Protocol of the Session on January 19, 2011

Ich bin es von der Staatsregierung gewohnt, dass sie mitarbeitet.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN – Christian Piwarz, CDU: Herr Präsident!)

Es ist der ausdrückliche Wunsch gewesen, dass der Staatsminister noch einmal spricht. Kann das von der Koalition mitgetragen werden?

(Christian Piwarz, CDU: Die Staatsregierung kann jederzeit das Wort ergreifen!)

Ich war trotzdem schon in der Abstimmung.

(Staatsminister Prof. Dr. Roland Wöller tritt ans Rednerpult.)

Bitte schön, Herr Staatsminister.

Meine Damen und Herren! Die Emotionen kochen natürlich hoch. Ich bin dem Präsidenten aber außerordentlich dankbar, dass er mich von dem Recht Gebrauch machen lässt, hier das Wort zu ergreifen. Die Staatsregierung hat zwar das Wort, aber er hatte ja zur Abstimmung angesetzt. Insofern herzlichen Dank, Herr Präsident, dass Sie mir noch einmal das Wort erteilen. So flexibel kann der Landtag sein. Herzlichen Dank!

Zum Ersten: Wir haben eine geltende Rechtslage, meine Damen und Herren. Es ist von allen richtigerweise darauf hingewiesen worden, dass das Hauptsacheverfahren in dieser Angelegenheit noch läuft.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Herr Hahn, wir brauchen sicherlich keine Belehrungen von Ihrer Seite in Bezug auf den Rechtsstaat.

Es gibt weitere Wortmeldungen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Man kann doch aber etwas verändern!)

Bleiben Sie doch etwas ruhig, bleiben Sie doch ruhig!

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Sagen Sie doch, ob Sie die Entscheidung akzeptieren!)

Das Hauptsacheverfahren ist abzuwarten. Darauf habe ich hingewiesen.

Zum Zweiten: Ihre Frau Kollegin Meiwald hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die Schülerströme abzuwarten sind.

Zum Dritten: Wir befinden uns hier nicht im Raum, um zu spekulieren. Es gibt einen genehmigten Schulnetzplan und dieser Schulnetzplan ist gültig. An diesen Schulnetzplan haben sich alle Beteiligten zu halten. Es geht nicht, irgendwelche Spekulationen darüber anzufangen, was wäre, wenn …

Dieses Spiel, meine Damen und Herren, machen wir nicht mit, sondern wir halten uns an Recht und Gesetz. Wir respektieren, wie meine Frau Kollegin Dombois ausgeführt hat, die kommunale Selbstverwaltung. Es wäre gut, wenn das alle Beteiligten im Hohen Haus tun würden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Damit ist noch einmal die Gelegenheit eröffnet worden, das Wort zu ergreifen. Ich schaue in die Runde der Fraktionen. – Frau Dr. Stange, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Die Äußerungen des Ministers reizen geradezu, noch etwas zu sagen. Herr Minister, es ist eben nicht so, dass die Landesregierung die kommunale Selbstverwaltung respektiert. Ich wiederhole es noch einmal: Die Schulnetzplanung entsteht unter Druck des Kultusministeriums.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Nämlich nur unter diesen Bedingungen erhalten die Schulträger überhaupt finanzielle Förderung. Deshalb musste diese Schließung im Schulnetzplan drin sein. Das ist kein Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Präsident! Herr Minister, es geht hier nicht um Spekulationen. Es geht darum, dass sich der Kreistag – das ist die verantwortliche kommunale Ebene, wie wir wissen und wie die Redner heute bereits mehrfach ausgeführt haben – sehr wohl dazu bekannt hat, sowohl den Teilschulnetzplan Mittelschulen noch in diesem Jahr, und zwar Mitte des Jahres, fortzuschreiben. Er hat sich für den Schulstandort Kreischa ausgesprochen.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Zweimal!)

Ich will sagen: Mehr braucht man als Bekenntnis der kommunalen Ebene, die hier die Verantwortung hat, eigentlich nicht, außer dass wir den Schulnetzplan noch im Kreistag beschließen müssen. Das ist alles.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Das ist die Frage!)

Ja. – Abschließend die Frage, die auch von meiner Kollegin Falken gestellt wurde: Was werden Sie tun? Das Hauptsacheverfahren läuft noch. Der Kreistag macht einen neuen Schulnetzplan. Kreischa steht drin. Wie werden Sie agieren? Das war die Frage, die vorhin gestellt wurde.

(Beifall bei den LINKEN – Staatsminister Prof. Dr. Roland Wöller: Wir müssen uns an Recht und Gesetz halten!)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Ich schaue noch einmal, damit ich nichts übersehe. – Okay.

Damit können wir zur Abstimmung kommen, meine Damen und Herren. Ich stelle die Drucksache 5/4653 zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme?

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: So viel Arroganz, und feige ist er auch noch!)

Bei einer Stimmenthaltung und zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist damit nicht beschlossen worden.

Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Kinder stärken – Position Sachsens im Vermittlungsverfahren zum Bildungspaket

Drucksache 5/4652, Antrag der Fraktion der SPD

Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion der SPD spricht Frau Abg. Dr. Stange. Frau Dr. Stange, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung vor fast genau einem Jahr einen klaren Auftrag erteilt. Der Auftrag hieß: Kinder fördern und soziale Benachteiligung abbauen. Schlimm genug, dass es dazu eines Gerichtsurteils bedurfte, damit die Gesellschaft und die Politik endlich wirksame Schritte unternehmen gegen die soziale Benachteiligung von Kindern, insbesondere der 2,4 Millionen Kinder – in Sachsen sogar fast jedes vierte Kind –, die unter der Armutsgrenze leben.

Aktuell befindet sich der Gesetzentwurf der Bundesregierung im Vermittlungsverfahren, da er in keiner Weise dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes Rechnung trägt, weder in verfassungsrechtlicher noch in sozialpolitischer Hinsicht. Ich will das nur kurz anreißen. Die Regelsätze werden nicht schlüssig ermittelt. So hat der Paritätische Wohlfahrtsverband nicht nur festgestellt, dass warmes Wasser schlicht und ergreifend bei der Berechnung vergessen wurde, sondern dass die Berechnung nach Kassenlage und nicht nach menschenwürdigen Kriterien erfolgte.

Der zweite Punkt. Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes, dass für alle Kinder und Jugendliche ein altersspezifischer Bedarf unter Berücksichtigung der jeweiligen Persönlichkeitsentwicklung ermittelt werden muss, wird mit bürokratischen Bildungspäckchen bedient, statt die Chance zu ergreifen und die Bildungsinfrastruktur in Deutschland entscheidend zu verbessern und somit dann jedem Kind, unabhängig von seiner sozialen Herkunft, beste Entwicklungschancen zu eröffnen.

Ein dritter Punkt sei hier auch nur angerissen. Ohne eine Mindestlohnregelung werden die Wurzeln der sozialen Benachteiligung nicht gekappt. Wer arbeitet und von seinem Einkommen keine Familie ernähren und seinen Kindern auch keine gleichwertige Teilnahme an Bildung und Kultur ermöglichen kann, der wird sie auch nicht aus dem Kreislauf der Armut herausführen können. Das bedeutet nicht nur persönliches Schicksal, sondern das ist auch ein gesellschaftlicher Verlust.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Landtagsfraktion fordert die Landesregierung erstens auf, jetzt Farbe zu bekennen und eine wirkliche Teilhabe an Bildung und soziokulturellem Leben für alle Kinder zu ermöglichen sowohl für diese, deren Familien

auf Hartz-IV angewiesen sind, aber auch für jene, die mit unteren und kleinen Einkommen ebenso ausgegrenzt werden von Klassenfahrten, von Museumsbesuchen, von Vereinen, von warmem Mittagessen, von neuen Schulbüchern oder auch der Lernförderung.

Wir fordern deshalb ein echtes Bildungspaket, das unkompliziert bei den Kindern auch wirklich ankommt und nicht durch Geld verbrennende Bürokratie und diskriminierende Beantragungsverfahren zwar Arbeitsplätze bei der Bundesagentur schafft, aber den Kindern unterm Strich nichts nützt.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Was derzeit auf dem Tisch liegt, reicht weder hinten noch vorne aus. Nur ein Beispiel. So soll aus dem Von-derLeyen-Bildungspäckchen die Lernförderung ausschließlich für versetzungsgefährdete Schüler finanziert werden, nicht in der Schule, sondern in einer Nachhilfeeinrichtung. Die privaten Anbieter werden sich auf die Gutscheine freuen. Nicht gefördert werden dagegen Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten oder mit dem Ziel des Übergangs zum Beispiel an das Gymnasium. Wer soll denn die Entscheidung darüber treffen: Du darfst und du darfst nicht zur Lernförderung? Warum wird das Geld nicht für eine fördernde Ganztagsschule aufgewendet, die allen Kindern zugute kommt?