Protocol of the Session on February 9, 2011

Bei dem ganzen Gerede vom angeblichen Fachkräftemangel geht es bloß um knallharte Arbeitgeberinteressen. Je größer das Arbeitskräfteangebot ist, desto schamloser können Arbeitgeber die Löhne und die Arbeitsbedingungen ihrer deutschen Arbeitnehmer drücken. Deshalb ist die schrankenlose Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Deutschland und insbesondere für Sachsen eine soziale Zeitbombe.

Großbritannien hat erfahren müssen, welche Karawane von osteuropäischen Billiglöhnern die viel gepriesene Freizügigkeit in Gang setzt, um dann in der Wirtschafts

krise doch wieder umzusteuern und restriktivere Einwanderungsbestimmungen zu erlassen. Von der Sächsischen Staatsregierung ist eine derartige Vernunft aber nicht zu erwarten. Es gibt 421 000 sächsische Arbeitssuchende, von den Hunderttausenden, die ihre sächsische Heimat in den letzten Jahren wegen Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit verlassen haben, ganz zu schweigen. Trotzdem sprechen die Herrschenden auch in Dresden eine Einladung an die Osteuropäer aus, endlich ihre Koffer zu packen und nach Deutschland und – wegen der geografischen Nähe – insbesondere nach Sachsen zu strömen.

Herr Tillich, Herr Morlok schicken Sie die Sachsen nicht in einen ruinösen Wettlauf um die niedrigsten Löhne und schlechtesten Arbeitsbedingungen gegen eine Konkurrenz aus Osteuropa, gegen die sie nicht bestehen können! Ziehen Sie – und darauf zielt der NPD-Antrag ab – im allerletzten Moment die Notbremse und drängen Sie auf eine einseitige Kündigung aller EU-Verträge zur Arbeitnehmerfreizügigkeit durch Deutschland! Schützen Sie den deutschen Arbeitsmarkt durch einen branchenunabhängigen gesetzlichen Mindestlohn gegen den internationalen Dumpingwettbewerb, einen Mindestlohn, wie ihn die NPD auch in diesem Landtag seit 2004 fordert.

Unserer Auffassung nach war der Nationalstaat als Wahrer sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit noch nie so notwendig wie heute. Denken Sie auf der Regierungsbank an Ihren Amtseid, Ihre Kraft „dem Wohle des Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden“. Vom Wohle der Ausländer, des Auslands und des internationalen Großkapitals ist in der sächsischen Landesverfassung aber nirgendwo die Rede.

(Beifall bei der NPD)

Ich frage die Fraktionen, ob in der zweiten Runde der allgemeinen Aussprache noch jemand das Wort wünscht. – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Die Staatsregierung auch nicht. Ist von der NPD-Fraktion eine dritte Runde gewünscht? Herr Schimmer.

(Unruhe im Saal – Gitta Schüßler, NPD: Da müsst Ihr jetzt durch!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde natürlich gern noch auf die Argumente eingehen, die die anderen Diskutanten hier vorgebracht haben.

Also erst einmal Herr Heidan: Wir würden uns also gegen den europäischen Gedanken versündigen. Das ist ja wohl völliger Quatsch. Wir vertreten einfach den Gedanken, dass es für die europäischen Völker das Beste ist, wenn man dem Gedanken Charles de Gaulles folgt und ein Europa der Vaterländer schafft. Was hat man stattdessen geschaffen? Ein Europa der neoliberalen Ausbeutung! Man hat am 1. Mai 2004 die Europäische Union nach Osten hin erweitert, aber doch ganz klar mit dem Hinter

gedanken, dass man in der Slowakei, in Slowenien, in den baltischen Staaten billige Arbeitnehmer hat, die dann auf die europäischen Arbeitsmärkte drängen und dort das Lohnniveau niedrig halten. Das ist der eigentliche Missbrauch des europäischen Gedankens, dass man die europäischen Völker in einer Dumpingkonkurrenz gegeneinander verheizt.

(Beifall bei der NPD)

Das muss auch einmal gesagt werden.

Dann Herr Kosel. Sie haben hier einige falsche Bemerkungen gemacht. Es kann gar nicht die Rede davon sein, dass EU-weit gleiche Rechte und Pflichten herrschen. Sie wissen genau wie ich, dass die Zeitarbeitsbranche nicht im Arbeitnehmerentsendegesetz ist und dass es dort zu massiven Verwerfungen kommt, weil es für osteuropäische Zeitarbeitsfirmen oder einfach internationale Zeitarbeitsfirmen, die sich jetzt wie Pilze nach einem warmen Sommerregen plötzlich in Osteuropa ansiedeln, um diese Dumpinglöhne letzen Endes nach Westen tragen zu können, eben keine gleichen Rechte und Pflichten gibt, sondern dass uns dort ein massiver Verdrängungswettbewerb bevorsteht, den die 40 000 sächsischen Zeitarbeiter gar nicht überleben können.

Mich wundert auch, dass plötzlich bei den Linken so eine positive Einschätzung der Arbeitgeberseite und des Großkapitals herrscht, dass sie jetzt wirklich denken, dass in Chemnitz irgendein Unternehmer aus Menschlichkeit osteuropäischen Zeitarbeitern zwei Euro drauflegt, um dadurch dann diese Lohnunterschiede abzubauen. Das ist doch einfach naiv.

(Beifall bei der NPD)

Ich möchte jetzt noch einmal auf ein sehr altes Zitat – mehr als 2 000 Jahre alt – des Philosophen Thales von Milet zurückkommen. „Die Wahrheit ist immer stärker als die Lüge, nur nicht so laut und nur nicht so schnell.“ Vielleicht werden Sie von der LINKEN auch einmal begreifen, dass man soziale und humanitäre Motive nicht damit verfolgen kann, dass man die Arbeitsmärkte liberalisiert. Sie sind aus gutem Grund gegen eine Deregulierung der Finanzmärkte, gegen totale Deregulierung der Gütermärkte. Sie sollten auch einmal den Gedanken ins Kalkül ziehen, dass es besser wäre für die arbeitende Bevölkerung in ganz Europa, wenn wir auch die Arbeitsmärkte schützen würden; denn so naiv, wie Sie an diese Arbeitnehmerfreizügigkeit herangehen, nutzt sie wirklich nur der Arbeitgeberseite, die sich möglichst billige Arbeitskräfte wünscht und die teilweise hier Sklavenhalterbedingungen über die Zeitarbeit einführt.

(Zuruf von der NPD)

Ich möchte mich voll und ganz dem anschließen, was der frühere Berater von Oscar Lafontaine und Linksnationalist Jürgen Elsässer, den ich sehr schätze, im Sommer 2005 in der „Jungen Welt“ geschrieben hat. Ich zitiere: „Könnte man das Sozialdumping verhindern, indem man

Mindestlöhne einführt, die für Deutsche wie für die Ausländer gleichermaßen gelten? Das wird ebenso scheitern wie ein Streik für höhere Löhne in einer Fabrik, in die durch den Hintereingang ständig Streikbrecher eingeschleust werden. Der Zustrom billiger Arbeitskräfte ist so lange nicht zu stoppen, wie diese gar nicht als Arbeitskräfte kommen, sondern schlicht die Niederlassungsfreiheit in der EU ausnutzen und dann hierzulande beispielsweise als Scheinselbstständige firmieren. Die Niederlassungsfreiheit aber ist ein Kernelement der EU. Bürgern eines EU-Mitgliedslandes kann sie nicht verwehrt werden. Genau deswegen muss die aufgeblähte EU auf einen Kern zurechtgestutzt werden, in dem es kein zu starkes Wohlstandsgefälle gibt. Wer die Ausbeutung der Ostländer lindern und das einheimische Proletariat verteidigen will, muss also die EU-Erweiterung stoppen und rückgängig machen.“

Meine Damen und Herren! Folgen wir diesem Rat – –

Herr Schimmer, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ja, ich habe noch genug Zeit. Folgen wir diesem Rat aus der linken Zeitung „Junge Welt“! Folgen wir dem Rat von Jürgen Elsässer!

Besten Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Möchte noch ein Abgeordneter in der dritten Runde das Wort ergreifen? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung: Möchte die Staatsregierung noch sprechen? – Die Staatsregierung möchte nicht sprechen. Ich frage nach einer vierten Runde. Die NPD hat keine Redezeit mehr.

(Holger Apfel, NPD: Aber das Schlusswort haben wir!)

Das kann ich nicht erkennen. Damit kommen wir zum Schlusswort. – Kein Schlusswort? – Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/4804 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Drucksache bei einigen Dafürstimmen mehrheitlich nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Tagesordnung der 30. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages ist abgearbeitet. Das Präsidium hat den Termin für die 31. Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 10. Februar 2011, 10:00 Uhr, festgelegt. Die Einladung und die Tagesordnung dazu liegen Ihnen vor. Die 30. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages ist geschlossen. Einen schönen Abend.