Protocol of the Session on November 11, 2009

Allerdings sehe ich es als kritisch bzw. problematisch an, dass man bereits nach dem ersten Auftreten 50 Millionen Impfdosen bestellt hat, ohne wirklich zu wissen, wie sich H1N1 hinsichtlich Erkrankungshäufigkeit und Erkrankungsschwere entwickelt. Jetzt hat man Verträge mit der Pharmaindustrie. Dementsprechend werden Bedenken geäußert, dass diese Maßnahme nur zur Finanzierung der Pharmaindustrie gelaufen ist. Ich denke, das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, weil Verträge, die bestehen, auch erfüllt werden. Das alles wird sicherlich nicht zur Impffreudigkeit der Bevölkerung beitragen, weil man immer diesen Wirtschaftsaspekt im Hinterkopf haben wird.

Die Pharmaindustrie verdient einerseits sicher und hält sich andererseits durch eine entsprechende Erklärung, die die Patienten abgeben müssen, aus Schadenersatzforderungen weitgehend heraus, zum Beispiel durch kurze Entwicklungszeiten und Ähnliches. Dass dann die Thematik „Lobbyarbeit“ wieder angesprochen wird, ist relativ logisch und auch menschlich verständlich.

Man sollte ein Fazit ziehen: Die Impfung gegen die neue Grippe sollte man im Moment gezielt einsetzen. Man sollte insbesondere chronisch Kranke, zum Beispiel mit Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen oder Immunschwäche, gezielt impfen. Man sollte auf der anderen Seite aber auch die weitere Entwicklung abwarten. Jeder sollte mit der Impfentscheidung für sich gewissenhaft umgehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das sieht nicht so aus. Dann bitte ich noch einmal die Ministerin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Noch einige Antworten auf verschiedene Fragen: Ich muss die Gefahr einer Pandemie hier nicht heraufbeschwören und werde das auch nicht tun. Klar ist, dass wir seit Juni dieses Jahres nach den Parametern der WHO eindeutig eine Pandemie haben, ob uns das passt oder nicht. Die Definition steht.

Es gibt die Definitionen, das heißt, dass wir auf alle Fälle mindestens in drei Regionen der WHO eine Mensch-zuMensch-Übertragung haben müssen. Das ist dementspre

chend festgestellt worden. Aus diesem Grund hat es auch letztlich für uns so zugetroffen. Wir sind entsprechend mit den Vorbereitungen in Erinnerung an die Vogelgrippe eingestiegen.

Die Impfempfehlung ist keine Interpretationsfrage von unterschiedlichen Ärzten. Sie ist eine eindeutige medizinische Indikation, ein medizinischer Standard, der von Experten des Robert-Koch-Instituts und des Paul-EhrlichInstituts für uns mit der entsprechenden Modifizierung steht, die eventuell Ende November noch einmal kommen kann. Es wird die epidemiologische Lage entsprechend beobachtet, Kriterien und Parameter fließen ein. Danach wird man gemäß der unterschiedlichen Immunantworten die Impfempfehlung modifizieren. Jeder Mensch gibt eine andere Immunantwort auf die Impfung. Frau Abg. Lauterbach, die Einladung zum Impfgipfel schlägt man nicht aus. Ich finde sehr wohl auch, dass es noch offene Fragen gibt, vor allen Dingen bei der sogenannten Vertragsverpflichtung. Was die Firma GlaxoSmithKline anbelangt, sind die uns zugesicherten Prozentsätze bundesweit einzuhalten. Ich betone, die internationalen Hilferufe, die uns immer in letzter Zeit erreichen, zum Beispiel von der Ukraine, Bulgarien etc., können wir nicht hier klären. Das gehört auf Bundesebene. Wir sollten dabei solidarisch sein. Es wurden auch schon entsprechende Impfstoffmengen von unterschiedlichen Firmen in die Länder geliefert. Auch dieser Verpflichtung müssen wir bei den Diskussionen hier gerecht werden.

Zur Impfstoffbestellung: Die Ärzte bestellen wie auch bei den saisonalen Impfstoffen. Eine Vereinzelung hat nicht stattgefunden. Man lernt auch daraus. Es wird sicher bei anderen Verträgen darauf ankommen, vereinzelte Impfdosen zu bestellen.

Unsere Impfstrategie ist so ausgerichtet, dass wir sehr wohl die Hausärzte und die niedergelassenen Ärzte über den geschlossenen Vertrag mit der KV einbezogen haben; denn wenn wir die Pandemie noch grassierender gehabt hätten, dann wäre es uns sehr wichtig gewesen, dass wir die Impfung in der Fläche für alle anbieten können und nicht nur über die Gesundheitsämter, die letztlich diese zusätzliche Aufgabe hätten bewältigen müssen.

Wichtig ist ebenfalls, dass jeder Hausarzt gerade bei den chronisch Kranken die Diagnosen kennt und seinen Patienten die bestmögliche Beratung anbieten kann. Das ist von uns mit eine wichtige Entscheidung gewesen.

Die KV wird eine Liste von den Ärzten veröffentlichen, die sich in das Impfgeschehen einklinken werden. Ich habe mit Ärzten gesprochen, die sehr offen zu mir waren und gesagt haben: Wir waren nicht so überzeugt, aber wir sehen jetzt, das Pendel schlägt in die andere Richtung aus; wir werden mitimpfen. Durch unseren gemeinsamen Appell ist das nochmals untersetzt worden.

Eine hundertprozentige Sicherheit bei einer Impfung kann es nicht geben. Aber die Impfschäden und die daraus resultierenden Haftschäden sind auch in unserem Impfschutzgesetz geregelt. Kurz zu den unterschiedlichen Impfstoffen: Pandemrix haben alle Bundesländer bei GlaxoSmithKline bestellt; es ist der sogenannte adjuvantierte Spaltimpfstoff. Pandemrix hat es für die Bundesregierung, die später bestellt hat, nicht mehr gegeben. Die Länder waren eben schneller. Die Bundesregierung hat daraufhin auf Celvapan zurückgegriffen, einen Vollvirusimpfstoff ohne Verstärker. Aber diesen Impfstoff wird man zurzeit in Europa gar nicht mehr in dieser Form einsetzen, denn er hat letztlich andere Nebenwirkungen, die der adjuvantierte Spaltimpfstoff nicht hat. Die Konferenz der Gesundheitsminister und das Vorsitzland der Gesundheitsministerkonferenz haben den Bund aufgefordert, einen adjuvantfreien Impfstoff zu bestellen, der dann auch für die Schwangeren eingesetzt werden kann. Laut Robert-Koch-Institut und Paul-Ehrlich-Institut ist es aber auch jetzt schon möglich, dass der Pandemrix-Impfstoff entsprechend der Risikoabwägung bei Schwangeren verwendet werden darf.

Ich betone nochmals, dass die Politik hier gehandelt hat, aber Experten die Impfempfehlung ausgesprochen haben. Ich werde das als Politikerin auch nicht tun.

Ich bleibe dabei, was die Impfentscheidung anbelangt: dass es eine persönliche Entscheidung eines jeden Einzelnen ist. Der Impfaufruf gilt.

Ich bedanke mich nochmals für die Diskussion in dieser Aktuellen Debatte.

(Beifall bei der CDU)

1.Vizepräsidentin Andrea Dombois: Meine Damen und Herren! Damit ist die erste Debatte abgeschlossen. Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

Schluss mit dem Verharmlosen neonazistischer Gewalt und Fremdenfeindlichkeit in Sachsen

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Ich übergebe das Wort an die Fraktion DIE LINKE als einbringende Fraktion. Es folgen danach CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht.

Ich erteile Frau Abg. Köditz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich war schockiert, bin schockiert, bin noch immer entsetzt, wie es sein kann, dass am Vorabend des Jahrestages der Reichspogromnacht unsere Synagoge hier in Dresden durch antisemitische Schmierereien geschändet werden konnte. Dieser Vorfall ging bundesweit durch die Medien. Aber es ist kein Einzelfall. Allein im Monat August hatten wir zehn Vorfälle in Sachsen mit einem antisemitischen Hintergrund.

Schauen wir genauer in die Statistik und sehen uns die Statistik „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ an. Dort finden wir zuerst 100 Straftaten im Monat August. Es erfolgt eine Nachmeldung und es kommen 50 weitere dazu. Bereits jetzt haben wir also die Tatsache, dass wir 150 Straftaten „politisch motivierter Kriminalität – rechts“ in Sachsen in einem einzigen Monat zu verzeichnen haben. Darunter sind zehn Verletzte, zehn Menschen, die verletzt wurden. Es fehlen für den August aber immer noch Vorfälle. Das Jugendhaus in Mügeln ist nicht nur einmal angegriffen worden. Die Kampagne „Meine Stimme gegen Nazis“ ist in Colditz im August massiv bedroht worden, aber keine Erwähnung. Die Liste ließe sich fortsetzen. Aber wahrscheinlich wird hier nach dem Motto gehandelt: Verschweigen hilft, denn was nicht öffentlich ist, dagegen muss ich nichts tun.

Aber Verschweigen ist die erste und schlimmste Form der Verharmlosung. Das Fußballspiel Brandis gegen den Sportverein „Roter Stern Leipzig“ ging bundesweit durch die Medien. Die politische Motivation und das Ausmaß dieses Angriffs sind allerdings keineswegs durch die Polizei oder die Staatsregierung an die Öffentlichkeit gekommen, sondern durch die Öffentlichkeitsarbeit des Sportvereins selber. Es war ein planmäßiger Angriff von Nazis einer ganzen Region gegen einen Sportverein, der sich vehement gegen Rassismus und Diskriminierung im Fußball, im Sport überhaupt und in der Gesellschaft einsetzt. Dass dieser Sportverein dieser Tage mit dem Demokratieförderpreis ausgezeichnet worden ist, findet die Unterstützung der Fraktion DIE LINKE. Wir gratulieren dem Sportverein und möchten damit nochmals die Genesungswünsche an die Verletzten verbinden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

In diesem Fall ist die Schweigespirale gebrochen worden. Aber gerade wenn es um den Fußball geht, gibt es weitere Fälle, die noch immer als unpolitisch eingestuft werden. Schauen Sie sich einmal die Vorfälle gegen Fans und Spieler von BSG Chemie Leipzig an. Schauen Sie genauer dahinter, was in Zwickau passiert ist, als es gegen AueFans ging. Dort sehe ich keine politische Einordnung durch Sie. Wenn Sie aber ins Internet auf öffentlich zugängliche Seiten schauen, werden Sie feststellen, dass sich Nazis des sogenannten Freien Netzes ihrer Taten diesbezüglich rühmen. Herr Ulbig, ich wünsche Ihnen in Ihrer Amtszeit, dass Sie nicht dem Fehler Ihres Vorgängers verfallen und das Freie Netz nur als eine Internetplattform mit lokalen Seiten betrachten.

Ich will eines noch dazu sagen: Es kann einfach nicht sein, dass die Formulierungen im Koalitionsvertrag zur Verharmlosung beitragen. Im Koalitionsvertrag befinden sich nicht die Begriffe Rassismus, Antisemitismus, Chauvinismus, NS-Verherrlichung. Mit diesen Problemen haben wir es in Sachsen zu tun. Wenn wir diese Probleme nicht beim Namen nennen, werden wir auch keine Konzepte zur gemeinsamen nachhaltigen Zurückdrängung finden können. Wir als Linke sind dazu bereit. Ich rufe alle Demokratinnen und Demokraten auf, mit uns gemeinsam dagegen zu kämpfen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Das war für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Köditz. – Ich bitte nun den Sprecher der CDU-Fraktion. Herr Seidel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Behauptungen, die Frau Köditz eben von diesem Pult aus gemacht hat, muss ich entschieden zurückweisen.

(Beifall des Staatsministers Frank Kupfer)

Keiner in der Staatsregierung und keiner in der neuen Koalition ebenso wie in der vorherigen Staatsregierung und der vorherigen Koalition ist daran interessiert, Straftaten, neonazistische Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Ähnliches, was in Sachsen vorkommt, zu verdrängen, zu verniedlichen oder zu verheimlichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir sind genauso wie Sie empört über die Schändung der Neuen Jüdischen Synagoge in Dresden. Wir sind empört darüber, dass es in Sachsen Leute gibt, die antijüdische Parolen wie „Hakenkreuz gleich Davidstern“ an dieses jüdische Gotteshaus schmieren.

(Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wir finden, dass die Staatsregierung alles in ihrer Macht Stehende tun sollte, um diesen Frevel zu verhindern; denn wir haben eine besondere Schuld, eine besondere Last als Deutsche dem jüdischen Volk gegenüber. Aber bei der Gleichsetzung „Hakenkreuz gleich Davidstern“

(Holger Apfel, NPD: Beruht nicht auf Rechtsextremismus!)

wissen wir noch nicht, ob es sich um Nationalsozialisten, Rechtsgerichtete oder verwirrte Linke handelt, die diese Parolen an die Synagoge schmierten.

(Beifall bei der der CDU und der FDP – Lachen bei der Linksfraktion – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Ich würde mal zum Arzt gehen!)

Gleichfalls, Doktor!

Die einer rechten Tendenz sicher nicht nahestehende „Leipziger Internetzeitung“ schrieb vor einem Monat:

„Was mancher befürchtet hatte, es passierte nicht: Die neue schwarz-gelbe Regierung streicht die vorhandenen Programme gegen Rechtsextremismus nicht zusammen, sondern setzt sie in neuer Organisationsform fort.“ In der Internetzeitung der SPD schrieb die Kollegin Hanka Kliese vor fünf Wochen zu „Endstation Rechts“: „Zwei Vorkämpfer gegen Rechtsextremismus besetzen Ministerposten in Sachsen.“ Diese zwei Vorkämpfer gegen Rechtsextremismus sind zum einen unser Kollege Dr. Jürgen Martens, der während der letzten Legislaturperiode hier mit seinen Reden gegen Rechts brilliert hat und jetzt als Justizminister seinen Dienst tut;

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist belohnt worden!)

und zum anderen der ehemalige Oberbürgermeister von Pirna, der mit seinen Netzwerken den Rechtsextremismus in seiner Stadt, in seinem Territorium aktiv bekämpft hat: Herr Markus Ulbig.

(Lachen bei der NPD)

Gerade diese beiden stehen mit ihrer Person und mit ihrer Meinung klar gegen die Verharmlosung, die hier von Frau Köditz beklagt wird.