Protocol of the Session on September 29, 2010

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Sich also nur am Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer zu messen, ist möglicherweise nicht der richtige Weg. Der bundesweite Durchschnitt in der Polizeidichte ist, denke ich, der richtige Maßstab. Er liegt bei 372, und wir lägen nach dem Abbau der 2 441 Stellen schon leicht darunter. Aber ich denke, mit einer guten Dienststellenstruktur, mit motivierten Beamtinnen und Beamten kann man das „wuppen“. Man kann auch mit einer leicht geringeren Polizeidichte gut für Sicherheit und Ordnung sorgen. Das, was Sie aber jetzt machen wollen, ist, noch einmal 800 Stellen abzubauen, und nach diesen 800 sind wir dann bei einer Polizeidichte von 421 – weit abgeschlagen hinter dem Bundesdurchschnitt, und ob das angesichts der Situation in Sachsen wirklich angemessen ist, darf man sicher zu Recht bezweifeln.

Der Grundfehler, den Sie machen, den die Sächsische Staatsregierung nicht nur beim Thema Polizei macht, sondern generell, ist, zu glauben, dass wir in Sachsen nicht nur einen demografischen Wandel hätten – dass also nicht nur unsere Bevölkerungszahl schrumpft –, sondern irgendwie zu glauben, dass wir vielleicht auch einen geografischen Wandel hätten, dass also auch unsere Fläche schrumpft. Aber dem ist nicht so.

(Beifall bei der SPD)

Selbst wenn in Sachsen nur noch eine Million Menschen leben würden, wäre der Freistaat genauso groß. Die Fläche ist genauso groß, die Wege bleiben genauso lang, und das Gebiet, in dem Sicherheit und Ordnung hergestellt werden müssen, wird nicht kleiner.

Frau Friedel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sehr gern.

Herr Bandmann.

Frau Friedel, Sie haben eben ein Horrorszenario gezeichnet, es würden – Fiktion – einmal nur noch eine Million Menschen in Sachsen wohnen. Nehmen wir einmal Ihr Szenario an, und vor diesem Hintergrund frage ich Sie:

Sind Sie der Meinung, dass dennoch die gleiche Anzahl an Polizisten, die jetzt im Dienst sind, auch bei dieser einen Million Einwohner im Dienst sein müssten, und könnten Sie mir beantworten, wer dann diese Polizei bezahlt?

Herr Bandmann, vielen Dank für die Frage. – Ich möchte erst einmal klarstellen: In der Übertreibung liegt ja die Anschaulichkeit. Ich habe versucht, Ihnen deutlich zu machen, dass die Fläche Sachsens gleich bleibt, egal, wie viele Menschen hier wohnen.

Zu der Frage, ob auch, wenn nur eine Million Menschen in Sachsen leben, die Sicherheit und Ordnung aufrechterhalten werden muss, würde ich Ihnen sagen: Ja, und ich denke, Sie und wir sind uns darin einig, dass der ländliche Raum in Sachsen nicht aufgegeben werden darf und es keine Möglichkeit ist, mit der Herausforderung Demografie so umzugehen, dass wir sagen: Siedeln wir ein paar Leute weg, konzentrieren wir uns nur noch auf die großen Städte und wenn wir Glück haben, schaffen wir das vielleicht doch noch mit der Flächenschrumpfung und geben etwas an Brandenburg oder sonst wohin ab.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Niemals! – Volker Bandmann, CDU: Das war nicht die Frage!)

Natürlich muss auch in einem Land, in dem eine Million Einwohner leben, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechterhalten werden, und ich bin überrascht, dass die CDU, deren Kernkompetenz eigentlich immer öffentliche Sicherheit und Ordnung war, bei diesem Thema anderer Meinung sein kann.

(Volker Bandmann, CDU: Die Frage war nach der Anzahl der Polizisten gestellt! Sie haben die Frage nicht beantwortet!)

Wollen Sie noch einmal dazwischenfragen? Sonst würde ich die Gelegenheit nutzen, gleich auf unseren Entschließungsantrag aufmerksam zu machen.

Herr Bandmann, Sie möchten gern noch eine Zwischenfrage stellen, ist das richtig?

(Volker Bandmann, CDU: Das ist richtig!)

Aber gern.

Frau Friedel, ich möchte Sie noch einmal an die Frage erinnern. Die Frage war, ob Sie bei einer Million Menschen die gleiche Anzahl von Polizisten, wie sie heute besteht, behalten würden. Das ist die Kernfrage, und die bitte ich Sie zu beantworten.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Oh Mann!)

Herr Bandmann, die Diskussion führt jetzt ein wenig ins Abseits; denn sie lenkt vom eigentlichen Thema ab. Aber gerne! Wenn in Sachsen nur noch eine Million Menschen leben würden, und sie lebten auf der gleichen Fläche wie heute, dann, davon bin ich

überzeugt, müssen wir dafür sorgen, dass diese Menschen in allen Kommunen Sachsens sicher leben. Das ist unsere Aufgabe als Staat.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das war eine schöne Überleitung – vielen Dank, Herr Bandmann! – zu unserem Entschließungsantrag, der mir am Anfang, als ich ihn schrieb, fast schon etwas unangenehm war, da er erst einmal Selbstverständlichkeiten feststellen lässt. Aber die Zwischenfrage zeigt mir, dass es vielleicht gar nicht so schlecht ist, solche Selbstverständlichkeiten noch einmal zu formulieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir halten es für eine Selbstverständlichkeit, dass die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung in einem Land aufrechterhalten werden müssen, und wir halten es für eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Ausstattung der Polizei eben nicht nur nach Haushaltskriterien, sondern auch nach der Frage, welche Aufgaben sie erledigen muss, bemessen soll. Wir halten es für selbstverständlich, aber es wäre vielleicht gut, wenn wir uns alle noch einmal darüber verständigen würden.

Wir erachten es auch als wichtig, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Sachsen in allen Gegenden gleich gut gewährleistet sein muss, egal, ob man auf dem Land oder in der Stadt lebt. Außerdem halten wir es für selbstverständlich, dass man eben nicht nur die Bevölkerungszahl, sondern auch die flächenmäßige Ausdehnung in Sachsen betrachten muss. Wir haben jetzt bereits Vollzugsbeamte, die am Tag eine oder anderthalb Stunden unterwegs sind, allein, um in ihr Revier zu kommen, weil das Revier, in dem sie ursprünglich einmal gearbeitet haben, geschlossen worden ist. Sie haben einen Arbeitsweg von 60, 70 Minuten, kommen nach einer ganzen Weile auf der Autobahn in ihrer Dienststelle an und hören dann: Ich weiß nicht, ob es Sie zukünftig noch gibt. Wir machen eine Reform, aber es weiß noch keiner, was passiert. Oder sie hören: Die Sonderzahlung zu Weihnachten können Sie knicken, und außerdem müssen Sie jetzt bis 62 Jahre arbeiten. Wie soll man unter solchen Belastungen – ich ziehe wirklich den Hut davor, dass die sächsische Polizei so gut funktioniert – auf Dauer eine gute Arbeit hinlegen?

Wir möchten Ihnen in dem Entschließungsantrag auch vorschlagen, die Gleichzeitigkeit der von mir beschriebenen Belastungen wenigstens zur Kenntnis zu nehmen, zu erkennen, dass Sie den Beschäftigten bei der Polizei wirklich richtig viel zumuten, und wir schlagen Ihnen vor, wenigstens den geplanten zusätzlichen Stellenabbau von 800 Stellen erst einmal zurückzunehmen und zunächst die fachlichen Hausaufgaben zu machen. Bevor hier weiter Säue durchs Dorf getrieben werden, schauen Sie doch bitte mal, dass Sie das Ferkel sozusagen auch endlich zur Welt bringen.

Ich denke, DIE LINKE wäre fast besser beraten gewesen, ihre Große Anfrage nach dem, was wir in den Antworten

gelesen haben, und ich vermute, auch nach dem, was uns das Ministerium noch sagen wird, zu nennen: „Das Sächsische Staatsministerium des Innern – Im Jahre 2010 auf der Höhe seiner Aufgaben?“.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich bin gespannt, ob wir doch noch in der Stellungnahme der Staatsregierung überzeugt werden, dass die Situation der sächsischen Polizei nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität künftig gut und gesichert ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Als nächster Redner spricht Herr Karabinski für die FDPFraktion. Ich erteile Ihnen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Gebhardt, liebe Frau Friedel, was Sie hier machen, ist: Sie spielen mit den Ängsten der Bevölkerung. Sie malen Horrorszenarien, die sich Stephen King nicht besser ausdenken könnte.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist völlig unverantwortlich, was Sie hier tun. Es ist unverantwortlich und substanzlos.

(Zuruf von der Linksfraktion: Der Satz des Tages! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Herr Gebhardt, Ihnen würde ich wünschen, dass Sie einmal in die Rolle kämen, die Ihre Parteigenossen in Brandenburg spielen müssen und die sie in Berlin gespielt haben. Dann sähen Sie, dass Ihr projektiertes Schlaraffenland auch bezahlt werden muss. Das muss bezahlt werden! Diese Frage müssen Sie sich auch mal stellen. Dazu sind Sie nicht in der Lage. Dem Freistaat bleibt es hoffentlich weiterhin erspart, dass die Linksfraktion hier Verantwortung trägt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Denn die Realität hier sieht nicht so schön aus, wie Sie sich diese vorstellen. Der Freistaat muss im Doppelhaushalt 2011/2012 aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise, des Rückgangs der Solidarpaktmittel und des Bevölkerungsrückganges mit Mindereinnahmen von weit mehr als 1 Milliarde Euro rechnen. Bis 2020 fällt im Vergleich zu 2010 jeder vierte Euro real weg. Das alles wissen Sie. Sie wollen aber nicht zur Kenntnis nehmen, dass wir deshalb sparen müssen. Wir müssen sparen, sparen, sparen. Es sei denn, wir machen es wie Thüringen und nehmen zulasten unserer Kinder und Enkel Schulden auf. Aber das, meine Damen und Herren, ist nicht die Politik der sächsischen FDP und es ist auch nicht die Politik der schwarz-gelben Koalition.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das ist eine politische Debatte, keine Haushaltsdebatte!)

Trotz dieser Situation ist es der Staatsregierung gelungen, im – –

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Herr Lichdi, Sie haben nachher noch Redezeit. Vielleicht kommen Sie dann auch mal nach vorn.

(Beifall bei der FDP)

Trotz dieser schwierigen Situation ist es der Staatsregierung gelungen, im Haushaltsplanentwurf 2011/2012 auch für die sächsische Polizei eine Vielzahl positiver Veränderungen zu bewirken,

(Stefan Brangs, SPD: Bitte?)