Protocol of the Session on September 30, 2010

Unser Antrag ist sehr einfach gefasst. Wir haben unsere Forderungen in drei Punkten aufgeschrieben.

Erstens, wir fordern, dass sich die Staatsregierung dafür einsetzt, dass das Atomkonzept der Bundesregierung in den Bundesrat eingebracht wird und dort einer Beschlussfassung unterworfen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Zweitens, wir fordern, dass der Freistaat Sachsen dort das Atomkonzept ablehnt. Das ist eine politische Frage.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Drittens, wir fordern, dass sich der Freistaat Sachsen, falls die Bundesregierung dieses Konzept nicht in den Bundesrat einbringt, sondern allein im Bundestag verabschiedet, sich den schon angekündigten Klagen einiger Bundeslän

der vor dem Bundesverfassungsgericht zur Wahrung der Länderrechte – darum geht es dann, denn es geht nicht um inhaltliche politische Fragen – anschließt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich glaube, über die Rechtsfrage können wir relativ schnell hinweggehen, denn die Juristen werden es vielleicht mitbekommen haben: Gestern ist das neue Heft der „NVwZ“, der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht, erschienen. Dort gibt es einen Aufsatz von Herrn Prof. Dr. Papier – dem einen oder anderen vielleicht bekannt als ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, nach meiner Kenntnis auch CSU-Mitglied

(Lachen bei der CDU)

jedenfalls ist er in München Professor. Papier ist in München Professor, dass steht jedenfalls darunter und das war er auch vorher, na gut – und den Anwälten von Geulen & Klinger, bekannte Umweltanwälte, die beide übereinstimmend zu dem Ergebnis kommen, dass das gesamte Konzept dem Bundesrat vorzulegen ist. Übrigens hat Prof. Papier diese Auffassung in einem Gutachten im Auftrag des Bundesumweltministeriums im Mai dieses Jahres dargelegt.

Kurz zur juristischen Frage. Die Länder müssen ihre Sicherheitsaufsicht, ihre Atomaufsicht zwölf Jahre länger führen. Das ist mitnichten eine unwesentliche Verlängerung, sondern es ist eine sehr wesentliche. Teil des Atomkonzepts ist insbesondere die Nachrüstung dieser alten Schrottmeiler. Wir gehen davon aus, dass es technisch gar nicht gelingen wird, aber Sie haben es sich vorgenommen,

wenn auch nur mit dem Nasenwassergeld von 500 Millionen Euro. Diese Summe wird nicht ausreichen. Die Länder werden dort in die Haftung genommen.

Es ist so, dass die Länder nach dem Atomrecht in bestimmten Fragen die Haftung zu übernehmen haben. Auch diesbezüglich sind die Länder betroffen, sogar Ihr Landeshaushalt.

Ich möchte ferner auf den Punkt hinweisen, den Geulen & Klinger aufmachen, nämlich die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage des Restrisikos. Bisher war es so, dass terroristische Anschläge dem Restrisiko zugerechnet wurden, was rechtlich bedeutet, dass man es aber nicht verhindern kann. Das heißt, die Länder waren mit ihrer Aufsicht gar nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dieses sogenannte Restrisiko, dass dort ein Flieger reingesteuert wird, zu bearbeiten.

Im Jahr 2008 hat das Bundesverwaltungsgericht gesagt: So geht es nicht! – Die Länder müssen jetzt dafür sorgen, dass Kernkraftwerke vor Terroranschlägen und Flugzeugabstürzen geschützt sind.

Ich habe einmal auf der Seite des Bundes gegoogelt und geschaut, wie die Bundesregierung offiziell damit umgeht. Das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Auf der aktuellen Homepage der Bundesregierung steht bei den FAQs, also den oft gestellten Fragen: „Wie sind Kernkraftwerke vor Flugzeugabstürzen geschützt?“ – Die Antwort der Bundesregierung lautet: „Schutz von Kernkraftwerken gegen Flugzeugabstürze ist nicht nur eine Frage baulicher Maßnahmen.“ Das ist zweifellos richtig. Denken Sie an die Vernebelung. „Auf konkrete weitere Schutzmaßnahmen, die ergriffen werden, kann hier natürlich“ – wieso eigentlich „natürlich“? – „nicht eingegangen werden. Klar ist aber, dass es ein umfassendes Sicherungs- und Schutzkonzept durch Maßnahmen der Betreiber und des Staates gibt.“

Das finde ich sehr erstaunlich, weil mein Kenntnisstand immer der war, dass diese alten Schrottreaktoren natürlich nicht in ihrer Hülle gegen Flugzeugabstürze geschützt sind. Dann resümiert die Bundesregierung: „Auf diese Weise wird das rechtlich erforderliche Sicherheitsniveau erreicht.“ Das heißt, die Bundesregierung sagt eigentlich: Wir haben gar kein Konzept. Wir setzen voraus, dass wir eins haben, aber eigentlich haben wir gar keins.

Meine Damen und Herren, zu diesen Fragen müssen sich die Bundesländer äußern. Das ist eine Frage, die im Bundesrat behandelt werden muss.

Warum ist das Atomkonzept abzulehnen? Heute Morgen haben wir lange darüber gesprochen. Ich fasse noch einmal zusammen: Das Atomkonzept nennt zwar die richtigen Klimaschutzziele – das möchte ich durchaus zugestehen –, 80 bis 95 % Reduktion bis zum Jahr 2050, aber es ist eben kein Erneuerbare-Energien-Ausbauprojekt, sondern es ist ein Projekt, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu behindern. Die Bundesregierung möchte im Jahr 2050 80 % EE-Strom haben, 60 % erneuerbare Energien überhaupt. Nach unserer Auffas

sung ist das im Jahr 2030 locker zu erreichen. Es ist keine technologische und keine technische Frage, ob wir 100 % erneuerbare Energien erreichen, sondern es ist allein eine Frage des politischen Willens. Ihr Atomkonzept atmet eben einen anderen politischen Willen.

Heute Morgen habe ich es schon angesprochen; der arme Kollege von Breitenbuch hat es auch zugestanden: Das Atomkonzept der Bundesregierung löst eben die Frage der Versorgungssicherheit gerade nicht; denn Versorgungssicherheit heißt ja, dass wir unseren eigenen Strom im eigenen Land erzeugen und die eigene Wertschöpfung hier halten. Ihr Atomkonzept sieht vor, dass wir im Jahr 2050 ein Drittel unseres Strombedarfs importieren. Welch ein Wahnsinn! Ich denke, dass Leuten in der CDU mit Wirtschaftssachverstand, Herr Heidan, dieses Missverhältnis einmal auffallen müsste.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Er hat keinen!)

Frau Windisch hat dazwischengerufen: Zu welchem Preis? Darauf möchte ich gern noch einmal eingehen. Ich weiß, Sie lesen keine Gutachten, aber vielleicht nehmen Sie in einer ruhigen Minute das Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen vom Mai 2010 zur Hand. Er hat sich genau mit dieser Frage befasst. Man hat verschiedene Szenarien durchgerechnet, Herr Heidan, und ist zu dem Ergebnis gekommen: Je schneller wir den Ausbau der erneuerbaren Energien in allen Szenarien vorantreiben, desto schneller wird der Strompreis sinken. Diese Tatarenmeldungen, die von der fossilen Industrie mit ihren befreundeten Instituten in die Welt gesetzt werden, dass wir einen ungebremsten Anstieg durch die EEG-Umlage hätten, entsprechen schlicht und ergreifend nicht den Tatsachen. Das ist nachgewiesen und ist leicht verständlich.

Wir haben bei den erneuerbaren Energien – beim Wind, bei der Fotovoltaik – einen rasanten technologischen Fortschritt. Wir haben einen rasanten Fortschritt durch die Größendimension, weil es in die Massenproduktion geht. Genau das wirkt sich selbstverständlich auf die Preise aus, wo die erneuerbaren Energien zur Verfügung gestellt werden können. Bei der Atomindustrie, bei der Kohleindustrie haben wir eine völlig andere Entwicklung. Dort sind keine technologischen Entwicklungen mehr zu erwarten. Deshalb sind dort keine zusätzliche Wertschöpfung und keine Arbeitsplätze zu erwarten, und deshalb ist es völlig normal und natürlich, dass die erneuerbaren Energien über kurz oder lang wesentlich günstiger sein und den Strompreis nach unten drücken werden.

Herr Staatsminister, vielleicht können Sie uns erklären, wie Ihre Aussagen in der Presse zu verstehen waren, dass Sie im Bundesrat nicht zustimmen wollen. Sie haben das sogar noch erweitert. Sie haben gesagt, wenn es die Bundesregierung nicht in den Bundesrat bringt, dann gibt es noch andere Gesetze, wo man auch einmal blockieren könnte, um einen gewissen Druck auszuüben. Herr Morlok, Respekt! Ich habe mich sehr gefreut, dass Sie das gesagt haben. Dabei unterstützen wir Sie gern, wenn Sie das tun. Vielleicht können Sie das hier noch einmal

vortragen, wie Sie das sehen und wie Sie vorgehen wollen.

Deshalb denke ich, dass der Zustimmung der Koalition zu unserem Antrag wirklich nichts im Wege steht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Für die einbringende Fraktion GRÜNE sprach der Abg. Lichdi. In der Rednerreihenfolge kommt nun die CDU-Fraktion mit Kollegen Heidan.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lichdi, vielleicht vorweg: Sie bemängeln, was mein Kollege Herr von Breitenbuch heute Vormittag gesagt hat, dass wahrscheinlich der Wahrheit entsprechen wird, dass wir bis 2050 ein Drittel Strom importieren. Ich wüsste da schon Abhilfe. Lassen Sie uns gemeinsam neue Standorte überlegen, wo wir Atomkraftwerke bauen können,

(Oh-Rufe von den GRÜNEN – Zuruf von der SPD)

dann können wir an der Stelle sicherlich das,

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Andrea Roth, Linksfraktion, und Johannes Lichdi, GRÜNE, gehen zum Mikrofon.)

was um Deutschland herum passiert ist durch den Beschluss von Rot-Grün, des Ausstiegs aus der Atomkraft – – Dann brauchen wir das vielleicht nicht mehr.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der Linksfraktion)

Lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Roth und Herrn Lichdi zu, Herr Heidan?

Von Frau Roth ja.

Danke, Herr Heidan. Ich frage Sie: Würden Sie denn auch den Plauenerinnen und Plauenern den Vorschlag für ein ebensolches Atomkraftwerk in Plauen machen, damit wir Vogtländerinnen und Vogtländer immer Licht haben und erleuchtet werden?

(Rolf Seidel, CDU: Das hilft doch nicht! – Heiterkeit)

Ich weiß nicht, ob die vogtländische Region dafür ein geeigneter Standort ist. Da wird es sicherlich auch andere Standorte geben.

(Gelächter bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich kann Ihnen das nicht beantworten. Aber vielleicht lassen wir mal die Untersuchung drauf ankommen. Frau Roth, ich muss Ihnen eines sagen:

(Thomas Jurk, SPD: Er ist künftig auf Suche nach Atomkraftwerken! – Johannes Lichdi, GRÜNE: Genau!)

Wenn man dann schon solche Überlegungen anstellt, dann lassen Sie uns diese bitte durchtragen und das Atomkraftwerk bauen.

Lassen Sie auch eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Lichdi zu?

Ja, freilich.

Bitte, Kollege Lichdi.

Vielen Dank, Kollege Heidan. Nur noch einmal, damit wir es fürs Protokoll ganz klar haben: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie dafür plädieren, dass in Deutschland, insbesondere in Sachsen, neue Atomkraftwerke gebaut werden?