Protocol of the Session on May 19, 2010

Übrigens: Es waren damals alle dafür, Hedgefonds begrenzt zuzulassen, das war keine Einzelentscheidung. Aber die maroden Staatsfinanzen, der eigentliche Kern des Problems, den die Hedgefonds jetzt geschickt ausnutzen, die haben 1969 begonnen.

Ein letzter Satz zur FDP, mehr muss ich da nicht sagen: Sie haben in diesen 40 Jahren seit 1969 28 Jahre mitregiert und zwölf nicht und müssen wissen, was Sie in dieser Zeit selber verbrochen haben.

Bankenkrisen führen immer zu staatlichen Verschuldungskrisen – das ist zumindest die historische Lehre der letzten Jahrhunderte – und Griechenland war nur der

äußere Anlass. Was steckt nun wirklich dahinter? – Die Deutsche Bank und auch staatliche Banken Deutschlands, auch Versicherungen besitzen Staatsanleihen Griechenlands in der Höhe von 43 Milliarden Euro, und sie wollen diese selbstverständlich nicht abschreiben, obwohl der Ex-Bundesbankchef Pöhl gesagt hat, es wäre vernünftig gewesen, Griechenland umzuschulden, einen Schnitt bei einem Drittel der Schulden zu machen. Da hätten die deutschen Interessenten ein paar Einbußen gehabt. Das wäre aber klüger gewesen, als jetzt aus dem Euro eine Weichwährung zu machen. Diese Fragestellung ist wichtig.

Selbst die Finanztransaktionssteuer, zu der Sie sich nicht einmal bekennen und die Sie auch nicht umsetzen wollen – Herr Schäuble hat sinngemäß gesagt: Wenn Samoa nicht mitmacht, machen wir auch nicht mit, weil das international geregelt werden muss –, wollen Sie nicht wirklich. Sie ist auch nur ein unvollkommener Ersatz für die Nichtbeteiligung der Banken am Problem. Das muss man einmal so deutlich sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nach dem Bankenschirm gibt es jetzt den Euroschirm.

Sich hier nolens volens in die Brust zu werfen, um von den seit zehn Jahren tiefsten Umfragewerten für SchwarzGelb abzulenken und auf einmal so zu tun, als sei man der Deus ex machina, entbehrt nicht einer gewissen politischen Chuzpe.

Ein 720-Milliarden-Euro-Paket ist eine verdammt große Keule, eine Drohgebärde. Die war auch richtig. Aber sie ist in zitternde Hände genommen worden und der Preis ist hoch. Der Euro hatte als Gründungskonsens – und ich habe das alles mitgemacht – im Vertrag eine unabhängige EZB und die Konvergenzkriterien stehen. Durch den Kauf der maroden Staatsanleihen durch die EZB hat diese ihre Unabhängigkeit verloren und der Grundkonsens bei der Gründung des Euros wurde gebrochen. Die EZB ist desavouiert.

Als Nächstes muss eine Staatsschuldenkommission auf EU-Ebene kommen, die diese unabhängige Rolle übernimmt, damit wir aus dieser Weichwährungsgefahr herauskommen können. Das wäre ein konkreter Vorschlag.

Das langfristige Vertrauen in den Euro ist verloren. Wir haben für ein bis zwei Jahre Zeit gekauft. Im Prinzip ist mit diesem Paket Griechenland für ungefähr ein bis eineinhalb Jahre vom Markt genommen worden, damit es nicht völlig ruiniert werden kann. Das ist gemacht worden. Da haben sich die Reichen zusammengetan und beschlossen, den Griechen ein Jahr lang die ganzen Truppen vom Hals zu halten.

Spanien und Portugal haben sofort reagiert. Die 5 % Kürzung bei den Ministerbezügen würde ich Ihnen als Vorschlag für Ihre Klausurtagung mitgeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

15 % Kürzung bei den Beamtenbezügen und eine Verbesserung der Einnahmenbasis, also eine Steuererhöhung, da, wo es vernünftig ist. Da könnten Sie bei dieser Gelegenheit gleich den Murks „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ zurücknehmen. Wir haben keinen Euro zu verschenken. Ich habe das bereits im letzten Jahr angemerkt. Da waren Sie der Meinung, wir könnten uns das noch leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Von der FDP kam der Zwischenruf, es wäre ein Klacks.

Wir haben maximal zwei Jahre Zeit für den Turnaround. Wir reden hier nicht von ein bisschen Kosmetik. Wir reden davon, dass unser Geschäftsmodell für den gemeinsamen Euro- und Wirtschaftsraum auf der Kippe steht. Wir reden davon, dass wir ein strenges Sanierungspaket für den gesamten Euroraum brauchen. Da ist auch Ehrlichkeit angesagt. Wenn das nicht funktioniert, dann platzt eben diese Haushalts- und Verschuldungsblase des Eurowährungsraumes ein oder zwei Jahre später, aber sie platzt. Machen Sie sich da keine Illusionen! Das passiert noch vor der nächsten Bundestagswahl.

(Andreas Storr, NPD: Sie wird platzen, das steht schon fest!)

Wenn man diesen Neustart machen möchte, um aus dieser Weichwährungsgefahr herauszukommen, kann man natürlich nicht bekloppterweise fordern, in die D-Mark zurückzugehen. Die Deutschen exportieren 60 % ihrer Waren in den Euroraum, vor allem in die Südländer des europäischen Raumes.

(Alexander Delle, NPD: Das haben sie zu D-Mark-Zeiten auch gemacht! – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Wer die D-Mark zurückhaben will, wird eine hoch bewertete D-Mark haben. Das wird die Exporte killen. Die anderen können abwerten und werden dann diese Exporte übernehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer so bekloppt ist, so etwas zu fordern, gehört eigentlich nicht in diese Debatte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber die Frage nach der Weichwährung steht natürlich. Europa ist im weltweiten Vergleich unterdurchschnittlich wachsend. Das wird auch so bleiben, weil wir viel reicher als andere Erdteile sind. Wir haben eine schrumpfende Bevölkerung. Das spricht nicht dafür, dass Innovation und Wachstum steigen werden. Wir haben nun endlich auch öffentlich festgestellt, dass wir marode Staatsfinanzen haben. Das klingt ein bisschen nach Bananenrepublik. Das muss man deutlich sagen. Da hätte ich ganz gern, dass wir uns dieser Frage mit dem nötigen Ernst stellen.

Der Einzige aus der Union in Deutschland, der im Januar dieses Jahres das alles schon gesehen hat, das waren nicht Sie, Herr Tillich, das war der Herr Schäuble. Sie haben

noch herumgedruckst, Frau Merkel noch von Führung überzeugen wollen, die Sie selbst im Land nicht leisten. Herr Schäuble war der Einzige, der es drauf hatte, worauf die FDP gleich meinte, dass er so krank wäre, dass man ihn des Amtes entheben müsste, damit sie noch etwas länger von ihrer Steuersenkung sprechen kann.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Sie von der FDP haben Ihre Steuersenkungsgeschichte noch Anfang Mai dieses Jahres auf einem Parteitag vertreten, weil Sie dachten, eine Woche später in NRW die Wahl gewinnen zu können. Wer derartig von den Realitäten entfernt ist wie Sie, der sollte hier die Klappe halten.

(Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Jetzt kommen wir zu den Euroschludrigkeiten. Sie begannen mit Theodor Waigel, der Kreditermächtigungen einsetzte, um 1997 überhaupt in den Euroraum hineinzukommen. Die SPD hat das in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht beklagt. Am Ende kam heraus, dass er es nicht hätte machen dürfen, aber weil wir nun im Euroraum drin waren, ist alles so geblieben. Das ging weiter mit Eichel. Denken Sie nicht, die wären besser gewesen! Deswegen bin ich auch irgendwann einmal in Berlin ausgestiegen.

(Christian Piwarz, CDU: Das lag am Eichel? – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Eichel hat da weitergemacht. Dann kam Steinbrück.

(Christian Piwarz, CDU: Eichel hat Sie aus Berlin vertrieben?)

Bei Ihnen ist ja auch der Herr Scheffler zurückgetreten.

Steinbrück hat das ebenfalls weitergeführt. Dann kam es zu der Situation, dass alle Hoffnungen in Deutschland auf einem ganz alten konservativen politischen Haudegen ruhen müssen, nämlich Herrn Schäuble. Alle Finanzminister seit Stoltenberg haben sich mehr an die Brust geworfen, als drin war, wie ich das jedenfalls gesehen und verstanden habe.

Der Punkt ist, dass Rot-Grün versucht hat, schmerzhafte Operationen zu unternehmen. Hartz IV war die schmerzhafteste Operation, die seit der Einheit in der Frage der Haushaltskonsolidierung unternommen wurde. Dafür hat es 2004 beim Wahlkampf im Landtag nur Häme gegeben. Herr Milbradt war kurz davor, an einer Anti-Hartz-Demo in Zittau teilzunehmen. – So viel zum Thema Sachkompetenz der CDU in dieser Fragestellung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die CDU in Sachsen hat die Chance genutzt und sagt, dass sie gern auf Schulden verzichten will und dies auch schon seit ein paar Jahren macht. Ich sage es Ihnen: Machen Sie nicht dieselben Schludrigkeiten! Die Kreditermächtigungsgeschichte von Waigel landete vorm Ver

fassungsgericht. Ich will das nur einmal öffentlich erwähnt haben.

Wenn Sie sich das mit dem Zeitkaufen noch einmal vor Augen führen möchten: Griechenland muss bis zum Ende 2012 28 % der Schulden umschulden. Das macht bei denen ein Drittel ihres Bruttoinlandsproduktes aus. Die Engländer müssen bis Ende 2012 20 % ihrer Schulden umschulden. Das sind 15 % des Bruttoinlandsproduktes. Die haben zwar einen hohen Schuldenstand, können aber besser damit umgehen. Die Amerikaner müssen über 50 % ihrer Schulden bis 2012 umschulden. Das ist bei denen auch ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes. Es ist also nicht nur die Eurozone in Gefahr. Das ist ganz klar, wenn man sich diese Zahlen vor Augen führt. Aber eins ist auch klar: Die, die als Erste die Hinterbacken zusammenkneifen und dort herauskommen, werden diejenigen sein, die es überstehen. Die Letzten beißen die Hunde. Da kann ich Sie nur ermutigen, deutlich härter in der Sache zu werden und nicht so zu tun, als ob Sie sparen, sondern es wirklich zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN – Christian Piwarz, CDU: Wir werden Sie beim Haushalt daran erinnern!)

Für die Fraktion der GRÜNEN sprach die Kollegin Hermenau. – Als Nächstes spricht für die Fraktion der NPD Kollege Schimmer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Das Endspiel um den Euro“, „Die Deutschen in Haftung“, „Das böse Wort vom Staatsbankrott“, „Die Eurolüge“, „Die Deutschen werden gepiesackt“ – Sätze wie diese springen einen in diesen Wochen immer häufiger an, egal ob man nun im „Focus“, im „Spiegel“, im „Handelsblatt“ oder in der „Wirtschaftswoche“ blättert. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ stellte deren Leitartikler für den Wirtschaftsteil, Rainer Hank, fest: „Wir wären ohne den Euro besser dran.“ In seinem so betitelten Kommentar schrieb Hank – ich zitiere –: „Die drohende Ignoranz gegenüber der sogenannten No-bail-out-Klausel, in der festgeschrieben ist, das jedes Land nur für sich selbst verantwortlich ist, ist nicht nur verwerflich, sondern – schlimmer noch – systembedingt. Heute zeigt sich, dass die Einführung des Euro ein schwerer Fehler war. Damit ist die Idee von Maastricht falsifiziert. Anstatt die Staaten zur Budgetdisziplin zu zwingen, hat das Gemeinschaftsbündnis den Schlendrian aller gefördert. Wenn nach den Griechen bald Spanier, Portugiesen oder Italiener die Gemeinschaft zur Hilfe rufen, dann zeigt sich: Die Schwachen können ihre Schwächen erfolgreich in den Euroraum exportieren.“

Rainer Hank spricht in seinem Leitartikel das aus, was die Spatzen von den Dächern pfeifen. Den Menschen im Lande ist trotz aller verbalen Beruhigungspillen der Kanzlerin klar, dass sich etwas zusammenbraut. Die Einschläge kommen mittlerweile Woche für Woche näher. Erst drängte sich vordergründig alles um Griechenland, das sich vor zehn Jahren durch Bilanzfälschungen in den

Euroraum mogelte. Die einzig nachhaltige Lösung der Griechenlandkrise wäre ein Ausschluss Griechenlands aus dem Euroraum gewesen, zum einen, um keine falschen Anreize zu setzen und die Fälschungsspezialisten von der Ägäis für ihre Tricksereien nicht auch noch mit milliardenschweren Transfers zu belohnen, zum anderen, weil die Griechen sich aus ihrer Wirtschaftskrise nur durch die Rückkehr zu einer nationalen Währung befreien können, um über eine Abwertung Tourismus und Export anzukurbeln.

Statt diese rationale Form der Problemlösung zu wählen, schmiss die EU auf Anfrage des griechischen Ministerpräsidenten Papandreou 80 Milliarden Euro in das griechische Fass ohne Boden, weitere 30 Milliarden Euro steuerte der in New York ansässige Internationale Währungsfonds bei. Nun brachen alle Dämme. Der Griechenrettung folgte nur eine Woche später ein nochmals vielfach größerer sogenannter Rettungsschirm, aus dem sich nun gleich alle südeuropäischen Schuldenweltmeister des Club Meditarene zum Schaden des deutschen Steuerzahlers nach Herzenslust bedienen dürfen.

Unfassbare 725 Milliarden Euro wurden in den Topf für alle möglichen Insolvenzkandidaten des Euroraumes geworfen. Der deutsche Anteil beläuft sich auf haushaltsrelevante Garantien von 123 Milliarden Euro. Allen Beobachtern war nach dieser denkwürdigen Nacht vom 9. zum 10. Mai 2010 klar, dass dieser vollkommene Ausverkauf deutscher Interessen nur durch das Totalversagen der deutschen Führungsfiguren Merkel, Schäuble und de Maizière möglich war, die der frechen Erpressungsrhetorik von Sarkozy und Berlusconi ohne Gegenwehr zu leisten nachgaben und die – es gibt kein anderes Wort dafür – als das, was mein Kollege Gansel benutzt hat, Verrat, ja Verrat, am nationalen Interesse Deutschlands übten.

(Beifall bei der NPD)

Herr Abg. Schimmer, genau wie Herrn Gansel erteile ich Ihnen dafür einen Ordnungsruf!