihr seid in Sachsen wirtschaftlich erfolgreich, bei euch in Sachsen ist die Welt noch in Ordnung. – Dann bin ich selbstverständlich stolz auf meine sächsische Heimat.
In diesem Zusammenhang darf man die Unterstützung der Europäischen Union nicht vergessen. Nur mit den EUFördermitteln war diese wirtschaftliche Erfolgsgeschichte
möglich. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen: Danke, Europa, und danke, Europäische Union!
Nun wurden schon viele Zahlen genannt. Von der NPDFraktion hieß es: „… ein paar Euro an Sachsen gegeben“. Ich wollte deshalb noch einmal zusammenfassen, denn das stimmt nicht. In der Förderperiode 1991 bis 2006 waren es genau 11 Milliarden Euro und in dieser Förderperiode sind es, wenn man alles zusammenrechnet, noch einmal 5 Milliarden Euro, nämlich 1 Milliarde Euro aus dem ESF, 3 Milliarden Euro aus dem EFRE und 1 Milliarde Euro aus dem ELER. Das ergibt zusammen rund 16 Milliarden Euro.
Da kann man sagen, dass die Europäische Union uns einen gesamten sächsischen Jahreshaushalt komplett finanziert hat, und das ist bemerkenswert.
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. – Das Geld wurde auch intelligent eingesetzt, zum einen für die großen industriellen Ballungszentren um diese weiterzuentwickeln. Da denke ich an Dresden, an Leipzig und an meine Heimatstadt Chemnitz. Wenn ich an Chemnitz denke, dann denke ich an eines der letzten großen EU-Projekte, nämlich an den Smart System Campus auf dem Gebiet der Technischen Universität Chemnitz. Dort wurden das Fraunhofer-Institut ENAS und das Physikinstitut mit EU-Mitteln und Mitteln des Freistaates Sachsen gefördert. Es wurden aber auch EUMittel und weitere Gelder für die strukturschwachen Gebiete eingesetzt, wie zum Beispiel für Hoyerswerda und für Teile des Erzgebirges, der Lausitz und des Vogtlandes.
Wichtig ist es nun, diesen Erfolg nach 2013 weiterzuführen. Jetzt sagen einige: 90 % des Bruttoinlandsprodukts im Durchschnitt der Europäischen Union? – Wir sind in Sachsen vorangekommen, eigentlich brauchten wir gar nicht mehr so viele Fördermittel.
Aber wir wissen, dass wir aufgrund des statistischen Effekts, weil wir leider – Sie kennen auch meine Meinung dazu – viele arme Länder in die Europäische Union aufgenommen haben, etwas reicher gerechnet wurden, als wir eigentlich sind. Sachsen hat noch immensen wirtschaftlichen Nachholbedarf. Deshalb brauchen wir Übergangsregelungen ab 2014.
Eine gute Förderkulisse ist die Voraussetzung für Investoren. Der Ministerpräsident und die Staatsregierung müssen unsere sächsische Position bei den Verhandlungen
immer wieder klarstellen. Das hat der Herr Ministerpräsident bei seiner jüngsten Reise nach Brüssel auch schon getan. Dafür danke ich, aber ich möchte es noch einmal intensiv betonen: Wir brauchen selbstverständlich auch Verbündete, die in derselben Situation sind wie wir, die eventuell auch aus dem Ziel-1-Gebiet herausfallen und die gemeinsam mit uns unsere Interessen vertreten. Wir sichern dem Ministerpräsidenten und der Staatsregierung – das kann ich bestimmt im Namen fast aller sagen –
Ich würde gern noch einmal verdeutlichen, in welchem Umfang Deutschland Gelder in die EU-Kassen einzahlt: In der vergangenen Haushaltsperiode von 2007 bis 2013 sind 167 Milliarden Euro von Deutschland in den EU-Haushalt eingezahlt worden. Dementsprechend ist also nur ein ganz winziger Bruchteil nach Sachsen zurückgeflossen.
Herr Hähnel, ich sage es einmal ganz klar: Wenn ich Ihnen 100 Euro gebe und Sie geben mir irgendwann 5 Euro zurück, dann habe ich trotzdem kein gutes Geschäft gemacht. – Aber Sie tun immer, als ob wir auf Knien rutschen müssten, nur weil Deutschland 2 bis 3 % oder vielleicht auch 5 % der Gelder, die es in den EUHaushalt einzahlt, zurückbekommt. Das ist einfach ein schlechter Witz und es ist eine Irreführung der Wähler. Es ist eigentlich peinlich, dass das niemand außer der NPDFraktion in diesem Hause anspricht.
Als Nächste in der Rednerreihenfolge wäre die miteinbringende FDPFraktion an der Reihe. Gibt es dort Redebedarf? – Das ist
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktualität der heutigen Debatte – auf eine solche kommt es nach unserer Geschäftsordnung an – ergibt sich weniger aus den jüngsten Reiseaktivitäten des Ministerpräsidenten oder seines Europaministers, sondern sie ergibt sich aus der Tatsache, dass Sachsen, dass die sächsischen Regionen nicht mehr zu den ärmsten Regionen innerhalb der Europäischen Union zählen, teilweise auch aufgrund statistischer Effekte, dass es aber – das hat auch die Staatsregierung eingeräumt – nach wie vor in vielen Bereichen, wie es heißt, „Entwicklungs- und Festigungsbedarf“ gibt. Das ist der zentrale Punkt und das ist der Grund, warum es sich lohnt und warum es wichtig ist, über diese Frage heute zu diskutieren.
DIE LINKE hat hierzu – und das übergreifend von den Landtagen bis in das Europaparlament – eine klare Position.
Wir fordern erstens für die Gebiete, welche ab 2014 nach den bisherigen Vorstellungen nicht mehr die Ziel-1Förderung erhalten werden, unter anderem in den neuen Bundesländern, die Einführung von Übergangsregelungen.
Zweitens: Bund und Länder müssen für den Zeitraum dieser Übergangsregelungen auch weiterhin Mechanismen der Kofinanzierung sicherstellen.
Drittens: Das Bruttoinlandsprodukt sollte anders, als es die Staatsregierung wiederholt in diesem Hohen Haus oder in Ausschüssen vertreten hat, nicht allein das entscheidende Kriterium für die Förderfähigkeit von Regionen sein. Auch spezifische regionale Besonderheiten, wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit, demografische Entwicklung oder technologischer Rückstand, sollten hinzugezogen werden.
Für uns als LINKE, meine Damen und Herren, ist es selbstverständlich, dass das Solidaritätsprinzip innerhalb der Europäischen Union nicht aufgeweicht werden darf. Mittel, die zur Finanzierung der Übergangsregelungen auch für den Freistaat Sachsen und vergleichbare Regionen gebraucht werden, dürfen nicht zulasten von noch ärmeren Regionen innerhalb der EU abgeschöpft werden.
Defizite und Versäumnisse bei der innerdeutschen Angleichung der Lebensverhältnisse dürfen nicht die Bemühungen um eine EU-weite Angleichung der Lebensverhältnisse belasten. Das ist klar. Klar ist aber gleichwohl, dass wir im Freistaat Sachsen diese Übergangsregelungen brauchen.