Protocol of the Session on November 11, 2009

30 Beamte und wird jetzt weiter auf 40 erhöht. Sie sehen also: Wir sehen das und reagieren auch darauf.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal zusammenfassen und diesen Vorwurf zurückweisen, dass wir verharmlosen und nichts tun würden. Das Gegenteil ist der Fall. Wir sehen neonazistische Gewalt und Fremdenfeindlichkeit und wenden uns offen dagegen. Aber wir wenden uns gegen die Feinde der Demokratie von Rechts und Links.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Herr Abg. Jennerjahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich begrüße ich diese Debatte, die wir heute führen, grundsätzlich. Ich habe aber auf der anderen Seite auch ein paar Bauchschmerzen dabei. Der bisherige Verlauf hat mir auch sehr deutlich gezeigt, warum ich Bauchschmerzen dabei habe.

Mir stellen sich ein paar grundsätzliche Fragen bei der ganzen Geschichte. Die erste Frage wäre: Würden wir diese Debatte überhaupt führen, wenn es nicht kürzlich einen massiven rechtsextremen Übergriff auf den Roten Stern Leipzig in Brandis gegeben hätte?

Die zweite Frage, die sich mir stellt, ist: Würden wir diese Debatte führen, wenn dieser Vorfall nicht so umfassend medial aufgegriffen worden wäre?

(Zuruf der Abg. Kerstin Köditz, Linksfraktion)

Die dritte Frage, die sich stellt: Hätten die Medien diesen Vorfall überhaupt angesprochen, wenn er nicht gerade in einer Zeit, die man als mediales Loch bezeichnen müsste, stattgefunden hätte, sondern – sagen wir einmal – ein oder zwei Wochen später?

Ich befürchte, auf alle drei Fragen lautet die Antwort erst einmal: Nein.

Damit sind wir auch bei einem sehr grundsätzlichen Problem angelangt. Wir sprechen nämlich über das Thema Rechtsextremismus erst dann, wenn es einen akuten größeren Übergriff gegeben hat oder wenn die NPD oder eine andere neonazistische Partei wieder einmal einen mehr oder weniger spektakulären Wahlerfolg zu verzeichnen hat. Wir verkürzen damit allerdings die Sichtweise, weil wir eben nur die akute Dimension betrachten und die strukturellen Aspekte außen vor lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Natürlich ist es wichtig, die offenen Formen wie Neonazigewalt anzusprechen und ernst zu nehmen. Es sind auch kritische Nachfragen zu stellen, vor allem was das Thema Sicherheit im ländlichen Raum betrifft. Da müssen wir im Fall Brandis ganz einfach ein Polizeiversagen konstatieren.

Mit dem Polizeiversagen meine ich jetzt nicht die paar unglücklichen Beamten, die beim Spiel selbst im Einsatz

waren, als der Angriff losging, sondern der Fehler ist früher zu suchen. Der Fehler ist nämlich dort zu suchen, als bekannt wurde, dass ein solcher Übergriff stattfinden soll, und die Polizei diese Hinweise nicht ernst genommen hat.

Das eigentlich Fatale daran ist, dass diese Hinweise nicht ernst genommen wurden, obwohl die rechtsextreme Szene am 17. Oktober in Leipzig eine massive Niederlage einstecken musste und in ihren Internetforen sehr laut Rache geschworen hat. Dieser Angriff in Brandis war ein Angriff mit Ansage.

Aber hinter diesem Polizeiversagen, das ich gerade angesprochen habe, steht aus meiner Sicht ein noch größeres Problem. Im ländlichen Raum ist die Polizei vielfach schlichtweg nicht mehr in der Lage, die Sicherheit, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Dazu ein Beispiel: In der Stadt Colditz wird das Ladenlokal eines dort ansässigen Unternehmers seit geraumer Zeit immer wieder von der extremen rechten Szene angegriffen. In Colditz gibt es derzeit noch einen Polizeiposten, der genau zweimal in der Woche tagsüber besetzt ist. Anders ausgedrückt: Die Polizei ist überhaupt nicht mehr in der Lage, dort Sicherheit zu gewährleisten.

In dieser Situation gibt es selbstverständlich viele Leute, die zwar die Angriffe auf den Laden beobachten, aber aus Angst keine Zeugenaussagen mehr machen. Das ist aus meiner Sicht echtes Staatsversagen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Trotzdem ist es aus meiner Sicht ein grundsätzlicher Fehler, wenn wir die Debatte auf die Stichworte „neonazistische Gewalt“ und „Fremdenfeindlichkeit“ verkürzen. Herr Kollege Seidel, es ist auch nicht angemessen, das Bild einer an sich heilen Gesellschaft zu zeichnen, die ausschließlich von ihren Rändern, von Links und Rechts – und vielleicht noch ein bisschen Islamismus hineingemischt – bedroht wird, sondern wir müssen sehr viel grundsätzlicher debattieren, wir müssen uns über Demokratiedefizite unterhalten. Auch dafür haben Sie aus meiner Sicht gerade ein schönes Beispiel gegeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Demokratie gehört eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative. Aus meiner Sicht waren Sie gefragt, eine Rede für Ihre Fraktion zu halten, und nicht für die Regierung. Ich denke, Herr Kollege Ulbig ist durchaus in der Lage, für sich selbst zu sprechen. Wenn ich Demokratiedefizite anspreche, meine ich damit vor allem, dass Bürgerinnen und Bürger in den regulären politischen Prozess vielfach nicht genügend involviert sind. Es werden immer wieder Entscheidungen über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg getroffen, und daraus resultieren logischerweise gewisse Entfremdungsprozesse.

Wichtig ist mir an dieser Stelle, dass demokratische Institutionen auch einmal selbstkritisch mit sich umgehen und fragen, ob sie eigentlich genug tun, um angemessene demokratische Strukturen zu gewährleisten. Davon nehme ich uns als Parteienvertreter explizit nicht aus. Anderenfalls muss man die Erfahrung machen, die wir hier in Sachsen gemacht haben: Eine eindeutig menschenverachtende Partei wie die NPD ist in zahlreiche Parlamente eingezogen. Sie findet aufgrund dieser Demokratiedefizite einen Nährboden und versucht die Instrumente der Demokratie zu nutzen, um die Demokratie zu beseitigen.

(Andreas Storr, NPD: Quatsch!)

Das ist kein Quatsch, sondern es ist eindeutig nachgewiesen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ein letzter Gedanke noch, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Es ist grob fahrlässig, in einer solchen Situation ausgerechnet mit einer Einschränkung der Versammlungsfreiheit antworten zu wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Es ist doch absurd, dass man glaubt, man könne die Feinde der Demokratie dadurch bekämpfen, indem man elementare demokratische Grundrechte einschränkt. Das ist reine Symbolpolitik, und das Schlimme daran ist: Sie werden mit dieser Symbolpolitik nicht einen einzigen Neonaziaufmarsch in Sachsen verhindern. Ein Problem ernst zu nehmen bedeutet nämlich an allererster Stelle, ihm nicht mit reiner Symbolpolitik zu begegnen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Meine Damen und Herren! Nun kommt die Fraktion der NPD. Für sie spricht der Abg. Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist klar, dass diese Plenarwoche mit einer politischen Fetischveranstaltung beginnen würde, nämlich mit dem Fetischthema Rechtsextremismus und seiner andauernden Anklage und Bekämpfung. Dieser Kampfgemeinschaft gegen Rechts gehören fraktionsübergreifend eine ganze Reihe überzeugter Scheindemokraten an, allen voran der neue CDUInnenminister, der sich mit seiner Patriotenverfolgung als neuer sächsischer Metternich zu inszenieren versucht.

(Gelächter bei der CDU)

Wir haben es hierbei aber nicht mit einer Neuauflage der Nationalen Front der DDR zu tun, sondern mit der Neuschöpfung einer antinationalen Front, die alle mundtot machen will, die noch die Stimme für Volk und Heimat erheben und einen konsequenten Politikwechsel anmahnen. Das antifaschistische Affentheater – man könnte auch sagen: Zeckentheater – ist ein reines Einschüchterungs- und Ablenkungsmanöver. Der Kampf gegen

Rechts ist nämlich ein Herrschaftsinstrument, um die Deutschen politisch kleinzuhalten und von der Artikulation ihrer Interessen abzuhalten.

(Beifall bei der NPD)

Wer seinen Kopf aus der Deckung hebt, um die zahlreichen Fehlentwicklungen und Ungerechtigkeiten im Land anzuprangern, bekommt ihn kurzerhand abgeschlagen. Das musste unlängst auch SPD-Mitglied und Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin erleben, der mit seiner offenen Kritik an ausländischen Sozialschmarotzern den meisten Deutschen aus der Seele sprach.

Aber der Kampf gegen Rechts soll die Deutschen nicht nur an der freien Meinungsäußerung hindern, er soll auch von den wahren Problemen im Land und ihren Verursachern ablenken. Anstatt über Massenarbeitslosigkeit und Verarmung, Geburtenmangel und Abwanderung zu reden, fabulieren die Politversager lieber über den Kampf gegen Rechts.

Der Titel der heutigen Debatte ist deswegen absichtlich irreführend und müsste eigentlich heißen: „Schluss mit dem Verharmlosen von linker Gewalt und Inländerfeindlichkeit in Sachsen!“ DIE LINKE zündet hier eine Nebelkerze. Aber nicht nur das, sie baut eine regelrechte Wand auf, um von der Gewalt abzulenken, für die sie selbst mit verantwortlich ist: der Gewalt von Linksaußen. Obwohl linke Gewalt alltäglich ist, wird sie in den Medien bewusst verschwiegen, weil sie zur Kleinhaltung der nationalen Opposition geduldet, ja gebraucht wird.

Einige Beispiele: In den Morgenstunden des 18.10. wurden drei junge Leute, die am Tag zuvor an einer nationalen Demonstration in Leipzig teilgenommen hatten, in der Dresdner Altstadt von linken Schlägern überfallen. Einem 22-Jährigen wurde dabei ein Schädelriss zugefügt, sodass man von einem versuchten Mord sprechen muss. Wäre das Opfer nun kein nationaler Deutscher, sondern ein Linker oder gar – Gott bewahre! – ein Ausländer gewesen, wissen wir alle, welche Medienhysterie ausgebrochen wäre. In diesem Fall war das Opfer aber nur ein national denkender Deutscher, also schwiegen die Medien.

Der Überfall vom 18.10. ist aber nur der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Serie von Angriffen gegen nationale Bürger in Dresden. Schon im Kommunalwahlkampf wurden reihenweise Häuser von NPD-Kandidaten beschmiert und immenser Sachschaden angerichtet. Anfang September wurde das Auto eines NPD-LandtagsDirektkandidaten abgefackelt, und unmittelbar nach dem Tag der offenen Tür wurde der frühere NPD-Abgeordnete Despang beim Verlassen des Landtages von Linksextremen tätlich angegriffen. Den Medien war das noch nicht einmal eine Randnotiz wert. Umso begeisterter berichteten die Medien aber davon, dass Dresdens CDUOberbürgermeisterin erst vor zwei Wochen ein 300 000 Euro schweres Anti-Rechts-Programm durchboxte. Alle Stadtratsfraktionen stimmten dafür, dass trotz der katastrophalen Haushaltslage in Dresden 300 000 Euro

für den undemokratischen Kampf und Krampf gegen Rechts verschleudert werden.

Herr Gansel, ich darf Sie an die freie Rede erinnern.

– Ja. – Der geplante Aufbau einer sogenannten Fachstelle zur Förderung von Zivilcourage wird wieder einmal nur ein linksradikales Sozialbiotop mit Steuergeld wässern und ist nichts anderes als ein Beschäftigungsprogramm für verkrachte Sozialpädagogen und Antifa-Agitatoren.

Und das alles geschieht nicht etwa durch passive Hinnahme, sondern durch aktive Förderung der CDU, die den früheren antitotalitären Konsens längst durch einen antifaschistischen ersetzt hat. So gesehen hat die linke Rede vom „Extremismus der Mitte“ auch einen neuen Sinn bekommen; denn dadurch, dass sich die CDU im Kampf gegen Rechts mittlerweile mit vielen linksradikalen Irrlichtern verbündet, trägt in der Tat die CDU den Extremismus in die gesellschaftliche Mitte.

(Gelächter bei der CDU)

Ich haben Ihnen von der Linken doch recht gegeben. Das ist doch Ihre Rede vom „Extremismus der Mitte“.

(Andreas Storr, NPD: So sieht es aus! Das ist endlich mal die Wahrheit! – Beifall bei der NPD)