Protocol of the Session on June 16, 2010

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Prof. Schneider und Frau Schütz haben im Grunde genommen schon gesagt, warum dieser Antrag notwendig ist: um die medizinische Versorgung für die Zukunft sicherer zu stellen.

Ich kann es nicht stehen lassen, wie der eine oder andere das gute Ansinnen insgesamt verworfen hat.

Herr Prof. Besier, es ist nicht fair, wenn Sie dem Freistaat das Siegel des Schuldigen aufdrücken, nur weil plötzlich eine Fakultät in Leipzig aufschreit, da ihr Kürzungen bevorstehen. Dazu stelle ich fest: Wir haben einen Hochschulrahmenvertrag. Dieser muss eingehalten werden. Darauf bin ich schon in meiner Erwiderung auf Ihren Antrag eingegangen, Frau Giegengack. Es war und ist unser Ansinnen, wenigstens die Studienplatzzahl zu erhalten. Eine Erhöhung ist so ohne Weiteres mit uns nicht zu machen, solange nicht wirklich Qualitätskriterien auch vonseiten der Fakultät einbezogen werden; darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Eine Erhöhung ist auch nicht finanzierbar, solange man nicht sagt, wie man all das qualitativ finanziell untersetzen will.

Herr Prof. Besier, das Anwerben nur über den Numerus clausus ist sicherlich eine Sache. Sie wurden gestern beim vdek durch Ihre beiden Kolleginnen vertreten. Es ging unter anderem um den Ärztemangel und mögliche Veränderungen. Wenn Sie anwesend gewesen wären, hätten Sie gehört, dass selbst die Vertreter der Fakultät Dresden, Frau Dr. Bergmann und die Studentin, gesagt haben, dass der Numerus clausus nur ein Teil sei, die Erfüllung der Kriterien im Gespräch zu ermitteln. Zentrale Kriterien sind soziale Kompetenz und die Verbindung zu Sachsen. Es reicht nicht, nach Dresden zu wollen, weil es hier eine schöne Oper gibt. Die Medizinische Fakultät „Carl Gustav Carus“ hat eine lange Tradition und ist über die Landesgrenzen hinaus hoch anerkannt. Nicht ohne Grund kommen Studenten unter anderem von der SemmelweisUniversität Budapest nach Dresden. Auch das spricht für die Qualität unserer medizinischen Fakultät.

In dem Auswahlgespräch ist die Studentin gefragt worden, warum sie nach Dresden kommen wolle. Es kommt hinzu: Wie ist die Verbindung? Hat man hier in Sachsen jemanden, der eine Praxis übernimmt? Die Eltern der Studentin, die sich gestern vorgestellt hat, haben sich in Görlitz niedergelassen. Sie ist unter anderem deshalb zum Studium in Dresden zugelassen worden, weil es die Möglichkeit dieses Auswahlgespräches gab. Die ZVS hat insoweit keine Rolle gespielt. In dem persönlichen Gespräch konnte sie ihre soziale Eignung und ihre Verbindung zu Sachsen nachweisen.

Die Studentin hat klar und deutlich gesprochen: Sachsen hat ein besseres, schwereres Abitur als andere Bundesländer. Sie hat es mit Stolz mit 1,4 bestanden. Kommilitonen aus anderen Bundesländern haben vielleicht eine bessere Abiturnote; diese ist aber mit der sächsischen nicht

vergleichbar. Lassen Sie uns doch zunächst einmal die Vergleichbarkeit der Abiturabschlüsse zwischen den Ländern herstellen! Dann reden wir weiter. Das ist ein ganz wichtiges Kriterium.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Ich freue mich für die Studentin, dass sie sich dazu entschlossen hat, das Studium zu absolvieren, um anschließend in die Praxis ihrer Eltern einsteigen zu können.

Ich möchte weitergehen. Die Studentin hat auch bestätigt, eine Festlegung auf zehn Jahre im Voraus ist für Studenten äußerst schwierig. Aber junge Menschen sind nun einmal so. Junge Menschen sind so, dass sie sagen: Wir gehen dort hin, wohin wir wollen. Die Entwicklung zeigt es dann, was sie später machen.

Jetzt kommen die Kriterien, die ich auch benenne, warum nicht nur der Freistaat Sachsen mit seiner Staatsregierung verantwortlich ist, sondern auch die Fakultäten selbst. Das kam gestern Abend zur Sprache. Die Fakultäten müssen selbst ihre Qualität und ihr Image intern verbessern. Das war eine klare Aussage. Das heißt, allein das Fach „Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin“ muss innerhalb der Ausbildung von den anderen Kollegenkreisen als gleichwertig und teilweise fast als wichtigerer Teil angesehen werden, weil der Hausarzt der erste Kontakt für den Patienten ist. Es gibt enorme Differenzen in der Darstellung und in der Übermittlung der Wertigkeit allein dieses Facharztberufes innerhalb der Fakultäten.

Wenn die Studentin sagt, es ist eigentlich nicht schön, wie intern in den unterschiedlichen Fachrichtungen diskutiert wird und wie man sich teilweise gegenseitig nicht gerade in das richtige Bild rückt, dann entsteht irgendwo eine gewisse Schieflage. Man muss dann auch die Studenten verstehen, wenn sie verunsichert sind und sagen, diese Fachrichtung schlage ich nicht ein, ich gehe lieber in jene Fachrichtung; mein Professor hat mir gesagt, sie ist viel besser. Das ist kein positives Image!

Ich betone noch einmal: Die Attraktivität eines Studiums hängt sicherlich von der Attraktivität eines Studienplatzes ab, aber auch davon, wie insgesamt auf den Studierenden eingewirkt wird. Wird mit ihnen so umgegangen, dass sie nicht nur mengenmäßig mit Lehrstoff zugepackt werden, sondern dass man sie auch gut auf die Praxis vorbereitet. Es existieren bereits sehr gute Programme an der Dresdner Fakultät, wie das Patenschaftsprogramm „Praxisnetz“. Das muss künftig ausgebaut werden.

Jetzt benenne ich einige Punkte, die gestern Abend, unter anderem für die Ausbildung zum Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, genannt wurden. Alle Standorte müssen ausbilden! Sie bilden zwar bereits aus, aber es muss richtig institutionell manifestiert werden. Wir haben 32 medizinische Fakultäten in Deutschland. 22 davon haben keine fest integrierte institutionelle Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Sie nutzen meist Honorarprofessoren.

Der zweite Wunsch: Im Kurrikulum muss vom ersten bis zum letzten Tag die Allgemeinmedizin abgebildet werden.

Ein weiterer Wunsch: Praxisnahe Ausbildung mit Patenpraxen sichern.

Ein weiterer Wunsch: Die Anforderungen im Fach Allgemeinmedizin erfordern die Jahrgangsbesten – ein interessantes Kriterium. Das Berufsbild des Arztes muss besser dargestellt werden, gemeinsam über die Medien, von uns selbst, in den Fakultäten und zwischen den Ärzten. Keiner darf über den anderen schlecht reden.

Ein ganz wesentlicher Punkt: Die Gesellschaft muss sich an die weibliche Medizin gewöhnen; sie muss sich darauf einstellen. 70 bis 80 % der Studenten sind weiblich. Darauf ist die Gesellschaft ganz einfach vorzubereiten.

(Prof. Dr. Dr. Gerhard Besier, Linksfraktion: Was ist das für ein Problem?)

Die Studentin hat es gesagt. Sie diskutieren, Herr Prof. Besier, über Dinge, über die Sie mit den Leuten gar nicht gesprochen haben.

Weibliche Medizin bedeutet unter anderem, gemeinsame Konzepte in den Kommunen zu finden, wie man zum Beispiel die Praxis teilt, wie die Kinder besser zu versorgen sind, wie man aber auch in den Kliniken Entlastungen durch Time-Sharing vornimmt.

Frau Strempel, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Frau Kollegin Strempel, ist Ihnen bekannt, dass die Gruppe der Ärzte zu den Berufsgruppen gehört, die das höchste Ansehen in unserer Gesellschaft haben, was alle Umfragen bisher zeigten?

Selbstverständlich ist mir das sehr bekannt, Frau Dr. Stange. Ich verweise darauf, dass die Teilnehmer des gestrigen Abends betonten, dass es nicht gut sei, dass während eines Medizinstudiums, egal in welcher Fachrichtung, sich teilweise die Arztgruppen gegenseitig nicht gerade ins rechte Bild setzen. Das gemeinsame gute Image muss wieder richtiggestellt werden.

Es muss klar und deutlich dargestellt werden, dass der Hausarzt nicht nur der Lotse ist, sondern der wichtigste und erste Ansprechpartner für die meisten Patienten, dass er in der Zwischenzeit mit einer Vielfalt von Fachkenntnissen vollgepfropft wird, um zu erkennen: Wo delegiere ich den Patienten hin? Dieses Multiwissen erfordert gerade diese langjährige Ausbildung. Er wird also hoch spezialisiert und sehr breit ausgebildet. Das ist eigentlich das, was wir viel mehr würdigen müssen, nämlich die Rolle des Facharztes für Innere und Allgemeinmedizin. Darum geht es.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gestatten Sie noch eine weitere Nachfrage?

Frau Strempel, ich habe mir schon bei Ihren ersten Worten die Frage gestellt, die Sie mir vielleicht beantworten können, ob wir ein Problem haben bei den Studierenden, die ein Studium für den Arztberuf aufnehmen wollen. Haben wir ein Bewerberproblem oder ein Problem, dass die Ärzte hier in Sachsen bleiben?

Wir haben insgesamt mehr Bewerber, als zugelassen werden. Aber es ist nur legitim, dass Menschen dorthin wandern, wo sie die besseren Konditionen bekommen. Das ist leider das Problem. Heutzutage werben die Einrichtungen die Fachleute untereinander ab, indem sie ihnen höhere Einkommen zugestehen. Das kann auch eine Staatsregierung nicht lösen. Die Frage ist allein: Wenn ich zum Beispiel einen Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin wieder mehr in den Fokus rücke, dann sollte man auch darüber nachdenken, wie ich die Attraktivität des Hausarztes auch durch eine bessere Honorierung gestalte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wie gestalte ich die Attraktivität für die Niederlassung durch entsprechende Infrastruktur und ein gutes Umfeld? Es ist eine gemeinsame Sache nicht nur der Kommunen, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und zwischen den Kliniken, die Form der Regulierung zu finden, um die Attraktivität zu steigern. Das ist eine gemeinsame Aktion. Dass einer weggeht, weil er woanders besser bezahlt wird, ist nicht nur im Arztberuf der Fall.

(Beifall bei der CDU)

Unsere Intention mit dem Antrag ist, dass vor allen Dingen innerhalb des Medizinstudiums die Qualität zunimmt. Gestern Abend wurde gesagt, es kann nicht sein, dass Medizinstudenten bis zu zwölf Stunden hintereinander Vorlesung haben, dass sie von Veranstaltung zu Veranstaltung hecheln. Es muss zu einer Entschlackung auch innerhalb der Ausbildung kommen. Die Entschlackung und das Besinnen auf das wirklich Notwendige können wirklich nur die Fakultäten leisten. Mit diesem Antrag wollen wir auch erreichen, dass der Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin endlich wieder seinen Stellenwert und seine feste Größenordnung in der Ausbildung findet. Ich bitte Sie ganz einfach um Zustimmung zu diesem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die CDU-Fraktion sprach Frau Kollegin Strempel. Jetzt meine Frage nach weiterem Redebedarf aus der FDP-Fraktion. – Den sehe ich nicht. Fraktion DIE LINKE? – Fraktion SPD? –

Fraktion GRÜNE? – NPD-Fraktion? – Das ist nicht der Fall. Dann hat die Staatsregierung das Wort. Ich bitte Frau Staatsministerin von Schorlemer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Antrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion hat zum Ziel, den Ärztenachwuchs langfristig zu sichern. Dazu bedarf es auch leistungsfähiger medizinischer Fakultäten. Gestatten Sie mir vorab eine Vorbemerkung zur Situation an der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig.

Erstens gilt grundsätzlich, dass Zielvereinbarungen einzuhalten sind. Die geschilderten Probleme resultieren maßgeblich aus der Situation der Nichtumsetzung der Zielvereinbarungen. Auch künftig wird das Wissenschaftsministerium dafür sorgen müssen, dass Zielvereinbarungen respektiert werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zweitens. Wir stehen in engem Kontakt mit den Verantwortlichen. Ich hatte gerade heute Gelegenheit, Prof. Thiery von der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig und Prof. Fleig an meinem Tisch zu haben.

Drittens. Die Situation an der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig gestaltet die Staatsregierung in durchaus verantwortungsvoller Weise. Das spiegelt sich auch im Entwurf der Staatsregierung zum anstehenden Doppelhaushalt wider. Wenn ich vielleicht vorab unseren Vorschlag skizzieren darf: Danach wird die medizinische Fakultät der Universität Leipzig von 49,9 Millionen Euro einen Aufwuchs auf 56 Millionen Euro haben. Das dürfte wohl reichen, um eine leistungsfähige und attraktive Medizinnachwuchsförderung zu bewerkstelligen.

(Annekathrin Giegengack, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Zum Antrag der CDU- und der FDP-Fraktion. Der Antrag zielt zunächst darauf, die Vergabe der Studienplätze bei den Hochschulen anzusiedeln.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Staatsministerin?

Ja, gern.

Bitte, Frau Kollegin Giegengack.

Für mich ergibt sich nach Ihrer Darstellung eine Frage zu der Berichterstattung in der Presse. Dort steht, dass eine Einsparung bei beiden medizinischen Fakultäten von 12 Millionen Euro erfolgt. Sie haben uns jetzt einen Aufwuchs für Leipzig angekündigt. Bedeutet dies, dass Dresden weniger bekommt? Wie stellt sich das dar?