Protocol of the Session on January 19, 2011

Die radikale Losung „Keine Freiheit den Feinden der Freiheit“, die uns von Robespierre aus der Französischen Revolution bekannt ist, darf nicht gelten. Die Grundrechte sind unveräußerlich und gelten für Freunde und Feinde der demokratischen Grundordnung gleichermaßen. Eine Abschaffung dieses Rechtes – sei es aus noch so hehren Gründen – führt in ein autoritäres System. Das ist für keine Demokratin und keinen Demokraten wünschenswert.

Die Versammlungsfreiheit gilt in diesem Fall also auch für Neonazis, aber eben nicht ausschließlich. Der öffentliche Raum gehört allen. Das Demonstrationsrecht, das in Artikel 8 des Grundgesetzes gesichert ist, sichert – ich zitiere aus Artikel 8 – „das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln“.

Bei einer friedlichen Sitzblockade, wie wir sie im letzten Jahr in Dresden erlebt haben und auch in diesem Jahr erleben werden, geschieht nichts anderes. Der Protest in Sicht- und Hörweite ist ebenfalls legale Ausübung eines Grundrechtes. Dieses Grundrecht kann nicht vollständig dem Recht der Neonazis auf Versammlungsfreiheit untergeordnet werden. Der friedliche Protest muss genauso durch Artikel 8 geschützt sein.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Unsere Gesetze sind nicht dazu geschrieben, dass sie gebrochen werden sollen, aber auch nicht dazu, dass sie in ihrer Auslegung keiner kritischen Prüfung unterzogen werden dürfen. In seinem Text „Fünf Minuten Rechtsphilosophie“ schreibt Gustav Radbruch: „Befehl ist Befehl für den Soldaten. Gesetz ist Gesetz, sagt der Jurist. Diese Auffassung hat die Juristen wie das Volk so wehrlos gemacht gegen noch so willkürliche, so grausame Gesetze.“ Gustav Radbruch wusste, wovon er schrieb. Er war

Justizminister in der Weimarer Republik und Befürworter der Weimarer Verfassung.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Jürgen Gansel, NPD: Sehr zögerlich, Homann!)

Frau Kliese, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Frau Kollegin, herzlichen Dank. – Noch einmal ein kleiner Schritt zurück: Es stand schon mehrfach die Frage im Raum: Abgeordnete beteiligen sich möglicherweise an Blockaden oder rufen zu Protest in Sicht- und Hörweite auf. Meine Frage an Sie lautet: Wie bewerten Sie den Umstand, dass Abgeordnete aus diesem Hohen Haus – wenn man so will: Repräsentanten des Freistaates – sich ausgerechnet gegen ein Staatsorgan stellen?

Danke für die Zwischenfrage. Es ist folgendermaßen: Derjenige, der das Prinzip der Gewaltenteilung verinnerlicht hat, weiß, dass es nicht Sinn und Zweck der Gewaltenteilung ist, dass ein Mitglied der Legislative sich niemals kritisch gegen ein Mitglied der Exekutive positionieren dürfe. Vielmehr beruht es auf dem Verständnis der Gewaltenteilung, dass sich die Legislative auch einmal kritisch der Exekutive gegenüberstellen darf. Nichts anderes geschieht, wenn ein Abgeordneter an einer solchen Blockade teilnimmt.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Alexander Delle, NPD: Haben Sie gut eingeübt! – Jürgen Gansel, NPD: Haben Sie dafür ein Rhetorikseminar belegt?)

Die mir verbleibende Zeit möchte ich – meinem Kollegen nachfolgend – noch einmal nutzen, dazu aufzufordern: Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Sachsen und gern darüber hinaus, gehen Sie am 19.02. in Dresden auf die Straße, machen Sie mit bei der Menschenkette oder nutzen Sie eine der vielen anderen Protestmöglichkeiten, unsere Verfassung zu schützen! Denn das ist nicht in erster Linie die Aufgabe von Behörden, sondern das ist die Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und des Abg. Carsten Biesok, FDP)

Gibt es noch Wortmeldungen in der ersten Runde? – Das ist nicht der Fall. Es gibt noch eine Wortmeldung in der zweiten Runde. Ich frage trotzdem die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte. – Nein, das ist nicht der Fall. Damit kommen wir zum zweiten Redebeitrag der NPDFraktion. Herr Storr, Sie haben das Wort.

(Zuruf von der FDP: Ohrstöpsel!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussionsbeiträge bestanden ja bislang

überwiegend aus Geschichtsdeutungen und politischen Meinungsbekundungen. Das mag alles noch zulässig sein. Meinen Gegenrednern will ich durchaus zubilligen, dass sie sich zumindest formal zum Grundrecht auf Versammlung bekannt haben.

Allerdings muss man sagen, dass hierbei einige Irrtümer aufgetreten sind, die ich richtigstellen will. Ich beginne bei Frau Kliese, die im Grunde genommen zwar das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit bejaht hat, aber letztendlich gesagt hat, es gebe auch so etwas wie ein Grundrecht auf Blockade. Genau das ist eben falsch, weil eine Blockade einer angemeldeten und zulässigen Versammlung dazu führt, dass das Grundrecht, sich zu versammeln, von anderen beeinträchtigt, wenn nicht sogar verunmöglicht wird.

(Beifall bei der NPD)

Insofern ist Blockade eine Straftat und kein Grundrecht, und das ist klarzustellen.

Herr Schiemann, Sie haben wieder einmal das Märchen bemüht, dass es eine Gewalt von rechts gibt. Nennen Sie uns doch bitte einmal die Versammlung oder die Netzseiten, wo Aufrufe zu rechter Gewalt verbreitet werden, die im Zusammenhang mit der NPD stehen.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Diese Seiten gibt es nicht. Im Übrigen bin ich selbst 25 Jahre bei der NPD aktiv. Ich war Teilnehmer von Hunderten von Versammlungen. Ich kann wirklich behaupten, so wahr ich hier stehe, dass ich keine nationale Versammlung selbst erlebt habe, bei der es wirklich zu Straftaten und Gewalttaten kam, vielleicht im Einzelfall zu sogenannten Propagandadelikten, aber auf gar keinen Fall zu Gewalttaten. Die Gewalttaten haben nämlich immer aufseiten der linken Gegendemonstranten stattgefunden und nie bei uns. Das ist eine Tatsache, die alleine auch deshalb schon bewiesen werden kann, weil die Polizeibehörden, die Ordnungsbehörden nie einen Anlass haben, uns irgendwelche Gewalttaten auf Versammlungen anzulasten.

(Beifall bei der NPD)

Deshalb gibt es nämlich auch nie Probleme bei der Durchführung nationaler Versammlungen. Die Verwaltungsgerichte ermöglichen uns auch immer, dass wir diese Versammlungen durchführen können, selbst dann, wenn unter fadenscheinigen Gründen die Ordnungsämter versuchen, dies durch Verbote zu verhindern.

Es zeigt sich also, dass hier falsch argumentiert und nur spekulative Behauptungen aufgestellt werden. Im Übrigen – das will ich auch noch einmal sagen – ist hier zu dem Antrag selbst von den anderen Fraktionen nur am Rande gesprochen worden. Hier geht es gar nicht einmal so sehr um die inhaltliche Bewertung des Trauermarsches am 13. bzw. am 19. Februar, sondern es geht darum, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit durchgesetzt werden muss.

Ich finde es schon erstaunlich, wenn man gerade der NPD immer vorwirft, dass sie angeblich verfassungsfeindlich sei, und man selbst immer behauptet, dass man sich mit dem Grundgesetz unterm Kopfkissen sogar noch ins Bett legt, dass dieser Antrag offenbar von den anderen Fraktionen nicht die Zustimmung erfährt. Das finde ich sehr bedauerlich. Auch Ihre inhaltlichen Argumente gegen diese Demonstration sind in keiner Weise Bemerkung zu diesem Antrag.

Lassen Sie mich noch einige grundsätzliche Ausführungen machen. Ich möchte gern noch einmal auf die Hintergründe eingehen, die oft zu den linken Hassausbrüchen auf der linken Seite gegen den Dresdner Trauermarsch führen, weil aus Sicht der NPD-Fraktion es wichtig ist zu verstehen, welches Denken und welcher Ungeist hinter dem Blockadeaufruf steht.

Wenn man die hassverzerrten Gesichter sieht, die auch dieses Jahr wieder gegen nationale Deutsche demonstrieren werden, dann fragt man sich, woher dieser Hass gegen Deutsche kommt, die die eigenen Opfer des Krieges betrauern wollen. Nun, es verwundert im Grunde nicht. Bereits in der Schule, mancherorts sogar schon im Kindergarten werden junge Menschen von linken Pädagogen tagtäglich gegen alles aufgehetzt, was als deutsch gilt.

(Proteste von den Fraktionen)

Dazu kommt die Präsentation der deutschen Geschichte als ein Verbrecheralbum. Das deutsche Volk wird als Tätervolk betrachtet. Der Deutsche gilt nach den Deutungen des heutigen Linkskonformismus per se als Verbrecher. Eine tagtägliche Umerziehung in Rundfunk und Fernsehen sorgt dafür, dass jeder, aber auch wirklich jeder Deutsche einmal täglich die angebliche Schuld als Deutscher vorgeworfen bekommt. Derartig emotional verhetzt, suchen dann einige Jugendliche ihr Seelenheil bei den Schlägern der Antifa und bei militanten antideutschen Gruppen.

(Proteste von den Fraktionen)

Häufig wird das Ganze dann noch staatlich finanziert. Hier kommt die CDU ins Spiel, die zwar, soweit ersichtlich, nicht ihre Unterschrift auf den Blockadeaufruf gesetzt hat, die aber Jahr für Jahr im Bund und in den Ländern unter dem Deckmantel der Demokratieförderung und der Extremismusbekämpfung Millionen Steuergelder für den Kampf gegen rechts ausgibt. Allein in Sachsen gibt es jährlich über drei Millionen. Daran können auch die als Feigenblatt dienenden Extremismusklauseln nichts ändern.

Noch eine Bemerkung zum Geschichtsverständnis der Unterstützer des Blockadeaufrufes. Die flächendeckende Bombardierung Dresdens und ihre Opfer werden in ihrem Aufruf als Mythos bezeichnet. Das ist ein Schlag ins Gesicht der unzähligen Toten, die dieser angloamerikanische Vernichtungsexzess gekostet hat. Niemand hat das Recht, ihre Würde zu verletzen, indem man von einem Mythos von Dresden spricht. Wo ist denn da der postmortale Würdeschutz, den Sie für andere Opfergruppen

immer lauthals einfordern? „Bomber-Harris do it again!“ – wird auch dieses Jahr wieder in Dresden ertönen und den klammheimlichen Beifall der vereinigten Linken finden, und von bürgerlicher Feigheit wieder einmal beschwiegen werden.

Meine Damen und Herren! Wir Nationaldemokraten fordern in unserem Antrag ein Bekenntnis des Landtages zur Versammlungsfreiheit, zur Respektierung von Artikel 8 des Grundgesetzes und Artikel 23 Sächsische Verfassung, die dieses Grundrecht garantieren. Nicht die NPD ist der Verfassungsfeind, sondern jene, die unseren Antrag ablehnen und den Rechtsstaat am 13. und 19. Februar ad absurdum führen werden.

Ich hoffe, dass der Innenminister vielleicht einmal die Größe hat, sich zu äußern, auch schon einmal zu erklären, wie er beabsichtigt, dem Rechtsstaat am 13. bzw. 19. Februar hier Geltung zu verschaffen; denn das, was hier im letzten Jahr stattgefunden hat, dass diese Rechtsbrüche von der politischen Seite beschwiegen worden ist, ist im Grunde genommen beschämend, denn selbst im rot-rotregierten Berlin hat man es geschafft, zumindest zu der Blockadeaktion des Bundestagsvizepräsidenten Thierse kritisch Stellung zu beziehen und zu diskutieren. In Sachsen hat man diese Größe leider nicht gehabt.

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich gehe einmal davon aus, dass es eine Kurzintervention wird? – Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank! Ich möchte auf einen Aspekt eingehen, den der Abg. Storr aufgegriffen hat. Er hat behauptet, dass er seit 25 Jahren NPD-Mitglied ist und an vielen Demonstrationen teilgenommen hat, von denen nie Gewalt ausgegangen wäre.

Ich selbst habe im vergangenen Jahr am Bahnhof Dresden-Neustadt sicherlich circa zehn Stunden verbracht. Ich habe gesehen, wie die Neonazis angereist sind. Ich habe gesehen, wie sie sich, hinter ihren Gittern eingesperrt, versammelt haben. Es haben nur noch die „FütternVerboten-Schilder“ gefehlt. Ich habe auch gesehen, wie gegen Schluss der Demonstration bzw. der Kundgebung dort aus der Menge der Neonazis heraus mit Eisklumpen geworfen wurde, mit halbgefüllten Flaschen und ähnlichen Dingen mehr. Das ist ganz eindeutig eine Gewaltanwendung, und jetzt wird das altbekannte Märchen vonseiten der NPD kommen, dass das alles staatlich bezahlte Provokateure der Polizei gewesen seien. Da sind wir wieder bei dem Thema Verschwörungstheorien.

(Protest des Abg. Arne Schimmer, NPD)

Ich erinnere an die Rede Ihres Bundesvorstandsmitgliedes Wulff, ebenfalls auf dieser Demonstration.

(Unruhe im Saal)

Meine Damen und Herren! Ich bitte, dass Sie dem Kurzinterventen zuhören. Er hat Mühe, Ihren Geräuschpegel zu übertönen. Es wäre sicher ganz angemessen. – Danke schön.

Ich erinnere an die Rede Ihres Bundesvorstandsmitgliedes Wulff, der ebenfalls auf dieser Demonstration kurz vor Ende der Veranstaltung zu Protokoll gab: Wenn die Polizei nicht sofort die Straße freiräumen würde, würden die Mitglieder der Versammlung die ganze Nacht durch Dresden und Umgebung schwärmen und die Polizei mit Arbeit versorgen. Das ist sicherlich eine Androhung von Gewalt gewesen. Dass sich die Demonstrationsteilnehmer auch dazu aufgefordert fühlten, Gewalt anzuwenden, zeigte sich dann auf dem Rückweg in die Heimatregionen. Ich erinnere an das Bürgerbüro der Kollegin Dagmar Neukirch, das von Ihrer Klientel angegriffen und massiv beschädigt wurde.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Herr Storr, Sie haben natürlich selbstverständlich die Möglichkeit, auf die Kurzintervention zu antworten.