Da ich direkt angesprochen worden bin, Herr Clemen, möchte ich auch darauf eingehen. Mir liegen die Stellungnahme zu diesem Antrag aus der Dienstberatung des Oberbürgermeisters in Leipzig vor und auch Auszüge aus den Protokollen, die in der Tagung der Arbeitsgruppe von zwei Sitzungen festgehalten worden sind.
Zum Standort wollen Sie doch bitte dem Stadtrat nicht die Entscheidungskompetenz nehmen, und der Beschluss, wo was zur Debatte steht, liegt bereits vor. In einem Auszug aus dem Protokoll der 2. Sitzung vom 10. Dezember 2009 wird festgelegt, dass die Stadt Leipzig für das Leipziger
Denkmal alleiniger Auslober sein wird. Bund und Land begleiten das Verfahren. Der Bund stellt finanzielle Mittel nur für ein Denkmal auf der Basis der Kriterien Materialität, Immobilität und Dauerhaftigkeit zur Verfügung. Dem schließt sich der Freistaat Sachsen an.
Meine Kritik war zu sagen, wir haben diese Beschlüsse, und was mir fehlt, ist die wirkliche finanzielle Untersetzung. Das wäre ein wirklicher Beschluss heute gewesen. Dass Bund und Land im Verfahren dabei sind, ist selbstverständlich. Aber die Handlungshoheit liegt nun einmal bei der Stadt Leipzig, wenn auf ihrem Territorium etwas geschehen soll.
Frau Kallenbach, Sie sind leider noch nicht so lange Mitglied in diesem Hohen Hause. Insofern wissen Sie vielleicht nicht, dass der Landtag die eigene Entscheidungskompetenz hat, wenn er Dinge mitfinanziert, wo diese Finanzen hinfließen sollen. Ich bin schon der Meinung, dass wir als sächsisches Parlament hier durchaus ein Mitspracherecht haben, wenn wir perspektivisch Haushaltsmittel zur Verfügung stellen, in welcher Form diese angewendet werden sollen. Nicht zuletzt aus diesem Grund debattieren wir heute über diese Frage. Es kann nicht so sein, dass irgendjemand eine Zeche bestellt und ein anderer sie bezahlt. Das heißt, wir wollen schon, wenn wir unsere finanziellen Mittel in Zukunft mit in dieses Denkmal investieren, dann auch wissen, was dort geschehen soll, und in die ganze Entscheidungsfindung einbezogen sein. Das ist genau der Punkt, warum wir als Fraktionen der CDU und der FDP heute diese Debatte führen, um klarzumachen: Wenn der Freistaat Sachsen mitfinanziert, dann soll der Freistaat Sachsen mitbestimmen, und zwar wir als Parlament.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Müller, weil Sie die etwas unsinnige Frage aufgeworfen haben, welche Partei sich die Wende quasi positiv zurechnen kann,
vielleicht nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Wende nicht die Leistung einer einzigen Partei ist. Sie ist nicht einmal die Leistung überhaupt irgendeiner Partei!
Herr Müller, Sie sollten zur Kenntnis nehmen: Die Wende hat ihre Wurzeln auf der Straße, in vielen Kirchgemeinden, in vielen kulturellen und wissenschaftlichen Gesprächskreisen, auch in der Umweltbewegung und vor allem in den Familien und in den Füßen, Köpfen und
Sehr geehrter Herr Abg. Kind, in einer Sache gebe ich Ihnen ja recht: Ich finde es auch etwas bedauerlich, dass bei einem solch wichtigen Thema – zumal an einem solchen Tag – das Plenum so schlecht gefüllt ist und dass gerade einmal eine einzige Abgeordnete der SPD und eine einzige Abgeordnete der GRÜNEN diese Debatte verfolgen. Das halte ich dem Anlass nicht angemessen. Lassen Sie mich das an dieser Stelle einmal ganz klar erwähnen.
Was die friedliche Revolution betrifft: Herr Kind hat gesagt, dass die Revolution im Wesentlichen friedlich gewesen ist. Sie war es eben nicht immer. Es gibt sicherlich einen entscheidenden Grund, warum sie im Verlauf der Proteste dann tatsächlich friedlich verlaufen ist und wir zudem großes Glück hatten. Das hängt damit zusammen, dass es in den ersten Auseinandersetzungen tatsächlich zu Gewalt gekommen ist. Ich kann mich selbst noch daran erinnern. Ich bin bei den Auseinandersetzungen am 3. Oktober 1989 am Dresdner Hauptbahnhof gewesen. Ich bin geflitzt. Ich bin über die Prager Straße geflitzt. Ich bin vor einer Horde Vopos und Trapos abgehauen. Damals war ich noch flott und schneller als sie. Wenn ich nicht schneller gewesen wäre und sie mich erwischt hätten, dann hätten sie mit mir das gemacht, was sie mit Hunderten am Dresdner Hauptbahnhof gemacht haben: nämlich die Leute auf Lkws, W 50 und Robur zu verfrachten, ohne zu schauen, ob sie bei den Protesten dabei gewesen oder zufälligerweise aus dem Rundkino aus der Prager Straße oder aus dem Kulturpalast von einer Kulturveranstaltung gekommen sind. Sie wurden allesamt verhaftet und in die Dresdner Schießgasse oder nach Bautzen gebracht!
So friedlich ist die Revolution zu Anfang nicht gewesen. Es war nur so, dass damals wahrscheinlich alle gesehen haben, was geschieht, wenn man mit der Gewalt, wie sie am 3. Oktober in Dresden vorgeherrscht hat, weitergemacht hätte. Man kann wirklich von Glück reden, dass ein paar Leute gesehen haben, dass es so nicht weitergeht und dass dann immer mehr, Zehntausende Demonstranten pro Tag, gekommen sind und dem Staatsapparat und den SED-Machthabern gar keine Chance mehr gegeben haben, noch Gewalt gegen diese vielen friedlichen Demonstranten, die sich zum Beispiel auf der Prager Straße hingesetzt haben, einzusetzen. Bitte nehmen Sie diese Geschichte so zur Kenntnis, wie sie wirklich gewesen ist, meine Damen und Herren!
Herr Kind, Sie haben recht: Wenn man in die Chronik des Herbstes 1989 schaut, stellt man fest, dass der Ruf „Wir sind ein Volk!“ das erste Mal am 20. November 1989 bei der großen Demonstration in Leipzig dokumentiert wurde. Da ist der Ruf das erste Mal aus den Kehlen
Tausender Demonstranten gekommen. Der Unterschied ist nur, dass auf allen anderen Demonstrationen zuvor schon ganz klar für die Wiedervereinigung und für die Einheit Partei ergriffen worden ist.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, was auf den ersten Demonstrationen, zum Beispiel am 09.10. und der Demonstration der 300 000 am 06.11. in Leipzig oder auch in Dresden, passiert ist. Da sah man diese DDRFahnen, aus denen der Ährenkranz herausgeschnitten war. Es wurden von Woche zu Woche mehr, und schon nach wenigen Tagen waren es Deutschlandfahnen, die in all den Demonstrationen aufgetaucht sind. Sie sind richtigerweise nicht auf der Demonstration am 04.11. in Berlin auf dem Alexanderplatz zu sehen gewesen. Da haben Sie – und insofern habe ich recht – immer noch vom demokratischen Sozialismus geträumt, also einer Geschichte, die schon in sich begrifflich einen völligen Antagonismus darstellt. Demokratisch und Sozialismus passt einfach nicht zusammen. Das kann es nicht geben, das wissen wir ja auch.
Dass der von Ihnen so verehrte Herr Gysi dort gesprochen hat, zeigt auch, dass Sie damals nicht nach vorn geschaut haben. Sie hatten mit dieser Demonstration auf dem Alexanderplatz nur ein Ziel: dem Wagen, der schon in Fahrt gekommen und immer schneller gerollt ist, noch einen Bremsklotz davorzuhauen. Das ist Ihnen nicht gelungen, und ich bin froh, dass es Ihnen nicht gelungen ist, weil wir in Sachsen damals schon ein ganzes Stück weiter gewesen sind, meine Damen und Herren.
Ich bin stolz, dass Sachsen das Land der friedlichen Revolution ist. Das kann uns keiner nehmen. Wir haben damals den Grundstein für das gelegt, was in den nächsten Jahren gekommen ist. Ich bin froh, dass wir uns heute für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig entscheiden. Ich lade Sie alle dazu ein, dem zuzustimmen.
Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung, Herrn Staatsminister Beermann, das Wort zu ergreifen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Staatsregierung bedankt sich für den Antrag der Regierungsfraktionen, auch wenn ich damit ein Geheimnis lüfte, dass wir etwas miteinander zu tun haben.
Ich denke, es ist wichtig, dass das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig Unterstützung aller Kräfte in dieser sächsischen Zivilgesellschaft erfährt; denn es war eine historische Leistung, die auch die entsprechende historische Würdigung erfahren soll.
Es ist heute schon mehrfach auf den 17. Juni 1953 zurückgegriffen worden. Es waren damals Arbeiter, die auf die Straße gingen, um zunächst für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Die Proteste mündeten in den ersten Aufstand. Es waren mutige Männer und Frauen, die in der DDR nicht nur für bessere Arbeitsbedingungen, sondern vor allem auch für Freiheit und für die Einheit des Vaterlandes ein Opfer dargebracht haben. Die friedlichen Demonstrationen 1953 wurden von Panzern blutig niedergewalzt. Unschuldige wurden für ihren Freiheitswillen bestraft, geschlagen, getötet. Der Aufstand 1953 führte nicht zur Freiheit, aber eines wurde deutlich: Die Herrschaft der SED wurde als Diktatur, als Gewaltherrschaft entlarvt. Die Ereignisse von Görlitz, Berlin und den anderen Städten der damaligen DDR waren eine wichtige Vorgeschichte der friedlichen Revolution 1989. Auch darauf wurde schon vielfach verwiesen.
Die Revolution von 1989 ging nicht nur von Leipzig, sondern von vielen Städten und Gemeinden in Sachsen aus, aber Sachsen ist die Wiege der Revolution. Die gesamte DDR hat das aufgegriffen. Deswegen ist die Staatsregierung den Fraktionen von CDU und FDP dankbar für diesen Antrag, der zur Debatte steht, gerade am heutigen Jahrestag des Aufstandes von 1953. Sachsen ist die Wiege der Revolution, die Bilder der Helden von Leipzig gingen um die Welt. Leipzig steht deswegen ganz besonders als Symbol der einfachen Menschen, für den Mut der Menschen, die zur Überwindung der Diktatur auf die Straße gegangen sind. Gemeinsam als Volk haben sie ihre Angst vor der Willkür der Staatssicherheit und der bewaffneten Organe überwunden. Deswegen hat Leipzig, und haben vor allen Dingen die Leipzigerinnen und Leipziger, ein herausragendes Denkmal verdient.
Dafür steht der Ruf des Herbstes 1989 „Wir sind das Volk!“, woraus bald das Bekenntnis zur Einheit unseres Vaterlandes, zur Einheit unseres deutschen Volkes mit „Wir sind ein Volk!“ wurde. Leipzig steht exemplarisch, meine Damen und Herren, für mutige Menschen, mutige Menschen, die auch in anderen Teilen Sachsens und in ganz Ostdeutschland friedlich demonstriert haben, in großer Gefahr. Ich darf an Plauen erinnern. Sie, Herr Zastrow, haben schon an den Dresdner Hauptbahnhof erinnert und die Bilder in allen von uns wachgerufen. Wir dürfen auf gar keinen Fall die vielen, vielen nicht so bekannten kleinen Aktivitäten aus dem kirchlichen Umfeld, aus den Umweltschutzbewegungen vergessen, die dazu beigetragen haben, meine Damen und Herren, dass der Mut entstehen konnte, ein Mut in Gemeinschaft, der zu den Ereignissen in Leipzig geführt hat.
Das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig soll ein Denkmal für alle Bürger des Freistaates sein, aber auch für die anderen Länder, die dadurch die Freiheit erlangt
haben. Es soll ein Denkmal sein, das die friedliche Revolution noch einmal körperlich entstehen lässt, das mutiges Einstehen für Menschenrechte und Demokratie sichtbar macht. Ohne friedliche Revolution gäbe es auch keinen Anlass für die Errichtung eines Denkmals in Berlin. Auch das sei an dieser Stelle nochmals angemerkt.
In die Planung und Realisierung sowie den Standort des Denkmals soll eine breite Öffentlichkeit einbezogen werden. Das ist hier ausführlich diskutiert worden. Deswegen nochmals die Einschätzung der Staatsregierung. Der vorliegende Antrag drückt klar aus, sich zu diesem Denkmal zu bekennen und das Votum an die Verantwortlichen in Leipzig dazu zu formulieren. Schon der 4. Sächsische Landtag hatte sich für eine angemessene Würdigung der friedlichen Revolution ausgesprochen. Die Abgeordneten votierten bereits 2007 für die Errichtung dieses Denkmals. Der Deutsche Bundestag hat auf Antrag von CDU/CSU, SPD und FDP 2008 beschlossen, den Beitrag der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig zur friedlichen Revolution auf angemessene und sichtbare Weise zu würdigen, was in das Verfahren gemündet ist, das 2014 enden soll.
Die Staatsregierung, meine Damen und Herren, dankt dem Deutschen Bundestag für die Würdigung des Beitrags der Leipziger Bürger und aller Sachsen zur friedlichen Revolution, der zur Einheit unseres Vaterlandes geführt hat. Ich freue mich für die Staatsregierung über die klaren Worte in der heutigen Debatte, für die breite Unterstützung, die die Staatsregierung durch dieses Hohe Haus erfährt, und danke dem Hohen Haus ausdrücklich dafür. Gemeinsam mit der Bundesregierung und der Stadt Leipzig will die Staatsregierung die Errichtung des Freiheits- und Einheitsdenkmals finanziell unterstützen und weiter vorbereiten. Wenn es 2014 in die Phase geht, wo bezahlt und errichtet wird, werden die Beiträge sicher ausgereicht werden.
Das Denkmal, meine Damen und Herren, ehrt die Stadt Leipzig, es ehrt ihre Helden von 1989. Ich denke, es ist auch ein Denkmal gegen Geschichtsfälschung. Es ist ein Denkmal für diejenigen, die auf die Straße gegangen sind. Es ist kein Denkmal für diejenigen, die als Staatsmacht vor dem gemeinsamen Mut der Freiheit zurückgewichen sind. Es war eine Staatsmacht, die historisch abgeschnitten war, vom großen Bruder Sowjetunion nicht mehr als Marionette geführt werden konnte, die dementsprechend, da die äußere Legitimation und die innere Legitimation Demokratie fehlte, keinen Bestand mehr haben konnte. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben – das ist das Wort, das wir uns in Erinnerung rufen. Es war eine sinnentleerte Hülle, die die Staatsmacht verzweifelt festhielt. Sie hielt dem Freiheitswillen der Helden nicht stand. Die Staatsmacht wurde aber dadurch nicht selbst zum Helden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache es kurz, denn wir haben heute noch einiges vor. Es ist sehr viel Kluges gesagt worden. Aus dem hier mit unterschiedlichem Tenor Gesagten ergibt sich eines: Wir sind uns in einer großen Einigkeit begegnet, was die Möglichkeit und die Notwendigkeit, aber auch die Chance der Errichtung eines Einheits- und Freiheitsdenkmals in Leipzig betrifft. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Ich stelle nun die Drucksache zur Abstimmung. Wer möchte die Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe sehr wenige Stimmenthaltungen, ansonsten nur Zustimmung. Damit ist der Antrag beschlossen.