Protocol of the Session on December 14, 2010

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Henning Homann, SPD)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Krauß, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Frage – viele Vereine und Kommunen in Sachsen haben von TAURIS profitiert, natürlich auch viele Betroffene, die dort mitarbeiten konnten. Viele Langzeitarbeitslose hatten eine – im Regelfall sinnvolle – Beschäftigung. Wir waren im Sommer bei Herrn Kollegen Heidan in Plauen, wo wir uns die Tafel angeschaut haben. Wir konnten sehen, was dort gemacht wird. Betroffene hatten eine Aufgabe und haben, damit verbunden, ein Selbstwertgefühl entwickelt.

Wenn wir aber ehrlich sind, müssen wir auch feststellen: Wir haben etwas nicht erreicht: Menschen in Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten, Herr Jennerjahn, ist kein Selbstzweck, sondern hat den Hintergrund, dass der Mensch danach in Arbeit gebracht werden soll. Der Grundgedanke ist wichtig, und man muss ihn auch nachvollziehen. Man muss sehen, wie man das erreichen kann.

Wir sind uns sicherlich alle in diesem Hause in dem Grundsatz einig, dass Langzeitarbeitslose nicht hängengelassen werden dürfen und dass geschaut werden muss,

wie es gelingen kann, diese Menschen in Arbeit zu bringen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Über die Wege sind wir wahrscheinlich unterschiedlicher Meinung. Man kann das über TAURIS machen. Das war zu der Zeit, als man das Programm einführte, bis in die letzten Jahre hinein richtig. Wir müssen aber auch auf die Anforderungen schauen, die in der heutigen Zeit gestellt werden, und uns die Frage stellen, ob es heute Instrumente gibt, die besser sind als das, was wir bislang hatten.

Ich will auf die in den letzten Monaten an TAURIS geübte Kritik eingehen. Man hat einmal gesagt, gerade vonseiten derjenigen, die die Abrechnung zu verfolgen und alles nachzuprüfen haben – wir sind ja auch insoweit rechenschaftspflichtig –, dass es natürlich etwas kompliziert ist, wenn man Kleinstsummen – 78 Euro pro Nase – so ausreicht. Die Auszahlung über die TAURIS-Stiftung ist schon angesprochen worden, obwohl wir ansonsten alles über die SAB abwickeln.

Der nächste Kritikpunkt betrifft die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, die durchaus zu wünschen übrig lässt. Sie können sich die Projektstellen, die sicherlich jeder von uns vor Augen hat, noch einmal vergegenwärtigen. Wenn 20 Leute bei der Tafel arbeiten, dann ist uns doch allen klar, dass keiner von diesen 20 Leuten bei der Tafel einen festen Job bekommt.

(Dr. Edith Franke, DIE LINKE: Das ist nicht wahr!)

Im Regelfall schon, Frau Kollegin Franke. Es gibt wohl sehr wenige Menschen, die hauptamtlich bei der Tafel arbeiten und damit ihren Lebensunterhalt verdienen können. Wenn man relativ viele hat, wird das nicht so ohne Weiteres gelingen.

Man kann sich auch über die Quote von 15 % streiten. Es wäre nämlich zu klären, was alles darunter fällt. Wird derjenige, der die Zeitung austrägt und dafür 200 Euro im Monat erhält, mitgezählt? Und ist das wirklich das, was wir uns wünschen? Wünschen wir uns nicht, dass Menschen in Vollzeit in Beschäftigung sind? Deshalb ist selbst die Angabe von 15 % etwas geschönt.

Wir haben noch andere Instrumente, um Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen. Das ist gut so. Ich bin auch dem Ministerium dankbar, dass es sich Gedanken gemacht hat, wie man es besser machen kann und welche Instrumente vielleicht auch besser funktionieren. Die Ministerin hat schon das Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“ angesprochen. Wir stellen übrigens deutlich mehr Geld allein für diesen Bereich zur Verfügung. Wir sprechen bei TAURIS von 4,4 Millionen Euro und bei LOS von 8,6 Millionen Euro. In diesem Bereich steht mehr Geld zur Verfügung.

Sie konnten in der Presse die Debatte um die Alltagsbegleiter verfolgen. Hier spielt der Aspekt der Ehrenamtsentschädigung eine Rolle; denn bei den betreffenden Langzeitarbeitslosen geht es nicht darum, sie in Arbeit zu bringen, weil die Vermittlungshemmnisse zu groß sind. Es gibt aber eine Möglichkeit der Förderung. Denken wir

auch an „Wir für Sachsen“. Die entsprechende Förderung werden wir sicherlich mit dem Haushalt noch einmal aufstocken, das heißt, wir werden im nächsten Jahr im Vergleich zu diesem Jahr mehr Geld für „Wir für Sachsen“ zur Verfügung haben.

Die genannten Möglichkeiten helfen dabei, Lücken zu schließen oder diese gar nicht erst entstehen zu lassen.

Es gibt einige Bereiche, in denen ich mir wünsche, dass diejenigen, die bislang TAURIS genutzt haben, auch einmal darüber nachdenken, die dort tätigen Menschen ordentlich zu bezahlen. Ich habe zum Beispiel von einem Altenheim eine E-Mail erhalten, in der sich die dort Verantwortlichen bitterböse darüber beschweren, dass es das Programm nicht mehr gibt. Da muss ich zurückfragen: Kann das Altenheim diese Begleitung nicht selbst bezahlen? Ich kenne kein Altenheim, das ein Minus macht. Ich kenne aber wahnsinnig viele Altenheime, die ein großes Plus machen. Angesichts dessen muss ich fragen, ob diese nicht in der Lage sind, die Ehrenamtsentschädigung für diejenigen, die zum Beispiel zu den Senioren kommen und etwas vorlesen, auch einmal selbst zu bezahlen. Insoweit wünsche ich mir ein bisschen mehr Ehrlichkeit von dem einen oder anderen Träger. Es ist schön, dass sie das Geld mitnehmen – alles in Ordnung. Das ist bis zu einem gewissen Grad legitim. Aber wenn es darum geht, nicht auf die Förderung zu schauen, dann erwarte ich von jemandem, der ordentlich Geld verdient, dass er die Ehrenamtlichen auch mal bezahlt.

Es gibt also kein Loch, in das etwas hineinfällt, sondern es gibt Möglichkeiten, Mittel effizienter einzusetzen. Das ist das Bemühen des Ministeriums. Deswegen hat es umgesteuert. Wir unterstützen das. Wir sind dafür, dass man alte Wege auch einmal verlässt und auf die neue Zeit schaut. Wir müssen auch vor Augen haben, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt hat. Er stellt sich heute vollkommen anders dar. Vor fünf Jahren hatten wir Arbeitslosenquoten von 15 bis 18 % in einzelnen Regionen; wir sind jetzt bei 10 % und weniger. Das hätte kein Mensch gedacht. Das zeigt doch, dass der Arbeitsmarkt in der Lage ist, Menschen aufzunehmen – anders als zur Zeit der Einführung von TAURIS, als wir den über 50-Jährigen sagen mussten: Es ist sehr schwierig, euch in den Arbeitsmarkt hineinzubekommen, egal, wie qualifiziert ihr seid. – Das hat sich geändert.

In den letzten zehn Jahren hat sich auch einiges geändert, was den Blick auf ältere Arbeitnehmer betrifft. Wie blickte man damals und wie blickt man heute auf Arbeitnehmer, die über 50 sind? Vor zehn Jahren hatten wir noch voll den Jugendwahn. Ältere wurden abgeschrieben. Ihnen wurde gesagt: „Euch brauchen wir nicht! Ihr seid unfähig!“ Das hat sich schon sehr stark geändert. Viele Unternehmer sagen heute: Wir brauchen die Erfahrung und die Qualifikation von älteren Arbeitnehmern. Deswegen haben diese jetzt doch bessere Chancen, wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, als das früher der Fall war.

Ich bin auch dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er sich Gedanken darüber gemacht hat, wie es uns gelingen kann, auch künftig ältere Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu bekommen, um die Erfahrungen, die sie haben, zu nutzen. Sie wissen, dass dieser Vorschlag beim Demografiegipfel in der vergangenen Woche in Chemnitz geäußert worden ist, dass wir weiterhin an diesem Anliegen arbeiten. Uns geht es darum, dass wir die Menschen in Arbeit bringen.

Insofern, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir dem Antrag nicht zustimmen, aber uns weiterhin dafür einsetzen, dass Langzeitarbeitslose in Arbeit kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Linksfraktion; Frau Abg. Franke, bitte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Tag des Ehrenamtes am 4. Dezember würdigten die Sozialministerin und der Herr Landtagspräsident verdiente sächsische Bürger mit der Überreichung der Ehrenamtskarte.

Die schöne Rede auf dieser würdevollen Veranstaltung dürfte Ihnen, Frau Staatsministerin, etwas schwergefallen sein, denn einige Wochen vorher kostete Sie es einen Federstrich, das TAURIS-Programm aus ESF-Mitteln zu beenden. 4 200 Langzeitarbeitslose erhalten damit keine Aufwandsentschädigung mehr.

Es wurde jetzt gerade wieder zu der Beschäftigungsförderung gesprochen. Wie ich sehe, gibt es ja auch unterschiedliche Auffassungen, Herr Krauß.

Was bietet man heute für TAURIS an? Ein anderes altes Programm. LOS-Förderung ist kein neues Programm, das gibt es seit Jahren: „Lokales Kapital für soziale Zwecke“. Was steht in der Zielstellung? Beschäftigungsförderung. Wo ist da der große Unterschied?

Zur Beschäftigungsförderung möchte ich noch etwas anderes sagen. Wer das so kurzfristig sieht, dass derjenige, der bei der Tafel ehrenamtlich arbeitet – ich nenne einmal die Tafel, weil Sie sie auch angeführt haben –, bei der Tafel eingestellt wird, dem muss ich sagen, das funktioniert nicht. Ein ehrenamtlicher Verein ohne Fördermittel hat da keine Möglichkeiten. Aber ein nicht unbeträchtlicher Teil von ehrenamtlich Tätigen hat dank der fleißigen Arbeit bei der Tafel in anderen Firmen Stellen erhalten, weil ja bekannt ist, dass man sich bei der Tafel nicht ausruht, sondern richtig ranklotzen muss. – So viel zur Beschäftigungsförderung.

Aber das nahezu gleiche Ziel, das vorher mit TAURIS verfolgt wurde, wird heute wieder mit dem LOSProgramm verfolgt. Ich sehe da keine großen Unterschiede, allerdings mit gravierenden Mängeln und gravierenden Folgen daraus.

Es wurde schon angesprochen, dass dieses Programm nur für ein Jahr gilt, dass zugeordnete Hartz-IV-Empfänger nur für ein Jahr eine Bewilligung erhalten. Dann müssen andere Leute ran und es müssen immer neue Projekte bei den Trägern erfunden werden: Ein Jahr Projekt, ein Jahr Förderung, und das war’s. Dazu kommen 30 Stunden Weiterbildung je Person pro Jahr. Ich frage mich, wer das bezahlt.

Als letzten Punkt führe ich an: Die SAB entscheidet im Detail, welche Tätigkeiten denn notwendig sind. Da frage ich mich: Wo nehmen die eigentlich die Sachkunde her, das für jede einzelne Einrichtung zu entscheiden?

Diese Mängel, die ich hier nenne, sind letztlich existenzbedrohend für das Ehrenamt, für Vereine und Verbände; denn sie sind eine Gefahr für die Langfristigkeit des bürgerschaftlichen Engagements, für die Zuverlässigkeit der Projektarbeit und für den Aufbau der Fähigkeiten Ehrenamtlicher und ihrer Freude an der Arbeit, weil das auch entscheidend nicht nur für das persönliche und gesundheitliche Wohlbefinden ist, sondern auch dafür, dass man würdevoll durchs Leben geht und anderen Menschen helfen kann.

Ich fordere in diesem Zusammenhang vom Freistaat eine unbürokratische Förderung der Menschen in diesen Projekten auf einem existenzsichernden Niveau.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Die SPD-Fraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einstellung des Programms TAURIS am Jahresende 2010 – ich denke, das ist in den vorhergehenden Redebeiträgen schon klar geworden – finde ich in mehrerlei Hinsicht wirklich bemerkenswert. Man muss immer wieder einmal feststellen, dass es schon eine ziemlich krude Variante von Dialektik ist, auf der einen Seite im Jahr 2010 nicht müde zu werden, hauptamtliche Strukturen in der sozialen Arbeit radikal zu kürzen mit der Begründung, man müsse das Ehrenamt stärken, und auf der anderen Seite dann Ehrenamtsförderungsprojekte wie TAURIS einzustampfen. Also was wollen Sie denn jetzt? Wollen Sie das hauptamtlich organisieren? Wollen Sie es ehrenamtlich organisieren? Sie müssen sich entscheiden. Nun sagen Sie einmal klar, was Sie wollen. Im Moment bekommen Sie eher beides nicht. Sie schaden dem Hauptamt im sozialen Bereich und Sie schaden mit dem Beispiel TAURIS auch dem Ehrenamt.

Besonders bemerkenswert ist, dass der Verdienst als elementarer Bestandteil von Erwerbsarbeit eine durchaus wichtige Frage ist. Aber es ist nicht die einzige. TAURIS, vorwiegend aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert, schafft es also, jährlich ungefähr 4 200 Langzeitarbeitslosen eine Aufgabe zu geben, mit der sie sich identifizieren können, eine geregelte Tages

struktur anlegen und auch noch Anerkennung für eine sinnvolle und wichtige Beschäftigung erlangen – alles Elemente, die neben dem Verdienst ein wichtiger Teil der Erwerbsarbeit sind. Trotzdem beendet die Staatsregierung dieses Programm.

Wenn der Haushaltsentwurf in dieser Woche so beschlossen wird, bringen Sie mehrere Tausend Menschen um einen wichtigen Teil von Achtung und Selbstachtung.

Ebenfalls erwähnenswert ist, dass es nicht nur die individuelle Ebene gibt, sondern auch die der betroffenen Vereine. TAURIS hat in vielen sächsischen Einrichtungen ermöglicht, dass sich Langzeitarbeitslose ehrenamtlich engagieren. Die Angebote vieler Einrichtungen hängen sowohl in Qualität als auch in Quantität nicht zuletzt von über TAURIS finanzierten Engagierten ab.

Die Proteste der Einrichtungen sind laut vernehmbar. Es täte Ihnen gut, ihnen besser zuzuhören. Die Menschen in Sachsen beschweren sich darüber, dass Sie die Situation der ohnehin schon Schwachen weiter verschlechtern. Sie schaffen neue existenzielle Probleme – oder glauben Sie etwa, dass es ein Spaß ist, dass es purer Luxus ist, sich an der Tafel anzustellen oder sich dort zu engagieren?

Am bemerkenswertesten – das hat Kollege Jennerjahn in einem sehr vorzüglichen Beitrag auseinandergenommen – ist die Begründung, mit der die Staatsregierung TAURIS einstellt. Sie ist gelinde gesagt hanebüchen. Sie verweist auf einen Evaluationsbericht. In diesem Evaluationsbericht steht nichts weiter als fünf Mal – mit meinen eigenen Worten ausgedrückt –: wenn doch jedes Geld im Freistaat so gut angelegt wäre wie das in TAURIS. Als Ausrede nennt dann Schwarz-Gelb inhaltliche Überschneidungen von TAURIS und dem Programm „Lokales Kapital“. Da frage ich mich, ob Sie Ihre Förderprogramme alle kennen. Ich erkläre Ihnen das gern noch einmal kurz. TAURIS ist weder ein Integrationsprojekt für Jugendliche mit Migrationshintergrund noch eine betriebswirtschaftliche Weiterbildung für lokale Kleininstitutionen und Initiativen. TAURIS ist spezifischer ausgerichtet. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

So stehen wir vor der Situation – obwohl wir TAURIS in Sachsen gut gebrauchen könnten und es Bedarfe gibt und obwohl die Evaluation sagt, dass das ein gutes Programm ist –, dass dies trotzdem gestrichen wird. Dass das die Opposition heute zum Thema macht, ist klar. Damit ist auch klar, dass wir als SPD-Fraktion dem Antrag der GRÜNEN zustimmen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die FDPFraktion Frau Abg. Jonas.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordneten! Beim Blick auf den Antrag erlebte ich zuerst ein Déjà vu. Sie wissen schon: Das war doch schon mal! Und ich muss

feststellen, dass das bereits mehrfach im Plenum diskutiert worden ist: als Aktuelle Debatte zum Ehrenamt oder in Fragen an die Staatsregierung. Aber, wie bereits festgestellt, heißt „intensiver diskutiert“ nicht „bessere Argumente“. Deshalb bin ich der Meinung, dass schon unzählige Argumente ausgetauscht worden sind. Die Positionen sind hinreichend vorgetragen und in den Protokollen und Drucksachen entsprechend nachzulesen.

Aber ich wiederhole sehr gern noch einmal die Größenordnung für ehrenamtliches Engagement in Deutschland: Mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung ist bürgerschaftlich aktiv. Das zeigt uns, dass die ehrenamtlichen Strukturen in unserer Gesellschaft fest verankert sind. Diese Leistung ist für uns von wesentlicher Bedeutung für das gesellschaftliche Miteinander.