Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn die NPD nun schon vor einem Jahr eine ähnliche Debatte hier geführt hat, die das Schweizer Thema in den Sächsischen Landtag gebracht hat, dann muss man sich langsam fragen, ob Sie nicht in die Schweiz auswandern wollen.
(Arne Schimmer, NPD: Den Gefallen tun wir Ihnen nicht! – Holger Apfel, NPD: Wir wollen Schweizer Verhältnisse in Deutschland!)
Reisen Sie doch in die Schweiz! Es wäre sicherlich für den Freistaat Sachsen eine gute Entscheidung.
Die Schweizer müssten Sie dann fragen, ob Sie mit Ihrer Gesinnung bereit wären, sich in dieses Demokratiemodell – das es ja in der Schweiz schon viele, viele Jahre gibt, viel länger als das deutsche Demokratiemodell – tatsächlich einzubringen. Man muss sich doch vor Augen halten, dass es nicht nur um Volksabstimmungen in einer Demokratie geht. Da entscheiden zuallererst Parlamente, die vom Volk gewählt worden sind. Sie sind eben auch vom Volk gewählt worden, aber nur in Ihrer Zusammensetzung, wie Sie hier sitzen.
In der Schweiz haben die Parlamente die Entscheidungshoheit über die Gesetzgebung, und das Volk entscheidet darüber, ob die Gesetze, die das Parlament gemacht hat, richtig oder falsch sind.
Aber die Frage der Richtigkeit wird mit der Entscheidung getroffen: Sind sie dafür oder sind sie dagegen? Sie stimmen mit Ja oder Nein über sehr komplizierte Sachverhalte ab.
Jetzt können Sie mit Ihrer Tirade, die Sie hier vorgetragen haben und die wirklich an eine Parteitagsrede Ihrer Partei erinnert, uns doch nicht weismachen, dass Sie in der Lage wären, in dem Schweizer Modell überhaupt agieren zu können, ohne dem Populismus, der hier vorgetragen wurde, zu frönen.
(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)
Ich denke, die NPD und Demokratie – das wissen Sie am besten nach diesem Redebeitrag – passen einfach nicht zusammen.
Ich denke, dass auch das Demokratiemodell in der Schweiz nicht ganz so einfach und losgelöst ist von Verfahren. Die Parlamente werden vom Volk gewählt und haben ihre Aufgabe. Es ist möglich, durch Volksinitiativen mit Unterstützung von 100 000 Unterschriften in einem Zeitraum von 18 Monaten zu einer Entscheidung mit Ja oder Nein zu kommen. Über ein Referendum kann das Volk mit 50 000 Unterschriften entscheiden und damit dem Parlament signalisieren: Wir sind für das Gesetz oder wir sind gegen das Gesetz. Das ist also auch ein kompliziertes Verfahren.
Ich erinnere daran, dass es in Deutschland eine lange Tradition von Volksentscheiden gibt, aber auf unterschiedlichen Ebenen. Der Freistaat Sachsen hat sich in der verfassungsgebenden Versammlung für diesen Weg entschieden, dass das Volk als Gesetzgeber gleichrangig agieren kann.
Des Weiteren erinnere ich auch an diese Zeit – deshalb wundert mich Ihre Debatte nochmals ganz besonders –: Die Weimarer Reichsverfassung hatte eine lange Tradition der Mitbestimmung des Volkes gehabt. 1933, als die Nationalsozialisten an die Macht gekommen sind, haben sie als Allererstes die Parlamente und als Zweites die Volksentscheide abgeschafft.
Ich denke, dass Sie uns hier nicht veralbern werden und dass Sie uns hier etwas anderes darstellen, als was Ihre Vorgänger schon damals gemacht haben.
In Wahrheit wollen Sie keine Mitbestimmung des Volkes. Sie wollen Ihr Politikmodell begründen, das am Ende in der Diktatur enden wird.
Für die CDU-Fraktion sprach der Abg. Schiemann. – Herr Gansel, Sie wollen vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen?
Sie haben es erraten, Herr Präsident. – Herr Schiemann, von Ihnen ist man ja gewohnt, mitunter – durchaus im pastoralen Ton vorgetragen – das
eine oder andere Geschmeidige zu hören. Aber das, was Sie soeben abgesondert haben, ist in vielerlei Hinsicht eine bodenlose Frechheit. Zum Ersten, weil Sie doch tatsächlich die Frechheit besessen haben, gegen das Schweizer Demokratiemodell mit irgendwelchen Klamotten aus der Weimarer Republik und dem Dritten Reich anzukommen.
Dass Sie gegen uns Adolf den Schrecklichen aus der Mottenkiste holen, das sind wir seit vier Jahren gewohnt. Damit entledigen Sie sich jeder Sachdebatte. Aber dass jetzt schon gegen das Schweizer Demokratiemodell der Mann aus der Kiste geholt wird, das ist wirklich eine Frechheit.
Es zeigt, dass Sie mit dem Schweizer Staats- und Demokratiemodell aus verschiedenen Gründen auf Kriegsfuß stehen. Sie stehen mit diesem Schweizer Demokratiemodell nicht nur deswegen auf Kriegsfuß, weil dort das Volk im Gegensatz zu abgeschotteten Parteien auch einmal zu Wort kommt und dort gerade in Sachen nationale Souveränität oder der Ausländerpolitik Klartext spricht gegen Minarettbauten, gegen Auslandseinsätze, gegen den EUBeitritt. Dort entscheidet das Volk mit Inhalten und Entscheidungen, die Ihnen nicht passen.
Ich kann Ihnen auch noch einen Grund verraten, warum Sie mit dem Schweizer Modell auf Kriegsfuß stehen: weil die Schweiz im Gegensatz zur Bundesrepublik ein wirklich souveräner Staat ist. Die Schweiz gehört nicht der NATO an, und deswegen werden keine Schweizer Soldaten im Auftrag der USA in irgendwelchen Weltwinkeln für fremde Interessen verheizt.
Und die Schweiz verheizt sie auch deswegen nicht, weil die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union und deshalb Herr der eigenen Dinge ist, Herr im eigenen Haus und vor allem eine selbstbestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben kann, die wir in der Bundesrepublik durch Ihre Kompetenzabtretungspolitik schon lange nicht mehr betreiben können. Aus diesen genannten Gründen sind Sie der Gegner der Schweizer Demokratie und nicht wir.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe einmal davon aus, dass man nach dem Grundsatz „getroffene Hunde bellen“ eben diesen Redebeitrag entgegennehmen konnte.
Der Freistaat Sachsen hat sich mit seinem Partnerland immer sehr gut verstanden, und wir haben uns in der Beratung der verfassungsgebenden Versammlung auch
Herr Gansel, Sie haben mit Ihrer Rede noch einmal deutlich gemacht, dass die Position, die Sie vertreten, Sie richtig getroffen hat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich dem Kollegen Schiemann ganz ausdrücklich für seine Worte danken. Sie haben vieles von dem vorweggenommen, was ich auch anführen wollte. Das erleichtert das Ganze jetzt etwas, dies wieder auf eine sachliche Ebene zurückzuführen.
Es ist ungefähr ein Jahr her – das hat Kollege Schiemann schon angemerkt –, als die NPD plötzlich ihre große Liebe zur Schweiz entdeckt hat. Damals ging es um das Thema Minarettverbote. Die Schweiz hatte eine Volksabstimmung durchgeführt, um den Bau von Minaretten zu verbieten. Auch diesmal gibt es wieder ein Plebiszit in der Schweiz, das dazu führt, dass wir wieder mit einer ähnlichen dümmlichen Debatte hier konfrontiert sind. Der Titel lautet diesmal: „Für eine wahre Demokratie nach Schweizer Vorbild, Volksentscheide jetzt auf allen Ebenen einführen!“
Jetzt gibt es natürlich einen Denkfehler. Wer Demokratie schlicht mit Mehrheitsentscheid übersetzt, der definiert Demokratie definitiv zu kurz. Ich will das an einem ganz einfachen Beispiel deutlich machen. Wenn ich jetzt hier in diesem Hohen Haus die Frage stellen würde, wer von den Abgeordneten dafür ist, dass die NPD sofort aus dem Landtag ausgeschlossen wird, dann hätte ich 124 Jastimmen und acht Gegenstimmen.
Wenn diese Frage dann auch noch eine rechtlich bindende Wirkung hätte, dann wären Sie hier ganz schnell raus.
Deswegen ist es auch gut, dass der Mehrheitsentscheid auch bestimmte Grenzen kennt. Die Grenzen setzen dort ein, wo die Rechte von anderen Menschen betroffen sind.