Ich stelle nun die Drucksache zur Abstimmung. Wer möchte die Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe sehr wenige Stimmenthaltungen, ansonsten nur Zustimmung. Damit ist der Antrag beschlossen.
Die Fraktionen können hierzu Stellung nehmen. Es beginnt als einreichende Fraktion die Linksfraktion. Herr Abg. Külow, bitte.
Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag greift die Linksfraktion heute zum wiederholten Male ein aus unserer Sicht bedrückendes landespolitisches Dauerthema auf: die gravierenden Defizite und nicht hinnehmbaren Einseitigkeiten in der sächsischen Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. Die Ereignisse am 9. Mai 2010 in Torgau spiegeln dabei wie in einem Brennglas das seit zwei Jahrzehnten bestehende Kernproblem wider.
In der regierungsamtlich verordneten Erinnerungskultur in Sachsen wird ein vermeintliches geschichtliches Kontinuum von 1933 bis 1989 konstruiert, bei dem die fundamentalen Unterschiede zwischen dem NS-Terrorregime und der DDR-Zeit und dem dort zweifellos begangenen Unrecht permanent relativiert und damit faktisch eingeebnet werden.
Dieses staatsoffizielle Grundverständnis vom Ablauf der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert prägte vor wenigen Wochen auch die Einweihung der Gedenkstätte am Fort Zinna und führte nicht nur vonseiten der Bundesvereinigung Opfer der Militärjustiz e. V. zu berechtigten Protesten.
Was war im Vorfeld und dann am 9. Mai in der Stadt an der Elbe geschehen? Torgau bildete während des Zweiten Weltkrieges bekanntlich die Zentrale des Wehrmachtstrafsystems. Mehr als 100 000 Soldaten überlebten die blutige Verfolgung durch die NS-Militärjustiz nicht. Allein in Torgau, dem manifesten Ort des Leidens, wurden circa 1 000 Todesurteile vollstreckt.
Diese schreckliche Dimension des Terrors bewog 1999 die Bundesregierung bei ihrer Gedenkstättenkonzeption –
siehe Bundestagsdrucksache 14/1569 – zu der Festlegung, dass in Torgau der Schwerpunkt der Erinnerungsarbeit „auf das Bewahren der Erinnerung an die Opfer der Wehrmachtsjustiz ausgerichtet wird“, während im Gegenzug in Bautzen der Schwerpunkt auf der „Information über das Unrecht zwischen 1945 und 1989“ liegen soll.
Es gehört zur unendlichen Skandalgeschichte der sächsischen Gedenkstättenpolitik, dass diese bundespolitische Vorgabe von der Sächsischen Staatsregierung seit elf Jahren permanent unterlaufen wird. Mit Unterstützung der CDU-geführten Landesregierung erhielten die nach 1945 Verfolgten bereits im Jahr 1992 am Fort Zinna eine Gedenkstätte, während die Opfer der NS-Militärjustiz noch viele Jahre auf einen angemessenen Platz warten mussten, wo sie ihre Blumen niederlegen konnten. Die meisten der Überlebenden verstarben in diesem Zeitraum. Erst im Oktober 2007 wurde nach fast zehnjähriger Planungs- und Vorbereitungszeit endlich am Fort Zinna eine Gedenkstätte fertiggestellt, deren Konzeption und inhaltliche Umsetzung von den Opfern der NSMilitärjustiz allerdings am Ende abgelehnt wurde – aus nachvollziehbaren Gründen, wie wir finden.
Auf den Informationstafeln fand und findet sich beispielsweise keinerlei Hinweis, dass in den Torgauer Speziallagern Nr. 8 und Nr. 10 nach 1945 auch zahlreiche schwerstbelastete NS-Täter einsaßen. Der führende deutsche Militärhistoriker Prof. Manfred Messerschmidt hat schon vor Jahren in einem Gutachten nachgewiesen, dass in den genannten Speziallagern mindestens 498 Kriegsrichter sowie Mitarbeiter der Gestapo, des Sicherheitsdienstes und anderer deutscher Straforgane inhaftiert waren, also Tätergruppen, die neben den Blutrichtern die Opfer der NS-Militärjustiz am schwersten verfolgt haben.
Es ist für uns unverständlich und eine nicht hinnehmbare Brüskierung, dass trotz einer entsprechenden Beschlusslage des Stiftungsrates und der verbindlichen Zusagen
von Oberkirchenrat Christoph Seele, der immerhin Mitglied im Stiftungsrat ist, gegenüber dem inzwischen 88-jährigen Vorsitzenden der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz Ludwig Baumann die Informationstafel im Vorfeld des 9. Mai nicht in entsprechender Weise geändert wurde. Insofern ist die Mahnung von Prof. Messerschmidt, immerhin der Nestor der bundesdeutschen Militärgeschichtsforschung, am Schluss seines Gutachtens weiterhin aktuell: „Solange die Stiftung Sächsische Gedenkstätten ihre Archive nicht der Forschung zu den NS-Tätern öffnet, wird sie weiterhin in der in- und ausländischen Kritik stehen.“
Damit aber nicht genug. Die Informationstafel ist leider auch in anderer Hinsicht nicht aktuell bzw. inhaltlich regelrecht falsch. Bekanntlich wurden die Opfer der NSMilitärjustiz vom Bundestag nach einem Zwischenschritt im Jahr 2002 in Gänze erst 2009 und nicht, wie im Fort Zinna behauptet, 1998 gesetzlich rehabilitiert. Viele der in diesem Zeitraum verstorbenen Opfer galten bis zu ihrem Lebensende als vorbestraft.
Gegenüber den letzten noch lebenden Opfern der Militärjustiz, die bekanntlich nach 1945 sowohl in West als auch in Ost einer faktisch lebenslangen Diskriminierung ausgesetzt waren, ist die unvollständige Darstellung der bundespolitischen Beschlusslage eine abermalige und in lebensgeschichtlicher Hinsicht letzte Brüskierung.
Und noch eine wichtige historiografische Leerstelle ist hier anzuführen, die nicht nur am Fort Zinna, sondern auch im Dokumentations- und Informationszentrum Torgau, abgekürzt DIZ, auf Schloss Hartenfels deutlich wird: die weitgehende Ignorierung der Geschichte der NS-Militärjustiz nach 1945. Dies gilt sowohl für die nicht bestraften Blutrichter als auch für die zumeist als Vaterlandsverräter gebrandmarkten Opfer. Diese Nichtthematisierung führt zum Ausblenden eines wesentlichen Teils der Opfergeschichte und verstellt damit auch den Blick auf die Besonderheit des ihnen lebenslang zugefügten Unrechts.
Ein weiterer gravierender Mangel ist der bis heute verfolgte methodische Grundansatz der Ausstellung im DIZ. Alle nach 1945 Internierten, ungeachtet ihrer zum Teil aktiven Mittäterschaft im NS-System, erscheinen in einem haltlosen Konstrukt als unschuldige Opfer neben den Menschen, denen sie schwerstes Leid zugefügt haben.
Es war daher fast folgerichtig, dass im Vorfeld des 9. Mai mit Wissen und Billigung des Geschäftsführers der Stiftung Sächsische Gedenkstätten eine Erinnerungstafel für den NS-Gerichtsmediziner Prof. Friedrich Timm aufgestellt wurde, der eine Dissertation, die die berüchtigten Buchenwald-Tätowierungen ausgewertet hatte, wissenschaftlich betreut hat. Diese skandalöse Gedenktafel wurde aufgrund des enormen öffentlichen Drucks inzwischen wieder entfernt.
Damit möchte ich zu einigen grundlegenden Bemerkungen zur staatlichen Erinnerungspolitik in Torgau überleiten. In ihrer Antwort auf den vorliegenden Antrag stellte Frau Staatsministerin Schorlemer unter anderem fest, dass
die Gesamtheit der Aktivitäten im DIZ der von der Bundesregierung 1999 geforderten Schwerpunktsetzung entsprechen würde. Schauen wir etwas genauer hin.
Seit 2004 gibt es bekanntlich auf Schloss Hartenfels die dreiteilige Ausstellung „Spuren des Unrechts“, bei der entsprechend dem totalitarismustheoretischen Ansatz der Kuratoren die drei Phasen NS-Militärjustiz, Sowjetische Militärverwaltung und DDR-Justiz ohne spezifische Abgrenzung aneinandergeklittert werden. Damit ist die genannte inhaltliche Festlegung der Bundesregierung, die mit erheblichen finanziellen Zuwendungen verbunden ist, nicht nur nicht umgesetzt, sondern aus unserer Sicht sogar regelrecht konterkariert worden.
In der Dauerausstellung im DIZ gibt es eine thematische und räumliche Drittelung mit der logischen Konsequenz, dass die Zeit nach 1945 weitaus umfassender dokumentiert ist als die Verbrechen der NS-Militärjustiz. Schauen Sie sich die Proportionen der Ausstellung an, schauen Sie sich die Gesamtheit der Publikationen an! Ja, selbst der Vorstellungsflyer des DIZ ist gedrittelt, und zu jedem der drei Ausstellungsabschnitte gibt es darüber hinaus spezifische Einzelbroschüren. Die Proportionen in der Dauerausstellung zwischen den beiden Zeiträumen vor und nach 1945 sind somit deutlich zugunsten der Nachkriegsgeschichte und zulasten der NS-Opfer verschoben.
Deshalb erheben wir heute mit unserem Antrag die Forderung, dass zumindest am Fort Zinna durch die entsprechende Gestaltung der Gedenkstätte sichergestellt ist, dass der Schwerpunkt im Bewahren der Erinnerung an die Opfer der Wehrmachtsjustiz liegt. Wir plädieren daher für zwei inhaltlich angemessene und räumlich getrennte Stätten des Gedenkens. Eine formale Hecke als Sichtblende ist aus unserer Sicht bei Weitem nicht ausreichend.
Im Pendant zum Gedenkort Torgau, in Bautzen, wird übrigens überhaupt nicht an die Opfer der NS-Diktatur erinnert, sondern ausschließlich das Unrecht von 1945 bis 1989 dargestellt.
Damit werden die gravierenden geschichtspolitischen Disproportionen in Sachsen gegenüber den Vorgaben der Bundesregierung noch offensichtlicher. Damit zieht der Freistaat dauerhaft berechtigte Kritik von außen auf sich.
Sehr geehrte Frau Prof. Schorlemer, die Zeit für eine Weichenstellung der sächsischen Erinnerungs- und Gedenkstättenpolitik ist unausweichlich herangereift. Sie tragen dafür eine große Verantwortung. Wir anerkennen und begrüßen es ausdrücklich, dass Sie sich nunmehr – wie bereits Ihre beiden sozialdemokratischen Amtsvorgängerinnen – die Novellierung des Gedenkstättengesetzes auf die Fahne geschrieben und für 2011 verbindlich angekündigt haben.
Diese Forderung erhebt die Linksfraktion bereits seit Langem, zuletzt unter der Drucksache 5/698 in einem Antrag zu Beginn dieses Jahres.
Wir erkennen auch an, dass Sie augenscheinlich bereits aktiv geworden sind. Im Jahresplan 2010 der Stiftung Sächsische Gedenkstätten findet sich immerhin ein
Auftrag an den Wissenschaftlichen Beirat: „Prüfung Schwerpunktsetzung auf NS-Militärjustiz und eventuell Überarbeitung, Ergänzung der Ausstellung“. Man kann nur hoffen, dass in diese Prüfung die neuen Forschungsergebnisse einfließen und entsprechende Schlussfolgerungen gezogen werden.
Für nächsten Montag haben Sie in die Landeszentrale für politische Bildung zu einer Konsultationsklausur zur Novellierung des Gedenkstättengesetzes eingeladen. Auch das ist für mich sehr erfreulich. Wir brauchen dringend ein neues Gedenkstättengesetz. Denn die Kritik der 2004 aus den Stiftungsgremien ausgetretenen NS-Opferverbände ist leider sechs Jahre später noch immer aktuell. Die massiven Vorbehalte der Opfer der Nazidiktatur gegenüber dem Gesetz, das „DIE ZEIT“ unlängst als „tönern“ bezeichnete, brachte seinerzeit der Zentralrat der Juden prägnant auf den Punkt: „Durch die Konzeption der sächsischen Landesregierung wird geschichtspolitisch die Zeit nach 1945 unter dem Stichwort doppelte Vergangenheit einer ‚Waagschalenmentalität’ ausgesetzt, mit den nationalsozialistischen Verbrechen in der einen und den kommunistischen Verbrechen in der anderen Waagschale.“
Mit dem Bild von der Waagschale verdeutlicht der Zentralrat den totalitarismustheoretischen Kern des Problems. Diese Vorbehalte des Jahres 2004 erneuerte Stephan Kramer im Namen des Zentralrats der Juden vor drei Wochen in dem schon zitierten „ZEIT“-Beitrag ausdrücklich.
Man kann nur hoffen, dass die Koalitionsfraktionen, insbesondere die CDU, seine mahnenden Worte genau registriert haben. Gleichzeitig bekräftigte Kramer die zu Beginn des Jahres 2010 schriftlich signalisierte Bereitschaft des Zentralrates, unter bestimmten Voraussetzungen wieder in der Stiftung mitzuwirken. Durch diesen Vertrauensvorschuss ist in den jahrelang festgefahrenen Konflikt augenscheinlich Bewegung gekommen; ob in die richtige Richtung, muss sich aber erst noch erweisen.
Eine Chance gäbe es, wenn die CDU ihre eingeschliffenen ideologischen Muster endlich ablegen und einem sinnvollen Credo folgen würde, das der renommierte Zeithistoriker Prof. Klaus-Dietmar Henke, der bekanntlich hier in Dresden zwischen 1997 und 2001 als Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung wirkte – allerdings mit dem falschen Parteibuch, wie wir wissen –, am 7. November 2007 bei einer Anhörung im Deutschen Bundestag zu Protokoll gab. Ich zitiere Prof. Henke: „Jeder Versuch, selbst der Anschein, den Nationalsozialismus und den diktatorischen Sozialismus in der Endstufe des Ausbaus von Gedenkstätten und Lernorten irgendwie äquivalent zu behandeln, ist historisch falsch, politisch verfehlt und kulturell verstörend.“ Dieser glasklaren Aussage ist von uns nichts hinzuzufügen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich bereits zu Beginn meiner Rede eines vorwegstellen: Leider dient der vorliegende Antrag dem wichtigen und richtigen Anliegen des Erinnerns und Gedenkens, der Verständigung und Versöhnung, aber auch der Information und Aufklärung in keiner Weise.
In einem langwierigen und schwierigen Prozess, beginnend mit einem ersten Ideenwettbewerb für die Gestaltung des Gedenkortes im Jahre 1998, hat man sich auf einen langen Weg begeben, der schließlich zu der jetzigen Gestaltung des Gedenkortes führte.
Christoph Dieckmann schreibt in der „ZEIT online“ vom 15. Mai 2010 – Zitat –: „Es bräuchte ein mehrbändiges Werk, um den schier endlosen Nachwendekampf um Torgau zu dokumentieren. Konvolute von Papier wechselten zwischen den Opferverbänden, der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, dem Zentralrat der Juden, der Evangelisch-Lutherischen Kirche …“.
In diesen Prozess war insbesondere die Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz einbezogen. Ihre Anregungen und Hinweise wurden in erheblichem Maße bei der Gestaltung berücksichtigt. Dieser Prozess war bei der Stiftung der Sächsischen Gedenkstätten und ihren Gremien, das heißt, dem Stiftungsbeirat, in dem Vertreter der Opferverbände sind, und dem Stiftungsrat von großer Kompromissbereitschaft getragen. Allen Beteiligten ist dafür ausdrücklich zu danken.
Gestatten Sie mir nun einige Worte zum Hintergrund des Ortes, über den wir sprechen und um den sich auch dieser Antrag dreht. Wir befinden uns in Fort Zinna in Torgau an einem historischen, ja an einem authentischen Ort. Bereits im 19. Jahrhundert wurde die Anlage unter napoleonischer Herrschaft als Militärgefängnis angelegt. Im Ersten Weltkrieg waren hier Offiziere interniert. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 wurden zunächst politische Gegner als sogenannte Schutzhäftlinge eingesperrt. In den Jahren 1938 und 1939 wurde Fort Zinna zum größten Wehrmachtsgefängnis ausgebaut. Nach dem Umzug des Reichskriegsgerichtes von Berlin nach Torgau im August 1943 fanden hier auch Verhandlungen des Obersten Wehrmachtsgerichtes statt. Unter den Gefangenen der Wehrmacht befanden sich auch zahlreiche Deserteure der Wehrmacht, die sich der Kriegsmaschinerie der Nationalsozialisten zu entziehen, ja zu widersetzen versuchten.
Nach dem Kriegsende 1945 wurde Fort Zinna von der sowjetischen Geheimpolizei, dem NKWD, als Speziallager Nummer 8 weitergeführt. Zahlreiche der zum Teil unschuldig internierten Häftlinge fanden hier den Tod oder wurden in andere sowjetische Straflager verbracht. Insgesamt gab es zwischen 1945 und 1950 zehn dieser Speziallager in der Sowjetischen Besatzungszone, beispielsweise auch in Bautzen oder in Mühlberg bei Riesa.
Das bekannteste dürfte wohl in Buchenwald gewesen sein. Aber lassen Sie mich zu Fort Zinna zurückkehren.
An jenem Ort trifft aus heutiger Perspektive leidvolle Geschichte aufeinander: sowohl die bis 1945 internierten Wehrmachtsdeserteure, im Besonderen repräsentiert durch die Bundesvereinigung der Opfer der NS-Wehrmachtsjustiz, aber auch die zwischen 1945 und 1948 an jenem Ort Internierten, vor allem repräsentiert durch die Vereinigung der Opfer des Stalinismus. Inhaftiert waren dort neben unschuldigen Opfern des Stalinismus auch Menschen, die persönlich Verantwortung für Verbrechen während der Zeit des Nationalsozialismus trugen.
Von dieser Authentizität lebt dieser Ort. Aber ebendies macht es auch so kompliziert. Überdeckt die eine Geschichte die andere? Schließen sie sich aus? Lässt sich erfahrenes Leid gegeneinander aufwiegen? Ein klares Nein steht als Antwort.
Die Gedenkstätte ist würdig und ehrenvoll gestaltet. Sie bietet jedem Besucher Raum für Gedenken und Erinnern. Wenn wir nun einmal das Experiment wagen, uns in die Rolle eines möglichen Besuchers hineinzuversetzen, so wird Folgendes deutlich: Vor dem Hintergrund des persönlich Erlebten, das heißt, vor einer eigenen Opferbiografie oder möglicherweise einer im familiären Umfeld erfahrenen, liegt die Wahrheit, liegt die Botschaft dieses Ortes, liegt möglicherweise das richtige Gedenken ausschließlich im Auge des Betrachters. Für jeden anderen Besucher, den kein persönliches Erleben mit diesem Ort verbindet, ist die wissenschaftlich fundierte Information über den historischen Hintergrund der Stätte des Gedenkens von essenzieller Bedeutung.
Mit dem Gedenken und Erinnern verbindet sich so auch ein Bildungsauftrag gerade für jüngere Menschen. Von diesem Ort, von der Gedenkstätte sollte kein Signal der Spaltung und Trennung, sondern eher ein Signal des Verzeihens und der Versöhnung ausgehen, aber eben auch – und hier möchte ich mit einem Wort im Sinne Fritz Grünbaums sprechen –: „… sollte es ein Denkmal sein als ein Ort, ein lebenslanger Imperativ, der aus zwei Wörtern besteht: Denk mal!“