gewesen ist. Wir haben an den Orten – und diese waren mir besonders wichtig –, wo die Dresdner still und in Ruhe der Opfer der Bombennächte gedenken wollten, keine Demonstrationen gesehen. Insofern bedurfte es dort auch keiner Untersagung oder Anwendung des Versammlungsgesetzes; man hat sich einfach daran gehalten.
Es verwundert mich schon sehr, dass heute ausgerechnet das Wunsiedel-Urteil hier mehrfach angesprochen wird, wo mir im letzten Jahr, als ich das Wunsiedel-Urteil zur Begründung dieses Gesetzes zitiert habe, gesagt wurde, ich wollte hier die Versammlungsfreiheit abschaffen. Genau das ist nicht passiert.
Wir müssen aufpassen, welches Bild wir hier von Dresden aus in die Öffentlichkeit senden. In der Öffentlichkeit bleiben Bilder von brennenden Barrikaden, demolierten Autos, einem schwarzen Block und Polizeibeamten hängen, die buchstäblich überrannt werden. Wir dürfen dieses Bild auch nicht der Dresdner Öffentlichkeit als einzige Demonstrationsform übermitteln, denn sonst erreichen wir es, dass sich friedliche Demonstranten nicht mehr trauen, zu den Demonstrationen zu gehen und gegen Nazis zu demonstrieren. Oder glaubt irgendjemand ernsthaft, dass eine Oma oder eine junge Familie sich gern im schwarzen Block einreihen würde, um mit Gewalttätigkeiten gegen Nazis zu demonstrieren?
Ich bin stolz darauf, dass es die Dresdner geschafft haben, überzeugendere Wege zu finden, um ihren Protest gegen die Rechten zum Ausdruck zu bringen. Die Menschenkette, über die sich der eine oder andere lustig macht, ist trotzdem ein sehr starkes Zeichen, um gegen Rechts in Dresden zu demonstrieren.
Kampf gegen Rechts hat nichts mit Randale zu tun. Man muss nicht Antifaschist sein, um gegen Rechts zu sein; man muss nicht blockieren, man muss nicht Barrikaden bauen, um seinen Protest zum Ausdruck bringen zu können.
Ich denke, wenn wir uns auf diese Grundwerte verständigen können – das Demonstrationsrecht auf der einen Seite und die Unabhängigkeit der Justiz auf der anderen Seite –, können wir einen Grundkonsens erzielen, wie wir in den nächsten Jahren mit dem 13. Februar und den darauffolgenden Wochenenden umgehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Anträge der Partei DIE LINKE und der GRÜNEN sind Beispiele dafür, wie man nicht nur die fundamentalen Prinzipien der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung ignoriert, sondern auch noch durch Umdeutung das geltende Recht in sein Gegenteil verkehrt bzw. außer Kraft setzt.
Die GRÜNEN beantragen hier ernsthaft, dass sich der Landtag bei den Straftätern bedankt, die rechtswidrige Versammlungen sprengen, und das nicht nur am 13. Februar bzw. am 19. Februar in Dresden. Statt Straftaten, die sich gegen die Ausübung des Grundrechts, sich friedlich zu versammeln, richten, konsequent zu verfolgen und strafrechtlich abzuurteilen, werden in dem vorliegenden Antrag die Polizei und angebliche Neonazis – so die Begrifflichkeit der Antragsteller – als das eigentliche Problem dargestellt. Von der massiven linken Gewalt auf den Straßen Dresdens am 13. und 19. Februar 2011 kann man dagegen in den beiden Anträgen bezeichnenderweise nichts lesen.
Lassen Sie mich kurz einige rechtliche Feststellungen treffen, die die Rechtsverdrehung im Antrag der GRÜNEN kenntlich machen.
Erstens. Gegen rechtlich zulässige, gemäß Bundesverfassungsgericht als Ausdruck der demokratischen Meinungsvielfalt von der Verfassung ausdrücklich gewollte Versammlungen und Demonstrationen zu protestieren widerspricht auch ohne Störung dem Grundgesetz und der Sächsischen Verfassung, denn der Protest besteht nicht in der Verkündung einer gegenteiligen Meinung, sondern in der Forderung nach der Aushebelung eines Grundrechts der nationalen Demonstrationsteilnehmer, nämlich des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit.
Zweitens. Der Sächsische Landtag ist sächsischer Gesetzgeber. Wenn er sich nun dem Protest gegen die Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit anschließen sollte, und zwar zulasten eines bestimmten Teils der Bevölkerung, würde er damit signalisieren, dass er diese Ausübung missbilligt, eigentlich unterbinden möchte. Damit würde er sich in einem krassen Gegensatz zur Sächsischen Verfassung befinden, die in ihrem Artikel 23 feststellt – ich zitiere –: „Alle haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“
Eine Annahme des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN müsste deswegen die Konsequenz nach sich ziehen, dass der Landtag auch die Sächsische Verfassung und auf der einfachrechtlichen Ebene das Sächsische Versammlungsgesetz entsprechend ändern müsste. Dies hat übrigens auch der Präsident des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts in Beiträgen für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die „Sächsische Zeitung“ sinngemäß festgestellt.
Drittens. Laut Artikel 39 der Sächsischen Verfassung vertreten die Abgeordneten des Sächsischen Landtages das ganze Volk. Wenn Sie nun mehrheitlich einem Teil des Volkes seine Grundrechte absprechen würden, würden Sie offenbar gegen diesen Artikel der Verfassung verstoßen. Die Folge wäre unter anderem, dass das Parlament, das diesen Beschluss als Staatsorgan und Volksvertretung fassen würde, nicht mehr als Vertretung des ganzen Volkes anerkannt werden könnte. Damit wäre die Grundlage für einen Dissens gelegt, der mit einer gewissen Berechtigung in weiten Bevölkerungsschichten zur
totalen Ablehnung des Staates führen könnte. Auch wenn man leichtsinnigerweise meint, dies heute verkraften zu können, besteht keine Gewähr dafür, dass man sich auch morgen diese Illusion wird leisten können.
In einem Zeitraum von nunmehr zwei Jahren wird das Grundrecht, sich friedlich zu versammeln, im Freistaat Sachsen für nationale Deutsche regelmäßig ausgehebelt, nicht nur von Blockadestraftätern, sondern auch von der Exekutive, spricht von der Staatsregierung und der Polizeiführung selbst. Die gerichtlichen Feststellungen der Verwaltungsgerichte zu den Rechtsbrüchen der Exekutive kann jeder in den entsprechenden Urteilen nachlesen.
Im Deutschen Bundestag und im Berliner Abgeordnetenhaus haben Abgeordnete im letzten Jahr die Beteiligung des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse an Blockadeaktionen gegen eine nationale Versammlung am 1. Mai in Berlin kritisiert und sogar seinen Rücktritt gefordert. Aus der Sicht der NPD war das eine angemessene Forderung.
Im Sächsischen Landtag dagegen schweigt man zu den Rechtsbrüchen von Mitgliedern dieses Hohen Hauses am 19. Februar 2011. Was noch schlimmer ist: Die Opfer der Straftäter, also die Opfer der Blockierer, die nationalen Deutschen das Grundrecht, sich friedlich zu versammeln, nehmen und durch linke Gewalt verhindern, werden als angebliche Ursachen des Problems dargestellt. Perfider kann man die Tatsachen nicht mehr in ihr Gegenteil verkehren.
Aber hinter dieser Verdrehung steckt System. Die gesetzgebende Gewalt selbst ist es – wie mit dem vorliegenden Antrag der GRÜNEN –, die die Außerkraftsetzung der eigenen Rechtsnormen fordert, damit ein angeblich höheres Prinzip durchgesetzt wird. Um welches höhere Prinzip es sich handelt, das über dem geltenden Recht stehen soll, hat die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig in einem Interview deutlich gemacht – ich zitiere –: „Man muss sich manchmal fragen, ob zwischen Recht und Moral das richtige Verhältnis herrscht.“
Es geht also um die Moral, eine politische Moral, wonach Grundrechte nur derjenige wahrnehmen darf, der die richtige Meinung vertritt. Meine Damen und Herren, ein Staat, der Grundrechte nach Meinungsmaßstäben zuteilt oder auch verweigert, ist die längste Zeit ein Rechtsstaat gewesen.
Er ist ein Gesinnungsstaat, der seinen Bürgern vorschreiben will, was sie zu denken und zu meinen haben. Genau darauf zielt der sogenannte Kampf gegen Rechts ab, der in Wahrheit ein Kampf der Politiker gegen seine widerspenstigen Bürger ist. Die NPD-Fraktion wird daher die beiden rechtsstaatswidrigen Anträge ablehnen.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Wir kommen zur zweiten Runde. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Gebhardt. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Modschiedler, in unserem Antrag steht kein Wort darüber, dass wir ein prinzipielles Verbot von NPD-Aufmärschen fordern. Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass einige Mitglieder meiner Partei ein NPD-Verbot fordern. Das stimmt. Dazu habe ich persönlich eine andere Meinung. Ich glaube, dass man, indem man die NPD verbietet, eine rechtsgerichtete Gesinnung von dieser Gesellschaft nicht fernhalten kann.
Wir haben in unserem Antrag ausdrücklich keine Fragen nach staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und dergleichen gestellt. Diese Fragen haben wir im Innenausschuss und im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gestellt, in denen wir vorige Woche gemeinsam getagt haben.
Deshalb kann ich, Frau Friedel, Ihre Bemerkung bei allem Respekt nicht verstehen, wenn Sie sagen, dass wir erst in geschlossener Sitzung tagen sollen. Das haben wir vorige Woche gemacht. Wir haben die Fragen, die dorthin gehören, gestellt. Ich glaube aber, wir brauchen eine öffentliche Debatte zu dieser Thematik. Es nützt uns nichts, wenn wir darüber in irgendwelchen geheimen Zirkeln miteinander diskutieren, sondern wir brauchen eine öffentliche Diskussion und eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema.
Ich will trotzdem, auch wenn es dem einen oder anderen schon zum Hals heraushängt, noch einige ergänzende Ausführungen zum 13. und 19. Februar 2011 in Dresden machen. Das Thema ist so bedeutsam, dass wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können, zumal uns diese Situation auch im Jahr 2012 wieder bevorsteht.
Dank des couragierten, zivilgesellschaftlichen Engagements von mehr als 20 000 Menschen ist es gelungen, dass die geplanten Naziaufmärsche am 19. Februar 2011 in Dresden zum zweiten Mal nach dem Jahr 2010 verhindert und die Kundgebungen aus dem rechten Spektrum nur mit erheblichen Einschränkungen durchgeführt werden konnten.
Dieser Erfolg, der nicht nur landesweit und über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus breit medial reflektiert wurde, sondern in hohem Maße bundes- und europaweite Beachtung und Respekt sowie Zuspruch gefunden hat, wurde nicht zuletzt durch die Bereitschaft handelnder Polizeiführer möglich, die dem von Gewerkschaften, von Kirchen, von Parteien, dem Bündnis „Dresden nazifrei!“ und vielen anderen demokratischen Initiativen getragenen breiten Spektrum zivilgesellschaftlicher Kräfte
Die Stadt Dresden hat es mit ihrer Menschenkette am 13. Februar geschafft, ein Symbol zu setzen, dass in dieser Stadt Nazis nicht erwünscht sind. Nur leider hat die Stadt am 19. Februar 2011 aus meiner Sicht völlig versagt, nicht nur, weil die Versammlungsbehörde unwahrscheinlich dilettantisch agierte, sondern es wurde auch überdeutlich, dass in Dresden und seiner Stadtgesellschaft ein ungeklärtes Verhältnis darüber herrscht, wie mit dem bisher größten Naziaufmarsch in Dresden umgegangen werden muss.
Nein! – So wurde der Mahngang „Täterspuren“, beginnend an der MutschmannVilla in der Nähe des Großen Gartens, also weit weg von den genehmigten Nazi-Demo-Routen am 13. Februar in Dresden-Neustadt, wegbeauflagt. Bei diesem Mahngang sollte aufgezeigt werden, dass und vor allen Dingen wie in Dresden Täter des Nationalsozialismus gewirkt haben. Damit sollte an die Ursachen von Faschismus und Krieg erinnert werden. Zu dieser Wegbeauflagung – man kann quasi auch Verbot sagen – zitiere ich Prof. Dr. Andreas Nachama, Geschäftsführender Direktor der Stiftung Topografie des Terrors in Berlin: „Mit großer Bestürzung habe ich davon Kenntnis nehmen müssen, dass durch Maßnahmen des Ordnungsamtes Dresden die Orte, die den NS-Terror in Dresden dokumentieren, wie die Villa von NS-Gauleiter Mutschmann und die GestapoZentrale, nicht in ihre Manifestation einbezogen werden sollen. Ich unterstütze ausdrücklich Ihre ganzheitlichen Überlegungen und hoffe, dass es Ihnen gelingt, die politisch Verantwortlichen zu geschichtsbewusstem Handeln überzeugen zu können.“
Genauso unverständlich ist die durch das Ordnungsamt ausgesprochene Wegbeauflagung gegenüber dem DGB Sachsen. Auch der sächsische DGB sollte seine für den 19. Februar angemeldete Mahnwache nicht vor dem Gewerkschaftshaus in Dresden, seinem Stammsitz, sondern auf der anderen Elbseite durchführen. Für Ortsunkundige sage ich, dass das Gewerkschaftshaus 750 Meter von hier entfernt ist, und der Hauptbahnhof, also einer der Haupttreffpunkte der Neonnazis befindet sich in 2,5 Kilometern Entfernung. Es ist also absurd, diese Mahnwache auf die Neustädter Elbseite zu verbannen. Andererseits ist darin auch eine Ungleichbehandlung zu sehen, da Mahnwachen von Kirchen in der City an vielen Stellen in der Nähe von Nazi-Veranstaltungen genehmigt worden sind.
Leipzig macht es uns seit Jahren vor, wie es möglich ist, dem Missbrauch einer Stadt durch rechte Gruppierungen entschieden und geschlossen entgegenzutreten. Wichtige
Voraussetzung ist, dass sich die demokratischen Kräfte im Stadtrat zusammen mit der Stadtverwaltung einig sind. Dazu werden jede Menge Akteure aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich gewonnen, die dabei mitwirken, gemeinsam gegen Nazis Gesicht zu zeigen. Was wir in Dresden endlich brauchen – und da bin ich sehr bei unserem sächsischen Innenminister –, ist eine gesellschaftliche Diskussion, wie man mit solchen Situationen umgeht.
Das soll natürlich nicht heißen, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft nicht gegen Gewalttäter vorgehen sollen. Wer Gewalt – da wiederhole ich mich – gegen Polizeikräfte anwendet, hat selbstverständlich meine Sympathie verloren. Es ist aber falsch, die Schuld an der Auseinandersetzung den Gegendemonstranten zu geben. Es ist genauso falsch, die eingesetzten Polizeikräfte als Buhmänner vorzuschieben, da jeder, der schon einmal an Demonstrationen gegen Naziaufmärsche teilgenommen hat, mit der Eigendynamik von solchen Tagen leben muss.
Nach unserer Auffassung ist es berechtigt zu fragen – das ist der Grund unseres Antrages –, warum am 19. Februar eine Variante gewählt wurde, die offensichtlich zu einer Überforderung der Polizei vor Ort führen musste. Wurden wirklich alle Maßnahmen ausgeschöpft? Ist es richtig, dass sich die weiteren beteiligten Behörden auf rein rechtliche Argumente zurückziehen, ohne vorhandene Spielräume zu nutzen, und dann die Polizei bei der Durchsetzung ihre Entscheidung allein zu lassen?
Es wird zukünftig darum gehen, dass wirklich alle demokratischen Kräfte von der Verantwortung der Stadtverwaltung über die Dresdnerinnen und Dresdner bis zu den Gegendemonstranten, die aus ganz Deutschland anreisen, gemeinsam mit friedlichen Mitteln einen weiteren Missbrauch des 13. Februar durch alte und neue Nazis verhindern. Das geht aber nicht, wenn Sie, meine Damen und Herren der Koalition, immer und immer wieder den friedlichen Widerstand pauschal kriminalisieren.
Das war der erste Redner in der zweiten Runde. Gibt es weiteren Aussprachebedarf in der zweiten Runde? – Frau Friedel, bitte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil es Herr Gebhardt angesprochen hat, will ich ganz kurz etwas zum Thema: Diskussion öffentlich oder hinter verschlossenen Türen sagen. Da habe ich mich vielleicht etwas ungeschickt ausgedrückt. Ohne Frage, wir müssen die Debatte um den Kampf gegen Rechtsextremismus, um die Bedeutung des 13. Februar, um die Art und Weise, wie man mit Demonstrationen umgeht, gesellschaftlich breit und öffentlich führen. Da sind wir sofort dabei. Wir haben im vergangenen Jahr viele Anstrengungen unternommen, um diese Debatte öffentlich führen zu können. Worüber ich gesprochen