Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der vorigen Debatte um die Fachkräfte und um die erhoffte Zuwanderung ausländischer Fachkräfte ist schon darauf eingegangen worden, dass Sachsen, um ein weltoffenes und attraktives Land zu werden, eine Beratung von Behörden und Betroffenen braucht, und zwar von kompetenten Stellen. Die Arbeit des Antidiskriminierungsbüros in Leipzig ist in diesem Zusammenhang von allen Vorrednern – bis auf einen – ausreichend und umfassend gewürdigt worden.
Das Besondere an dieser vielfältigen Beratung – Diskriminierung nach Alter, Geschlecht, Religion, sexueller Identität, Behinderung, Weltanschauung – ist, dass sie nicht nur gut ist, sie ist auch effektiv; es gibt keine sektorale Beratung, sondern alle Aspekte können erfasst werden. Ich kann aus Sicht der sächsischen Politik nur sagen, dass wir das dringend für ganz Sachsen brauchen, und zwar gerade für ländliche Räume. Gerade dort klagen Betroffene über zunehmende Diskriminierung zum Beispiel gegen Homophobie. Diese Beratung kann nicht allein ehrenamtlich geleistet werden, sie braucht auch auf Landesebene professionelle Standbeine.
Man kann in der Bundes-Antidiskriminierungsstelle nachlesen, gegründet in Zeiten von CDU-Mitregierungen, wie so ein Beratungsansatz sein muss, dass aber auch die Bundesdiskriminierungsstelle ausdrücklich darauf verweist, dass eine wohnortnahe Beratung wichtig und richtig ist. Deshalb haben wir zur Haushaltsdebatte beantragt, eine Antidiskriminierungsstelle für Sachsen zu schaffen, die sachsenweit tätig ist, und zwar – Herr Kollege Wehner, hören Sie noch einmal genau zu, denn ich glaube, Sie waren da nicht sehr gut informiert, obwohl es noch nicht lange her ist –: für 150 000 Euro Sach- und Personalkosten.
Unser Antrag hätte bedeutet, so eine Stelle wäre ausgeschrieben worden, ich hätte gehofft, dass sich in so einem Fall das Antidiskriminierungsbüro bewirbt und dann diese Leistung erbringt. Was danach kommunal bestellt wird, was die Stadt Leipzig möchte, die diese Arbeit bisher in wesentlichen Teilen getragen hat, ist eine ganz andere Frage. Das hat überhaupt nichts mit Eingriffen in die kommunale Selbstverwaltung zu tun, wenn der Freistaat so etwas für seine Räume überlegt. Das ist eine Ausrede, die so abwegig ist, dass man sie so nicht vorbringen sollte.
Bis jetzt ist die Finanzierung des Antidiskriminierungsbüros gemischt gewesen, Herr Kollege Wehner. Es ist nicht nur von der Stadt Leipzig finanziert worden. Es gab dort auch ein landesweites Projekt. Aber fast sämtliche Finanzierungen laufen aus. Es ist daher absehbar, wie es zurzeit ist, dass die Arbeit des Antidiskriminierungsbüros auf ein
Minimum zurückgefahren wird. Deshalb ist es richtig, dass die LINKEN jetzt beantragen, dass sich die Landesregierung gemeinsam mit der Stadt Leipzig, wo dies auch noch ein Thema ist, überlegt, was zu machen ist, damit das Büro im alten oder neuen Umfang aus Landessicht weiterarbeitet.
Liebe Frau Kollegin Jonas, ich glaube, es ist nicht ehrlich, dies alles zu würdigen und zu rühmen und dann zu sagen: Ja, aber die Stadt Leipzig muss es wissen. Wir müssen wissen, ob wir das im Land Sachsen für notwendig und für richtig halten, und wir tun das.
Wenn Sie die Kostendeckungsdiskussion wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann müssen Sie so eine Debatte zu den Haushaltsberatungen mit uns zusammen führen und mit uns zusammen überlegen. Ich will Ihnen jetzt gar nicht sagen, mit welch kurzer und polemischer Begründung die Debatte im Innenausschuss vom Tisch gefegt worden ist. Das erspare ich Ihnen wirklich. Aber Sie haben sich dem Thema nicht gestellt. Der Antrag der LINKEN gibt Ihnen heute die letzte Möglichkeit dazu. Tun Sie es! Wir brauchen es dringend in Sachsen! Antidiskriminierungsberatung für Sachsen! Geben Sie den Ministern heute diesen Verhandlungsauftrag, dann kann ein Teil der Kompetenz des Büros vielleicht noch gerettet werden! Preiswerter bekommen Sie solche Qualität nicht!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim vorliegenden Antrag hat sich DIE LINKE schon beim Adressaten ihres Anliegens im Kern vertan, denn das „Antidiskriminierungsbüro Sachsen“ ist – wir haben es bereits gehört – ein in Leipzig ansässiger Verein, der, wenn überhaupt, von der Stadt Leipzig zu finanzieren ist und keinesfalls als Aufgabe des gesamtsächsischen Steuerzahlers.
Es ist das SPD-geführte Leipzig, das die Zuschüsse für die selbsternannten Anti-Diskriminierungskämpfer um 60 % gekürzt hat und damit dieses seltsame Büro scheinbar vor die Existenzfrage stellt. Man hat den Eindruck, dass hier ein besonderes Schmuckstück der sächsischen Antifa-Industrie gehegt und gepflegt werden soll, und das auf Kosten der sächsischen Steuerzahler.
Beschäftigt man sich einmal damit, was dieser RotfrontVerein so treibt, dann stößt man auf seiner Internetseite auf das obligatorische Soziologen-Kauderwelsch. Als nächste Termine dieses bislang von der Stadt Leipzig sehr großzügig alimentierten Büros werden dort angekündigt: Eine Lesung: „Leipzig liest quer – schwul-lesbische Autorenmatinee“ im Rahmen der Leipziger Buchmesse. Angekündigt wird weiterhin ein aufregendes Seminar zum Thema „Ältere Migranten in der Stadt“ und überdies eine Fachtagung mit dem noch aufregenderen Titel „Interkulturelle Öffnung, Migrations-Mainstreaming,
Gestaltung der Vielfalt“. Ausländer-Senioren und Migranten-Mainstreaming sind nach Auffassung der LINKEN also Themen, für deren diskurspolitische Bearbeitung der sächsische Steuerzahler aufkommen soll.
Mit solchem Gutmenschenunfug werden aber nicht nur Erwachsene konfrontiert, sondern schon die Jüngsten sind diesen Ergüssen wehrlos ausgeliefert, oder man versucht zumindest, sie diesen Ergüssen auszuliefern. So nennt sich ein wichtiges Projekt des Vereins beschönigend „Fair in der Kita“. Worum es dabei geht, wird deutlich, wenn man das zugehörige Konzept mit dem umständlichen Titel „Antidiskriminierungspädagogik für ErzieherInnen und SozialpädagogInnen – ein Fortbildungsmodul“ liest. Worauf stößt man dort unter Punkt II „Inhaltlichtheoretische Grundsätze“? Natürlich wieder einmal auf den Kampf gegen Rechts, der diesmal allerdings schon im Kindergarten beginnen soll.
An eben genannter Stelle heißt es, ich zitiere den Wortsalat einmal, weil es unfreiwillig komisch ist: „Die aktuellen rechtspopulistischen und rechtsextremen Exkurse, aber auch der historische Nationalsozialismus gründen auf Entwürfen einer homogenen gesellschaftlichen Ordnung. Sie behaupten unveränderbare biologische bzw. kulturelle Identitätsmerkmale und sehen die Abweichung von Normalität als Bedrohung. Rechtsextremismus ist insofern ein politisch verdichteter Ausdruck, der auf gesellschaftlich weit verbreiteten Wahrnehmungsweisen und Ordnungsvorstellungen beruht. Es schließt weitere Formen der Ungleichbehandlung ein, die häufig auf geschlechtliche Zuschreibung und Konstruktion körperlicher sowie geistiger Normalität verweisen.“
Man beachte die Formulierung von der „Konstruktion körperlicher und geistiger Normalität“, die es augenscheinlich zu ächten gilt. Im Klartext heißt das: Das gesunde Volksempfinden soll schon den Kindern ausgetrieben werden. Wer noch zwischen geistig gesund und krank, normal und anormal, zwischen dem Eigenen und dem Fremden unterscheidet, ist nach der Logik dieser „Antidiskriminierer“ ein „Diskriminierer“ und muss möglichst schon als Kleinkind geistig umgepolt werden. Derartiger Unsinn wird dann auch noch aus allen möglichen öffentlichen Kassen finanziert.
In den letzten fünf Jahren erhielt das Antidiskriminierungsbüro Leipzig allein aus dem Anti-Rechts-Programm „Weltoffenes Sachsen“ 80 000 Euro. Für die NPD ist es ein Skandal, dass mit sächsischem Steuergeld ein derartig linkes Sozialbiotop gewässert wird, und das mit wohlwollender Billigung der CDU, die schließlich im Jahr 2004 im Kampf gegen die NPD das Programm mit dem irreführenden Titel „Weltoffenes Sachsen – für Demokratie und Toleranz“ aufgelegt hat. Also kann sich auch die CDU nicht davon freisprechen, in den letzten Jahren insgesamt 80 000 Euro Steuergeld in dieses dubiose Büro gepumpt zu haben.
Nun befürchtet DIE LINKE – wir haben es gehört –, dass ab Mitte 2011 nur noch eine Halbtagskraft bezahlt werden kann, und auf der Netzseite des Büros findet sich der
Hinweis: „Die Beratungsstelle des Antidiskriminierungsbüros Sachsen bleibt bis voraussichtlich Ende Februar 2011 geschlossen.“
Das klingt nach unserer Auffassung doch schon einmal außerordentlich hoffnungsvoll. Die NPD-Fraktion empfiehlt dem Antidiskriminierungsbüro, den Laden konsequenterweise ganz dicht zu machen. Kein sächsischer Normalbürger wird die Arbeit dieses „Büros“ vermissen.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es noch weiteren Redebedarf? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Clauß, bitte; Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Fraktion DIE LINKE möchte mit ihrem Antrag die Zukunft des Antidiskriminierungsbüros in Leipzig sichern, und zwar auch langfristig.
Sie setzen dabei die unsichere Zukunft in unmittelbaren Zusammenhang zu unserem Landeshaushalt 2011/2012, obwohl Sie in Ihrer Begründung die bisherige Finanzierung richtig darstellen. Die Stadt Leipzig und die ARGE in Leipzig haben die Finanzierung zu großen Teilen übernommen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, die Entscheidung der Stadt Leipzig, die städtische Förderung zu reduzieren, bedaure ich, und die auslaufende Unterstützung durch das Jobcenter macht die Sache nicht leichter. Aber es kann nicht nur immer mit dem Finger auf den Freistaat gezeigt werden, wenn die Kommune Entscheidungen trifft. Dafür gibt es ja genügend andere Beispiele.
Sie wissen, dass eine institutionelle Förderung durch das Sozialministerium nicht möglich ist – auch nicht für das Antidiskriminierungsbüro in Leipzig. Bei konkreten Projekten hingegen haben wir das Antidiskriminierungsbüro oft unterstützt, so zum Beispiel bei der Erstellung eines Informationsfächers im universalen Design, mehrsprachig, in leichter Sprache, in Großdruck, in Blindenschrift – gefördert auf der Grundlage der Richtlinie zur Förderung der selbstbestimmten Teilhabe für Menschen mit Behinderungen.
Darüber hinaus wurden mögliche Unterstützungen von meinem Haus bereits im November vergangenen Jahres mit dem Antidiskriminierungsbüro erörtert und in diesem Zusammenhang unter anderem auch über das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ informiert. Ich betone: An den Stellen, an denen wir fördern und unterstützen können, tun wir das auch.
Nochmals zu Ihnen, Frau Abg. Klinger: Von einer nebulösen Struktur bei der Einsetzung eines Gleichstellungsbeirates zu sprechen ist in meinen Augen für dieses wichtige Gremium diskriminierend.
Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist beendet. Wünscht dennoch jemand das Wort? – Das sehe ich nicht. Wir kommen zum Schlusswort. Frau Abg. Gläß, bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ja, es ist auch Aufgabe des Freistaates, seine Bürgerinnen und Bürger vor Benachteiligung und Diskriminierung zu schützen. Teilhabe und Chancengleichheit in den grundlegenden Lebensbereichen sind zentrale Werte unserer Gesellschaft. Frau Klinger sagte es schon: Die Antidiskriminierungsarbeit ist kein typisches Frauenthema oder nur ein Ausländerinnenthema, es ist kein Behindertenthema, sondern es berührt fast alle gesellschaftspolitisch relevanten Bereiche.
Es gibt Gesetze und Regelungen auch in Übereinstimmung mit europäischem Recht für die Bereiche Arbeit, Bildung, Sozialschutz. Aber Gesetze reichen nicht aus, um gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken und reale Teilhabe zu schaffen. Das Antidiskriminierungsbüro in Leipzig – wie schon betont, modellhaft für ostdeutsche Flächenländer – arbeitet unabhängig und qualifiziert. Es ist fest verankert im bundesweiten Netzwerk der Antidiskriminierungsarbeit. Das ADB in Leipzig erbringt eine Leistung für den Freistaat, die aber auch staatlich gefördert und finanziert werden muss. Sowohl in einem Gesamtkonzept aus Beratung, Schulung, Information sowohl für einzelne Betroffene als auch in Aufklärungs- und
Bildungsarbeit wird hier Vorbildliches geleistet. Die Argumente, der Freistaat sei nicht zuständig, das Büro arbeite ja hauptsächlich für die Stadt Leipzig, sind nur vorgeschoben; denn Anfragen und Beratungsleistungen werden sachsenweit von Aue über Dresden bis nach Görlitz eingefordert und geleistet.
Der Ansatz, dass die Beratungsarbeit nicht nur auf ein Diskriminierungsmerkmal – zum Beispiel Behinderung, Geschlecht oder ethnische Herkunft – gerichtet ist, wurde schon mehrfach von vielen Rednerinnen und Rednern betont. Diese mehrdimensionale sechsjährige Arbeit ist das Alleinstellungsmerkmal des ADB in Leipzig und wird auch bundesweit gewürdigt. Diese Arbeit muss dauerhaft und institutionell gefördert werden.
Wer einmal auf den Internetseiten nachgeschaut hat – Herr Wehner betonte es –: Die Kolleginnen und Kollegen fordern die Finanzierung, die institutionelle Förderung einer Stelle, das sind 50 000 Euro im Jahr. Projektförderung kann begleiten und kann eine weitere Schiene der Finanzierung sein. Hier sollte unbedingt ein koordiniertes Vorgehen von Bund, Land und Kommune angestrebt werden. Diese Koordination muss durch das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz geleistet werden; diese Koordinierung muss dort in einer Hand liegen.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/4757 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist abgelehnt. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.