Wir in der CDU-Fraktion sind regierungstragend. Sie waren selbst in der vorangegangenen Koalition regierungstragend und wissen, welche Zwänge wir haben. Wir haben die Gesamtverantwortung zu schultern. Wir müssen einen Haushalt tragen. Wir haben auch Verantwortung für diejenigen, die hier betreut werden sollen, für unsere Kinder. Dieser möchten wir auch gerecht werden. Deswegen können wir den Gesetzentwurf wirklich nicht mittragen. Die Anhörung hat gezeigt, dass das alles wünschenswert ist. Wenn man die Forderungen aufsplittet in die Bereiche der unter Dreijährigen, der Drei- bis Sechsjährigen und den Hortbereich, kann man viel dazu aussagen. Eigentlich müsste man sagen, die Argumente sind ausgetauscht und wir lehnen den Gesetzentwurf ab. Aber ein paar Positionen will ich herausstellen.
Nehmen wir den Bereich der unter Dreijährigen. Dazu muss ich sagen, hier steht Ihnen jemand gegenüber, der schon im Jahr 2014 ist. Da staunen Sie, nicht wahr? Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf geschrieben, dass 2014 und 2015 der Betreuungsschlüssel 1 : 4,5 sein soll. In meiner Gemeinde ist auch eine Kindereinrichtung. Wir haben jetzt schon durchgängig zehn Kinder und zwei Erzieherinnen im Bereich der unter Dreijährigen.
Hier bin ich bei einem ganz wesentlichen Punkt. Wir reden über Gesetzesveränderungen, aber wir wissen auch, dass die Kommunen und Träger jederzeit den Schlüssel verändern können, sofern sie sich das leisten können oder die Prioritäten so setzen, dass sie dafür mehr Geld in die Hand nehmen. Dafür, dass man das kann, steht der lebende Beweis vor Ihnen.
Im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen steht in Ihrem Gesetzentwurf für 2015 ein Betreuungsschlüssel von 1 : 10. Das ist auch wünschenswert. Sie wissen, dass wir schon darüber nachgedacht haben, den Schlüssel auf 1 : 12 abzusenken. In der Zeit waren Sie auch in der Koalition, und wir sind an der kommunalen Ebene gescheitert. Die kommunale Ebene hat gesagt, sie trägt es nicht mit, weil sie es nicht finanzieren will. Das ist eine Sache der Prioritätenbewertung. Auch die Eltern müssen mitgenommen werden. Wir haben eine Drittelfinanzierung von Land, Kommune und Eltern. Deshalb müssen sich alle drei einig sein. Es reicht nicht, wenn wir als Freistaat es wollen und die anderen müssen es mittragen. Ich will nicht verhehlen, dass Sie die Pauschalen erwähnt hatten, aber die sind auch nicht ausreichend. Wir würden trotzdem die kommunale Ebene und die Eltern mitbeteiligen müssen.
Kommen wir zum Hortbereich. Da staune ich. Wenn wir 2016 bei einem Betreuungsschlüssel von 1 : 17 sein wollen, wäre das besser als im Grundschulbereich. Wir haben momentan im Durchschnitt 25 Kinder auf eine
Lehrerin. Ich glaube, diese Besserstellung des Hortes ist illusorisch. Das ist vielleicht wünschenswert, aber kaum durchsetzbar.
Bei dem, was Sie vorgetragen haben, komme ich schon sehr ins Grübeln. Ja, es stimmt, wir haben in Sachsen Kinder im vorschulischen Bereich mit Sprach- und Lerndefiziten. Die Kinder müssen in eine andere Richtung gebracht werden, aber es gibt auch noch die Eltern. Die Kinder sind nicht den ganzen Tag in der Einrichtung. Vielleicht wäre es für circa 5 % der Kinder wünschenswert, wenn sie länger dort wären, aber 95 % der Kinder haben verantwortungsbewusste Eltern.
An dieser Stelle möchte ich den Eltern danken, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden. Diese Eltern nehmen die Dinge in die Hand und gehen zum Beispiel zum Logopäden oder je nach Defizit zu anderen Beratern, um dem Kind zu helfen. Man darf hierbei nicht vergessen, dass wir uns nicht im luftleeren Raum befinden. Die Kinder werden nicht nur in der Kindertagesstätte betreut, sondern es gibt auch ein häusliches Umfeld, es gibt Familien, es gibt Verantwortungsbewusstsein in diesem Bereich.
Frau Nicolaus, Sie haben gerade an die Verantwortung der Eltern appelliert. Ich frage Sie, ob Ihnen bekannt ist, dass es inzwischen in Sachsen Regionen und Stadtteile mit einer sehr schwierigen sozialräumlichen Entwicklung gibt, insbesondere weil dort Eltern mit komplexen sozialen Problemlagen konzentriert wohnen, in denen insbesondere diese Kinder deutliche Entwicklungsverzögerungen haben.
Wir haben hier in Dresden-Gorbitz beispielsweise einen solchen Stadtteil. Dort haben nicht, wie im Durchschnitt, 28 % der Kinder sprachliche Entwicklungsstörungen, sondern 43 %.
Meine Frage: Wie verstehen Sie dort Verantwortungsbewusstsein der Eltern und ihre Fähigkeit zum selbstbestimmten Betreuen ihrer Kinder?
Wenn Sie zugehört hätten, dann hätten Sie diese Frage gar nicht stellen müssen. Ich habe gerade gesagt, es gibt bestimmt 5 % der Kinder, die betreut werden, die keine verantwortungsbewussten Eltern haben. Bei ihnen wäre es besser, wenn sie den ganzen Tag im Kindergarten blieben. Das ist keine Frage.
Selbst wenn die Kinder nicht in Einrichtungen gehen können, wenn es Defizite gibt, werden diese durch die Jugendhilfe in die Kindergärten eingewiesen. Das wissen wir beide und das ist völlig unstrittig. Ich habe aber davon gesprochen, dass 95 % der Eltern verantwortungsbewusst sind und damit 95 % der Kinder in einem Umfeld aufwachsen, in dem man sich der Dinge annimmt, wenn Defizite vorhanden sind.
Ich bin der Meinung, man sollte den Eltern nicht immer alles aus der Hand nehmen. Das wäre nach meiner Ansicht nicht der richtige Weg.
Vielen Dank. – Frau Nicolaus, ist Ihnen bekannt, dass bei den Schuleingangsuntersuchungen in den von Frau Klepsch beschriebenen Stadtteilen, die ja nicht nur in Dresden, sondern auch in Leipzig und anderen Regionen vorhanden sind, 40 % der Kinder Sprachdefizite aufweisen?
Zu den Dingen, die uns im Gesetz vorliegen: Ich frage mich nur, wo denn die gesamten Fachkräfte herkommen sollen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir schon Probleme, auf freie Stellen Erzieherinnen zu finden. Das ist ein Fakt. Trotz allem bemüht sich der Freistaat, in einem großen Maße Ausbildungen anzubieten. Wir haben nur die Schwierigkeit bei Erzieherinnen: Man muss einen zweijährigen Berufsabschluss vorweisen und erst dann kann man sich drei Jahre als Erzieherin weiterbilden, oder man nimmt das Studium Elementarpädagogik wahr. Das gibt es an den jeweiligen Fachhochschulen. Jede Stelle wird dort ausgenutzt.
Wenn wir es aber so tun würden, wie Sie es vorgeschlagen haben, würden wir nicht genügend Erzieherinnen haben. Wir können sie nicht aus dem Boden stampfen oder aus der Tasche zaubern.
Nun zu dem Thema „Bedarfseinschränkungen“: Ein großes Thema ist sicherlich ausgesprochen ärgerlich. Wir möchten auch nicht, dass Kinder ausgeschlossen werden.
Einen Augenblick! – Wir wollen auch nicht, dass Betreuung eingeschränkt wird. Es gibt durchaus positive Beispiele, bei denen dies vehement
Nehmen wir einmal die Stadt Chemnitz. Für mich ist es ja ärgerlich, dass man jetzt darüber nachdenkt, die Bedarfseinschränkungen auf sechseinhalb Stunden bei der Betreuung der Kinder zu reduzieren. Da sind wir gerade bei dem Thema, das Sie angesprochen haben. Dann trifft es gerade diejenigen, die es eigentlich nötig hätten. Das ist eine kommunale Geschichte. Ich frage mich tatsächlich: Wo ist in Chemnitz die Prioritätensetzung, wenn man diesen Weg beschreiten will? Das ist nach meiner Ansicht überhaupt nicht nachvollziehbar. Die Oberbürgermeisterin war hier in diesem Hohen Hause für die Jugendpolitik verantwortlich und weiß daher ganz genau, was alles dazugehört. Ich frage mich echt, was dort los ist.
Frau Nicolaus, Sie haben ja auch auf die Verantwortung der Eltern verwiesen und gleichzeitig festgestellt, dass ein gewisser Prozentsatz von Kindern Defizite aufweist. Nun sagen Sie, die Erhöhung des Betreuungsschlüssels ist der falsche Weg, mit diesen Defiziten umzugehen. Wie wollen Sie und Ihre Partei den Eltern helfen, der Verantwortung besser gerecht zu werden?
Frau Friedel, ich muss sagen, Sie haben nicht zugehört. Ich habe gesagt, dass Defizite vorhanden sind. Ich habe nicht gesagt, dass wir den Betreuungsschlüssel nicht verändern wollen. Darauf komme ich noch einmal zum Schluss. Das ist eine Sache der Jugendhilfe. Wenn solche Defizite vorhanden sind, müssen die Eltern oder die Jugendhilfe eingreifen und den Kindern helfen. Dafür gibt es Hilfen zur Erziehung in unserem Freistaat. Diese sind gesetzlich festgelegt und im SGB VIII verankert.
Nun noch einmal zu den Bedarfseinschränkungen: Ich hatte ja ausgeführt, dass das eine ganz ärgerliche Geschichte ist. Ich frage mich wirklich, wo das hinführen soll. Fast jeder von uns ist auch in kommunaler Verantwortung als Kreistagsabgeordneter oder als Stadtrat in den kreisfreien Städten. Von dort aus muss entgegengewirkt werden.
Zum Thema Qualität: Ich kann Sie beruhigen, wir werden in dem Bereich Fachberatung die finanziellen Mittel noch einmal um 950 000 Euro aufstocken. Das ist der Plan innerhalb unserer Koalition. Auch beim Thema KitaInvest wird es so sein, dass wir unser Wort halten, und wir werden dort aufstocken. Darüber bin ich sehr froh.
Als Fazit für unsere Fraktion: Wir haben die Schlüsselveränderung noch nicht aus den Augen verloren, aber es müssen die Bedingungen stimmen. Es muss die kommunale Ebene hundertprozentig mitmachen. Es müssen auch
die Eltern zu diesem Thema stehen. Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir in diesem Hohen Haus darüber sprechen, wie eine gesetzliche Veränderung aussehen darf. Momentan werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen, weil es illusorisch ist.
Das war der Redebeitrag für die CDU-Fraktion von Frau Nicolaus. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Klepsch. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Aktuellen Debatte von heute Morgen haben wir bereits über die Notwendigkeit qualitätsvoller Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern diskutiert. Es ist – wenn auch Zufall per Tagesordnung – einfach nur konsequent, den Blick in der bildungspolitischen Debatte auch auf den vorschulischen Bereich zu richten und über die Pädagoginnen und Pädagogen in der Elementarbildung zu diskutieren.
Am Ende dieses Jahres 2010 können wir in Sachsen auf fünf Jahre Sächsischer Bildungsplan zurückblicken. Auch ich möchte für meine Fraktion betonen, er ist eine Errungenschaft für den Freistaat. „Die Balance zwischen dem selbstständigen Lernen, der Erzeugung von Lernmotivation und Bildungsbereitschaft sowie der Schaffung von Bildungsanregungen und -anlässen wird, begleitet durch die Vorgaben des Bildungsplanes, zunehmend die Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen bestimmen“, so die damalige Sozialministerin Helma Orosz.
Zum wiederholten Male in diesem Jahr diskutieren wir heute über Qualitätsverbesserung in der frühkindlichen Bildung in Sachsen. Jeder weiß, dass wir nicht nur über Sachausstattung und Investitionen, sondern vor allem über das pädagogische Fachpersonal und den Betreuungsschlüssel zu reden haben. So wichtig gut ausgebildete Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer sind – was heute Morgen mehrfach betont wurde –, so wichtig ist auch die personelle Ausstattung mit Pädagoginnen und Pädagogen in dem Bereich, der bei den Null- bis Sechsjährigen die Grundlagen für eine erfolgreiche Schullaufbahn legt.
Im Jahr 1996 wurden auf Anregung der Europäischen Kommission durch das Europäische Kinderbetreuungsnetzwerk Qualitätsziele für die frühkindliche Bildung formuliert. Die Empfehlungen für den Personalschlüssel wurden damals schon für ein Fachkräfteerzieherverhältnis von 1 : 3 in der Krippe und von 1 : 5 bis 1 : 8 für die Drei- bis Sechsjährigen als angemessen und notwendig betrachtet. In Sachsen haben wir gegenwärtig ein rechnerisches Verhältnis von 1 : 6 in der Krippe und 1 : 13 im KitaBereich bis zum Schuleintritt. Wir wissen aber alle, durch Krankheit, durch Fortbildungstage, Urlaub und andere notwendige Freistellungen betreuen Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas in Sachsen in der Realität jedoch
nicht nur 13, sondern 17 bis 19 Kinder in einer Gruppe. Sachsen gehört damit zu den Schlusslichtern im bundesweiten Vergleich der Fachkräfte-Kind-Relation. Selbst die von Konservativen und Liberalen geschätzte Bertelsmann Stiftung empfiehlt ein Verhältnis von Fachkraft-Kind von 1 : 4 in der Krippe und 1 : 10 in der Kita. Beim Personalschlüssel werden sogar 1 : 3 für den U3-Bereich und 1 : 7,5 für die Drei- bis Sechsjährigen gefordert.