Protocol of the Session on May 20, 2010

Das zeigt die klare Schwerpunktsetzung der Staatsregierung hin zur Sicherung der Qualität im sächsischen Schulwesen. Es zeigt, dass die Koalition bereit ist, auch jetzt schon den zukünftigen Lehrerbedarf sichern zu wollen. Letztlich war die Entscheidung aber auch alternativlos; denn spätestens nach dem zwischenzeitlichen Abbruch der Gespräche war klar, dass die Zwangsteilzeit nicht durchsetzbar war. Klar war auch, dass Änderungskündigungen keine Option waren, denn das hätte das Klima in den Schulen völlig vergiftet und einen Einstellungskorridor verhindert.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wer hat denn damit gedroht?)

Die Entscheidung, so positiv sie auch ist, hat natürlich eine Kehrseite. Sie führt zu Mehrausgaben bei zurückgehenden Einnahmen. Da müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Der wichtigste ist, dass wir jetzt die Bildungsqualität in Sachsen sichern müssen und das, was wir vereinbart haben, beispielsweise bei der Oberschulreform, auch weiter verbessern wollen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Klar ist, wer Schwerpunkte setzt, der muss anderes hintanstellen. Auch muss man sagen dürfen, dass nicht alles, was unter Bildung firmiert, was dieses Etikett trägt, schließlich unseren Kindern hilft. Deswegen müssen wir Prioritäten setzen. Die erste Priorität war, dass wir jetzt einen Einstellungskorridor für junge Lehrer schaffen und dass die Lehrer in die Vollzeit zurückkehren können. Jetzt stehen wir vor der schwierigen Aufgabe, weitere Prioritäten für eine bessere Bildung in Sachsen zu setzen. Das muss sich – das sage ich ganz deutlich – auch im nächsten Doppelhaushalt wiederfinden. Ich bin mir aber sicher, dass es das auch wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Giegengack, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es macht keinen Sinn, nach dem Motto „Versprochen, gebrochen“ hier krümelkackerisch aufzuzählen, wer von der Staatsregierung wann und wo in den letzten Wochen den hohen Stellenwert von Bildung und Erziehung in Sachsen herausgestellt hat. Ich finde es auch müßig, über die Bedeutung von Investitionen in Bildung und Erziehung für die Zukunft unseres Landes zu referieren. Jeder Mensch, der bei klarem Verstand ist, weiß um diese Bedeutung.

Ich möchte an Ihr Verantwortungsgefühl appellieren, was diese Debatte grundsätzlich angeht, die Ministerpräsident

Tillich mit der Aussage „Mehr Geld macht nicht automatisch klüger“ losgetreten hat. Worüber diskutieren wir hier eigentlich? Wir sind in Sachsen mit einer Situation konfrontiert, wie sie Tausende Familien in unserem Land in den letzten zwanzig Jahren durchlebt und zum Teil durchlitten haben. Sie mussten aufgrund der Verschlechterung ihrer Einkommenssituation unter Umständen durch Arbeitslosigkeit eines Ehepartners sparen. Tausende Familien haben uns vorgemacht, wie das geht. Sie haben abgewogen, was unverzichtbar ist und wo sie sich einschränken können. Sie haben in den meisten Fällen die gleichen Prioritäten gesetzt. Sie haben auf bestimmte Ausgaben – unter Umständen eine Anbauwand, ein Auto, einen Fernseher, eine Urlaubsreise – verzichtet und dafür aber die Schulbücher, die Vereinsmitgliedschaft, die Kosten für die Musikschule oder die Klassenfahrt aus Verantwortung für ihre Kinder bezahlt.

Meine Damen und Herren! Genau diese Prioritätensetzung erwarten die Mütter und Väter und jetzigen Großmütter und Großväter zu Recht nun auch von uns.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Es ist nur zu verständlich, wenn sie das Vertrauen in die Politik verlieren, weil, was im Großen angeblich nicht gehen soll, im Kleinen jeden Tag gehen muss. Es ist widersinnig, um der Zukunft unserer Kinder willen zu sparen und dann genau bei ihnen den Rotstift ansetzen zu wollen.

Meine Damen und Herren! Keine Frage: Der Haushalt des SMK ist nicht heilig, aber ein klares Nein zu: Es gibt beim Sparen keine Tabus.

Fast ein Drittel unserer Kinder weist bei den Einstellungsuntersuchungen Defizite im Spracherwerb auf. Ein Viertel weist Defizite in der Motorik auf. Jeder vierte Realschulabgänger hatte im Schuljahr 07/08 in Mathe eine Fünf oder Sechs. Jeder dritte Hauptschulabgänger hatte in Mathe und jeder vierte in Englisch eine Fünf oder Sechs. Knapp 20 000 Kinder in Sachsen besuchen eine Förderschule, davon die Hälfte eine Lernförderschule, und 80 % dieser Kinder machen keinen Abschluss. Meine Damen und Herren, hier sind für mich die Tabus des Sparens. Wer hier sparen will, versündigt sich an unseren Kindern.

(Beifall bei den GRÜNEN, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Stehen Sie zu dem, was Sie in diesem Hause am 31. März versprochen haben! Ich zitiere hier Frau von Schorlemer in ihrer Stellungnahme der Staatsregierung zu unserem damaligen Antrag. Ich hoffe, Herr Prof. Schmalfuß, dass Sie mir erlauben, diese hier vorzutragen: „Einen eindeutigen Akzent wollen wir im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung setzen. Maßnahmen zur weiteren Qualitätsverbesserung haben hier klare Priorität, damit jedes Kind bestmögliche Startchancen bekommt. Dazu gehören“ – ich betone – „für uns die Verbesserung der Betreuungsrelation, die Verbesserung der frühkindlichen Entwicklungsförderung besonders mit Blick auf die

Sprache sowie die weitere Ausgestaltung des Übergangs vom Kindergarten zur Grundschule. Im schulischen Bereich geht es uns, dem Motto folgend ,Jeder zählt’, darum, die individuelle Förderung weiterzuentwickeln und auszubauen.

Das gilt sowohl mit Blick auf leistungsschwache und abschlussgefährdete Schüler als auch für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und für besonders begabte Schülerinnen und Schüler. Wir wissen, dass Maßnahmen in diesem Bereich die größte Rendite bringen. Diese sind vorsorgende Wirtschafts- und Sozialpolitik zugleich.“

Meine Damen und Herren, dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und des Abg. Norbert Bläsner, FDP)

Als nächster Redner für die NPD-Fraktion der Abg. Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach all den bildungspolitischen Sprechblasen und Absichtserklärungen will ich für die NPD einige Zahlen anbringen, die wieder den Kontakt zur Lebenswirklichkeit in dieser traurigen Republik herstellen.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass in der Bundesrepublik noch nie so wenige Kinder geboren worden sind wie im letzten Jahr. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden meldete nur 651 000 Geburten; das sind 30 000 weniger als im Jahr zuvor. Bei einer gleich gebliebenen Zahl von Sterbefällen sank der Saldo von Geborenen und Gestorbenen damit auf den zweitniedrigsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg. Nur 1975 starben in Deutschland noch mehr Menschen als geboren wurden.

Wenn man außerdem noch berücksichtigt, dass ein Großteil dieser Neugeborenen im Westen Nichtdeutsche sind, dann weiß man, wie viel Problem-Ignoranz und Heuchelei in dieser Landtagsdebatte stecken. Da faseln ausgerechnet diejenigen von den Bildungschancen unserer Kinder, die durch eine familienfeindliche Politik erst dafür gesorgt haben, dass immer weniger Kinder geboren werden. Die gleichen Politiker klagen dann auch noch über fehlende Beitragszahler für die Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung und fordern als buchhalterischen Ersatz für die fehlende eigene Nachkommenschaft eine weitere Masseneinwanderung von Ausländern – siehe Tillich und Gillo. Da schwadronieren ausgerechnet diejenigen von den Zukunftschancen unserer Kinder, die ihnen durch astronomische Schuldenberge genau diese Zukunft verbauen. Schon heute lasten auf den Schultern eines jeden jungen Deutschen Abertausende Euro Schulden, die er selbst gar nicht angehäuft hat.

Gerade die junge Generation hat die Zeche dafür zu zahlen, dass Deutschland von den Regierenden zum Weltsozialamt gemacht wurde. Wir leben wegen einer unsozialen Sozialpolitik und einer familienfeindlichen

Familienpolitik in einem regelrechten Kinderverhinderungssystem.

Was ist denn aus der groß angekündigten familienpolitischen Wende der Dame von der Leyen geworden – einer familienpolitischen Wende, die zu höheren Geburtenzahlen führen sollte? Es gab diese Wende nicht. Wie gesagt, 2009 wurde in Deutschland – –

Herr Gansel, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie die Rede frei halten müssen, und ich kann von meinem Platz aus erkennen, dass Sie ausformulierte Sätze auf Ihren Karten haben und diese vorlesen. Ich bitte Sie, gemäß unserer Geschäftsordnung Ihre Rede frei zu halten. – Das gilt für alle Abgeordneten.

Selbstverständlich, Herr Präsident.

Die Kinder, die trotzdem noch geboren werden, werden später von der etablierten Politik zu Hartz-IV-Fällen oder zu Arbeitsnomaden gemacht, die schlecht bezahlter Arbeit hinterherreisen müssen.

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Ich könnte aber auch einiges zum oberflächlich erzielten Kompromiss in der Lehrerteilzeit und den damit verbundenen Plänen der Staatsregierung sagen, die Mehrkosten dreisterweise durch die Einsparung des erst 2009 eingeführten kostenlosen Vorschuljahres einzusparen.

Ich könnte einiges zu Tillichs flapsiger Bemerkung sagen, dass mehr Geld nicht automatisch klüger mache; und ich könnte auch etwas zu den Absichtserklärungen des letzten Bildungsgipfels sagen, auf dem beschlossen wurde, dass bis zum Jahre 2015 10 % des Bruttoinlandsproduktes in die Bildung fließen sollen.

Zu all dem könnte ich etwas sagen; ich will es aber nicht, weil ich dann mit keiner einzigen Silbe auf die wirklichen Gründe der chronischen Unterfinanzierung der Schul- und Bildungspolitik in diesem Lande zu sprechen käme. Deswegen wird sich die NPD-Fraktion auch heute nicht auf Ihre Ablenkungsdebatten und Ihre tagespolitische Flickschusterei einlassen, sondern einige Punkte benennen, warum in diesem Staat die Bildungspolitik chronisch unterfinanziert ist. Das hängt zweifellos mit der heimlichen Staatsdoktrin in diesem Staat zusammen, die da lautet: „Ausland, Ausland über alles!“

Ich habe Ihnen an dieser Stelle schon mehrfach einige Zahlen genannt, die ich wiederholen möchte. Laut dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden sind allein seit dem Jahr 2000 12 Milliarden Euro zur Finanzierung von Asylbewerbern ausgegeben worden, wobei 98 % von ihnen abschiebepflichtige Asylbewerber und damit Asylschwindler sind.

(Martin Dulig, SPD: Widerlich!)

Ich habe Ihnen mehrere Male in Erinnerung gerufen, dass im Jahr 2008 von der Bundesregierung 480 Milliarden Euro für die Sanierung maroder Banken und krimineller

Spekulanten verschwendet worden sind; ganz aktuell erleben wir ja, wie Raubbau mit deutschem Steuergeld begangen wird, um den Pleitestaat Griechenland zumindest noch einige Monate lang künstlich am Leben zu erhalten. Vor zwei Wochen haben die Bundestagsparteien locker-flockig 23 Milliarden Euro an Notkrediten für Griechenland zur Verfügung gestellt; Kredite, von denen jeder weiß, dass sie der deutsche Steuerzahler niemals wiedersehen wird.

Und als würde das noch nicht reichen, haben die Bundestagsparteien – –

Herr Gansel, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ja. – Als würde das noch nicht genügen, haben die Scheckbuchpolitiker der Bundestagsparteien einen deutschen Finanzierungsanteil von 140 Milliarden Euro für das Rettungspaket zugunsten des Euro lockergemacht.

Das sind nur einige Schlaglichter, die wir als NPD auf die Frage werfen wollen, warum in diesem Land chronisch zu wenig Geld für Schul- und Bildungspolitik vorhanden ist.

Herr Gansel, Ihre Zeit ist vorbei!

Ja. – Mein allerletzter Satz: – –

(Der Präsident stellt dem Redner das Mikrofon ab. – Jürgen Gansel, NPD: Geld wäre in diesem Staat vorhanden; es muss nur endlich an den richtigen Stellen eingespart werden. – Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, damit ist die erste Runde in der Aussprache beendet. Ich frage die Staatsregierung: Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Das kann ich nicht erkennen. Damit rufe ich eine zweite Runde auf. Frau Dr. Stange, SPD-Fraktion, möchte das Wort ergreifen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor circa 14 Tagen bin ich in eine Unfallstelle geraten bzw. konnte ihr noch rechtzeitig ausweichen. Der eine oder andere wird sich erinnern: Ein stundenlanger Stau zwischen Döbeln und Leisnig, hervorgerufen dadurch, dass ein Lkw auf das Stauende aufgerast war. Obwohl dieser Stau seit Stunden im Verkehrsfunk gemeldet worden ist, ist es trotzdem zu drei Toten, zu einer Zerstörung und der Sperrung der Autobahn über mehrere Tage gekommen.

Warum erwähne ich diesen Vorfall? Weil mir das, was die Landesregierung derzeit im Bildungsbereich praktiziert, genauso vorkommt wie das Fahren auf ein Stauende bei Fahren auf Sicht ohne Weitsicht und bei Nichthören der Vorwarnungen, die seit Jahren – gerade was die Personalentwicklung, was die Situation an den Schulen anbelangt – gekommen sind.

Ich sage das so dramatisch und so deutlich, weil gerade die Äußerungen des Ministerpräsidenten in der letzten Woche und die Abwesenheit der rechten Seite des Kabinetts heute zeigt, mit welcher Bedeutung man Bildungspolitik in diesem Lande derzeit betrachtet. Es wurde über ein halbes Jahr lang Vertrauen in den Schulen verspielt – bei den Lehrerinnen und Lehrern, und nicht nur bei denen, sondern durch die aktuellen Schulschließungen auch bei den Eltern und den Schülerinnen und Schülern.