Protocol of the Session on November 11, 2009

Wir beginnen mit der Wahl.

(Namensaufruf – Wahlhandlung)

Befindet sich jemand im Saal, den ich nicht aufgerufen habe? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Die Wahlhandlung ist damit abgeschlossen.

Ich unterbreche die zwei Tagesordnungspunkte, und wir behandeln

Tagesordnungspunkt 7

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Neue Grippe – Lage in Sachsen

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

2. Aktuelle Debatte: Schluss mit dem Verharmlosen neonazistischer Gewalt und Fremdenfeindlichkeit in Sachsen

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Wir kommen nun zu

1. Aktuelle Debatte

Neue Grippe – Lage in Sachsen

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Ich möchte Sie, bevor wir in die Aktuelle Debatte eintreten, noch einmal darauf hinweisen, dass wir eine neue Regelung in der Geschäftsordnung haben: Die Redebeiträge sollen nur in freier Rede gehalten werden.

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Vorgefertigte Manuskripte kann ich nicht zulassen, sondern nur Stichpunkte. Ich würde mich freuen, wenn uns das gelingt und wir uns alle daran halten.

Meine Damen und Herren! Die Ministerin hat als Erste um das Wort für einen Sachstandsbericht zu diesem Thema gebeten. Die Reihenfolge der Fraktionen lautet: CDU, FDP, Linksfraktion, SPD, GRÜNE und NPD. Können wir dennoch, auch wenn die Ministerin spricht, bei dieser Reihenfolge bleiben oder gibt es Widerspruch dagegen? – Ich sehe, dass es keinen Widerspruch gibt, und bitte die Ministerin, das Wort zu nehmen. Frau Ministerin Clauß, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Die neue Grippe HA1N1 ist nicht nur Medienthema. Die neue Grippe ist Realität und eine Realität, die sich von der der anderen Jahre sehr deutlich unterscheidet. Ich möchte Ihnen dazu zwei wesentliche Symptome nennen.

Zum einen sind die Viren, die wir sonst erst Ende des Jahres hier bei uns zu verzeichnen haben, schon längst angekommen. Wir haben sonst erst im Dezember die sogenannte Wintergrippe. Jetzt sind die Viren da, und alle differenzialdiagnostisch nachgewiesenen Fälle sind Influenzaviren dieser neuen Grippe.

Ich möchte kurz einen epidemiologischen Sachstandsbericht geben. Deutschlandweit sind zurzeit circa 40 000 Menschen mit dieser neuen Grippe infiziert. In Sachsen sind es 878 nachgewiesene Fälle an infizierten Patienten. Was die Epidemiologie anbelangt, so ist der Verlauf

zurzeit sehr mild. Die Hospitalisierungsquote liegt noch unter 3 %, das heißt, dass alle Erkrankten vorwiegend ambulant behandelt werden können. Aber es ist dieser Grippe deutlich anzumerken, dass sie hoch ansteckend ist und eine Übertragung sehr leicht stattfindet.

Der schnelle Anstieg dieser Fallzahlen macht deutlich, dass dieser Prozess ein dynamischer Prozess ist. Wir werden Woche für Woche andere Zahlen bekommen und Woche für Woche mit einer anderen Situation konfrontiert werden. Die im Sommer gestellte Prognose ist nachvollziehbar. Wir haben zurzeit die sogenannte pandemische Welle.

Kurz noch einmal zu den Symptomen. Die Symptome unterscheiden sich nicht sehr von den Symptomen der saisonalen Grippe. Meistens ist es ein akuter Beginn, das heißt Kopf- und Gliederschmerzen, entsprechende Erkältungssymptome wie Schnupfen und Halsschmerzen bzw. Fieber von 38 bis 39 Grad. Die Behandlung erfolgt meistens im ambulanten Bereich. Die Ärzte haben genügend antivirale Medikamente, beispielsweise Tamiflu, zur Verfügung.

Nunmehr werden zwei Fragen laut, die auch berechtigt sind: Sind wir gewappnet, was die neue Grippe anbelangt? Impfen lassen oder nicht?

Die erste Frage beantworte ich eindeutig mit Ja. Wir sind in Sachsen gut gewappnet und aufgestellt. Seit dem 26. Oktober 2009 läuft die Impfung beim sogenannten Sicherstellungspersonal. Dazu gehören das medizinische Personal wie Ärzte, der Pflegedienst, die Polizei, die Feuerwehr und der Rettungsdienst. Für diese erste Phase standen uns 109 000 Impfdosen zur Verfügung. Seit letztem Montag, dem 9. November 2009, haben wir den Impfstart für die gesamte Bevölkerung bekannt gegeben. Jeder, der geimpft werden will, kann auch geimpft werden. Das möchte ich ausdrücklich betonen.

Die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts haben folgende Impfempfehlungen ausgesprochen: erstens Impfung des Sicherstellungspersonals und zweitens Impfung von chronisch Kranken. Zu den chronischen Erkrankungen gehören vor allen Dingen Erkrankungen der oberen Atemwege, Nierenerkrankungen, Immunschwächekrankheiten etc.

Ich bitte aus diesem Grund diejenigen, die nicht zu den Risikogruppen gehören – ich schaue einmal in die Runde, es sind sicherlich auch hier viele –, sich etwas in Geduld zu üben, bis genügend Impfstoff zur Verfügung steht.

Die Ärzte beziehen den Impfstoff aus den Apotheken, und die Apotheken erhalten den Impfstoff über einen Großhändler. Wöchentlich bekommen wir die Impfstoffmengen von der Dresdner Firma GlaxoSmithKline geliefert.

(Beifall des Abg. Karl Nolle, SPD)

Das bedeutet aber nicht – das betone ich noch einmal –, dass Sachsen bei der Lieferung privilegiert wäre bzw. bevorzugt bedient werden könnte. Bei Produktionsverzögerungen oder bei Schwierigkeiten im Verteilungsmodus können zurzeit nur die zur Verfügung stehenden Impfstoffmengen verimpft werden. In dieser Woche haben wir 98 000 Impfstoffdosen geliefert bekommen. Am kommenden Montag werden es weitere 75 000 Einheiten sein. Sie haben sicherlich in der Presse gelesen, dass es sehr wohl Kommunikationsschwierigkeiten und Engpässe in anderen Bundesländern gegeben hat.

Heute findet in Berlin der sogenannten Impfgipfel statt, zu dem Herr Bundesminister Dr. Rösler eingeladen hat. Für mein Haus ist Frau Staatssekretärin Fischer vor Ort. Wichtig ist, dass die Ärzte die Bürgerinnen und Bürger entsprechend beraten. Es gibt eindeutig die Impfempfehlung, die ich wiederholen möchte: Kinder von sechs Monaten bis neun Jahren werden zweimal mit einer halben Erwachsenendosis im Abstand von drei Wochen geimpft. Kinder ab dem zehnten Lebensjahr und Erwachsene bis zum 60. Lebensjahr werden zurzeit einmal geimpft. Erwachsene über 60 Jahre erhalten zweimal eine Impfung im Abstand von möglichst drei Wochen.

Es wird Ende November eine weitere Impfempfehlung des Robert-Koch-Instituts erwartet. Dann muss geprüft werden, inwieweit die Einmalimpfung bestehen bleibt oder ob eine weitere Impfempfehlung ausgesprochen wird.

Es gab aber auch Diskussionen zur Impfung von Kindern. Hierzu hat sich der Berufsverband der Kinderärzte eindeutig positioniert und empfohlen, dass kleine Kinder geimpft werden sollten. In Spanien läuft derzeit noch eine Testphase.

Was die Schwangeren anbelangt, möchte ich betonen, dass zurzeit noch kein sogenannter adjuvansfreier Spaltimpfstoff zur Verfügung steht. Dieser wird in Absprache mit dem Vorsitzland Thüringen und dem Bund im Auftrag der Gesundheitsministerkonferenz als Option weiterlaufen. Sollten Schwangere geimpft werden müssen, ist zu bedenken: Jede Impfung ist eine Risikoabwägung und es

sollte vorher mit dem Arzt gesprochen werden. Es ist auch möglich, dass eine sogenannte Kokonstrategie gefahren wird, das heißt, dass dort, wo Personen nicht geimpft werden können, das Umfeld geimpft wird. Bei sehr kleinen Kindern oder bei Wöchnerinnen sind das vor allen Dingen die Familienmitglieder, die Großeltern oder auch die Freunde.

Mir ist es besonders wichtig zu betonen, dass das eine außerordentliche Herausforderung ist. Dieses Geschehen hat es in dieser Form noch nicht gegeben. Wir sind darauf gut vorbereitet. Das SMS hat eine Hotline geschaltet. Sie ist freitags von 8 bis 18 Uhr besetzt. Die Rufnummer lautet: 0351 5645555. Sie wird sehr gut frequentiert. Bis gestern waren vier Leitungen geschaltet, heute wird weiter aufgestockt.

Nun zur zweiten Frage: Impfen lassen oder nicht? – Ich betone es noch einmal: Das ist eine sehr persönliche Entscheidung, aber die Impfung ist der beste Schutz für uns alle. Die Impfbereitschaft ist deutlich gestiegen. Deshalb hat das Gesundheitsministerium mit allen sächsischen Krankenkassen, mit der Sächsischen Landesärztekammer und mit der Sächsischen Landesapothekerkammer eine Gemeinsame Erklärung abgegeben. Diese Gemeinsame Erklärung ist noch einmal mein Appell an alle, dass jeder sich impfen lassen kann, wer geimpft werden will. Damit ist die Bitte verbunden, dass diejenigen, die keine Risikopersonen sind, sich noch etwas in Geduld üben müssen. Es gibt aber auch die deutliche Aussage, dass niemand, der sich in einer Arztpraxis impfen lassen will, weggeschickt werden darf.

Die Impfung ist der beste Schutz zur Immunisierung gegen die neue Grippe. Ich bin überzeugt, dass wir, wenn wir diesen Prozess weiterhin so verantwortungsbewusst begleiten und gestalten wie bisher, für weitere Prozesse gut vorbereitet sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Für die CDUFraktion spricht Herr Abg. Fischer; bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Bei Frank Plasberg in der ARD-Sendung „Hart, aber fair“ konnte der geneigte Zuschauer in der letzten Woche erfahren, dass wir alle die Versuchskaninchen der Pharmaindustrie seien. Eine Zeitung mit großen Buchstaben und noch größeren Bildern befürchtet öffentlichkeitswirksam 250 000 Tote.

Bei solchen Schlagzeilen und Bildern denkt man automatisch an die Spanische Grippe im Jahre 1920 mit 50 Millionen Toten. Einige von Ihnen mögen sich vielleicht auch an die Hongkong-Grippe von 1968 erinnert fühlen.

Allerdings möchte ich klar und deutlich raten: Keine Panik, keine Hysterie! Binden wir diese ganze Geschichte

nicht ein wenig zu groß an? Sollten wir nicht über gesicherte Daten, Zahlen und Fakten diskutieren, um hierzu sachgerechte Entscheidungen treffen zu können?

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was sind aktuelle Zahlen? Die neue Grippe hat weltweit über 4 000 Opfer gefordert. In Deutschland meldet das RobertKoch-Institut circa zwölf Opfer. Das sind die aktuellen Zahlen. Niemand von uns – ich betone: niemand von uns – kennt die Zukunft. Niemand von uns weiß, wie es weitergeht. Deshalb halte ich eine Impfung für richtig, wichtig und notwendig. Ich halte sie aus der Verantwortung für die Gesundheit aller Sachsen heraus ganz einfach für notwendig.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Es gilt hier der alte Spruch meines Hausarztes: Geimpfte stecken niemanden an.