Dennoch möchte ich noch einmal kurz auf den vorliegenden Antrag eingehen. Wir haben in Sachsen – das haben alle meine Vorredner auf ihre Art und Weise erläutert – diese wunderbaren Industriedenkmäler, an denen man unsere hoch spannende und abwechslungsreiche Geschichte nachvollziehen kann; aber, Herr Dr. Gerstenberg, wir müssen diese Denkmäler natürlich identifizieren, damit wir sie auch schützen und erlebbar machen können, und dafür braucht es nachvollziehbare Kriterien. Das ist kein Aspekt, bei dem wir sagen, wir wollen den Denkmalschutz außer Kraft setzen, sondern wir wollen auf der Grundlage des Denkmalschutzgesetzes handeln.
Im Übrigen hat der wissenschaftliche Beirat – Sie haben es zitiert – zum einen die Sicherung gefordert, auf der anderen Seite fordert er – ich zitiere –: „Grundsätzlich sollte in Zukunft eine strukturierte Herangehensweise beim Umgang mit nicht mehr betriebsnotwendigen Altindustriebauten in Sachsen verfolgt werden. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Bestandserfassung sollten Kriterien und Prioritäten hinsichtlich der Auswahl schützenswerter Bauten festgelegt werden.“ Das hat nichts damit zu tun, dass wir den Denkmalschutz in irgendeiner Art und Weise außer Kraft setzen wollen.
Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass sich diese Ausführung, die Sie gerade zitiert haben, von der Formulierung her auf die künftige Unter-Schutz-Stellung bezieht, sich jedoch das, was Ihr Antrag postuliert, auf die 7 000 – in Ihrem Antrag schreiben Sie 20 000; das ist eine völlig andere Zählweise – existierenden Denkmale bezieht?
Nein, ich glaube, darin haben wir unterschiedliche Auffassungen. Es geht von unserer Seite her nicht darum, den Denkmalschutz für die bereits bestehenden Denkmale außer Kraft zu setzen. Das ist eine falsche Interpretation, die Sie hineinlegen.
Nein, das interpretieren Sie jetzt so. Es ist im Übrigen auch wichtig, dass wir diese Definition bringen, da sie der erste Schritt ist. Sie werfen uns vor, dass wir sagen, wir hätten die Stiftungsgründung außer Acht gelassen. Wir haben ein erstes Achtungszeichen gesetzt, indem wir dem Zweckverband im Haushalt mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen konnten als in den Vorjahren. Nun geht es darum, die Grundlagen zu analysieren und in einem zweiten Schritt die Finanzierung für die zukünftigen Jahre festzulegen. Aber ich denke, es ist legitim zu sagen: Wir müssen zuerst die Analyse betrei
ben, und daraus ergibt sich das Finanzierungskonzept, zumal es momentan so ist, dass die Finanzierung ausreichend gesichert ist.
Ich gebe Ihnen auch recht, Herr Dr. Gerstenberg – deshalb sind wir an diesem Punkt gar nicht so weit auseinander –, dass wir natürlich überlegen müssen und es nicht möglich ist, jedes Gebäude als Museum zu erhalten, sondern dass wir intelligente und angemessene Nachnutzungskonzepte für bestimmte Gebäude entwickeln müssen, und ich denke, dass gerade der Bereich der Kreativwirtschaft, der immer wieder thematisiert wird, eine gute Grundlage bietet. Nicht nur Sie, sondern auch wir waren im Ruhrgebiet und haben uns angeschaut, wie das in manchen Gebäuden realisiert werden kann. Ich meine, dass dies ein Potenzial ist, das wir in Sachsen gerade für unsere Industriebauten stärker nutzen können.
Die Zeche Zollverein ist ebenfalls bereits erwähnt worden. Ich denke, wir waren alle ebenso beeindruckt wie Sie, wie viele Touristen dort waren, und wir sollten dieses touristische Potenzial, das dort vorhanden ist, für unsere zukünftige „Straße der sächsischen Industriekultur“ nutzen.
Im Übrigen schließt der Antrag nicht aus, dass man an die europäische Route anschließt. Das ist dann der Umsetzung der Ministerien vorbehalten.
Ich möchte noch auf einen weiteren Aspekt eingehen, der mir sehr wichtig ist. Dieser betrifft die kulturelle Bildung. Auch darauf geht der Antrag ein. Hierbei ist es uns wichtig, dass die in diesem Bereich entwickelten Angebote in die Gesamtpalette der kulturellen Bildung integriert werden, die sich am Lehrplan orientieren und entsprechend koordiniert an die Schulen herangetragen werden.
Warum sage ich das? Das sage ich deshalb, weil es genauso ist, wie es Frau Dr. Stange bereits erwähnt hat, dass Industriekultur ein Beispiel der Wirtschaftsentwicklung, der Kulturförderung, der Bildungspolitik und der Denkmalpflege ist. Deshalb zielt unser Antrag darauf ab, ressortübergreifend das Konzept zu entwickeln. Wir haben ein Konzept, welches kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen enthält, die nacheinander mit den dafür notwendigen Partnern abgearbeitet werden können.
Wir haben mit Freude zur Kenntnis genommen, dass Sie unserem Antrag zustimmen werden und das Thema Industriekultur mit dem Antrag dahin gekommen ist, wo es hingehört, nämlich in den Mittelpunkt der Diskussion im Parlament, aber auch in die verschiedenen Ministerien. Nun gilt es, mit der Analyse zu beginnen, mit den Maßnahmen und den Konzepten, die darauf aufbauen, diese zu erarbeiten, um am Ende unseren kulturwirtschaftlichen Schatz, den wir in Sachsen haben, noch besser darstellen zu können.
Wird von den Fraktionen noch weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Frau Ministerin Prof. Schorlemer, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sachsen ist eine führende Kernregion des deutschen Industrialisierungsprozesses im 19. und 20. Jahrhundert mit einer Vielzahl noch vorhandener, höchst eindrucksvoller Sachzeugnisse dieser Entwicklung. Das industriekulturelle Erbe Sachsens zu bewahren und erlebbar zu machen ist Gegenstand der Koalitionsvereinbarung zur 5. Wahlperiode. Es ist deshalb auch folgerichtig, dass die sächsische Industriekultur seit Beginn der Koalitionsregierung eine kulturpolitische Schwerpunktaufgabe darstellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht bei diesem Thema keineswegs um eine ausschließliche antiquarische Betrachtung aus der Vergangenheit. Die Beschäftigung mit der Industriekultur gibt uns in der Gegenwart vielmehr den gewünschten zündenden Funken, die traditionellen Innovationspotenziale in Sachsen immer wieder aufflammen zu lassen. Zum einen stärkt der Bezug zur industriellen Tradition des Landes das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl der hier lebenden und wirtschaftenden Menschen, zum anderen hilft uns die Befassung mit dem Erfindungsreichtum und dem Gründergeist einer Region, neue Aufbrüche der industriellen und technologischen Entwicklung in Gegenwart und Zukunft zu stimulieren. Und schließlich macht die Vermittlung des industriekulturellen Erbes an die jüngere Generation als einem Themenfeld der kulturellen Bildung junge Menschen neugierig und aufgeschlossen für technologische Entwicklungen und technische Berufe.
In der praktischen Museumsarbeit des Zweckverbandes Sächsisches Industriemuseum, aber auch durch die Vernetzung der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen kann hier bereits auf einschlägige Erfahrungen verwiesen werden. Diese gilt es zu intensivieren.
Die Zukunft der Industriekultur in Sachsen als eine der wesentlichen Säulen regionaler kultureller Identität und die für ihre Pflege erforderlichen Maßnahmen und Ideen macht die Initiative hin zu einem strukturierten Prozess unter Federführung des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst erforderlich. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Zweckverbandes Sächsisches Industriemuseum. Für das SMWK steht zunächst vorrangig die Stabilisierung des Zweckverbandes Sächsisches Industriemuseum im Mittelpunkt. Nachdem eine Übergangslösung für das Jahr 2010 erreicht werden konnte, ist es uns gelungen, für die Folgejahre des Doppelhaushalts 2011/2012 eine solide Grundfinanzierung zu erreichen, und zwar von 710 700 Euro in 2010 auf jeweils 1,1 Millionen Euro in 2011/2012.
Jetzt müssen wir prüfen, inwieweit und um welche geeigneten Objekte die Präsentation der Industriekultur erweitert werden kann. Dafür kommen in erster Linie
vorhandene herausragende Zeugnisse der Technik-, Wirtschafts- und Technologiegeschichte in bisher nicht vertretenen Branchen in Betracht, die sich in möglichst besonders denkmalwerten Gebäuden befinden.
Meine Damen und Herren! Es wurde schon angesprochen: Die Verantwortung für das industriekulturelle Erbe liegt auf mehreren Schultern. Von dem Thema der sächsischen Industriekultur sind neben dem SMWK, das hier federführend verantwortlich ist, auch andere Ressorts betroffen: insbesondere das Staatsministerium des Innern wegen des Denkmalschutzes und das Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr wegen der touristischen Vermarktung. Das SMWK hat auf interministerieller Ebene auch gegenüber weiteren Ministerien, insbesondere SMK und SMUL, das Querschnittsthema der Industrie aufgegriffen, um ihm gemeinsam mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Die hier bereits erwähnte ressortübergreifende Abstimmung zur sächsischen Industriekultur hat inzwischen dazu geführt, dass Ressourcen aus dem Bereich der Integrierten Ländlichen Entwicklung, ILE, im Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft für die Förderung aus EUMitteln identifiziert werden konnten. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese auch für Liegenschaften der Industriekultur herangezogen werden.
Was ist nun weiter zu tun? Welches sind die nächsten Schritte? Erstens: So schwierig und aufwendig eine flächendeckende Bestandsaufnahme geförderter bzw. erst perspektivisch zu fördernder Industriedenkmäler auch sein mag, so intensiv werden wir diese Aufgabe mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln bearbeiten.
Bei der Sächsischen Landestelle für Museumswesen wird in Kürze ein Koordinator bzw. eine Koordinatorin für sächsische Industriekultur bestellt, der oder die hier den Staffelstab der Vorarbeiten der Sächsischen Kulturstiftung und des wissenschaftlichen Beirats zur sächsischen Industriekultur beim Zweckverband aufnehmen bzw. weitertragen wird.
Die vorgesehenen bzw. zum Teil schon begonnenen Bestandsaufnahmen bieten eine sehr gute Grundlage, um Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit zur besseren Nutzung der touristischen Potenziale vorzubereiten, wie etwa die Ausweisung einer „Straße der sächsischen Industriekultur“, eingebettet in die Präsentation europäischer Industriekultur.
Zweitens ist anzumerken, dass wir seit geraumer Zeit vielfältige Anstrengungen unternommen haben, im Bereich der sächsischen Industrie und darüber hinaus Partner für die Förderung und die nachhaltige Entwicklung der sächsischen Industriekultur zu gewinnen. Unübersehbar existieren in der sächsischen Wirtschaft und in der Bürgerschaft in den verschiedenen Regionen des Freistaates ein industriekulturelles Geschichtsbewusstsein und ein Traditionsverständnis, auf denen sich ideell und möglicherweise materiell aufbauen lässt, gegebenenfalls auch in der langfristigen Perspektive einer zu errichtenden Stiftung. Hierzu sind wir fortlaufend im Gespräch mit
potenziellen Partnern aus der Wirtschaft und dem Vereinswesen. Dies gilt es fortzusetzen, auch außerhalb Sachsens.
Drittens. Was das Thema der 4. Sächsischen Landesausstellung mit Bezug zur Industriekultur angeht, so sollten wir uns in den vor uns liegenden Wochen zunächst der 3. Sächsischen Landesausstellung widmen und diese zu einem Erfolg führen. Am 21. Mai dieses Jahres übergeben wir in Görlitz die Ausstellung „Via Regia – 800 Jahre Bewegung und Begegnung“ der Öffentlichkeit.
Angesichts der industriekulturellen Schwerpunkte, über die wir insbesondere in der Region Chemnitz verfügen, wird es uns aber zugleich eine besondere Herausforderung sein, noch in diesem Jahr mit den Vorarbeiten für die 4. Sächsische Landesausstellung zur sächsischen Industriekultur zu beginnen.
Meine Damen und Herren! Am 21. Februar dieses Jahres habe ich von der Staatsregierung die Handlungsempfehlungen des externen wissenschaftlichen Beirates des Zweckverbandes Sächsisches Industriemuseum entgegengenommen und ich habe die anderen betroffenen Ressorts darüber informiert. Es handelt sich hierbei um eine wichtige Grundlage für die zu erarbeitende Gesamtkonzeption des Freistaates mit dem Ziel einer Kabinettsbefassung unter Mitarbeit weiterer Ressorts.
Wir werden mit Blick auf die Zukunft der sächsischen Industriemuseen als integraler Basisteil einer weitaus breiter zu verstehenden und zu nutzenden Industriekultur auch über die geeignete Rechtsform zu diskutieren und zu befinden haben. Dies wird auch in Zukunft weiterhin unter intensiver Einbindung des wissenschaftlichen Beirates und des Zweckverbandes geschehen.
Meine Damen und Herren! Ich habe gegenüber den Akteuren auf dem Feld der sächsischen Industriekultur öffentlich angeregt, sich am diesjährigen, am 11. September stattfindenden Tag des offenen Denkmals intensiv zu beteiligen. Dieser Tag steht unter dem Thema „Romantik, Realismus, Revolution – das 19. Jahrhundert“, insbesondere mit dem Augenmerk auf Industriebauten und -siedlungen. Dies sollte durch die Industriemuseen – auch durch unsere sächsischen Industriemuseen – unbedingt genutzt werden.
Ich komme zum Schluss. Das industriekulturelle Erbe Sachsens zu bewahren und erlebbar zu machen ist unser erklärtes Ziel. Dank der Initiative der Koalition ist hier einiges Neues in Bewegung geraten.
Frau Präsidentin! Ich möchte für meine Fraktion eine Überlegungspause von 30 Minuten entsprechend § 107 Geschäftsordnung beantragen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Anknüpfend an meine Vorredner möchte ich abschließend und zusammenfassend gern auf die Notwendigkeit für den Erhalt und die Weiterentwicklung unseres industriekulturellen Erbes eingehen. Dabei liegt unser Fokus nicht nur allein auf dem Tourismus. Es muss vielmehr eine sinnvolle Verknüpfung mit einer Bildungsfunktion geschaffen werden.
Warum ist uns der Bildungsaspekt so wichtig? Unsere Kinder und Jugendlichen können aus unserer Handwerks- und Industriegeschichte viel lernen. Wir wollen damit Werte vermitteln, und wir wollen, dass die nachkommenden Generationen es ihren Vorfahren nachmachen. Wir können dieses kulturelle Erbe nur erhalten, wenn wir Sachsen den Wert dieses Erbes erkennen, es pflegen und es traditionell weiterführen.
Es ist jedoch eine enorme Herausforderung angesichts der Tatsache, dass wir viele Tausende Industriedenkmäler in Sachsen haben. Das ist ein großer Fundus, auf den wir zurückgreifen können, um die Highlights sächsischer Technikgeschichte erlebbar zu machen – Highlights, die sowohl in das Konzept der „Straße der sächsischen Industriekultur“ als auch in die Vorbereitung einer Landesausstellung in der Region Chemnitz einfließen sollten.
Wenn wir unsere Industriekultur erlebbar machen wollen, müssen wir ein entsprechendes Angebot machen. Die Grundlage dafür legen wir mit diesem Antrag, der, Herr Dr. Gerstenberg, selbstverständlich auch intelligente Nachnutzungskonzepte für Industriedenkmäler beinhalten kann.