Protocol of the Session on June 17, 2010

Zur Information: Die neu gefertigte Tafel mit einem neuen Text wird Ende Juli/Anfang August am Gedenkort installiert. Der Produktionsauftrag ist im Übrigen schon längst ausgelöst. Da wird unter anderem der Text zu finden sein, dass die den rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechenden Urteile der nationalsozialistischen Wehrmachtsjustiz in ihrer Gänze erst im Jahr 2009 pauschal gesetzlich aufgehoben worden sind. Diese Änderung wird sich unter anderem in dieser Ende Juli/Anfang August zu installierenden Tafel finden.

Das im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung enthüllte, künstlerisch anspruchsvolle und ansprechende Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Wehrmachtsjustiz, eine Skulptur des Rostocker Bildhauers Thomas Jastram, ist das Ergebnis der Beratungen einer Auswahlkommission, der der Vorsitzende der Bundesvereinigung, Ludwig Baumann, angehörte. Die Mitwirkung der Bundesvereinigung war mithin in diesem Prozess gewährleistet, und die Bundesvereinigung hat diese Möglichkeit auch aktiv aufgegriffen.

Ich möchte die Befassung mit der leidvollen Geschichte über die symbolische Indienstnahme der Hainbuchenhecke hinaus noch in einer anderen Hinsicht ins Positive wenden.

Die ausführlichen Debatten und das angemessene Gedenken in Torgau haben den Beteiligten in der Stiftung und in der Landespolitik grundlegende Klärungsprozesse im Sinne der Aufklärung ermöglicht, wie an diesem Ort ein angemessenes Gedenken zu gestalten wäre. Sie haben auch Gespür dafür vermittelt, in welcher Weise einerseits Toleranz im pluralen Spannungsfeld und andererseits normative Vorgaben in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen politischen Unrechts in differenzierten historischen Zusammenhängen sensibel gehandhabt werden müssen.

Dieses Bewusstsein, das der bisweilen schmerzliche Diskurs um die Geschichte politischen Unrechts der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der kommunistischen Diktatur an ein und demselben Haftort der gemeinsamen Orientierung der demokratischen Erinnerungskultur dient, begründet auch meine Hoffnung, dass

es in den kommenden Monaten eine behutsame Annäherung der verschiedenen Opfervereinigungen einschließlich des Zentralrates der Juden geben wird, die uns neue Impulse gibt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Prof. Schorlemer, für Ihren Beitrag.

Meine Damen und Herren! Kann ich davon ausgehen, dass es in der Debatte keinen Redebeitrag mehr gibt und wir zum Schlusswort kommen können? – Dem ist so. Das Schlusswort hält für die Linksfraktion Herr Abg. Dr. Külow. Herr Dr. Külow, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ausdrücklich bei meinen Vorrednerinnen und Vorrednern – mit Ausnahme von Herrn Storr – für die Debatte bedanken.

(Zurufe von der NPD)

Sie war weitgehend sachlich, ideologisch nicht überhitzt, wie man es bei dem Thema hätte befürchten können und müssen, und ich freue mich, dass Frau Prof. Schorlemer die gute Nachricht verkünden konnte, dass die Tafel geändert wird und dass die Debatte offenkundig dazu beigetragen hat – so habe ich es zumindest verstanden –, den Diskurs, wie man in Torgau und insgesamt in Sachsen künftig die Proportionen des Erinnerns gewichtet, voranzubringen.

Ich möchte noch kurz auf zwei, drei Diskussionsbeiträge eingehen. Ich kann mich nicht erinnern, in meinem Diskussionsbeitrag das Wort „Mauer“ in den Mund genommen oder diese gar gefordert zu haben; sondern uns geht es darum – das hat auch niemand bestritten, soweit ich es heraushören konnte –, dass der Schwerpunkt der Gedenkstätte des Erinnerns in Torgau auf den Opfern der NS-Militärjustiz liegt, so wie es die Bundesgedenkstättenkonzeption von 1999 fordert, und dass es hier Disproportionen, Einseitigkeiten gibt. Das ist weitgehend von allen Rednerinnen und Rednern eingeräumt worden.

Mir tat es ein wenig weh, Frau Stange, dass Sie Ihren Diskussionsbeitrag damit eröffnet haben, der Antrag kommt zu spät. Das mag ja richtig sein; aber Sie hatten als zuständige Ministerin ein paar Jahre Zeit zu verhindern, dass dieser Antrag überhaupt nötig wird. Nun will ich hier keine billige Polemik betreiben, aber vielleicht hätte da ein Satz zu den Umständen, die es verhindert haben, Klarheit verschafft. Ich weiß, Sie haben sich sehr bemüht; wir hatten auch viele Kontakte in der Richtung, die durchaus zur Klarstellung beigetragen haben.

Zu den Speziallagern, Herr Gerstenberg: Ich bestreite das überhaupt nicht. Ich habe gesagt, dass auch NS-Täter in den Speziallagern inhaftiert worden sind, und habe in keinster Weise – das habe ich mehrmals in meinem

Diskussionsbeitrag betont – bestritten, dass es Unrecht zu DDR-Zeiten und besonders davor gegeben hat. Mir dort eine gewisse Einäugigkeit vorzuwerfen, geht meiner Meinung nach in die falsche Richtung.

Wir werden damit leben, dass dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt werden wird. Ich denke aber, die Diskussion war trotzdem für alle Beteiligten wichtig.

Ich habe herausgehört, Frau Prof. Schorlemer – damit will ich mein Schlusswort beenden –, dass Sie das Gesprächsangebot, den Vertrauensvorschuss, den der Zentralrat der Juden und eine Reihe von anderen NS-Opferverbänden signalisiert haben, aufnehmen. Wir erhoffen uns und erwarten, dass möglicherweise schon mit der Tagung am nächsten Montag dort gewissermaßen eine Debatte und ein Diskurs eröffnet wird, der uns aus der Sackgasse, in der wir uns seit 2005 befinden, herausmanövriert. Wir haben das sehr oft thematisiert, auch notwendigerweise immer wieder thematisiert. Wir befinden uns seit sechs Jahren in dieser Sackgasse, für die wir zu Recht bundesweit Schelte bekommen haben. – Wenn ich „wir“ sage,

meine ich damit vor allen Dingen die Staatsregierung. Sie haben jetzt eine große Chance und eine große Verantwortung.

Ich bitte Sie – sicherlich nicht nur im Namen meiner Fraktion –, diese Gelegenheit zu nutzen und uns möglicherweise schon in nächster Zeit entsprechende Aktivitäten vorzustellen.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Debatte und Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Damit stelle ich nun die Drucksache 5/2393 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um das Handzeichen. – Vielen Dank. Ich bitte um die Gegenstimmen. – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmen dafür ist dem Antrag mit großer Mehrheit nicht entsprochen worden; damit ist er abgelehnt und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 9

Sächsische Kulturlandschaft stärken

Drucksache 5/2174, Antrag der Fraktion der SPD

Die Fraktionen können wie folgt Stellung nehmen: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun der Fraktion der SPD das Wort. Es spricht Frau Abg. Dr. Stange. Frau Stange, bitte.

Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion wurde, als er gestellt wurde, noch in Unkenntnis der Ergebnisse der Haushaltsklausur der Regierung gestellt, und zwar ganz bewusst mit dem Ziel und der Absicht, das, was im Koordinationsvertrag zur weiteren Entwicklung unserer Kulturlandschaft in Sachsen mehr oder wenig bedenklich oder nebulös formuliert ist, klarer als eine Perspektive zu formulieren, auch die Möglichkeit zu haben, das hier im Hohen Hause deutlich zu machen.

Es war unklar, ob die Kultur als freiwillige Aufgabe betrachtet wird – auch in den Haushaltsverhandlungen – oder ob sie, wie es die Verfassung vorsieht, als verfassungsrechtlich geschütztes Gut behandelt wird. Ich habe erfreut zur Kenntnis genommen, dass die schlimmsten Befürchtungen – zumindest nach dem, was wir bisher aus den Eckpunkten wissen – nicht eingetreten sind. Dafür zolle ich auch der Kunstministerin meinen vollen Respekt.

Dennoch halte ich es für notwendig, dass wir uns jetzt – ganz bewusst, bevor wir in die Haushaltsdebatten einsteigen – mit einem unserer wichtigsten Güter im Land, der Kultur und unserer sächsischen Kulturlandschaft, inhalt

lich befassen und wissen, in welche Richtung die Landesregierung die Kultur weiterentwickeln will.

Es besteht Anlass zur Sorge, nicht allein wegen der geplanten Kürzungsmaßnahmen im Kulturbereich, sondern – ich werde das gleich deutlich machen – durch eine Bündelung der Kürzungen aus verschiedenen Bereichen, die in ihrer Kumulation Auswirkungen vor allen Dingen bei Kindern und Jugendlichen, bei der kulturellen Bildung und bei den sozial Schwachen haben. Zum einen sind es die Kürzungen der Kulturraummittel von rund 10 Millionen Euro, die letztlich den Kulturräumen, insbesondere im ländlichen Raum, nicht mehr zur Verfügung stehen.

In dieser Woche hat sich Herr Kallus als Kulturraumsekretär mit sehr deutlichen Worten an die Öffentlichkeit gewandt – in einem Kulturraum, der vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass er in sehr hohem Maße und mit großer Eigenverpflichtung auch die Kulturumlage und die Möglichkeiten, die das Kulturraumgesetz bietet, umsetzt. Kallus wirft noch eine andere Frage auf – ich zitiere: „Über die Kulturräume finanziert der Freistaat Sachsen derzeit für den ländlichen Kulturbereich 20 Euro im Jahr pro Einwohner. Sind 20 Euro für Kultur zu viel?“ Und er warnt: „Die konservativen Wähler kommen aus den ländlichen Regionen, nicht vorrangig aus den Städten. Die CDU/FDP-Landesregierung sollte es sich mit denen mal nicht verscherzen.“

Er hat einen wichtigen Punkt getroffen, der mit der Kürzung der Kulturraummittel insbesondere den ländlichen Raum, die Museen und Theater und vor allen Din

gen die Soziokultur und die Projekte der kulturellen Bildung betrifft.

Es gibt weitere Maßnahmen. Es ist nicht nur das, sondern es ist die Kumulation von Kürzungsmaßnahmen, nicht nur im Kulturbereich. Es sind die Kürzungen der Zuschüsse für die Musikschulen von 5 auf 3,5 Millionen Euro. Die Musikschulen sind ohnehin schon seit Jahren leider nicht ausreichend finanziert, aber sie sind eine feste Bank innerhalb der Kulturlandschaft. Die Kürzung der Zuschüsse bedeutet, dass die Gebühren an den Musikschulen erhöht werden müssen – ich erinnere gerade an den Aufschrei des Heinrich-Schütz-Konservatoriums in Dresden vor einigen Wochen –, und dass Kindern und Jugendlichen damit die Möglichkeit des Besuchs einer Musikschule weiter erschwert wird – und das vor dem Hintergrund, dass wir gerade ein Projekt gestartet haben: Jedem Kind ein Musikinstrument, das darin münden sollte, dass möglichst jedes Kind von Anfang an über die Musik kulturelle Bildung erfahren soll.

Es gibt einen dritten Punkt: die Kürzungen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, über die wir gestern gesprochen haben. Die Absenkung der Jugendpauschale führt dazu, dass Kinder- und Jugendarbeit insbesondere an der Schnittstelle zur Soziokultur für Kinder und Jugendliche nicht mehr in dem Maße angeboten werden kann – vor allen Dingen wieder im ländlichen Raum –, wie es bisher der Fall gewesen ist.

Ein weiterer Punkt sind die Einschnitte bei den Ganztagsangeboten. Aus den Eckpunkten der Klausur der Landesregierung kann man erkennen, dass die Ganztagsangebote zukünftig vor allen Dingen von Lehrerinnen und Lehrern übernommen werden sollen. Das bedeutet unter dem Strich, dass die gerade erst begonnene Praxis der Ganztagsangebote durch Vereine, dass Kultureinrichtungen und Künstler selbst an den Schulen über die Ganztagsangebote verstärkt kulturelle Bildung unmittelbar an Kinder und Jugendliche herantragen können, die es sich eben nicht leisten können, am Nachmittag in die Ballettschule zu fahren oder die Musikschule in der fern entlegenen Stadt zu bezahlen, den Kürzungen unterliegen werden.

Ein weiterer Punkt betrifft die kommunalen Haushalte. Die damit in den Kulturräumen verbundene Kulturumlage kennen Sie sicherlich alle. Mit der Kürzung der Kulturraummittel wird auch die entsprechende kommunale Umlage sinken, was letztlich bedeutet, dass vor allen Dingen die kleinen Projekte, die keine so hohe Personalausstattung wie Theater oder größere Museen haben, den Kürzungen am meisten unterlegen sind.

Lassen Sie mich auf ein anderes Ressort verweisen und einen Kritikpunkt herausgreifen, der in dieselbe Wunde stößt: die Kürzungen der Zuschüsse für den ÖPNV. Diese Maßnahme führt vermutlich dazu, dass Bus und Bahn für die Menschen teurer werden. Das ist von den entsprechenden Verbänden schon angekündigt worden. Dabei ist es schon heute für viele Kinder aus dem ländlichen Raum ein Problem, kulturelle Angebote in den Städten zu nutzen, weil sie eben nicht im Rahmen der Schülerbeför

derung kostengünstig fahren bzw. die Fahrtkosten nicht aufbringen können.

Frau Dr. Stange, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ich möchte gern noch einen Gedanken zu Ende bringen; dann gestatte ich die Frage. – Vor dem Hintergrund der Kumulation der Maßnahmen in verschiedenen Ressorts, wie sie nach der Klausur der Landesregierung angekündigt worden sind, wird der kostenfreie Eintritt in den staatlichen Museen, der dazu dienen sollte, Kindern aus armen bzw. sozial schwächeren Familien ohne Barrieren den Zugang zu Kultureinrichtungen zu ermöglichen, faktisch konterkariert.

Jetzt die Zwischenfrage, Herr Fischer.

Sehr verehrte Frau Kollegin, deute ich Ihre bisherige Rede richtig, wenn ich für mich feststelle, dass Sie keinerlei Deckungsvorschläge gemacht haben?

(Kerstin Köditz, Linksfraktion: Sind wir hier in der Haushaltsberatung oder was?)

Wir sind noch nicht in den Haushaltsberatungen. Ich kenne den Haushalt nicht. Insofern knüpfe ich an Ihren Koalitionsvertrag an, in dem Sie festgehalten haben, dass Sie die Kulturförderung auf hohem Niveau fortführen wollen. Das war der Ausgangspunkt.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)