Protocol of the Session on November 11, 2009

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Fraktion als Einreicherin das Wort; Frau Dr. Stange, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern habe ich noch kurzzeitig gedacht, wir könnten den Antrag für erledigt erklären. Leider wurde ich eines Besseren belehrt, als ich die Pressemitteilung der Landesregierung gesehen habe und feststellen musste, dass Herr Kupfer, sprechend für die Landesregierung, mitgeteilt hat, dass sich Sachsen nicht an dem Programm beteiligen wird. Das hat mich insofern sehr verwundert, weil Sachsen ja zweimal im Bundesrat zugestimmt hatte; denn es lag zweimal zur Entscheidung vor, dass sich auch Sachsen als Bundesland – wir haben ja heute gehört, als eines der vorbildlichsten Bundesländer – an diesem EUFörderprogramm für kostenloses Obst und Gemüse für Schülerinnen und Schüler beteiligen wird.

Verwundert war ich auch deshalb, weil Frau Clauß vor wenigen Tagen noch auf einer Tagung in Leipzig mitgeteilt hatte, dass jetzt eine Studie zur Qualität des Schulessens in Auftrag gegeben werden soll. Ich glaube, dass man sich dieses Geld für die Studie sparen könnte; denn wir wissen – nicht nur aus den Rückmeldungen der Schüler, sondern auch aus der Studie, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährungswissenschaften im Dezember 2008 vorgelegt hat –, dass im Schulessen zu viel Fleisch, zu wenig Obst und Gemüse und zu viel kohlehydratreiche Lebensmittel verabreicht werden. Insofern liegen die Erkenntnisse vor, und man braucht auch nur die Schüler selbst zu fragen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Dieses Geld wäre gut eingesetzt, um die EU-Mittel, die für das Schulobstprogramm zur Verfügung gestellt werden, von Landesseite zu ergänzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist unstreitig und sicher auch bei der jetzigen Landesregierung, dass die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ein hohes Gut ist und dass der Vorstoß der EU-Kommission, ein Programm aufzulegen, das Kindern und Jugendlichen kostenlos Obst und Gemüse zur Verfügung stellt, ein Schritt, wie man so schön sagt, in die richtige Richtung ist: nämlich nicht nur belehrend tätig zu werden und pädagogische Programme aufzulegen, sondern tatsächlich zu handeln und Obst und Gemüse auch in die Schulen zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch deshalb verwunderlich, dass die Landesregierung gestern diese Entscheidung getroffen hat, weil auch unsere sächsischen Kommunen bereits in den Startlöchern standen. Die sächsischen Kommunen hätten sich als dritter Partner neben der EU und dem Land an diesem Programm beteiligt und dafür Sorge getragen, dass die Kinder in den Schulen besser mit Obst und Gemüse versorgt werden.

Ein letzter Punkt dazu. Ich denke, auch diejenigen, die jetzt aufgefordert werden, die Kinder auf die Obstplantagen zu lassen, wären sicher gern an diesem Programm beteiligt gewesen, und sie hätten gern das notwendige Geld zur Verfügung gestellt.

Noch eine kleine Bemerkung am Rande. Ich habe gestern zweimal darüber gelesen, wie dieses Programm „Sachsen is(s)t Apfel“ zu verstehen ist.

(Allgemeine Heiterkeit)

Die Doppeldeutigkeit muss mir vielleicht noch jemand erklären. Soll es ein Programm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus sein, soll es eine Wiederauflebung der DDR-Tradition „Schüler helfen bei der Apfelernte“ sein oder soll es eine Unterstützung unserer Plantagenbesitzer sein, denn diese sind bisher bestimmt nicht gefragt worden? Also, lieber Herr Kupfer, vielleicht können Sie mich hierüber aufklären, was dieses Programm soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch etwas zu dem sagen, was gestern in der Pressemitteilung der Landesregierung darüber ausgebreitet wurde, was man alles schon tut. Die EU-Kommission hat nie behauptet – so sieht auch der Bundesrats- und der Bundestagsbeschluss nicht aus –, dass allein ein Schulobstprogramm das Problem der gesunden Ernährung von Kindern und Jugendlichen löst, sondern es ist – das ist vielleicht der bürokratische Aufwand, der gemeint wurde – daran gedacht, dass es in eine regionale Strategie – sprich: auch in eine pädagogische Begleitung – eingebettet wird, denn genau das muss vom Land mit vorgelegt werden. Insofern wundere ich mich, dass sich zwar Frau Clauß geäußert hat, ebenso Herr Kupfer – es ist bewusst kein Agrarprogramm –, aber Herr Wöller bis heute dazu geschwiegen hat.

(Beifall bei der SPD)

Das, was in der Pressemitteilung der Landesregierung steht, dass es nämlich bereits ein Programm zur gesunden Ernährung gibt und dass dazu 65 Mitarbeiter tätig sind, muss man korrekt lesen. Diese 65 Mitarbeiter sind nicht Festangestellte, wie man vielleicht meint, sondern das sind Honorarkräfte, die nebenberuflich ab und zu in Projekten in die Schulen oder in die Kindertagesstätten

gerufen werden, um über gesunde Ernährung zu berichten; also nichts mit festen Mitarbeitern.

Unterm Strich, wenn man die Mitteilung der Landesregierung von gestern liest, wird nicht ein einziger Cent mehr für eine gesunde Ernährung von Kindern und Jugendlichen ausgegeben. Es werden 900 000 Euro der Europäischen Union, die Sachsen zur Verfügung stehen würden, verschenkt, nur weil man nicht bereit ist, die restlichen 300 000 Euro dazuzulegen. Wo das Geld herkommen könnte, habe ich vorhin schon einmal gesagt. Man kann sich jegliche Studien über die gesunde Ernährung von Kindern und Jugendlichen sparen, denn es ist bekannt, dass Kinder und Jugendliche – und nicht nur aus sozial schwachen Familien – sich ungesund ernähren. Ich denke, dass man dieses Geld gut in das Programm stecken kann und dass man die Partner in den Kommunen, bei den Eltern, bei den Obst- und Gemüseplantagenbesitzern finden kann, um auch in Sachsen das europäische Programm erfolgreich umzusetzen.

Liebe Landesregierung! Sehr geehrter Herr Kupfer! Herr Wöller! Sie haben noch eine Chance, denn es ging jetzt nur um das erste Jahr. Im nächsten Jahr beginnt ein neues Spiel. Sie können den Antrag im nächsten Jahr wieder stellen, wenn Sie dieses Jahr noch nicht so weit sind, die regionale Strategie aufgebaut zu haben. Ich erwarte von der Landesregierung, auch die Eltern und die Kinder erwarten, dass Sachsen kein europäisches Geld verschenkt, nur weil es nicht in der Lage ist, die entsprechenden regionalen Strategien dafür auch zu entwickeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Fischer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Wort „Schulobstprogramm“ hört sich gut an.

(Zuruf von der SPD: Es ist gut!)

Es hört sich sogar richtig gut an. Die Idee an sich ist vielleicht auch ganz gut, aber leider ist die Idee nicht zu Ende gedacht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zurufe von der SPD)

Wir müssen diese Idee weiterentwickeln, wir sollten sie perfektionieren und wir sollten sie gründlich zu Ende denken.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Bei allem, was wir in diesem Hohen Haus tun, sollten wir uns fragen, was alles daran hängt und was wir nachziehen, wenn wir dieses Programm umsetzen.

(Zurufe von der SPD)

Zuallererst ist es ein europäisches Programm. Das heißt: Wenn wir es verwirklichen, unterliegen wir auch den

Vergabevorschriften, die bei einer solchen Summe erforderlich sind.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das bedeutet – das wissen Sie –: Wir müssen es europäisch ausschreiben. Wenn wir dieses Programm aber europäisch ausschreiben, dann wissen Sie auch, dass sich jeder bewerben kann. Dabei kann es durchaus passieren, dass wir zum Schluss in der Mittelschule in KohrenSahlis die portugiesische Mandarine oder die zypriotische Orange ausreichen. Ist das ökologisch?

(Zuruf von der SPD)

Ich glaube es nicht. Denn es gibt ein großes Problem:

(Zurufe der Abg. Stefan Brangs und Mario Pecher, SPD)

Wir müssen begründen, warum wir dieses Obst über tausend Kilometer erst herkarren müssen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Eine weitere Frage ist, ob es ökonomisch sinnvoll ist, dieses Programm durchzuführen. Auch das glaube ich nicht. Eine echte Mittelstandsförderung ist auf diesem Gebiet nicht zu erreichen.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD, steht am Mikrofon.)

Herr Fischer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich möchte allerdings noch einen anderen Punkt hinzufügen.

(Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Auch für Sie nicht, tut mir leid!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Das Programm ist derzeit noch finanzierbar. Wie sieht es aber aus, wenn die EU ihre Ausgaben verringern muss? Wie sieht es aus, wenn wir im nächsten Jahr dieses Programm eventuell einstampfen müssen? Wir alle wissen, dass die öffentlichen Finanzen immer weniger werden.

(Zurufe von der SPD)

Ich glaube nicht, dass wir dem Bedürfnis der Schülerinnen und Schüler nach einer dauerhaften und fundierten Gesundheitserziehung gerecht werden, wenn wir dieses Programm nicht auf feste und dauerhafte Füße stellen können.