Worauf soll man sich in diesem Freistaat eigentlich noch verlassen können, enthält doch die noch gültige Finanzordnung, die die Planungsgrundlage der Zweckverbände darstellt, für 2011 noch 403,2 Millionen Euro und für 2012 gerade einmal 408,9 Millionen Euro Zuweisung? Wohl alle fünf Verkehrsverbünde in Sachsen, die das wichtige Gut Mobilität bereitstellen, sind nun gezwungen, Strecken entweder ganz stillzulegen oder ihre Bedienung auszudünnen, was die Kluft zwischen dem ländlichen Raum in Sachsen und den wenigen Metropolen noch weiter verstärken wird.
In meiner engeren Heimat soll zum Beispiel die Strecke Neustadt–Sebnitz–Bad Schandau ganz abgestellt werden – ein schwerer Rückschlag für den Sächsische-SchweizRing, der jahrelang auch als Prestigeobjekt des sächsischen Tourismus galt; ein Schlag ins Gesicht der Kommunen und der Deutschen Bahn, die in den letzten Jahren Millionen in den Ausbau eben jenes Streckenabschnitts der sächsisch-böhmischen Semmeringbahn investiert haben; und ganz nebenbei auch ein Affront gegen unsere tschechischen Nachbarn, die im vergangenen Jahr ihrerseits den Streckenausbau für den geplanten Eisenbahngrenzübergang bis zur Grenze durchführten, anstatt sich lediglich mit wohlfeilen Reden selbst zu beweihräuchern, wie es bei etablierten bundesdeutschen Politikern üblich geworden ist.
Jetzt zu den von mir bereits angeführten katastrophalen Streichungen im Bereich Soziales. Betrachten wir den Einzelplan 08, so stellt sich zunächst die Frage, nach welchen konkreten Grundsätzen eine Steigerung der Ministerbezüge in Höhe von 3,8 % für das Jahr 2011
stattfinden soll, nachdem bereits im Jahre 2010 diese Bezüge um 13,2 % angehoben wurden. Sollte eine verantwortungsvolle Sozialpolitik nicht auch persönlich mit gutem Beispiel vorangehen?
Rechnen wir aus den Gesamtausgaben im Einzelplan 08 die Ministerbezüge heraus, so lässt sich eine Absenkung im Bereich Soziales und Verbraucherschutz um 97 Millionen Euro oder 15,2 % feststellen. Man ist versucht zu sagen: Wenn schon Rasenmäherpolitik, dann auch richtig. Folglich müssten auch die Ministerbezüge in dieser Größenordnung abgesenkt werden.
Die Ärgernisse setzen sich fort, wenn man sich die weitere Aufblähung des Beamtenapparates im Sozialministerium zu Gemüte führt, die sich in einer Ausgabensteigerung von 2010 zu 2011 um 894 000 Euro oder 12,2 % und dann noch einmal um 120 400 Euro oder 1,5 % zu 2012 ausdrückt.
Vor allem die oberen Besoldungsgruppen ab A11, bei denen wir eine Personalaufstockung von 128 auf 143 Stellen feststellen müssen, fallen hier ins Auge. Doch wie erklärt sich dies alles vor dem Hintergrund angestrebter Effizienzsteigerung im Zuge der Verwaltungsreform?
Ein weiterer Punkt: Auch wenn sich die Geburtenrate in Sachsen etwas stabilisiert hat, die demografische Katastrophe – also der auch vom ehemaligen Berliner Finanzsenator Sarrazin erkannte und beschriebene drohende Volkstod in diesem Land – scheint nur noch mit kühnen und entschlossenen Maßnahmen abwendbar zu sein. Der Haushaltsansatz für das Landeserziehungsgeld spricht jedoch eine andere Sprache. Von 2010 zu 2011 erfolgt eine Kürzung um 15,2 %, zu 2012 um weitere 14,2 %, insgesamt von 2010 zu 2012 um 27,2 %, also um mehr als ein Viertel.
Dieser Rückgang ist eben nicht auf das veränderte Inanspruchnahmeverhalten der Eltern zurückzuführen, wie es hier im Entwurf dargelegt wird, sondern vor allem einer drastischen Senkung des Landeserziehungsgeldes für Eltern geschuldet. Für Eltern, deren Kinder ab dem 01.01.2011 geboren werden, verringern sich die monatlichen Zahlungen von 200 auf 150 Euro für das erste Kind, von 250 auf 185 Euro für das zweite Kind und von 300 auf 225 Euro ab dem dritten Kind.
So werden wir die Geburtenrate oder, statistisch korrekt ausgedrückt, die Nettoreproduktionsrate der Deutschen nicht erhöhen können, meine Damen und Herren. Aber dahin gehend zweifele ich auch an Ihrem Willen, dieses Problem wirklich anzupacken.
Nach dem wirtschaftspolitischen Abriss Ost der letzten zwei Jahrzehnte – dabei können Sie ganz ruhig bleiben, hier kann ich als Kronzeugen Herrn SPD-Ministerpräsidenten Platzeck aus Brandenburg zitieren – folgt nun der weitere sozialpolitische Abbau. Als Gegenmaßnahme
bleibt nur eines: Die Werbetrommel muss gerührt werden. So sollen die Ausgaben des Sozialministeriums im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit abermals deutlich angehoben werden. Offenbar wächst das Bedürfnis nach Informationen in dem gleichen Maße, wie die Sozialausgaben gekürzt werden.
Eine weitere katastrophale Weichenstellung des neuen Doppelhaushaltes ist die geplante Demontage der sächsischen Polizei. Hunderte Polizistenstellen sollen nochmals in den nächsten Jahren im Freistaat gestrichen werden. Die ohnehin schon in den vergangenen Jahren ausgedünnte sächsische Polizei, die sich nach der Grenzöffnung zu Polen und der Tschechischen Republik Ende 2007 einer schwer beherrschbaren Kriminalitätswelle im grenznahen Raum bei gleichzeitig massiv abgezogener Bundespolizei gegenübersieht, wird, wenn die Staatsregierung ihre Sparpläne verwirklicht, gerade in den abgelegenen Regionen des Freistaates endgültig zur Handlungsunfähigkeit verdammt werden.
Der Landesbezirk Sachsen der Gewerkschaft der Polizei berechnete unlängst, dass die Sparpläne der Staatsregierung allein für die von der Polizeidirektion Südwestsachsen betreute Region einen Abbau von mehr als 400 Stellen bedeute, also ungefähr so viel wie heute im gesamten Vogtland im Einsatz sind.
Wir alle wissen, dass schon jetzt das Vogtland zu einer Kriminalitätshochburg geworden ist, in der Buntmetallbanden und Einbrecher grenznahe Städte regelrecht in Schach halten. Meine Damen und Herren von der Staatsregierung! Wenn Sie jetzt noch weiter kürzen wollen, dann müssen Sie folgende Frage beantworten: Wie soll unter der Maßgabe Ihrer Sparpläne in Zukunft die öffentliche Ordnung und Sicherheit aufrechterhalten werden? Wird es in Zukunft gerade im ländlichen Raum riesige weiße Flecken geben, in denen kein Polizist nach Recht und Ordnung schaut?
Das kurzsichtige Handeln der Staatsregierung nach dem Motto „Weniger sollen länger arbeiten und dafür noch Gehaltseinbußen verbuchen“ wird in vielen sächsischen Regionen dazu führen, dass der Staat sein Gewaltmonopol nicht mehr länger durchsetzen können wird.
Nein, meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Ihr vorgelegter Haushaltsentwurf mit dem irreführenden Titel „Vorsprung durch solide Finanzen“ ist in dieser Form unannehmbar. Er schlägt übrigens auch jene Kommunalpolitiker Ihrer Parteien vor den Kopf, die tagtäglich vor Ort die Kastanien aus dem Feuer holen müssen, in welches Sie fleißig Öl gießen. Machen Sie nur weiter so! Sie vergrämen damit auch noch die letzten gutgläubigen und gut gewillten Bürger und fördern die Politikverdrossenheit. Sie sollten sich schämen für solche Ergebnisse wie eine von weniger als 30 % der Wahlberechtigten „gewählte“ CDU-Oberbürgermeisterin in Riesa.
Die NPD-Fraktion wird mit ihren Haushaltsänderungsvorschlägen versuchen, das Augenmerk auf brennende Fragen der aktuellen Landespolitik zu legen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen in die Runde der fünf Minuten. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE. Bitte, Herr Abg. Scheel.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man schon mal fünf Minuten mehr bekommt, dann wollen wir diese auch gern nutzen. Bei 2,5 Milliarden Euro Einsparvolumen in diesem Doppelhaushalt – den Kürzungen, die hier vorgelegt wurden – lohnt sich der politische Meinungsstreit. Ich gebe gern zu, dass der Anfang der Debatte vielleicht ein bisschen außer Acht gelassen hat, worum es geht. Es geht um den Meinungsstreit, wie wir mit dieser Kürzung umgehen.
Insofern stelle ich fest, dass ein Interesse vorhanden ist, aber natürlich müssen wir uns auch ein bisschen bemüßigen. Ich nehme zur Kenntnis, dass sich die Fraktionen auf unterschiedliche Art bemühen, sich in die Debatte einzubringen. Herrn Zastrow – er ist leider nicht mehr anwesend – kann ich nur sagen: Die Mitwirkung unseres ehemaligen Genossen Weckesser scheint zumindest inhaltlich Ihrer Rede gutzutun.
Frau Hermenau, auch Ihnen kann ich es nicht ersparen, dies zu sagen: Im Hause weiß es ja jeder, dass Sie eine gewisse Affinität zu einem schwarz-grünen Bündnis haben. Das ist auch nichts Neues mehr in Deutschland. Insofern kann man auf DIE LINKE und auf die SPD einkloppen und sagen: Die CDU macht alles richtig. Natürlich gibt es die Auseinandersetzung nur zwischen der größten aller grünen Parteien und der größten aller Staatsparteien. Das ist in Ordnung, das können Sie machen. Das hält uns aber nicht davon ab, unsere Debatte weiterzuführen und die Probleme anzusprechen.
Ich komme zum Neuverschuldungsdogma. Ich glaube, man kann es so nennen. Sie stellen sich hier hin und tun so, als würden Sie mit den 75 Millionen Euro ein ernsthaftes Problem lösen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU! Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass mit diesen 75 Millionen Euro mitnichten irgendetwas gelöst wird. Bei Zinssätzen von 2 % wird sich diese Investition, wenn man so will, vielleicht erst in 50 Jahren rechnen. Diese 75 Millionen Euro entziehen Sie dem laufenden Haushalt. Mit den Schulden ist es wie mit dem Alkohol: Es ist nicht entscheidend, wie viel man trinkt, sondern entscheidend ist, wie viel man verträgt, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition.
(Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Torsten Herbst, FDP: Das haben die Griechen auch über Jahre gedacht! – Zurufe von der CDU)
Wir können uns gern anschauen, wie leistungsstark der sächsische Haushalt ist. Er ist eigentlich sehr leistungs
stark, was die Frage der Zinsausgaben anbelangt. Ich würde fachlich gern mit Leuten Ihrer Fraktion sprechen und fragen, ob diese überhaupt wissen, was ein Zinszahlungskoeffizient – ein relativer oder ein absoluter – ist und was eine Zinssteuerquote ist. Gern würde ich mit Ihnen diskutieren, inwieweit unsere Leistungsfähigkeit in Gefahr ist und warum der Finanzminister in der mittelfristigen Finanzplanung immer nur die Pro-Kopf-Verschuldung angibt und sagt: Es ist ganz wichtig, dass wir unsere Pro-Kopf-Verschuldung immer konstant halten
Ich muss auch noch zu den Ausführungen von Herrn Flath kommen. Wenn Sie anfangen, Vergleiche zu führen, und sagen, dies würde bedeuten, dass man die Rentenversicherungsbeiträge nicht abführen wolle, wenn man die Beamtenvorsorge teilweise infrage stelle, und es sogar als Skandal bezeichnen, dann sage ich Ihnen Folgendes: Sie müssen zur Kenntnis nehmen – wenn Sie wissen, wovon Sie sprechen –, dass das eine eine reine Kapitaldeckung, also ein Kapitalstock, der aufgebaut wird, ist und das andere ein reines Umlageverfahren. Die staatliche Rentenversicherung ist ein Umlageverfahren. Hier spricht der Blinde von der Farbe in Ihrer Fraktion und nennt das noch groß „Skandal“. Das ist doch unglaublich!
Ich kann, da mir nicht mehr viel Redezeit bleibt, nur noch einen dritten Punkt ansprechen. Es geht um die Kommunen. Ich finde es schön, dass der Staatsminister der Finanzen sich hinstellt und erklärt, mit der NovemberSteuerschätzung sei den Kommunen sehr viel Geld zugute gekommen. Das ist alles richtig. Aber Sie haben leider vergessen dazuzusagen, dass Sie den Kommunen im nächsten Doppelhaushalt gleichzeitig 260 Millionen Euro über die Abrechnungsbeträge wieder wegnehmen. Zumindest die Abrechnungsbeträge hätten Sie den Kommunen doch stunden können. Das hätte ihnen Luft gegeben. Die Kommunen haben nur einen gewissen Ausgleich durch die eigene Vorsorge geschafft. Es sind kommunale Mittel. Die Vorsorge der Kommunen hat die Einnahmenseite der Kommunen stabilisiert. Hierbei ist kein Beitrag des Landes zu erkennen. Das Land hat keinen Beitrag für diese Krise in den kommunalen Haushalten geleistet. Das ist der eigentliche Skandal, meine Damen und Herren in diesem Hohen Haus.
Insofern werden wir mit Ihnen ringen und über die Frage streiten, welchen Beitrag der Freistaat bringen müsste, um die kommunale Finanzsituation zu stabilisieren. Wir werden auch gern wieder – ich freue mich, dass die GRÜNEN dabei sind – den demografischen Faktor einführen. Das hatten wir beim letzten Mal schon gefordert,
Wir werden uns in die Debatten einbringen und hart mit Ihnen ringen, wo die Prioritäten der nächsten Jahre liegen, vor allem zur Überbrückung dieser zugegebenermaßen schwierigen Zeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Antje Hermenau, wenn Herr Flath Sie lobt, ist es kein Lob. Vorsicht! Er meint es nicht gut mit Ihnen.
(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Antje Hermenau, GRÜNE: Und wenn du mich lobst, ist es aber so?!)
Sie müssen aufpassen, dass Sie sich mit Ihrer durchaus erwiesenen Fachkompetenz nicht manchmal selbst im Wege stehen.
Auch die Wiederholung dieser unverschämten Unterstellung, wir würden auf eine Neuverschuldung aus sein, macht es nicht besser. Sie begeben sich damit auf das Niveau von Holger Zastrow, und um Sie selbst zu zitieren: Sie müssten sich dann flach auf den Boden legen. – Das haben Sie nicht nötig.
Wir müssen darüber diskutieren, ob wir den Rahmen akzeptieren, den uns die Staatsregierung vorgelegt hat. Darüber können wir gern streiten. Uns geht es darum, einen soliden Haushalt ohne Neuverschuldung hinzubekommen, der trotzdem sozial gerecht und zukunftsgerecht ist. Das können wir schaffen!