Meine Damen und Herren! Die erste Runde beschließt die Fraktion der NPD. Es spricht Herr Abg. Schimmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 28. August 2009 ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Klärung der politischen Verantwortung für die längst noch nicht ausgestandene Bankenkrise, dessen Bedeutung noch weit über die Grenzen des Freistaates hinausreicht; denn die Bankenkrise ist in Deutschland ja nicht zuletzt eine Landesbankenkrise.
Die Leipziger Richter stellten zum einen fest, dass die Regierung mit der Übernahme einer Bürgschaft in Höhe
von 2,75 Milliarden Euro, die durch Kabinettsbeschluss und eben nicht durch ein vom Landtag verabschiedetes Haushaltsgesetz zustande kam, das Budgetrecht des Landtages missachtet hat. Diese Feststellung ist insbesondere für Ministerpräsident Tillich brisant, denn dieser Verfassungsbruch fällt in seine Zeit als Finanzminister.
Die zweite Feststellung der Verfassungsrichter ist, was ihre grundsätzliche Bedeutung angeht, vielleicht noch gravierender; denn die Leipziger Richter entschieden, dass schon vor dem Notverkauf der Bank im Dezember 2007 die Staatsregierung die fatale Weichenstellung der Bank hin zu einer reinen Kapitalmarktbank nie hätte treffen dürfen, zumindest nicht ohne Beteiligung des Landtages.
Der Sächsische Verfassungsgerichtshof stellt fest, dass die fatale Sitzung des Kreditausschusses am 16. Juni 2005, in der der damals amtierende CDU-Finanzminister Horst Metz einer Aufstockung der Kreditlinie für den späteren Krisenfonds Ormond Quay auf 1,735 Milliarden Euro zustimmte, erst Geschäftsaktivitäten ermöglichte, die – ich zitiere die Verfassungsrichterin Birgit Munz – „nicht mehr mit den gesetzlichen Aufgaben der Sachsen LB gedeckt waren“. Diese gesetzlichen Aufgaben, so Munz, hätten im regionalen Bereich liegen müssen, was im Umkehrschluss heißt, dass die von der Staatsregierung und dem Verwaltungsrat stets geförderten und hoch gelobten, rein ertragsorientierten Aktivitäten an den internationalen Kapitalmärkten illegal – und nichts als illegal – gewesen waren.
Dieser Richterspruch, meine sehr geehrten Damen und Herren, bestätigt damit auch die Kritik an der Internationalisierungsstrategie der Sachsen LB, die die NPDFraktion in diesem Haus seit 2004 geübt hat, auf die die Staatsregierung aber leider mit beispielloser Ignoranz reagiert hat. Verweise der NPD-Fraktion auf Gründungsauftrag und Satzung der Landesbank wurden beispielsweise von dem mittlerweile zu Ministerwürden gekommenen Frank Kupfer als angeblicher Politikklamauk von Neonationalsozialisten abgeschmettert.
Das Ergebnis dieser Beratungsresistenz ist ein haushaltspolitischer Scherbenhaufen, der in der jüngeren sächsischen Geschichte seinesgleichen sucht. Mit dem Leipziger Urteil steht nun auch auf der Ebene des Verfassungsrechts fest, dass die öffentlich-rechtlichen Zocker und Spekulanten, die den Steuerzahler als Geisel nahmen und ein riesiges Glücksrad drehten, das für die kleine Sachsen LB offensichtlich viel zu groß war, die Verfassung gebrochen haben. Das Urteil des Leipziger Verfassungsgerichtshofes stellt nun klar, dass eine Regierung, die einer öffentlich-rechtlichen Bank eine Internationalisierungsstrategie ohne Rücksicht auf Risiken und mögliche Verluste gestattet oder sogar aufnötigt, die Verfassung bricht. Darin liegt der besondere Wert dieses Urteils für die Zukunft.
Es wird höchste Zeit, dass sich die Staatsregierung endlich zum Budgetrecht des Landtages bekennt – was Ministerpräsident Tillich heute Morgen noch nicht getan
hat –, weil auf dessen Zeit als Finanzminister der Schatten eines manifesten Verfassungsbruchs fällt: sich endlich zum Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes zu äußern. Ein Nachtragshaushalt ist nach Auffassung von uns Nationaldemokraten schon deshalb notwendig, weil die Staatsregierung im vergangenen Jahr ihren Haushaltsplan wider besseres Wissen auf viel zu positiven wirtschaftlichen Eckdaten aufgebaut hat, obwohl die Wirtschaftskrise im vergangenen Dezember bei der Verabschiedung des Haushaltes schon längst mit voller Wucht in Deutschland angekommen war.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre eine Beleidigung noch des reaktionärsten ostelbischen Junkers, wenn man sagen würde, dass die Staatsregierung mit Blick auf die Landesbank eine Politik nach Gutsherrenart betrieben habe. Nein, es war schlimmer: Man hat den Haushalt des Freistaates sehenden Auges für ein ab 2003 im Auftrag und auf Risiko der Sachsen LB – und damit auf Risiko des Steuerzahlers – ablaufendes hoch spekulatives, nicht abgesichertes, gleichzeitig volkswirtschaftlich absolut nutzloses, ja schädliches Kapitalmarktschwindelgeschäft aufs Spiel gesetzt. Dafür, meine Damen und Herren, hat Ihnen Leipzig nun die verdiente Quittung ausgestellt. Es wird Zeit, dass die Staatsregierung ihren Rechtsbruch bei der Kontrolle und dem Verkauf der Bank endlich eingesteht und die richtigen Konsequenzen daraus zieht.
Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Abg. Scheel, Fraktion DIE LINKE; bitte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir haben in der letzten Legislatur fünf Jahre damit verbracht, uns mit der Sachsen LB auseinanderzusetzen. Wir hatten einen Untersuchungsausschuss, wir hatten diverse Anhörungen und Debatten in diesem Hause. Insofern will ich vor Ihnen jetzt nicht das, was wir die letzten fünf Jahre hatten, noch einmal Revue passieren lassen. Ich denke, es ist noch in guter Erinnerung.
Allerdings sind wir in einer neuen Legislatur. Diskontinuität heißt insoweit auch immer Bruch. Das heißt, man kann sich auch einmal neu justieren und neu überlegen, wie man die nächsten fünf Jahre miteinander verbringen will. Ich setze gern an den Anfang meiner Ausführungen ein Zitat von Kardinal Richelieu, damaliger Finanzminister unter Ludwig XIII., das ich in solchen Situationen immer gern bringe. Er hat Folgendes gesagt: „Der Haushalt ist der Nerv des Staates. Deshalb muss er den Augen des profanen Volkes entzogen werden.“
Unsere Aufgabe, Aufgabe des Parlaments, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist es nun – deshalb ist es ja auch einmal gegründet worden, um sich zu streiten und Mitsprache zu haben –, Steuerung auszuführen, einen Rahmen zu setzen, in dem sich die Regierung bewegen darf, und zu kontrollieren, ob sie diesen Rahmen nicht überschreitet. Insofern ist es richtig, was Staatsminister Prof. Unland in seiner Erwiderung auf den Antrag der Linksfraktion geschrieben hat – ich zitiere –: „Die durch den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen festgestellten Verstöße können nicht geheilt werden. Die Wirksamkeit der ausgereichten Garantie wie auch die Beschlüsse zur Anhebung der Kreditlinie werden durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht berührt.“
So weit, so gut. Trotzdem müssen wir doch feststellen, dass im internen Verhältnis zwischen der Staatsregierung auf der einen Seite und diesem Hohen Hause, dem Parlament, auf der anderen Seite ein Verfassungsbruch vorhanden ist, dass ein Übertritt stattfand, dass im Jahr 2007 ein Vehikel gesucht wurde, um das Parlament nicht mit einem Nachtragshaushalt zu belästigen und es an der Entscheidung darüber, wie, in welchem Rahmen eine solche Bürgschaft, eine Garantieziehung stattfinden kann, nicht ordnungsgemäß zu beteiligen.
Dass dies bekannt war, kann man zumindest daraus schließen, dass es im November 2007 auf einer Sondersitzung in einem Debattenpunkt mehrere Entschließungsanträge gab. In diesen Entschließungsanträgen der GRÜNEN und meiner Fraktion ist nachdrücklich ein solcher Nachtragshaushalt eingefordert worden. Da ist es wenig erquicklich, dass wir am 18. März 2009 den Sonderbericht des Rechnungshofes auf dem Tisch hatten, der diese Position stützt; und es ist natürlich auch nicht wirklich erquicklich, wenn wir am 28. August 2009 ein Verfassungsgerichtsurteil auf dem Tisch haben, das ebenfalls sagt: Das war nicht verfassungskonform.
Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist an der Zeit und auch sinnvoll, gerade in dieser offenen Runde des Parlamentes – und nicht hinter der verschlossenen Tür des Ausschusses – darüber zu sprechen, wie das Verhältnis zwischen Parlament und Regierung neu gestaltet werden soll. Ist es wirklich hinnehmbar, dass eine Mehreinnahme von 1 Milliarde Euro im Jahr 2007 einfach am Parlament vorbei in irgendwelche Kanäle geschleust wird?
Es ist auch nicht hinnehmbar, dass die jetzt erwartete Mindereinnahme von 1 Milliarde Euro Steuereinnahmen einfach am Haushaltsgesetzgeber, an diesem Parlament, vorbeigeschleust werden soll. Darüber, meine Damen und Herren, ist es sinnvoll, sich hier zu verständigen. Der Rechnungshof redet davon, dass es eine einfache Maßnahme gewesen wäre, ins Haushaltsgesetz § 12 Abs. 3 genau diese 2,75 Milliarden Euro als Ermächtigung hineinzuschreiben. Damit wäre alles gut gewesen. Das hätten wir auch innerhalb von drei Wochen geschafft. Dafür gibt es Regularien. Aber wir haben ein System entwickelt, in dem es damals unser jetziger Landtagsprä
sident Rößler und Herr Pecher, der sich jetzt selbstkritisch äußerte, zugelassen haben, dass die Regierung am Parlament vorbeiregiert.
Heute können wir – und das ist auch sinnvoll – messen, inwieweit diese neue Regierung aus CDU und FDP bereit ist, ein neues Verhältnis herzustellen. An den Taten werden Sie gemessen werden.
Wir als Linke bleiben bei der Position, dass auch jetzt noch ein Nachtragshaushalt sinnvoll und notwendig ist, der auch die Heilung dieses 2,75-Milliarden-EuroBürgschaftsrahmens möglich macht und auch eine heilsame Erfahrung für die Staatsregierung im Umgang zwischen Regierung und Parlament bringen würde. Eine heilsame Erfahrung wäre es, auf das Parlament zuzukommen, einen Entwurf vorzulegen, zu diskutieren und dann mit einer Mehrheit des Hauses zu verabschieden. Diese Mehrheit müssen Sie doch nicht fürchten. Es ist doch am Ende Ihre Mehrheit.
Insofern denke ich, dass dieser Nachtragshaushalt weiterhin sinnvoll und notwendig ist. Das stellen wir hier auch zur Abstimmung. Allerdings kann ich Ihnen ein Entgegenkommen signalisieren. Dieses Entgegenkommen sieht folgendermaßen aus: Neben der Bereinigung des vom Verfassungsgericht gerügten Umgangs mit dem Parlament haben wir natürlich auch die Möglichkeit, mit den Mindereinnahmen der Steuerschätzung umzugehen. Wir haben die Möglichkeit, mit den Mindereinnahmen aus dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz umzugehen. Wir haben auch die Möglichkeit, den von dieser Koalition auf 70 000 als Zielgröße orientierten Personalabbau in den Haushalt einzupreisen. Insofern kann ich Sie nur auffordern, diesem Entgegenkommen nachzugeben, einen solchen Nachtragshaushalt, der all das vereint, vorzulegen.
Ich denke, Sie werden selbst wissen: An diesem Thema kommen Sie nicht vorbei. Wir werden mit der mittelfristigen Finanzplanung, wir werden mit dem nächsten Doppelhaushalt immer wieder Debatten haben, wie weit die Schäden, die aus dem desaströsen Ergebnis der Sachsen LB für den Freistaat Sachsen resultieren, in den Haushalt eingepreist werden.
Gibt es weitere Wortmeldungen? – Wünscht die Staatsregierung das Wort? – Herr Staatsminister Prof. Unland.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einige Hinweise voranstellen. Es ist vorhin schon richtig gesagt worden, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE bereits wortgleich in der vergangenen Legislaturperiode eingereicht wurde. Dazu
An dieser Stelle möchte ich nur so viel sagen: Die Wahrung des Budgetrechts ist grundlegende Handlungsmaxime der Staatsregierung. Aus Sicht des Finanzministeriums und der Staatsregierung war die Ausreichung der Höchstbetragsgarantie insbesondere notwendig, um damals Schaden vom Freistaat abzuwenden. Selbstverständlich wird das Finanzministerium bei zukünftigen Ausreichungen von Garantien, Bürgschaften und Gewährleistungen das Urteil beachten.
Ich habe Respekt vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, der in diesem sehr komplexen Fall mit seinen nicht nur finanziell weitreichenden Folgen für den Freistaat ein bemerkenswertes Urteil gefällt hat.
Bevor wir über die Folgen des Urteils sprechen, möchte ich die wesentlichen Entscheidungen kurz würdigen. Ich möchte die Entscheidungen in drei Gruppen gliedern.
Erstens. In der Frage der Zustimmung zu den Kreditmarktgeschäften sieht der Verfassungsgerichtshof keine Verletzung des Artikels 95 der Sächsischen Verfassung, sondern eine Verletzung des Artikels 93 Abs. 1. Nach Auffassung des Gerichts handelte die Bank außerhalb ihres gesetzlichen Kernaufgabengebiets, indem zum Beispiel kein regionaler Bezug der Geschäfte bestand. Das wurde vorhin hier schon deutlich gesagt.
Zweitens. Stattgegeben hat der Verfassungsgerichtshof zwei Anträgen. Allerdings ist er nicht in jedem Fall der Argumentation des Antragstellers gefolgt. So hat das Gericht eine Überschreitung des Ermächtigungsrahmens bei der Kreditübernahme nach § 12 Abs. 3 HG 07/08 festgestellt, da die Garantieübernahme eine Maßnahme war, bei der die Wirtschaftsförderung nicht wesensprägend und nicht unmittelbar war. Allerdings – und das ist auch wichtig für die weiteren Schlussfolgerungen, die wir daraus zu ziehen haben – waren Ausgabe- und Verpflichtungsermächtigungen nicht erforderlich, da die Inanspruchnahme der Garantie nicht sicher war.
Drittens. Das Gericht hat zwei Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zugelassen, zum einen den Antrag, das Budgetrecht des Parlaments sei verletzt worden, weil der Finanzminister im Auftrag der Staatsregierung die Garantie ausgesprochen habe. Das Gericht hat darauf verwiesen, dass damit das Innenverhältnis der Staatsregierung und nicht das Verhältnis zwischen Staatsorganen betroffen sei. Diese Entscheidung konnte der Staatsminister der Finanzen eigenverantwortlich treffen.
Zum Zweiten hat das Gericht entschieden, dass aufgrund der Nichtuntersagung der Inanspruchnahme der Kreditli
Der Verfassungsgerichtshof hat also – wenn ich diesen Schluss ziehen darf – Verfassungsverstöße festgestellt, dies aber teilweise auf einer anderen Grundlage, als von den Antragstellern beantragt.
Wie geht nun die Staatsregierung mit dem Urteil um? Die Staatsregierung ist bestrebt, den Diskussionsprozess und auch die Entscheidungsfindung in einem engen Schulterschluss mit dem Landtag und mit dem Sächsischen Rechnungshof zu führen. Dazu habe ich dem Haushalts- und Finanzausschuss in seiner letzten Sitzung in der vorigen Woche, am 4. November 2009, erläutert, welche ersten Schlussfolgerungen ich aus dem Urteil ziehe. Außerdem habe ich einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen gemacht.
Ich bitte allerdings um Verständnis, dass die Erarbeitung konkreter Maßnahmen noch eine gewisse Zeit beanspruchen wird. Ich habe einige Beispiele dafür genannt – auch das wurde vorhin hier zur Sprache gebracht –, wie wir mit sämtlichen staatlichen Beteiligungen umgehen werden. Diese sollen zunächst im Haushalts- und Finanzausschuss erörtert werden, bevor die Debatte hier im Hohen Haus geführt werden soll. Ich gehe davon aus, dass eine gründliche Analyse auch Ihrem Interesse an fundierten Entscheidungsvorschlägen für die zukünftige Verfahrensweise entspricht.