Protocol of the Session on September 29, 2010

(Zuruf von der CDU: Die Staatsregierung!)

Die Staatsregierung kann jederzeit das Wort nehmen. Bitte, Herr Staatsminister Unland.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag war zum Thema formuliert: „Tarifflucht der Sächsischen Staatsregierung – Wahrheit oder Lüge?“ Ich habe, ehrlich gesagt, beim Zuhören nicht ganz verstanden, wie der Zusammenhang ist. Die Polizisten sind nach meiner Kenntnis Beamte und unterliegen nicht dem Tarifrecht. Ich habe es, ehrlich gesagt, nicht verstanden. Ich habe das inzwischen aufgenommen, anscheinend kommt das ja noch.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber selbstverständlich.

Herr Staatsminister, ist Ihnen die Diskussion bekannt, die auch Herr Tillich angeschoben hat, dass es Überlegungen gibt, natürlich im Nachvollzug zu dem, was jetzt bei den Beamten passiert, aus der Tarifgemeinschaft der Länder auszusteigen, dass es eine heiße Diskussion in der Öffentlichkeit gibt und dies durchaus Auswirkungen auf andere Bereiche hat? Ist Ihnen in der Staatsregierung diese Diskussion bekannt?

Dazu sage ich jetzt etwas. Meine Vorbemerkung bezog sich auf die Beamten und auf das Tarifrecht, und ich konnte dort keinen sachlichen Bezug feststellen. Was ist Tarifflucht? Tarifflucht bedeutet, dass ein Arbeitgeber aus der Tarifgebundenheit ausschert. Das ist Tarifflucht. Ich möchte hier deutlich machen, dass sich für den Freistaat Sachsen diese Frage nicht stellt.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Sachsen steht erstens zu seiner Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband der deutschen Länder, das heißt, der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder oder, wie es kurz genannt wird, der TdL.

Zweitens. Der Freistaat steht zu den von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder abgeschlossenen Tarifverträgen. Der Freistaat Sachsen ist als Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder gebunden oder, kurz gesagt, den TVL.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Staatsregierung hatte der Finanzminister Herr Prof. Unland das Wort ergriffen. Wir gehen jetzt weiter in der Rednerfolge. – Die CDU verzichtet. Als Nächste spricht die SPD-Fraktion.

(Stefan Brangs, SPD: In dieser Runde verzichten wir auch. Es ist ja nichts gesagt worden!)

Für die FDP-Fraktion spricht in der ersten Runde Herr Kollege Zastrow.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen von den Linken, ich habe es schon oft hier im Parlament angesprochen: Diese Debatte ist schon ein Stück weit ein Spiegelbild dafür, wie Sie Politik betreiben. Es ist nun einmal die übliche Politik des Zündelns. Es ist die Politik des Unruhestiftens.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Sie haben mit dieser Debatte überhaupt nichts anderes vor, als die Menschen zu verunsichern und aufzuwiegeln. All das steckt hinter dieser Debatte, und da machen wir nicht mit!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Kollege Zastrow?

Selbstverständlich.

Bitte, Herr Kollege Tischendorf.

Herr Kollege Zastrow, würden Sie mir einmal die Frage beantworten, warum die vielen Bürgerinnen und Bürger aus Sachsen heute anreisen: weil wir gezündelt haben oder weil Sie einen Haushaltsplanentwurf vorgelegt haben – den Sie unterstützen –, der den Menschen nicht passt?

Thema dieser Aktuellen Debatte ist doch wohl die „Tarifflucht“. Darüber sprechen wir heute. Die Demonstranten kommen, weil sie mit dem sächsischen Haushaltsentwurf insgesamt nicht zufrieden sind. Ich denke, es ist eine allgemeine Kritik an einem angeblichen sozialen Kahlschlag – den wir nicht sehen

können –, und da kommt der öffentliche Dienst und demonstriert. Aber Thema der Debatte ist doch heute „Tarifflucht“.

Es ist eben leider wie immer – auch wenn Ihre Konstruktionen völlig abstrus sind, auch wenn Sie in nahezu abenteuerlicher Art und Weise irgendwelche Indizien konstruieren –: Es bleibt am Ende so, wie es nun einmal ist: Für Ihren Vorwurf haben Sie überhaupt keinen Beweis. Der Freistaat Sachsen ist vertragstreu, wir halten uns an all das, woran wir uns gebunden haben. Es gibt überhaupt kein Indiz für Tarifflucht. Aber trotzdem nutzen Sie das, um den Menschen einzureden, dass eine große Gefahr auf sie zukommt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das hat Herr Tillich gesagt!)

Ihnen ist jede Schlagzeile recht, wenn Sie sich nur, wie so oft, mal wieder richtig kräftig empören können. Das kennen wir inzwischen von der Linken, aber das werden wir natürlich nicht mitmachen, Herr Kollege Hahn.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Wir sind in der Tarifgemeinschaft der Länder. Wir halten uns an die Verträge, so wie es der Staatsminister hier gesagt hat.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Die FDP will raus!)

Ich will die Chance nutzen, wenn Sie hier schon eine solche Debatte anstoßen, zu sagen: Trotzdem lassen wir uns als Liberale – gerade 21 Jahre nach der Wende, Herr Kollege Hahn – natürlich das Denken nicht verbieten.

(Beifall des Abg. Tino Günther, FDP)

Ich denke, dass man auch über das Tarifrecht und darüber, wie man es in Zukunft gestalten kann, nachdenken darf. Wir als FDP haben den Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft der Länder in den Koalitionsverhandlungen mit eingebracht.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Haben Sie doch?)

Na sicher, aber wir haben uns nicht durchgesetzt. Finden Sie es irgendwo im Koalitionsvertrag? Nein. Wir als FDP sind – genau wie die Staatsregierung – vertragstreu; darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Wenn Sie, lieber Kollege Tischendorf, einmal wirkliches Interesse zeigen würden, sich sachlich dem Thema zu nähern, dann könnte man folgende Frage stellen: Ist das Modell Tarifgemeinschaft der Länder tatsächlich das, was unseren Anforderungen hier in Sachsen am besten gerecht wird? Oder sollte man nicht vielleicht doch darüber nachdenken – dazu lade ich Sie gern ein –, in den nächsten Jahren zu einem Tarifverbund zwischen dem Land, dem Freistaat Sachsen und den sächsischen Kommunen zu kommen? Denn ich glaube, dass es gerade in dieser

Frage eine Schicksalsgemeinschaft zwischen den Interessen des Landes und denen der sächsischen Kommunen gibt. Vielleicht lassen sich dort die Anforderungen, die wir auch in dieser Frage an den öffentlichen Dienst haben, besser regeln als in dem bestehenden Modell. Darüber nachzudenken, liebe Kollegen von den Linken, darf doch wohl erlaubt sein, oder?

(Beifall bei der FDP und des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Sie behaupten immer, dass es, wenn man über solch ein Modell nachdenkt, automatisch dazu kommt, dass die Gehälter im öffentlichen Dienst sinken. Das hat es zum einen noch nie gegeben, und ich kann mir nicht vorstellen, dass das überhaupt möglich wäre. Das ist auch gar nicht unser Interesse. Aber dass unser System reformiert werden muss, dafür gibt es aus meiner Sicht schon das eine oder andere Indiz. Ich zum Beispiel könnte mir sehr gut vorstellen, darüber nachzudenken, ob man mehr Leistungselemente in die Bezahlung im öffentlichen Dienst einfließen lässt. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass eine Laufbahn im öffentlichen Dienst, dass Aufstiegsmöglichkeiten in Zukunft flexibler gestaltet werden und nicht nach diesem starren System, wie wir es bisher haben.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Darf man darüber nicht sprechen? Perspektivisch könnte man dazu zu neuen Antworten kommen.

Wenn man über Sonderzahlungen spricht – was Sie vorhin zwar nicht sachgerecht, aber angesprochen haben –, kann man auch darüber nachdenken, ob man solche Sonderzahlungen in Zukunft an gesellschaftliche Erfolgsfaktoren koppelt; dass man beispielsweise sagt: Wenn es dem Land gut geht, wenn die Wirtschaft boomt und die Arbeitslosigkeit zurückgeht, dann haben auch die Angestellten die Chance, am Jahresende durch eine Sonderzahlung davon zu profitieren. Warum darf man darüber nicht nachdenken? Zu welchen Ergebnissen man am Ende kommt, ist noch völlig offen. Ich will es nur einmal ansprechen und Sie herzlich zu dieser Diskussion einladen. Vielleicht nutzen Sie Ihren zweiten Redebeitrag, dazu schon einmal Ihre Denkweise mitzuteilen.

Wir können auch darüber nachdenken, welche Chancen es eigentlich für Quereinsteiger gibt, in den öffentlichen Dienst zu kommen, oder welche Austauschmöglichkeiten es heutzutage zwischen einem Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst und einem Beschäftigungsverhältnis in der Privatwirtschaft gibt; diesen aus meiner Sicht sehr sinnvollen Wechsel, dass man als Arbeitnehmer einmal beide Seiten kennenlernen kann. Das ist in Deutschland nach dem bisherigen Tarifrecht sehr kompliziert, und ich könnte mir vorstellen, auch das zu reformieren, damit der Wechsel zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft in Zukunft leichter gemacht wird.

All das sind die Gedanken der FDP. Wenn Sie Lust gehabt hätten, sich dem Thema sachlich zu nähern, dann hätten wir heute darüber diskutieren können. Das ist nicht Ihr

Interesse, liebe Kollegen von den Linken; das wissen wir. Sie wollen nur Verunsicherung stiften. Dabei machen wir nicht mit. Zu einer sachlichen Debatte lade ich Sie herzlich ein; diese können wir gern führen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Für die FDP-Fraktion sprach Kollege Zastrow. – Als Nächste wäre die Fraktion GRÜNE an der Reihe. Bitte, Frau Kollegin Jähnigen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Zastrow, ich habe schlichtweg die Beschlüsse der Partei vom März gelesen, deren Vorsitzender Sie sind. Da steht einfach so platt drin: Wir wollen aus der Tarifgemeinschaft der Länder austreten. Wir wollen mehr Flexibilität und Modernität; und vor allem wollen wir, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht mehr verdienen als die Beschäftigten in der Wirtschaft.