Jetzt könnte man denken, denen im Osten geht es viel besser, und man müsste gar nicht mehr über die Angleichung der Rentenwerte sprechen. Aber das ist ein Trugschluss. Wenn wir uns anschauen, wie die realen Nettoalterseinkommen sind, stellen wir fest: Der Ost-Mann hat, wenn man alle Gruppen sieht – zum Beispiel Einnahmen aus Vermögen, Zinszahlungen, Pensionen, Betriebsrenten –, 1 100 Euro. 90 % der Alterseinkünfte bekommt er aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Im Westen sind das nicht 90 %, sondern 57 %. Das heißt, der West-Mann hat Altereinkünfte von 1 700 Euro. Im Vergleich: Im Osten sind es 1 100 Euro. Das muss man immer auseinanderhalten, da die Diskussion in einigen Medien ein wenig schief geführt wird. Wenn man nur die gesetzliche Rentenversicherung betrachtet, entsteht sonst der Eindruck, dass die Alterseinkommen im Osten deutlich höher sind. Aber man muss sich, wie gesagt, die Statistik bei diesen Dingen sehr genau ansehen.
Wenn wir über die Weiterentwicklung sprechen, dann nehme ich zunächst wahr, dass DIE LINKE ihre Positionierung etwas konkreter ausformuliert hat. Das nehme ich positiv wahr. Herr Dr. Pellmann, Sie haben uns auch gelobt, deshalb möchte ich das Kompliment zurückgeben.
Die Anträge, die ich sonst immer gelesen habe, hießen immer nur: Angleichung der Rentenwerte Ost an den Rentenwert West, Punkt.
Jetzt kamen Sie auf die Idee zu sagen, das müsse ein Stufenprogramm sein. Das haben wir schon die ganze Zeit gesagt. Deshalb hatten wir bei der Anhörung eine Sachverständige der Gewerkschaft ver.di benannt, weil uns dieses Modell wichtig war. Die Staatsregierung hat in ihren Stellungnahmen 2008 ebenfalls gesagt: Bei der Angleichung ist das ein sehr nachdenkenswertes Modell.
Herr Kollege Pellmann ist dankenswerterweise schon auf das Modell eingegangen. Allerdings muss man eben auch sagen, wenn man über dieses Stufenmodell spricht: Ganz umsonst ist es nicht zu haben.
Wir brauchen fünf Stufen, 6 Milliarden Euro, da kann man sich ausrechnen, dass da bisschen was an Geld aufzubringen ist.
Nun haben Sie gesagt, das muss man aus dem Bundeshaushalt nehmen – auch nachvollziehbar. Jetzt muss man einmal in den Bundeshaushalt hineinschauen. Wir stellen uns das bei der gesetzlichen Rentenversicherung immer so vor: Wir haben eine dynamische Rente, das heißt, die, die heute arbeiten, zahlen in die Rentenversicherung ein, und einen Monat später ist dieses Geld an die jetzige Rentnergeneration ausgezahlt. Das ist erst einmal richtig, das ist so. Es wird nichts angespart; es wird kein großer Berg angehäuft und im Alter bekommt man das alles. Was heute eingezahlt wird, ist einen Monat später ausgezahlt.
Es kommt noch etwas hinzu, nämlich der Bundeszuschuss. Der größte Brocken im Bundeshaushalt sind die Zahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung. Ein Viertel des Bundeshaushaltes wird zusätzlich noch für die Rente aufgewandt: über den Daumen gepeilt 80 Milliarden Euro. – Herr Kollege Pellmann, ich verstehe Ihr Ansinnen, aber wir müssen aufpassen, da dieser Betrag um eine ganz schöne Summe ansteigen würde. Das muss man immer mit bedenken, das macht es nicht ganz einfach, wenn wir über das Stufenprogramm sprechen.
Herr Präsident, wo ich mich doch so gut mit Herrn Krauß verstehe; vielen Dank. – Herr Krauß, Sie hatten über den Zusatz aus Steuermitteln gesprochen. Würden Sie mir zustimmen, dass der allergrößte Betrag dieses Zuschusses für sogenannte artfremde Leistungen der Rentenversicherung gezahlt wird; also wo die Rentenversicherung Aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge übernimmt, die man dann bei der Rentenversicherung ausgleicht, und dass das mit den 80 Milliarden Euro nicht auf den Rentenzahlbetrag, der jeden Monat fällig ist, zu beziehen ist?
Weil wir uns heute so gut verstehen, stimme ich Ihnen natürlich zu. Aber das ändert doch an der Lage erst einmal nichts, Herr Kollege Pellmann, dass wir das Geld in die Rentenversicherung einzahlen müssen – wofür auch immer es aufgebracht wird. Irgendwoher muss es ja genommen werden und irgendwie muss es finanziert werden.
Natürlich kann man zum Beispiel darüber diskutieren, was mit den Russlanddeutschen beispielsweise ist, wie die einen Rentenanspruch bekommen; aber es wird nun einmal aus dem Bundeshaushalt bezahlt. Um diese Feststellung kommen wir nicht herum.
Lassen Sie mich aber doch noch einmal etwas mehr ins Detail gehen, denn wir müssen bei diesem Thema der
Angleichung der Rentenwerte Ost und West auch die Rahmenbedingungen mit betrachten. Es geht nicht nur um die unterschiedlichen Rentenwerte, sondern auch um den Ausgleichsfaktor, der schon angesprochen worden ist, also um die Aufwertung der Rentenanwartschaften, die im Westen nicht übermäßig gern gesehen wird. Auch das müssen wir einmal so deutlich sagen.
Worum geht es dabei? Die Einkommen sind bekanntermaßen – bis auf den öffentlichen Dienst oder die Versicherungswirtschaft, wo wir mittlerweile bei 100 % liegen – in fast allen Bereichen in Ost und West noch unterschiedlich und wir können ungefähr sagen, im Osten erhält man 80 % von dem, was man im Westen verdient. Das ist die Realität. Das war auch vor einigen Jahren so, weshalb man gesagt hat, es gibt diesen Ausgleichsfaktor, eine Aufwertung der Rentenbeiträge.
Mit anderen Worten: Wenn man im Osten einen Stundenlohn von 7 Euro hat, dann erwirbt man die gleiche Anwartschaft in der Rente wie jemand im Westen, der einen Stundenlohn von 8,50 Euro hat. Ich glaube, das ist gerechtfertigt, weil wir in Ost und West unterschiedliche Einkommen haben. Wir müssen aufpassen, dass wir bei der Diskussion, die wir jetzt führen, diesen Ausgleichsfaktor nicht verlieren; das wäre mir ein zu hoher Preis. Es darf nicht passieren, dass wir den Ausgleichsfaktor verlieren.
Die Angleichung ist schwierig. Wer sich einmal in ein solches Rentenmodell hineinzudenken versucht, der wird merken, dass es hochkomplex ist. Die FDP hatte ja damals auch ihr Rentenmodell noch mit vorgestellt; es gibt verschiedene, die sich darüber Gedanken gemacht haben. Wir wissen, es ist nicht einfach, es ist nicht innerhalb einer Woche zu klären. Es erfordert ein großes Nachdenken, dass man alle Randbedingungen einbezieht.
Lassen Sie mich aber, bevor ich zum Schluss komme, noch kurz auf andere Themen eingehen, die mir bei der Rente wichtig sind, und zwar die Rente nach Mindesteinkommen. Mich bewegt immer: Wie sieht es denn zum Beispiel in 20 Jahren aus? Was ist mit den Menschen, die in 20 Jahren in Rente gehen; wie geht es denen? Wir haben derzeit eigentlich kein Problem mit Altersarmut.
Wir haben ungefähr 2,5 % Grundsicherungsempfänger, also Hartz IV im Alter deutschlandweit – das ist überschaubar, das ist relativ gering. Wir wissen aber, dass diese Zahl deutlich zunehmen wird und dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, wie wir mit der Situation umgehen. Das wird übrigens vor allem auch für die Kommunen spannend sein, denn sie sind ja für die Grundsicherung zuständig.
Nehmen wir ein Beispiel: Wer heute 45 Jahre alt ist, noch 22 Jahre zu arbeiten hat – der dann also 67 Jahre alt ist und 47 Jahre gearbeitet hat – und einen Stundenlohn von 7,50 Euro hat, der bekommt mal eine gesetzliche Rente von 489 Euro. Wer weiß, was Grundsicherung, also Hartz IV, ist, der weiß, dass das deutlich darüber liegt. Es sind circa 650 Euro, ohne dass er je gearbeitet hat.
(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Da bekommt er keinen Rentenanspruch mehr aus Hartz IV! Das habt ihr doch beschlossen!)
Ja, das macht auch keinen Sinn. Ich möchte schon, dass wir als Erstes einmal sagen, dass derjenige, der sein Leben lang gearbeitet hat, am Lebensende mehr hat als jemand, der nie gearbeitet hat. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, Herr Kollege Pellmann; das fordern wir auch ein.
Deswegen spreche ich jetzt auch über diesen Fall. Wir müssen sehen, dass derjenige, der 47 Jahre lang gearbeitet hat, am Lebensende mehr hat als jemand, der nie gearbeitet hat. Das heißt, er muss über dem Grundsicherungsniveau liegen.
Das bekommen wir über eine Aufwertung dieser Rentenanwartschaften für Geringverdiener hin. Das ist die Rente nach Mindesteinkommen. Dann hätten wir zumindest für den Fall, den ich als Beispiel gebracht habe, eine Rentenanwartschaft von 706 Euro. Das wäre zumindest dort in Ordnung. An diesem Punkt müssen wir arbeiten.
Die CDU hat auf ihrem Bundesparteitag im November eine entsprechende Beschlussfassung herbeigeführt. Ich wünsche mir auch, dass wir zusammen mit der Staatsregierung und zusammen mit dem Bund, der jetzt an diesem Thema dran ist, daran arbeiten, wie es uns gelingt, Altersarmut in Zukunft zu verhindern. Das wird eine der großen Herausforderungen für unsere Gesellschaft sein, das wird eine große Herausforderung für den Freistaat Sachsen sein.
(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Sehen Sie! – Sie haben es sich nicht getraut, da habe ich es für Sie mitgemacht!)
Das ist nett; ja, ich lobe Sie heute nur. Dort stand die Frage, welche Rente eigentlich die Rentner bekommen, die jetzt in Rente gehen, die also jetzt 65 Jahre alt sind. Wir sind bei Frauen schon bei 650 Euro, das ist mittlerweile das Grundsicherungsniveau. Bei den Beamtenpensionen haben wir das Problem nicht, aber in der gesetzlichen Rentenversicherung sind wir mittlerweile in einer Situation, wo es schon spannend wird. Zum Glück sind die meisten verheiratet, sodass es sich noch ein wenig anders darstellt; aber wir sehen, die Problemlage verschärft sich.
Lassen Sie mich zurückkommen zu dem altbekannten Thema des Stufenprogramms zur Angleichung des aktuellen Rentenwertes Ost an den aktuellen Rentenwert West. Das Anliegen ist richtig; es ist eines, das wir schon lange aufgegriffen haben. Ich erinnere mich auch an die Staatsregierung, die das bereits 2008 in ihren Stellungnahmen gemacht hat und was wir unterstützt haben. Sie rennen bei uns in dem Bereich offene Türen ein.
Na ja, wir wollen jetzt nicht darüber streiten, wer damit angefangen hat. Auf jeden Fall, Herr Kollege Pellmann, rennen Sie bei uns bei dem Thema offene Türen ein. Sie wollen die Staatsregierung auffordern. Wir haben den Eindruck, wir müssen die Staatsregierung nicht auffordern; sie war dort immer an der Spitze der Bewegung und hat sich die ganze Zeit schon dafür eingesetzt und sich dieses Themas angenommen.
Insofern halten wir den Antrag für entbehrlich; wir müssen sie nicht noch einmal auffordern, wenn sie ihre Arbeit schon macht. Wir danken aber der Staatsregierung ganz herzlich für diese Arbeit, die sie leistet, und ermutigen sie, das weiter zu tun.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist keinesfalls neu, hat die Fraktion DIE LINKE diesen doch in vergangenen Legislaturperioden bereits mehrfach gestellt.
Sein generelles Anliegen, im Jahr 21 nach der Wiedervereinigung einen bundesweit einheitlichen Rentenwert festzulegen, ist begrüßenswert. Wenn heute in der Presse zu lesen ist, dass die Rentenkassen momentan deutliche Überschüsse erzielen, klingt der Antrag zunächst umso plausibler. Eine Angleichung kostet die Rentenkassen nach landläufigen Schätzungen – und das wurde bereits heute gesagt – rund 6 Milliarden Euro. In Zeiten knapper Rentenkassen ist hieran nicht zu denken, schon eher in Zeiten, die den Rentenversicherungsträgern keine grauen Haare wachsen lassen.
Und dennoch – leider steckt der Teufel wie so oft auch hier im Detail, nämlich in den Risiken der Ausgestaltung der Rentenwertangleichung. Heutige Ost-Rentnerinnen und -Rentner profitieren gegenüber den West-Rentnern von einer ununterbrochenen DDR-Erwerbsbiografie. Was unterscheidet sie nun von zukünftigen Rentnern, die mit Unterbrechungen ihrer Erwerbsbiografie und mit vermehrter prekärer Beschäftigung zu kämpfen haben?