Protocol of the Session on March 24, 2011

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Meyer, Sie möchten gern eine Kurzintervention tätigen.

Ja, das möchte ich, weil Frau Dr. Runge leider keine Zwischenfrage zugelassen hat.

Zunächst erst einmal bin ich nicht der Meinung, dass wir uns oder ich mich hier irgendwo aus der Verantwortung stehlen und sagen, die Staatsregierung soll das alles machen. Es gibt einen Koalitionsvertrag mit ganz klaren Zielen. Sie hatten es genannt: In dem stehen 24 % aus erneuerbaren Energien bis 2020. Die Koalitionsfraktionen und die Regierung arbeiten gemeinsam daran, diese Ziele zu erreichen.

(Arne Schimmer, NPD, steht am Mikrofon.)

Jetzt haben Sie wahrscheinlich auch etwas Unwissenheit deutlich gemacht in dem Sinne, dass Sie die 24 % kritisie

ren. Es gibt derzeit den Stand der Bundesrepublik, 30 % Strom aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, und Sie wissen auch, das 6 % von diesen 30 % offshore-Strom sein sollen. Es ist auch keine große Weisheit zu wissen, dass Sachsen keine Meere hat und dementsprechend hier kein offshore-Strom eingesetzt werden kann. Es ist also das bundespolitische Ziel, heruntergebrochen auf den Freistaat Sachsen. Das erst einmal dazu.

Ich bin auch kein Aktivist oder Lobbyist der Atombranche. Das will ich hier ganz klar von mir weisen. Wenn ich ein Lobbyist bin, dann bin ich ein Lobbyist der Wissenschaft. Ich bin der Meinung, dass hier die Wissenschaft ganz ergebnisoffen und neutral Sicherheitsanforderungen überprüfen und technische Möglichkeiten aufzeigen soll. Ich weise das ganz klar von mir. Lobbyisten haben wir hier – glaube ich – genug, und die sitzen mir gerade gegenüber.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Schimmer, was möchten Sie gern?

Ich würde auch gern kurzintervenieren.

Sie können leider keine Kurzintervention mehr starten, da Sie als Fraktion schon zwei Kurzinterventionen verbraucht haben.

(Zuruf von der NPD: Das war doch nur eine!)

Ich frage die SPD. Sie hat noch eine Minute. Herr Jurk, bitte.

Richtig. Die Minute darf man nicht verschenken. Da muss ich mich wirklich straffen und kann vieles von dem nicht sagen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Thema EU ist mehrfach angefragt worden. Sie merken, so viel Redezeit haben wir nicht. Ich glaube, wir brauchen EU-weit einen Netzausbau. Das Stichwort „intelligente Netze“ ist gefallen. Hier gibt es noch Riesenpotenzial. Aber das Riesenpotenzial haben wir insbesondere in Sachsen. Wir haben leistungsfähige Unternehmen in der Branche. Wir haben eine großartige Forschungslandschaft und hier erwähne ich Standorte wie Leipzig, Dresden, Chemnitz, Freiberg, die Fachhochschule Zittau/Görlitz. Hier haben wir Fachwissen in komprimierter Form zur Verfügung. Wir haben in Sachsen inzwischen eine sehr leistungsfähige sächsische Energieagentur. Wir haben das Netzwerk erneuerbare Energien in Sachsen und – Herr Staatsminister Morlok, ich hoffe, Sie haben ihn noch nicht abgeschafft – den Energiebeirat beim Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Dort sitzt sehr viel geballte Fachkompetenz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten dieses Riesenpotenzial nutzen. Zum Schluss eine Empfeh

lung an die CDU. Herr Clemen, Sie gucken mich so schief an, ich traue es mir einfach zu sagen: Es ist Ihnen gelungen, 1989 – –

Herr Jurk, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

– das Image einer Blockpartei loszuwerden, indem Sie plakatiert haben „Umkehr in die Zukunft“. Tun Sie es!

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich frage die FDP-Fraktion, Sie hat ebenfalls noch eine Minute. – Kein Redebedarf. Die NPD-Fraktion hat noch 30 Sekunden. – Auch kein Redebedarf. – Sie wollen doch? 30 Sekunden, Herr Schimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da kann ich jetzt nachholen, was ich vorhin bei der Kurzintervention sagen wollte, nämlich: Was mir auffällt, ist, dass Sie so tun, also ob Deutschland eine Insel wäre. Sie verdrängen immer wieder konsequent, dass von den über 150 Reaktoren, die in der EU stehen, nur noch 17 Reaktoren in Deutschland stehen und dass die meisten Störfälle inzwischen nicht mehr in Deutschland, sondern vor allem in Tschechien, in Temelín und Dukovany, auftreten.

Dieses Thema – –

Herr Schimmer, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Bei diesem Thema werden wir Sie nicht aus der Verantwortung entlassen, sondern wir werden sagen, dass wir deutsche Interessen auch bei der Kernkraft EU-weit vertreten müssen.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Wir haben damit die zweite Runde abgeschlossen. Ich habe noch einen angemeldeten Redebeitrag für die dritte Runde. Herr von Breitenbuch, möchten Sie? – Dann Herr Staatsminister Morlok, wenn Sie möchten.

Herr Präsident, ich möchte. – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zwei Punkte aus der 2. Aktuellen Debatte aufgreifen, bevor ich zu meinen Ausführungen komme.

Frau Kollegin Hermenau, Sie haben das Wort von der Stromlückenlüge geprägt. Deswegen möchte ich darauf noch einmal eingehen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Denn ganz offensichtlich haben Sie die Ausführungen, die ich in der 1. Aktuellen Debatte gemacht habe, nicht so

verstanden, wie ich mir das gewünscht hätte. Deswegen möchte ich es gern wiederholen.

(Antje Hermenau, GRÜNE, lacht.)

Ich hatte deutlich gemacht, Frau Hermenau, dass man, wenn man die erzeugte Energie in Deutschland dem Energieverbrauch im Strombereich gegenüberstellt und von diesem erzeugten Potenzial die Kernenergie abzieht, zu dem Ergebnis kommt, dass auch ohne Kernkraftwerke rein rechnerisch die entsprechende benötigte Menge Strom in Deutschland im Jahresvergleich erzeugt werden kann.

Herr Kollege Lichdi hat in der 1. Aktuellen Debatte zu Recht darauf hingewiesen – ich habe das auch gesagt –, dass es auf den Spitzenverbrauchswert ankommt. Ich hatte ergänzt, dass, wenn wir uns diesen Spitzenverbrauchswert anschauen, entscheidend ist, wo die Verbraucher und wo die Erzeuger sind, und dass das Problem weniger ist, den Spitzenverbrauchswert zu erzeugen, sondern dass das Problem ist, ob wir in der Spitze den tatsächlich erzeugbaren Strom in Deutschland zu den Verbrauchern bringen können, die diesen benötigen. Das habe ich in der ersten Debatte genau dargestellt. Wie man das als Stromlückenlüge bezeichnen kann, Frau Hermenau, kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

In der Debatte ist des Öfteren angesprochen worden, dass die Zahlen aus dem Energiekonzept des Freistaates Sachsen nicht den Zahlen aus dem Energiekonzept der Bundesregierung entsprechen. Das ist vollkommen richtig. Deswegen haben wir als Staatsregierung in diesem Hohen Hause auch angekündigt, eine entsprechende Überarbeitung in diesem Jahr vorzulegen. Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen über die Zahlen, die wir Ihnen dann vorschlagen werden, und möchte heute auch im Rahmen dieser Aktuellen Debatte und der auch für die Staatsregierung kurzen Redezeit den Einzelheiten nicht vorgreifen.

Herr Morlok, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern.

Herr Lichdi.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich bin heiß gespannt. Können Sie sagen, wann die Staatsregierung uns ihrer neuen Ziele teilhaftig werden lassen wird?

Ja, in diesem Jahr.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von den GRÜNEN)

Die 2. Aktuelle Debatte trägt, zumindest im letzten Teil, die Überschrift „Sachsen … 100 % erneuerbarer Strom“. Ich möchte mich diesem Postulat in meinem Beitrag anzunähern versuchen.

Der Stromverbrauch im Freistaat Sachsen beträgt im Jahresdurchschnitt ungefähr 20 000 Gigawattstunden. Es gibt ein Konzept der GRÜNEN, „Ausbaustudie“ aus dem Monat November 2008. Da wird vorhergesagt, dass es gelingen wird, im Jahr 2020 14 000 Gigawattstunden aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Davon sind ungefähr 3 000 aus Wasser und Biomasse und ungefähr 11 000 aus Windkraft und Fotovoltaik. Das beinhaltet aber, dass wir bei Wind und Fotovoltaik eine Steigerung um das 13Fache erreichen müssten. Wenn wir aber wissen, dass Wind und Fotovoltaik im Gegensatz zu Wasser und Biomasse nicht ständig zur Verfügung stehen, dann müssen wir uns die Frage stellen, wie damit perspektivisch 100 % erneuerbare Energien für die Stromversorgung in Sachsen machbar sein sollen.

Es ist richtig, dass man auch bei der Windenergie, weil ständig irgendwo Wind weht, eine gewisse Grundlastfähigkeit annehmen kann. Deutschlandweit liegen die Überlegungen bei zwischen 10 und 15 %. Aber es ist auch richtig: Wenn Sie das allein auf den Freistaat Sachsen herunterbrechen, können Sie nicht von 10 bis 15 % ausgehen, sondern es ist deutlich weniger. Wenn man den Stromverbrauch von 20 000 Gigawattstunden anschaut und nach ihren eigenen Überlegungen aus der Biomasse 3 000 Gigawattstunden verfügbar sind, dann bleibt eine Lücke von 17 000 Gigawattstunden, wozu wir einmal nachdenken müssen, wie wir sie schließen können.

Sicherlich können und werden wir aufgrund der Anstrengungen hinsichtlich der Energieeffizienz auch den Verbrauch von 20 000 Gigawattstunden reduzieren. Aber wir werden damit die Lücke nicht schließen und damit bleibt nach wie vor die Frage offen, wie das alles mit regenerativen Energien passieren soll. Selbst Ihre eigenen Vorstellungen für das Jahr 2020 sind 20 000, aber es sind 14 000. Das heißt, auch diesbezüglich ist die Frage: Wie schließen wir die Lücke zu dem von Ihnen postulierten Ziel, 100 % erneuerbare Energien im Bereich der Stromerzeugung im Freistaat Sachsen? Da müssen wir uns auch die Frage stellen, welcher Energieträger tatsächlich zum Einsatz kommen soll, wenn wir in Sachsen objektiv keinen Sonnenschein haben und auch die Windenergie nicht zur Verfügung steht. Sie müssen uns eine Antwort geben, welcher andere regenerative Energieträger dies im Freistaat Sachsen sein soll.

Wir kommen zu dem Ergebnis, dass wir dies faktisch durch eigene Erzeugung im Freistaat Sachsen gar nicht hinbekommen. Deswegen ist der grenzüberschreitende Ausbau, der Austausch von Energie das Entscheidende. Das Gegenteil von dem, was uns Frau Pinka empfohlen hat, ist also das Richtige, nämlich europaweit auszutauschen, und zwar immer dann, wenn wir entsprechende Energien zur Verfügung haben. Dazu brauchen wir – das

Thema haben wir auch schon besprochen – ein leistungsfähiges Netz.

Wir müssen uns ein paar grundsätzliche Fragen stellen, wenn wir über das Thema „Erneuerbare Energien“ sprechen. Wenn wir Fotovoltaik stärken wollen, dann müssen wir akzeptieren, dass die Dächer unserer Häuser eben nicht mehr mit schönen roten Ziegeln gedeckt sind, sondern dass Fotovoltaikanlagen darauf angebracht sind. Das kann man akzeptieren. Das ist die Konsequenz.