Protocol of the Session on January 19, 2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es nicht nur Aufgabe des Kultusministeriums oder der Schule, sich für eine verbesserte Berufs- und Studienorientierung einzusetzen. Auch die sächsische Wirtschaft muss sich im ureigensten Interesse für einen Ausbau der Zusammenarbeit mit Schulen in Richtung einer besseren beruflichen Orientierung starkmachen. Es gibt bereits zahlreiche Beispiele, bei denen die Bereitschaft der Unternehmen besteht, sich an Projekten zu beteiligen oder diese zu initiieren. Der Staatsminister für Wirtschaft hat heute früh bereits einige gute Beispiele genannt.

Ich selbst kenne auch eines: Ich war in der Mittelschule Schmiedeberg zu Besuch, die sehr intensiv mit den örtlichen Unternehmen zusammenarbeitet. Ein Unternehmen hat viel Geld in eigene Räume investiert, in denen die Schüler sehr praxisnah mit dem Berufsalltag konfrontiert werden. Das ist beispielhaft, und es sollten in weiteren Unternehmen weitere Projekte installiert werden.

Auch die Berufsorientierung lebt vom Engagement Privater. Deshalb möchte ich an dieser Stelle an die Schulen und an die sächsischen Unternehmen appellieren: Beteiligen Sie sich mit verschiedenen Projekten oder mit dem Einsatz des Berufswahlpasses an einer verbesserten Berufsorientierung für die sächsischen Schüler zugunsten unserer Kinder und unserer Wirtschaft!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Giegengack; bitte.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige hat es verwundert, und andere, die mehr im Stoff stehen, haben bereitwillig zugestimmt, dass wir heute unseren Antrag zur Sicherung des Faches WTH dem Antrag der CDU zum Thema Berufswahlpass hinzugefügt haben. Inhaltlich geht es um dasselbe, nämlich um die erfolgreiche Berufsorientierung und -vorbereitung sächsischer Schülerinnen und Schüler.

Während der CDU-Antrag über unseren hinausgeht, da der Berufswahlpass für alle Schüler weiterführender Schulen, also auch für jene an Gymnasien und Förderschulen, relevant ist, geht unser Antrag über den der CDU hinaus, da er die Sicherung eines gesamten Unterrichtsfaches an den Mittelschulen zum Thema hat, das explizit der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung dienen soll. Die Anträge schließen sich daher nicht aus, sondern ergänzen sich sinnvoll. So habe ich auch die Redebeiträge meiner beiden Vorredner verstanden.

Im Jahr 2009 entsprach in Sachsen erstmals nach vielen Jahren das Lehrausbildungsangebot der Nachfrage nach Lehrstellen, allerdings nur rein rechnerisch. Sowohl in regionaler als auch inhaltlicher Hinsicht fielen nach Angaben der IHKs das Angebot und die Nachfrage erheblich auseinander. Das heißt, in einigen Regionen kam der Bedarf der Wirtschaft an Auszubildenden nicht zusammen mit dem Interesse, der Bereitschaft und dem Vermögen der Jugendlichen, dieses Angebot anzunehmen. Diese Schieflage ist sowohl für die Wirtschaft ein Problem, da sie einem zunehmenden Fachkräftemangel entgegengeht, als auch für die Jugendlichen selbst, da damit ihr Einstieg ins Erwerbsleben gefährdet ist.

Angesichts dieser Diskussion könnte man bei oberflächlicher Betrachtung der beiden vorliegenden Anträge diese als sogenannte Schaufensteranträge abtun, da beide auf bereits bestehende Instrumente der Berufsvorbereitung und Berufsorientierung abstellen und nichts weltbewegend Neues in die Diskussion einbringen. Doch wir sind davon überzeugt – und hier sehe ich mich zusammen mit den IHKs und Handwerkskammern, die vor zwei Tagen ihr Heft „Bildung 2020“ herausgegeben haben –, dass wir in Sachsen über sehr sinnvolle Konzepte und Instrumente

der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung bereits verfügen und dass es viel mehr darauf ankommt, sie wirksam werden zu lassen. Beide Anträge greifen daher Defizite der gegenwärtigen Praxis in diesem Bereich auf.

So fordert die CDU die Staatsregierung auf zu berichten, welche Effekte der Berufswahlpass seit seiner Einführung tatsächlich entfaltet hat und ab wann damit zu rechnen ist, dass alle Schüler über einen solchen verfügen. Aktuell arbeiten wohl 79 % aller sächsischen Mittelschulen mit diesem Pass. Das ist in der Tat etwas verwunderlich, denn der Berufswahlpass ist im Lehrplan des Faches WTH im verpflichtenden Lernbereich Berufsorientierung unter dem Lernziel „Gestalten der Vorbereitung auf die Berufswahl“ der Klasse 8 konkret aufgeführt. Wieso verfügen dann nur drei Viertel aller Mittelschüler über einen solchen Pass?

Den Blick in den Lehrplan dieses Faches finde ich durchaus lohnend, gerade weil dadurch ersichtlich wird, dass wir das Rad in puncto Berufsorientierung Berufsvorbereitung, jedenfalls die sächsischen Mittelschulen betreffend, nicht unbedingt neu erfinden müssen. Ich bin der Auffassung, hinsichtlich des Aufbaues und der Gestaltung, der Gliederung von Lernzielen und -inhalten, der inhaltlichen Erläuterungen und der Verweise auf geeignete Lehr- und Lernmethoden wird der Lehrplan den vorgegebenen Zielen und Aufgaben des Faches, nämlich der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung, durchaus gerecht.

Doch – und hier sind wir bei dem Defizit, das meine Fraktion mit dem heutigen Antrag aufgreift – an den sächsischen Mittelschulen herrscht inzwischen ein dramatischer Mangel an qualifizierten Nachwuchslehrkräften. Ursache dafür ist unter anderem, dass die Universitäten Leipzig und Dresden keinen Lehramtsstudiengang Mittelschule für das Fach WTH anbieten und WTH als ordentliches Prüfungsfach für das Lehramt Mittelschule auch in der Lehramtsprüfungsordnung, der sogenannten LAPO, nicht enthalten ist. Das heißt, das Fach WTH kann im Freistaat Sachsen weder studiert noch kann ein Lehramtsabschluss für dieses Fach erworben werden.

Das erklärt auch die Altersstruktur der WTH-Lehrkräfte. Wie aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage hervorgeht, sind von den 993 Lehrern mit Unterrichtseinsatz in diesem Fach lediglich 13 %, das heißt 133 Lehrer, jünger als 45 Jahre. In den letzten fünf Jahren gab es keinen einzigen Bewerber für den Vorbereitungsdienst Lehramt Mittelschule im Fach WTH. 87 %, das heißt 860 der WTH-Lehrer sind 45 Jahre und älter. Sie haben ihre Ausbildung zum überwiegenden Teil noch zu DDRZeiten erworben. Über ein Viertel dieser Lehrer geht in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Ich finde, hier ist dringender Handlungsbedarf geboten.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Im Vorfeld habe ich mit einigen Leuten gesprochen, die im Bildungsbereich schon früher Verantwortung getragen haben. Niemand konnte mir die Frage beantworten, wie es

sein kann, dass in Sachsen für ein Pflichtfach mit acht Wochenstunden keine Lehrer ausgebildet werden. Es ist vielleicht müßig, dem auf den Grund gehen zu wollen. Tatsache ist, dass, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, das Fach WTH in wenigen Jahren aus der Stundentafel der Mittelschule gestrichen werden muss. Das halte ich für fatal, gerade weil wir uns dem Thema Berufsorientierung und Berufsvorbereitung der Schüler intensiv widmen müssen. Ich denke, darüber sind wir uns hier im Haus alle einig.

Nach Angaben des Kultusministeriums ist beabsichtigt – das wurde angesprochen –, im Rahmen der derzeitigen Änderung der LAPO das Fach WTH als studierbares Fach der Mittelschule aufzunehmen. Selbstverständlich begrüßen wir das, doch dies allein wird dem drohenden Mangel an qualifizierten Lehrkräften für dieses Fach nicht abhelfen. Denn wer soll die Prüfung ablegen, wenn es keinen Studiengang gibt?

Aus unserer Sicht sollten neben einem regulären Lehramtsstudiengang auch ein Studium für Seiteneinsteiger sowie Weiterbildungsmaßnahmen für bereits tätige Lehrkräfte initiiert werden, wenn wir dem drohenden Mangel Abhilfe schaffen wollen.

Meine Fraktion wird dem Antrag der CDU zustimmen, weil er ein wichtiges Instrument der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung voranbringen möchte und seine Anwendung und Wirksamkeit hinterfragt.

Wir würden uns natürlich freuen, wenn Sie im Sinne der Sache auch unserem Antrag folgen würden. Ich persönlich halte dies für eine Frage der Glaubwürdigkeit Ihres hier vorgebrachten Anliegens.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Frau Giegengack. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Abg. Falken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir, die Fraktion DIE LINKE, begrüßen ausdrücklich die Einrichtung des Berufswahlpasses. Allerdings haben wir ganz selten im Bildungsbereich eine derartig große Übereinstimmung. Herr Colditz, ich habe mir Ihren Redebeitrag sehr aufmerksam angehört und festgestellt, dass es so viele Parallelen zu dem gibt, was ich hier in meinem Redebeitrag sagen möchte, sodass ich manches sogar abkürzen kann, indem ich mich auf Sie beziehe. Allerdings, Herr Colditz, ist es mir eigentlich nicht ganz verständlich, dass Sie immer nur Berichtsanträge stellen. In Ihrem Redebeitrag waren so viele Forderungen an die Staatsregierung, dass ich mir auch einmal wünschen würde, dass Sie in einer Legislaturperiode nicht nur einen Antrag mit Forderungen stellen, sondern auch einige mehr.

(Staatsminister Dr. Jürgen Martens: Wir sind hier nicht bei „Wünsch Dir was!“)

Der erste Teil, der in Ihrem Redebeitrag enthalten ist, ist die Kooperationsvereinbarung zwischen Schule und Wirtschaftsunternehmen. Wir haben heute sehr ausführlich von Herrn Morlok zu diesem Bereich in seiner Fachregierungserklärung etwas gehört. Wir können und dürfen die Schulen hier nicht alleine lassen, doch zurzeit wird das so praktiziert. Wenn sich die Schulen nicht um Kooperationsvereinbarungen mit den Wirtschaftsunternehmen in ihrer Region kümmern, passiert nichts. Das heißt, hier ist sowohl das sächsische Staatsministerium für Kultus wie auch das sächsische Staatsministerium für Wirtschaft gefordert, den Schulen eine Unterstützung zu geben. Die Kooperationsvereinbarung in Papierform reicht natürlich nicht aus. Daher müssen wir zwingend natürlich auch diese Kooperationsvereinbarung mit Leben erfüllen. Dafür gibt es sehr viele positive Beispiele.

Ein zweiter Punkt, bezogen auf den Berufswahlpass, ist seine Finanzierung. Sie wird gedrittelt. Einen Teil bezahlen die Schüler, einen Teil bezahlt die Schule und einen Teil die Wirtschaft – eine Entscheidung, die aus dem Kultusministerium kommt und die aus unserer Sicht positiv ist. Ich hatte es bereits gesagt. Dann aber den Schulen bzw. den Schülern die Finanzierung aufzudrücken, halten wir nicht für gerechtfertigt, ganz davon zu schweigen, dass sich die Schulen darum kümmern müssen, wo sie die Drittmittel von den Unternehmen herbekommen. Das bemängeln wir schon an den Universitäten. An den Schulen kann das so nicht sein.

Ein weiterer Bereich, den wir hier ganz klar einfordern, sind die Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer. Wenn wir erfolgreich Berufsorientierung an sächsischen Schulen durchführen wollen, brauchen wir nicht ein oder zwei Lehrer, die sich mit dem Thema beschäftigen, sondern das gesamte Kollegium. Hier, denken wir, ist es zwingend notwendig – das ergibt sich auch aus Gesprächen mit den Schulen und Schulleitern –, dass schulinterne Fortbildungen gezielt durchgeführt werden, um eine Berufsvorbereitung zu erreichen.

Lehrer an den Schulen, die sich konzentriert mit diesem Thema beschäftigen, brauchen Anrechnungsstunden. Das Kultusministerium gibt immer noch eine Aufgabe mehr an die Schulen, ohne zu schauen, inwieweit die Lehrer in der Lage sind, diese Aufgaben zu erfüllen. Hier fordern wir Anrechnungsstunden für diese Aufgaben.

Ich möchte das von Herrn Colditz Benannte aufgreifen. Ich brauche jetzt nicht so ausführlich darüber zu sprechen, denn das hat er bereits getan. Es sind Lehrer, die sich neben ihrem Beruf nach 1990 dieses Fach angeeignet, dieses Fach noch einmal studiert haben und nach wie vor als Ein-Fach-Lehrer gelten. Herr Colditz hat gesagt, dass man daran im Moment nichts ändern können. Das sehe ich anders, Herr Colditz. Natürlich kann man das ändern. Die Lehrer im Freistaat Sachsen sind nach einer Richtlinie eingruppiert, die der Freistaat natürlich verändern kann – dazu brauchen sie nicht einmal eine tarifliche Regelung –, und die Ein-Fach-Lehrer als Lehrer, die eine entsprechende Besoldung bekommen müssen.

Wichtig ist für die Schüler vor allem nicht nur der Berufswahlpass – eine Facette von vielen –, sondern wichtig ist, dass die Schüler Erfahrungen vor Ort in der Praxis haben, um zu sehen, ob das ein Beruf ist, den sie sich vorstellen können, oder ob er das nicht ist, um eine Motivation in der Schule zu haben und zu sehen, inwieweit sie hier Planergebnisse bringen müssen, wenn sie diesen oder jenen Beruf ergreifen müssen, selbst wenn es nur dazu dienen sollte, dass ein Schüler feststellt, dass er für diesen Beruf nicht geeignet ist.

Wir müssen unser Augenmerk noch mehr darauf legen, dass der Berufswahlpass nicht nur mit den und für die Schüler erarbeitet wird, sondern dass auch die Eltern einbezogen werden, wenn es um die Erarbeitung des Berufswahlpasses geht.

Eine große Facette, die in mehreren Reden bereits benannt wurde, auch von Frau Giegengack, ist die Problematik, dass die Schüler mehr Praxisbezogenheit in der Vorbereitung oder in der Berufsorientierung haben müssen. Das 14-tägige Pflichtpraktikum an den Mittelschulen für die 9. Klassen ist für die Hauptschüler eindeutig zu spät, weil sie in diesem Zeitraum bereits in der Orientierung für die Berufswahl sind. Wir möchten das Unterrichtsfach WTH nicht nur erhalten, sondern dass es ausgebaut wird, dass Schüler ab der 7. Klasse verstärkt in Unternehmen gehen – dazu brauchen sie Unterrichtszeit, das ist gar keine Frage – und sich somit verschiedene Berufsfelder ansehen können.

Wir fordern die Staatsregierung auf zu schauen, inwieweit die Berufsschulzentren hier eine wesentlich größere Rolle spielen können als bisher. Wir wissen, dass es dort freie Kapazitäten gibt, dass wir sehr gute Möglichkeiten an den Berufsschulzentren haben, an denen Schüler auch einmal praktisch etwas ausprobieren können, was ihnen im Unterrichtsraum selbst nicht möglich ist.

Ich möchte noch einmal ausdrücklich die Überlegung von Frau Giegengack, bezogen auf die Lehrerausbildung, unterstützen. Natürlich wird das ein ernsthaftes Problem. Ich finde es gut, dass wir das zu jedem Unterrichtsfach, mit dem wir uns hier im Landtag zukünftig beschäftigen werden, immer und immer wieder ansprechen, denn Fakt ist: Nicht nur im Fach WTH werden die Lehrer fehlen, sondern in vielen anderen Unterrichtsfächern auch. Ich möchte hier nur Kunst, Musik, Sport, Mathematik und vieles mehr benennen, im Grundschulbereich eigentlich alle Fächer, die wir haben.

Wenn es uns mit der Verbesserung der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen zur Berufsorientierung ernst ist, um den Fachkräftemangel ein wenig zu minimieren, dann ist es notwendig, dass wir gerade in diesem Bereich wesentlich mehr investieren und bedeutend mehr Schüler und Wirtschaft zusammenbringen. Das ist unser Anliegen.

Wir stimmen beiden Anträgen zu.

(Beifall bei den LINKEN)

Dass war Frau Falken für die Fraktion DIE LINKE. – Für die Fraktion der SPD Frau Abg. Dr. Stange, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht genau, was der Antrag von CDU und FDP tatsächlich bezweckt. Im Jahr 2007 hatte der FDP noch eine Kleine Anfrage genügt, um die Wissenslücken zu schließen, die bezüglich des Berufswahlpasses existieren. Ich wünschte mir, dass der Antrag dazu dient, tatsächlich qualitative Ergebnisse aus der Wirkung des Berufswahlpasses zu erfahren, nicht nur quantitativ, wie viele den Berufswahlpass nutzen oder ob er 2011 in allen Schulen genutzt wird. Wenn das das Ziel des Antrages war oder ist, dann wollen wir ihn gerne unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gut gelingende Zukunft für jeden Jugendlichen ist ein Ziel der Berufsorientierung, aber auch die Ausschöpfung des Fachkräftepotenzials, von dem hier schon die Rede war. Möglichst wenige Schulausbildungs- und Studienabbrecher sollte das Ziel der Berufsorientierung sein. Statt Rückholaktionen auf Bahnhöfen oder Raststätten, wie sie gestern vom Ministerpräsidenten angekündigt worden sind – da habe ich mich gefragt, woran man eigentlich den qualifizierten Pendler erkennt, damit man ihn zurückholen kann –, sollten wir unsere Potenziale, die wir im Land haben, besser ausschöpfen.

Derzeit verlassen noch 10 % unserer Schüler die Schule ohne Schulabschluss und 10 % lediglich mit einem Hauptschulabschluss, der in der Wirtschaft nicht mehr das wert ist, was er vielleicht noch vor 20 oder 30 Jahren wert war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um diese Ziele – eine gute gelingende Zukunft für jeden Jugendlichen und die Ausschöpfung der Fachkräftepotenziale – umzusetzen, ist der Berufswahlpass sicherlich ein gutes Instrument – nicht mehr und nicht weniger. Er kann nur dann wirksam sein, wenn er in ein gesamtes Konzept zur Entwicklung und Förderung von jungen Menschen eingebettet ist.

Ich erinnere an unsere Diskussion über gute Kindertagesstätten. Der Dresdner Handwerkskammertag hat genau diesen Ansatz auch für sein Fachkräftepotenzial bereits entdeckt, indem er das Projekt „Haus der kleinen Forscher“ maßgeblich mit unterstützt. Zugegebenermaßen geht es nicht nur um technisches oder naturwissenschaftliches Potenzial, sondern auch um Sprache, Emotionen und umfassende Entwicklung, die wir gerade in dieser Zeit der frühkindlichen Bildung benötigen. Aber es ist ein ganz wichtiger Schritt.

Ein zweiter Punkt, den wir ins Auge fassen müssen, ist die frühe Aufteilung in Gymnasien, Mittelschulen und Förderschulen. Damit verfestigt sich Benachteiligung. Das wird sogar beim Berufswahlpass deutlich: Der Berufswahlpass wird heute nur in bestimmten Förderschulen, in der Mittelschule sehr zentral und auch richtig

und am Gymnasium nur punktuell und wenig eingesetzt – und auch da viel zu spät; ich komme darauf zurück.

Ein dritter Punkt, den ich besonders herausheben möchte, ist die Frage der individuellen Förderkonzepte. Wenn wir von Berufsorientierung sprechen, dann brauchen wir vor allen Dingen auch individuelle Förderkonzepte, vor allem für sozial und herkunftsbedingt benachteiligte Jugendliche. Es reicht eben nicht, mit Bildungslotsen aus der privaten Wirtschaft oder mit qualitätsunkontrollierten Berufseinstiegsbegleitern zu arbeiten, wenn wir nicht wissen, welchen Weg unsere Jugendlichen tatsächlich anschließend gehen.

Für mich stellt sich außerdem die Frage, was passiert, wenn 2013 die ESF-Programme auslaufen. Welche individuellen Förderkonzepte hat das Kultusministerium oder das Wirtschaftsministerium, um diesen Jugendlichen, die dringend unsere Hilfestellung benötigen, tatsächlich den Weg – und zwar so früh wie möglich – zu ebnen?