Die NPD-Fraktion hat keinen Redner gemeldet. Damit ist die erste Runde abgeschlossen. Bevor ich eine zweite Runde
aufrufe, frage ich die Staatsregierung. Mir liegen keine Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Möchte trotzdem ein Abgeordneter das Wort ergreifen? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage jetzt die Staatsregierung. Herr Staatsminister Martens, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute Vormittag in der Aktuellen Debatte bereits ausführlich über die Frage der Staatsmodernisierung, der vorliegenden Standortkonzeption sowie über die anderen Bausteine, ihre Reihenfolge, Annahmen, Grundlagen, Analysen und darüber gesprochen, was Grundlage des Vorhabens der Staatsregierung in dieser Legislatur ist. Deswegen hat sich dieser Antrag in vielem überholt. Aber das, was vorgetragen worden ist, bedarf gleichwohl noch der einen oder anderen Klar- und auch Richtigstellung, meine Damen und Herren.
Selbstverständlich müssen wir die Einwohnerzahlen und deren Entwicklung berücksichtigen. Die Finanzmittel sinken. Das sind die Haushaltsvorgaben, denen wir uns stellen müssen. Manche von der Opposition, die hier geredet haben, tun so, als wären das nicht zu beachtende Größen, als würde das keine Rolle bei den politischen Entscheidungen, die wir zu treffen haben, spielen. Das ist allerdings nicht so.
Anders als die Antragssteller können wir die Handlungsnotwendigkeit im Bereich der Staatsmodernisierung nicht infrage stellen, meine Damen und Herren. Wir wollen mit dem Jahr 2020 erreichen, dass Sachsen auf eigenen Beinen steht. Die Alternative, nichts zu tun, würde bedeuten, dass wir dieselbe Anzahl Bedienstete im öffentlichen Dienst weiter finanzieren müssen wie heute bei einem dann entsprechenden Missverhältnis von Bediensteten zu einer geringer gewordenen Bevölkerung.
Wer das möchte, der muss auch sagen, wie es finanziert werden soll. Aber das steht in diesem Antrag, der nur Fragen stellt – bisweilen auch aufgrund falscher Zahlenangaben –, überhaupt nicht drin, meine Damen und Herren.
Es wird der Eindruck vermittelt, als würden wir gerade so weitermachen können wie bisher. Nein, das wollen wir eben nicht. Wir wollen moderne Technik nutzen, um den Bürgern den Zugang zu Behörden zu erleichtern, und dieses geänderte Kommunikationsverhalten wird natürlich Einfluss auf die Arbeit der Verwaltung im Freistaat Sachsen haben. Das scheinen die Antragsteller nicht zur Kenntnis zu nehmen oder zur Kenntnis nehmen zu wollen.
Zur Frage der fehlenden Bürgernähe, die hier bereits in den Raum gestellt worden ist. Wir haben in den Leitlinien vorher vorgegeben, welche Entfernungen zu welchen Behördenstandorten ungefähr einzuhalten sind, welche Größen die Behörden haben sollen, wie viele Einwohner sie betreuen. Da ist es durchaus vertretbar und nachvoll
Es ist durchaus nicht schädlich, wenn wir sagen, dass wir pro Landkreis ein Finanzamt haben; denn wer von den Bürgern ist tatsächlich beim Finanzamt? Tun Sie doch nicht so, als würde der Bürger am Freitagnachmittag, wenn er nichts zu tun hat, zur Familie sagen: Was machen wir denn heute Schönes? Oh, wir fahren mal schnell zum Finanzamt! – Das kommt nicht vor.
Erinnern Sie sich noch an Ihren letzten Besuch bei der Landesdirektion? Ich glaube nicht. Aber hier wird getan, als hätten Tausende von Bürgern jeden Tag nichts anderes zu tun, als zwischen Landesdirektion und Finanzamt, am besten noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, hin- und herzupendeln.
Nein, meine Damen und Herren, Sie gehen von falschen Vorstellungen aus; zum Beispiel werden hier auch Mythen gebildet. Wenn Herr Gebhardt davon spricht, früher hätten sich die Standorte von Behörden danach ausgerichtet, wie schnell sie vom Bürger erreichbar waren – ich kann mich an solche Zeiten nicht erinnern, und ich glaube, wenn Sie wirklich ernsthaft nachdenken, kommen auch Sie nicht dahin zurück.
Also hören wir auf, im politischen Raum mit diesen Mythen herumzuargumentieren, meine Damen und Herren.
Unser Interesse ist es nicht, die Behörden möglichst nah an den Bürger zu bringen, sondern dem Bürger den Gang zur Behörde nach Möglichkeit zu ersparen. Das ist ein wesentlich wertvollerer Grundsatz.
Zum Einfluss der Demografie auf die Aufgabenwahrnehmung. Das hat erheblichen Einfluss und wir brauchen nach dem, was wir an Statistiken, Berichten und Erklärungen vorliegen haben, keine gesonderten Analysen. Das reicht, um ein Handlungskonzept zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, worauf warten Sie denn nach den verschiedenen Untersuchungen, etwa dem Abschlussbericht der Enquete-Kommission zur Demografie, noch? Was brauchen Sie denn noch, um zu erkennen, dass mit Blick auf die Bevölkerungszahlen im Jahr 2020 ein Handeln der staatlichen Verwaltung und eine Anpassung derselben notwendig ist? Diese Staatsregierung stellt sich der Aufgabe. Wir haben zum Beispiel im Hinblick auf die
Fragen „Fallzahlen der öffentlichen Verwaltung, Annahmen der Bevölkerungsentwicklung“ ausführlich auf die Große Anfrage der Linksfraktion in der Drucksache 5/4109 geantwortet. Dort stehen auch aufgabenkritische Strukturbetrachtungen und wie sie zu Veränderungen im Aufgabenbereich geführt haben.
Noch etwas zu dieser Mär von der Reihenfolge der Aufgabenkritik und der Standorte. Die Aufgabenkritik ist ein laufendes Geschäft. Sie ist keine Einmalaufgabe, die einmal durchgeführt und dann für immer abgeschlossen ist. Das ist ein immer neuer, sich wiederholender Prozess, bei dem laufend kritisch hinterfragt wird, ob das, was man tut, erstens, noch erforderlich ist, zweitens, ob es richtig organisiert wird. Aber die Frage der Standorte, die Frage von Grundsatzentscheidungen kann man treffen und zusätzlich, parallel Aufgabenkritik laufen lassen. Das verkennen Sie. Es ist nicht die Notwendigkeit, erst eine Aufgabenkritik zu machen und dann zwingend Standorte abzuleiten. Es kommt darauf an, Standorte regional richtig zu verteilen und die Aufgabenerledigung dementsprechend anzupassen, und nicht andersherum, meine Damen und Herren.
Zu den Kostenschätzungen, die hier angeführt worden sind: Die Staatsregierung geht davon aus, dass die Standortkonzeption der Staatsmodernisierung 300 Millionen Euro bis 2020 in Anspruch nehmen wird. Die Einzelkosten werden natürlich erst dann feststehen, wenn die Einzelabrechnungen vorliegen, etwa im Baubereich. Aber wir gehen davon aus – auch das ist heute Vormittag schon gesagt worden –, dass wir nach dem Jahr 2020 hieraus rund eine Milliarde Euro jährlich an Einsparungen erwirtschaften können. Die Detailzahlen werden wir dann natürlich erst im Einzelnen haben, wenn es so weit ist.
Ich möchte von dem Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen, nachdem ich nicht die Möglichkeit hatte, eine Zwischenfrage zu stellen – und bedanke mich ausdrücklich bei Kollegen Herbst, der mich darauf aufmerksam gemacht hat.
Ich habe mich deshalb noch einmal zu Wort gemeldet, weil in den Aussagen des Ministers eines offen zutage getreten ist: Die bauliche Hülle – ich überspitze es einmal ein wenig – bestimmt die Aufgaben der Verwaltung; denn nichts anderes haben Sie gesagt. Sie haben gesagt, Sie müssen die regionalen Standorte, Sie müssen auch das, was vor Ort im Lande da ist, gerecht verteilen, und dann schauen Sie, wie Sie die Aufgaben in die Gebäude bringen können.
Ich glaube, genau da liegt auch ein Problem in der „Denke“, und deshalb empfehle ich nochmals die Internetseite des Innenministeriums des Bundes, das Obligationshandbuch des Bundes. Dort wird beschrieben, wie Verwaltungsprozesse, Verwaltungsmodernisierung und Strukturveränderungen richtigerweise laufen. Erstens, mit Beteiligung der Beschäftigten – und auch mit Beteiligung der Personalräte, die man dort als Partner und nicht als Gegner verstehen sollte –, und danach spricht man darüber, welche Aufgaben man zukünftig im Freistaat durchführen will, welches diese Aufgaben sind, mit welchem Personal man es macht, und dann entscheidet man, wo man es macht. Und Sie haben das nicht getan.
Herr Dr. Martens, möchten Sie darauf antworten? – Er möchte nicht darauf antworten. – Ich frage: Gibt es weitere Wortmeldungen in einer dritten Runde oder das Schlusswort? – Frau Jähnigen, Sie haben die Möglichkeit, ein Schlusswort zu halten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schiemann, ich habe den Antrag in der Tat nicht vorgelesen, weil ich denke, er liegt Ihnen vor und alle konnten ihn lesen.
Ich muss jetzt aber konstatieren, dass keine einzige unserer Fragen beantwortet worden ist. Es wird viel gesprochen von Voraussetzungen, die nicht notwendig wären; die eigentlichen Voraussetzungen sind offensichtlich die Standorte, zum Beispiel vom veränderten Kooperationsverhalten. Es wird nichts beziffert, es kam keine einzige Zahl von der Regierung.
Wenn Sie sagen, dass Ihnen dann eine Regierungserklärung nicht ausreichen würde, dann muss ich Sie fragen: Reicht Ihnen dieser allgemeine Austausch in der Aktuellen Debatte aus? Er bringt nichts. Die grundlegende Richtungsdiskussion müssen wir jetzt führen, da dürfen wir nicht auf die Feinkonzepte warten. Wir dürfen nicht abwarten, bis die Polizei wieder auf diese Reise nach Jerusalem geschickt wird, und wir müssen auch jetzt im Parlament diskutieren, ob wir die Gründung einer Landesdirektion als Superbehörde vorbereiten, die nach jetzigen Stellenzahlen ungefähr 1 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wird und auch, wenn etwas abgebaut wird, immer noch größer ist als das Innenministerium, das Finanzministerium und das Sozialministerium zusammen.
Ich möchte Ihnen an einem Beispiel, Herr Justizminister, noch einmal die Relevanz von Behördenstandorten vor Augen führen. Zum Beispiel ist es für Bürger in Sachsen nach wie vor nicht möglich, Akteneinsicht durch Zusendung von Akten elektronisch oder als Akte zu nehmen. Man muss sich an den Sitz der Behörde begeben. Es ist natürlich ein großer Unterschied, ob die Landesdirektion, bei der man vielleicht Umweltinformationen einsehen will, in Chemnitz sitzt oder an anderen Orten. Es ist ein großer Unterschied und das beschäftigt Bürger, gerade weil sie nicht so einen großen Spaß daran haben, zu diesen Verwaltungen zu fahren.
Das ist einfach praktisch relevant und ich muss sagen, Ihre sehr abstrakten Ausführungen waren sehr weit weg von der Lebenspraxis der Menschen in Sachsen.
Deshalb noch einmal der Appell unserer Fraktion: Führen wir die Richtungsdiskussion jetzt! Haben wir jetzt den
Mut und nicht erst, wenn die Feinkonzepte erarbeitet werden und wir die Probleme dann auf den Tisch gelegt bekommen!
Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/4802 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Danke. Bei einigen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist die Drucksache 5/4802 mehrheitlich nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.