Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gleich zu Beginn: Wir finden den Aktionsplan richtig gut. Damit können wir in der Praxis etwas anfangen.
Eine Aktuelle Debatte muss man auch einmal zum Anlass nehmen können, um Fragen zu stellen. Wenn man sich die Höchstgrenzenverordnung der EU für Dioxin betrachtet,
dann muss man sich Fragen stellen. Zum Beispiel ist eine der wesentlichen Fragen: Der Höchstgrenzwert für Dioxin im Schweinefleisch ist der niedrigste, Rindfleisch kann das Dreifache an Dioxin enthalten. Wenn also Betriebe, die dieses „verbrecherische Futter“ verfüttert haben, statt Schweine Rinder gezüchtet hätten, würden sie gegen kein Gesetz verstoßen. Fisch hat das Vierfache an Dioxin, das man verzehren kann. Wenn man also drei Wochen am Mittelmeer Urlaub verbringt und jeden Tag Fisch isst, hat man ungefähr die Menge von drei Jahren Dioxin in sich aufgenommen. Da muss man darüber sprechen, ob das alles so richtig ist oder ob wir auch dort andere Konsequenzen ziehen müssen.
Was mich natürlich in der ganzen Debatte am meisten bewegt, ist, dass die Opfer dieser Debatte unsere sächsischen Bauern sind. Das ist das Problem. Es wurde hier etwas nicht nur hochgezogen, sondern es ging ein Verbrechen voraus, aber ausbaden müssen es dann unsere Bauern.
Die drei Betriebe, die am 3. Januar gesperrt wurden, sind am 6. und 8. Januar wieder entsperrt worden. Was aber für unsere Betriebe die Katastrophe ist, sind die Importsperren durch Länder wie Südkorea, Slowenien, Griechenland, Polen, Russland usw. Das sind die Probleme, denn wir sind ein Fleischexporteurland, obwohl in den meisten sächsischen Fleischprodukten nichts an Dioxin enthalten ist. Damit müssen wir in der Praxis umgehen können.
Zur Preisentwicklung bei Schlachtschweinen: In der 52. Kalenderwoche 2010 lag 1 Kilogramm noch bei 1,48 Euro, in der 3. Kalenderwoche 2011 bei 1,12 Euro. Die Debatte baden unsere Landwirte aus. Der Landesbauernverband sagt richtig, dass das Jahr 2011 das härteste Jahr für den betroffenen Produktionsbereich wird. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Was können unter anderem wir Abgeordnete tun? Alle Verbraucher sollten gezielt sächsische Produkte kaufen. Sie sind sicher. Aber wir könnten auch einmal das argentinische Steak links liegen lassen. Unser Ziel muss sein, die sächsischen Arbeitsplätze zu erhalten, die Steuereinnahmen für die Kommunen zu sichern, alle notwendigen Strukturen im ländlichen Bereich zu sichern – denn diese scheinen gestört zu sein – sowie die Wahrnehmung der Realität zu Dioxinen. Wir brauchen aber auf keinen Fall die Polizei fürs Ei.
Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Nein, Herr Günther, wir brauchen nicht die Polizei fürs Ei. Einige Redner, wenn ich das richtig verfolgt habe, haben ja betont, dass das beste Kontrollsystem keine hundertprozentige Sicherheit bringen kann, denn es betreibt lediglich Nachsorge. Dazu höre ich Übereinstimmung.
Herr Weichert hat den Finger aus meiner Sicht in die Wunde gelegt, denn die wirkliche Ursache liegt im System der industriellen Agrarwirtschaft selbst begründet.
Es hat eine Agrarwirtschaft hervorgebracht, die auf eine hoch effektive, hoch spezialisierte Produktion von möglichst großen Mengen tierischer und pflanzlicher Nahrungsmittel für einen globalen Markt setzt. Herr Günther hat eben auch noch einmal hervorgehoben, dass unsere Bauern jetzt von den Importverboten betroffen sind. Das ist die Crux bei diesem Problem; denn wer ein Überangebot an Milch, Fleisch und Eiern produziert, der braucht sich nicht zu wundern, wenn dann der Preis zusammenbricht und aufgrund dieses Preisdrucks der Druck auf den Erzeuger selbst zurückfällt, der für seine Produkte keine erzeugergerechten Preise mehr bekommt und der zusätzlich von der Lebensmittelindustrie auch noch gedrückt wird. Dieser Preisdruck führt dazu, dass wir sehr verstärkt in den alten Bundesländern – in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen –, aber zunehmend auch im Osten immer größere Tiermastanlagen finden oder dass diese für Hunderttausende Schweine, für Hunderttausende Legehennen geplant werden. Meine Sorge ist, dass wir diesen Trend auch noch nach Sachsen holen, Herr Staatsminister Kupfer. Ich kann mich noch an einen Aufruf 2010 von Ihnen erinnern: Sachsen hat noch Platz für Schweinemastanlagen.
Wir können bei dieser Betrachtung nicht nur auf die durchschnittliche Viehbesatzdichte schauen und daraus ableiten, dass wir noch Platz hätten für Tiermastanlagen, sondern wir müssen etwas in die Tiefe gehen. Sie kennen das Beispiel von dem durchschnittlich tiefen Teich und der Kuh, die trotzdem ersoffen ist. Ich habe da nur auf meinen Landkreis gesehen, den Landkreis Görlitz, wie sich die Entwicklung dort in den letzten 15 Jahren vollzogen hat. Sie können das im Statistischen Landesamt Kamenz nachlesen, das ist alles belegt.
Hier haben wir es tatsächlich mit einem Rückgang der Anzahl der Tierbetriebe in den ehemals drei Gebietskörperschaften, die heute den Landkreis Görlitz bilden, zu tun. Aber die Bestände an Tieren sind nicht proportional dazu rückläufig. Wir haben es bei einzelnen Tierarten mit einer exorbitanten Zunahme zu tun, beispielsweise bei Schweinen. Dort ist die Anzahl der Betriebe auf 42 % in den letzten 15 Jahren gesunken, aber die Tierbestände sind auf 142 % angestiegen. Wer da so einfach in den Wald ruft und sagt, wir brauchen mehr große industrielle Tiermastanlagen,
der muss dann aber auch schauen, wie das im Einzelnen aussieht. Meines Erachtens liegt das Problem auf der Hand. Die Fleischberge, die wir schon heute produzieren, und zwar in Deutschland, aber auch in Sachsen, braucht niemand, und jetzt wird ein gigantischer nationaler und internationaler Verschiebebahnhof ausgelöst, der ökologisch Wahnsinn ist und die Preise verfallen lässt – erstens, weil das Futter nicht mehr ausreicht; das müssen wir von überall herankarren, und zweitens, weil das Fleisch selbst ausgeführt werden muss; 36 000 Tonnen wurden 2008 aus Sachsen ausgeführt – Tendenz steigend –, und das im Übrigen bis nach China, die es jetzt sperren wollen. Dazu kommt der Export lebender Tiere, die dann zum Teil verarbeitet wieder zurückkehren. Das ist ökologischer Unsinn, das potenziert die Verunreinigungsquellen. Und jetzt sind wir beim Dioxinskandal, weil wir unnötig viele Produktionsanlagen und Lieferketten dazwischenschieben.
Deshalb plädiere ich, plädiert meine Fraktion für eine kleinteiligere ökologische und regional ausgerichtete Landwirtschaft. Das bringt mehr Sicherheit für den Verbraucher, das bringt mehr Arbeitsplätze in die ländlichen Regionen, das schmeckt letztlich besser und es spart auch noch Geld – für die Nachsorge, für ökologische Folgekosten und für die staatliche Kontrolle.
Gibt es noch weiteren Redebedarf; Wortmeldungen liegen mir für die 1. Debatte nicht mehr vor? – Herr Abg. Heinz, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige Ausführungen zu dem Thema. Frau Kagelmann, Sie müssten sich schon einmal entscheiden, was Sie wollen. Auf der einen Seite sorgen Sie sich, dass unsere großen Agrarbetriebe den Boden durch die Alteigentümer weggekauft bekommen, und auf der anderen Seite kritisieren Sie sie hier als industrielle Tierhaltungsbetriebe, die Sie eigentlich nicht wollen.
Dann hören wir gelegentlich, dass wir regionale Kreisläufe wollen. Wenn ich mir den Selbstversorgungsgrad bei Tierprodukten anschaue, dann ist Investition in die Tierproduktion dringend notwendig, und wir sind stolz auf die Förderprogramme, die wir dazu haben.
Gestatten Sie mir noch einige Äußerungen, wie so etwas überhaupt entstehen kann. 1970 hat der durchschnittliche Haushalt knapp 19 % seines Einkommens für Lebensmittel ausgegeben; davon sind beim Bauern dann von einem Euro 47 Cent angekommen; 1990 waren es noch 13 % und 2005 waren es noch 11 %. Das heißt, die Gewinnspannen werden immer geringer und beim Landwirt kommen von einem Euro ungefähr noch 21 Cent an; bei
Milch und Milchprodukten sind es 34 Cent, bei Fleisch 20 Cent und bei Brot, Getreide und Backwaren nur 4 Cent.
Was passiert mit jeder Skandalnachricht? Der Markt reagiert natürlich sofort – die Preisentwicklung hat Kollege Günther genannt –, und auch die Versicherungs- und Haftpflichtregelungen, die jetzt hier aufgenommen werden, werden diesen Preisverfall mit Sicherheit nicht abdecken können, sondern maximal irgendwelche gekeulten Bestände – wobei das Tierschutzgesetz Keulen wegen Dioxin eigentlich nicht zulässt, sondern nur für den Seuchenfall, und Dioxin ist keine Seuche.
Die Aufkaufpreise fallen also sofort, während sich das an der Theke wie immer nicht durchschlägt, und die Landwirte sind wieder einmal die Leidtragenden.
Wir haben ja hier immer den Wunsch nach regionalen Kreisläufen, die durch eine gewisse Kleinteiligkeit gekennzeichnet sind, und ich frage mich: Können die kleineren regionalen Akteure all das leisten, was wir ihnen an Anforderungen auferlegen? Hier möchte ich einmal auf das zurückspringen, was nach der BSE-Krise passiert ist. Das hat quasi zum Aussterben der Hausschlachtung geführt, weil Untersuchungsnachweise und Entsorgungskosten in vielen Fällen den Wert des eigentlichen Tieres überschreiten. Das gilt für Schweine, Schafe usw.; beim Rind haben wir es noch nicht ganz geschafft. Dort ist viel weggebrochen, weil sich im Prinzip nur noch die großen Einheiten die teure Technik leisten können. Sprechen Sie einmal mit Direktvermarktern, was sie mittlerweile, wenn sie Märkte besuchen, alles leisten müssen – was im Sinne des Verbraucherschutzes sicherlich ein Stück weit sinnvoll ist.
Landwirtschaftsbetriebe werden sich in zunehmendem Maße überlegen, welchen Risiken sie ihre Produktion noch aussetzen. Ich kenne schon die ersten Landwirtschaftsbetriebe, die selbst gar kein Getreide mehr einlagern, sondern es gleich dem Landhandel verkaufen – aus dem einfachen Grund, weil die Anforderungen an die Getreidelagerung mittlerweile so hoch sind und man sich gewissen Kontrollrisiken nicht mehr aussetzen will. Wir arbeiten da auch wiederum den regionalen Kreisläufen entgegen.
Die risikoärmste Produktion, die ein Landwirt heute machen kann, ist Produktion für nachwachsende Rohstoffe. Das heißt, nicht mehr für den Teller zu produzieren, sondern für den Tank. Die allerrisikoärmste Produktion sind irgendwelche schnellwachsenden Holzplantagen – da gibt es keinen Ärger mit Erosionsschutz oder mit irgendwelchen Nachweisen –, und das wird in zunehmendem Maße passieren. Unsere Lebensmittel werden dann von weither kommen, mit ganz anderen Produktionsstandards.
Noch zwei Worte zum ökologischen Landbau. Wir wissen alle, es ist nicht die Frage des Haushaltstitels entscheidend, sondern wie viel Geld zu welchen Fördersätzen fließt, und da können wir uns stolz auf die Brust klopfen. Das Kompetenzzentrum gibt es natürlich; es hat nur einen
Wir alle wissen, der Dioxineintrag passiert über die Umwelt – über den Regen, über die Luft –, und deshalb muss man auch wissen: Wer ökologisch erzeugte Eier kauft, hat ein potenziell höheres Risiko, Dioxin zu sich zu nehmen, als bei Eiern, die in Stallanlagen konventionell produziert werden. Ich will damit nur darauf hinweisen, dass man, wenn man das Thema schon erläutert, es ganzheitlich betrachten muss.
Ich möchte Sie noch darauf hinweisen, dass Dioxin auch beim Grillen entstehen kann und dass, wer mehr als 20 Zigaretten am Tag raucht, die gesetzlich empfohlenen Grenzen fürs ganze Jahr schon an Dioxin zu sich genommen hat. Ich bitte einfach um Augenmaß und um Maß
Bevor ich zur 2. Aktuellen Debatte übergehe, möchte ich etwas nachholen, was ich vorhin vergessen habe: Ich habe Frau Klepsch nicht gefragt, ob sie die Wahl überhaupt annimmt.
Staatsregierung muss Winterschlaf beenden: Sachsen braucht ein Soforthilfeprogramm für kommunale Straßen. Bedarfsgerechten Winterdienst für die Kommunen ermöglichen!