Protocol of the Session on January 19, 2011

Wenn ich das, was mein Vorredner gesagt hat, weiter im Ohr behalte, dann bin ich in Sorge, ob der Rechtsstaat

dies weiter und länger erdulden darf, was mein Vorredner hier vorgetragen hat.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die NPD bisher nicht begriffen hat, was den 13. Februar hier in Dresden ausmacht.

(Andreas Storr, NPD: Doch, das haben wir sehr wohl begriffen!)

Der 13. Februar1945 steht in der Erinnerung an maßloses Leid, das zunächst aus Deutschland nach Europa getragen worden ist. In Dresden, einer der letzten Städte neben Breslau, waren über 660 000 Menschen, und es kam zu der Bombardierung. Zehntausende Menschen haben ihr Leben verloren, und die Stadt ist vernichtet worden.

Die Dresdner haben mit Unterstützung vieler anderer diese Stadt wieder aufgebaut und haben stets in Erinnerung gebracht, dass in dieser Bombennacht Deutsche ums Leben gekommen sind, aber auch Zwangsarbeiter aus Russland, aus Polen, aus der Tschechischen Republik und anderer Nationen sind hier in dieser Bombennacht ums Leben gekommen. Und die Dresdner erinnern nach dem Krieg, nachdem sie gemeinsam versucht haben, diese Vernichtung im Neuaufbau, in der Wiederherstellung dieser Stadt zu überwinden, daran, dass es nie mehr dazu kommen soll, dass Städte vernichtet werden, wie das in Dresden der Fall war.

Mein Vorredner nimmt für sich und seine Demonstranten in Anspruch, dass die Versammlungsfreiheit sein Recht ist.

(Andreas Storr, NPD: Jedermanns Recht! – Jürgen Gansel, NPD: Jedermanns, ja!)

Die Versammlungsfreiheit ist im Freistaat Sachsen das Recht eines jeden.

(Jürgen Gansel, NPD: Das steht nicht unter Gesinnungsvorbehalt!)

So haben wir es in der Verfassung festgelegt.

Die CDU- und die FDP-Fraktion – aber ich glaube auch jede andere Fraktion – verurteilen auf das Schärfste, dass es Gewalt in der politischen Auseinandersetzung unter Ausnutzung des Versammlungsrechts hier in Dresden, aber auch in anderen Städten des Freistaates gibt.

Die Erfahrungen der zurückliegenden Jahre, meine sehr geehrten Damen und Herren, belegen aber deutlich, dass auch von rechten Extremisten Gefahren, Missbrauch des Versammlungsrechts und Gewalt ausgegangen sind.

(Andreas Storr, NPD: Wann denn?)

Wir werden nicht zulassen, dass Gewalt, egal ob von links oder von rechts, in dieser Landeshauptstadt Dresden geduldet wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir werden es nicht dulden, dass Gewalt, Steine werfen, Mülltonnen anzünden hier in Dresden weiter

(Arne Schimmer, NPD: Das waren nur die Linken!)

nicht bestraft werden. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist kein Freibrief, sich außerhalb der Rechtsordnung mit politisch Andersdenkenden auseinanderzusetzen. Rechtswidrige Aktionen haben wenig mit Zivilcourage zu tun.

(Zuruf von der NPD: Sehr richtig!)

Sie tun immer so, als ob das in Ihren Reihen ein Fremdwort sei. Sie wissen doch ganz genau, dass das bei Ihnen ebenfalls zu Hause ist.

(Arne Schimmer, NPD: Gucken Sie sich doch mal die Polizeiberichte an!)

Lenken Sie doch hier nicht von Ihren eigenen Gewalttaten ab.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wer genehmigte Versammlungen blockiert und die Blockade nicht nach Aufforderung der Polizei beendet, muss mit deutlichen Konsequenzen rechnen. Wer sich dabei der Polizei widersetzt, macht sich strafbar. Es gibt keinen Grund, Gewalt – egal ob von rechts oder von links – zu verharmlosen. Der Staat steht in der Pflicht, die Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit vor Störungen und Ausschreitungen Dritter zu schützen. Dabei darf – und das möchte ich betonen – die Polizei nicht ständig zum Prellbock politischer Auseinandersetzungen gemacht werden.

(Arne Schimmer, NPD: Wer macht das denn?)

Nur durch das besonnene und der Lage angemessene Handeln der sächsischen Polizei wurden am 13. Februar 2010 größere Ausschreitungen und Sachbeschädigungen verhindert.

(Andreas Storr, NPD: Das ist falsch!)

Mir bereitet es große Sorge, wie der 13. Februar erneut von Bürgern aus anderen deutschen Ländern für ihre politischen Ziele missbraucht werden soll. Es ist ersichtlich, dass zu Gewalt und Rechtsbruch aufgefordert wird.

Ich möchte es deutlich machen: Auch die linke Seite kann keinen Anspruch erheben,

(Jürgen Gansel, NPD: Gerade die nicht!)

dass die Versammlungsfreiheit mit Gewalt einhergehen kann. Ich möchte die AnmelderInnen – wie das bei den LINKEN ja heißt – auffordern, darauf zu achten, dass das Versammlungsrecht für alle im Freistaat Sachsen gilt und letztendlich alle mit der entsprechenden Strafe zu rechnen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das hat auch die Vorbereitung gezeigt. Gehen Sie ins Internet, dann wer

den Sie auf der linken wie auf der rechten Seite feststellen, dass zu Gewalt und Rechtsbruch aufgefordert wird.

(Jürgen Gansel, NPD: Auf welcher rechten Seite?)

Dies hat Dresden nicht verdient. Der Würdeschutz der Opfer des 13. Februar gebietet, diesen Tag in Dresden mit Respekt zu begehen.

Stand am 13. Februar 1983, Herr Kollege Lichdi, der Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider als Initiator des Forums „Frieden mit der Jugend“ mit Jugendlichen an der Ruine der Frauenkirche, so stehen jetzt Zehntausende Dresdner und ihre Gäste an der wieder errichteten Frauenkirche unter dem gleichen Motto: Gedenken und Erinnerung an die Opfer der Bombennächte und Mahnung und Versöhnung, dass sich Völker dergleichen nie wieder antun.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Die sächsische Polizei hat mit dem 2010 verabschiedeten Versammlungsgesetz die Versammlungsfreiheit derjenigen garantiert, die in würdiger Form der Opfer des 13. Februar 1945 gedacht haben. Ich bin der Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden, Frau Helma Orosz, aber auch dem Stadtrat zu Dresden und vielen Bürgern sehr dankbar, dass sie erneut zu gemeinsamem Handeln am 13. Februar dieses Jahres aufrufen. Ich gehe davon aus, dass der Aufruf zum friedlichen Handeln mahnt.

Ich zitiere: „Am Jahrestag der Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 gedenken wir des Leides der Bombennacht. Wir schließen in unserem Gedenken die Millionen Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen und des Zweiten Weltkrieges ein. Wir erinnern an die historische Verantwortung, die auch unsere Stadt für diese Verbrechen und diesen Krieg trägt.“

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

„Wir danken allen Menschen, die unsere zerstörte Stadt mit Leidenschaft, Mühen und Entbehrungen wieder zu einem Ort kultureller Lebensfreude gemacht haben. Eine Menschenkette wird die Dresdner Innenstadt, die am 13. Februar traditionell ein Ort des Erinnerns und Mahnens ist, wie ein lebendiger Schutz umschließen und damit vor dem Eindringen Rechtsextremer schützen. Lassen Sie uns ein Zeichen setzen, ein Zeichen für verantwortliches Erinnern, ein Zeichen gegen den Missbrauch unserer Geschichte durch eine rassistische und menschenverachtende Ideologie. Wir alle sind verantwortlich für unsere Stadt und die Gesellschaft, in der wir leben. Bei aller Unterschiedlichkeit verbindet uns unser Engagement für die demokratische Gesellschaft. Wir unterstützen alle Initiativen und Organisationen unserer Stadt, die sich anlässlich des Jahrestages engagieren im Erinnern an das Geschehene, im Engagement für Frieden, Demokratie und Menschenrechte, im friedlichen Widerstand gegen Rechtsextremismus.“

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Antifa Amen!)

Meine Damen und Herren! Das Signal aus dieser schönen Stadt Dresden kann nur lauten: Frieden und Versöhnung. Die CDU- und die FDP-Fraktion wird Ihren Antrag ablehnen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Als nächste Rednerin in der allgemeinen Aussprache spricht Frau Kliese.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 13. und 19. Februar haben Neonazis das Recht, durch Dresden zu marschieren. Allein ein Verstoß gegen Strafgesetze könnte daran etwas ändern. Sosehr uns als Demokratinnen und Demokraten das schmerzt, an diesem Recht darf nicht gerührt werden.

(Beifall bei der SPD – Andreas Storr, NPD: Sehr richtig, genau!)

Die radikale Losung „Keine Freiheit den Feinden der Freiheit“, die uns von Robespierre aus der Französischen Revolution bekannt ist, darf nicht gelten. Die Grundrechte sind unveräußerlich und gelten für Freunde und Feinde der demokratischen Grundordnung gleichermaßen. Eine Abschaffung dieses Rechtes – sei es aus noch so hehren Gründen – führt in ein autoritäres System. Das ist für keine Demokratin und keinen Demokraten wünschenswert.