Protocol of the Session on May 19, 2010

Tagesordnungspunkt 8

1. Lesung des Entwurfs Gesetz über die Verfahrensfreiheit gebäudeintegrierter Solaranlagen

Drucksache 5/2360, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

ist aufgerufen. Die Einreicherin möchte gern sprechen. Herr Lichdi, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, bei dem die Koalition beweisen kann, ob es ihr mit dem Gerede von der Entbürokratisierung und der Förderung der erneuerbaren Energien ernst ist oder nicht. Wir können mit diesem Gesetzentwurf die kostenträchtige und unsinnige Ungleichbehandlung von Bauherren und Anlagenbetreibern beenden. Denn, meine Damen und Herren, manche Baubehörden verlangen eine

Baugenehmigung für Fotovoltaikanlagen und manche nicht. Manche verlangen eine vereinfachte Baugenehmigung nach § 63 der Bauordnung, andere ein vollständiges Genehmigungsverfahren nach § 64. An Kosten fällt dann die Hälfte von 6,50 Euro je 1 000 Euro Investitionssumme an. Wesentlich teurer kommen unter Umständen noch Statik- und Brandschutzgutachten.

Auch dies wird unterschiedlich gehandhabt. Die ausgegebenen Formulare passen zu 90 % nicht, da sie auf die Errichtung von Gebäuden ausgerichtet sind. Aufgrund der Unsicherheit der Baubehörden kommt es zu ständigen Nachforderungen, die die 3-Monatsfrist für eine Geneh

migung hinausschieben. Dies hat zu erheblichen Verzögerungen, Kostensteigerungen, Verunsicherungen und auch Verärgerungen geführt.

Die Sächsische Bauordnung sieht eine Genehmigungspflicht für Fotovoltaikanlagen auf Dächern vor. Sie folgt damit der Musterbauordnung von 2002 und behindert so den notwendigen schnellen Ausbau des Sonnenstroms in Sachsen. Zwar waren die Zubauzahlen 2009 durchaus sehr beachtlich, aber leider noch viel geringer als etwa in Süddeutschland. Dies hängt nicht mit der Sonneneinstrahlung zusammen. Solaranlagen sind nach der geltenden Rechtslage nur verfahrensfrei, wenn sie an Dach- oder Wandflächen sind oder Teil der – Zitat – „haustechnischen Ausrüstung“. Mit der Formulierung „an“ schließt der Gesetzgeber aufgeständerte Anlagen von der Verfahrensfreiheit aus.

Nach der Interpretation des Innenministeriums ist eine PV-Anlage nur dann Teil der haustechnischen Ausrüstung, wenn der erzeugte Strom im Haus selbst verbraucht wird. Dagegen unterliegt eine Anlage der Genehmigungspflicht, wenn der Strom ins Netz eingespeist wird. Diese Unterscheidung ist schon physikalisch durchaus fragwürdig, denn auch der ins Netz eingespeiste Sonnenstrom wird zunächst in die Hausanlage geleitet. Die Entscheidung über die Genehmigungspflicht an der Frage, ob der Strom eingespeist wird oder nicht, ist aber vor dem Hintergrund des bauordnungsrechtlichen Regelungsrechts widersprüchlich.

Im Bauordnungsrecht, meine Damen und Herren, geht es um die Unterbindung und Beseitigung von Gefahren für die Öffentlichkeit und die Hausbewohner, die von baulichen Anlagen ausgehen können. Die Bauart oder die Anbringungsart einer Fotovoltaikanlage hängt aber nicht davon ab, ob sie einspeist oder nicht. Es handelt sich nämlich um ein und dieselbe Anlagenart. Dann aber kann die Genehmigungspflicht nicht an die Frage einer Einspeisung geknüpft werden. Der Eigentümer kann sich auch jederzeit umentscheiden; er kann einspeisen oder selbst verbrauchen. Soll etwa nachträglich dann eine Genehmigungspflicht entstehen, wenn der Eigentümer vom Eigenverbrauch auf Einspeisung umstellt?

Meine Damen und Herren! Die Unterscheidung zwischen Einspeisungs- und Nichteinspeisungsanlagen ist daher sachlich nicht gerechtfertigt und ein Verstoß gegen den

Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 des Grundgesetzes. Zudem ist sie ein Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit des Eigentümers nach Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes, denn der Eigentümer genießt grundsätzlich Baufreiheit, die nur im begründeten Interesse des Allgemeinwohls eingeschränkt werden darf.

Unser Gesetzentwurf stellt gebäudegebundene Fotovoltaikanlagen generell von der Genehmigungspflicht frei. Dies gilt auch für aufgeständerte sowie für einspeisende Anlagen. Meine Damen und Herren! Dies ist wahrlich keine Revolution, sondern seit Langem Rechtslage in Bayern und Baden-Württemberg. Wir orientieren uns in unserem Gesetzentwurf sogar im Wortlaut an der badenwürttembergischen Bauordnung – immerhin ein Land, das auch – bis nächstes Jahr – von Schwarz-Gelb regiert wird. Sicherlich, meine Damen und Herren, sind weitergehende Alternativen als unser Vorschlag durchaus diskutabel. Ich denke insbesondere an eine Typengenehmigung, die auch materiell-rechtliche Nachforderungen nach einer verfahrensfreien Installierung ausschließen würde. Ich habe aber Zweifel, ob der Normierungsprozess bei den Fotovoltaikanlagen bereits weit genug vorangeschritten ist, um tatsächlich zu einer Typengenehmigung zu kommen.

Meine Damen und Herren! Ich fordere Sie aber auf: Behandeln Sie unseren Gesetzentwurf schnell in den Ausschüssen und stimmen Sie ihm zu. Dann hätten Sie wenigstens ein bisschen echte Entbürokratisierung geschafft und ein sichtbares und wirksames Signal der Unterstützung für die sächsische Fotovoltaikbranche gesendet.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz über die Verfahrensfreiheit gebäudeintegrierter Solaranlagen an den Innenausschuss zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diesen Ausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 9

Bessere Integration von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt

Drucksache 5/2339, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile den Fraktionen CDU und FDP als Einreicherinnen das Wort. Für die CDU beginnt der Abg. Krasselt.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Menschen mit Behinderungen verdienen unseren besonderen Respekt und unsere besondere Achtung. Sie haben es im alltäglichen Leben mit Beschwernissen zu tun, die nicht behinderte Men

schen kaum, schon gar nicht im vollen Umfang, einschätzen können. Insofern bin ich sehr dankbar, dass wir gleich zweimal – heute mit dem Antrag der CDU/FDP-Koalition zur besseren Integration von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt und morgen in der Aktuellen Debatte zur Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von behinderten Menschen – diese in den besonderen Fokus des Sächsischen Landtags – aber ich denke damit auch der Öffentlichkeit – rücken.

Der Antrag der CDU/FDP-Koalition verfolgt insbesondere das Ziel, Menschen mit Behinderung in den Werkstätten für behinderte Menschen eine deutlich bessere Teilhabe am normalen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, als es bis hierhin erreicht wurde.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Eingliederungschancen dieser Beschäftigten deutlich zu verbessern und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, der gebildeten Allianz zur Beschäftigungsförderung auch entsprechende Ergebnisse zu ermöglichen. Arbeit und Beschäftigung sind wichtige Lebensziele aller Menschen. Sie dienen dem Verdienst des Lebensunterhaltes, der Bestätigung im ganz persönlichen Leben, der Anerkennung im Lebensumfeld, und letztendlich findet man damit seinen Platz in der Gesellschaft. Das gilt insbesondere für Menschen mit Behinderung und genauso für die Klientel, die ich ansprechen will: für die Menschen mit Behinderung in den Werkstätten für behinderte Menschen.

In diesen Werkstätten werden besonders förderwürdige Mitglieder unserer Gesellschaft in Ausbildung und Beschäftigung gebracht. Sie erreichen ein soziales Umfeld, in dem sie leben können. Es wäre ohne diese Werkstätten so für sie nicht oder nur mit erheblichem Aufwand zu erreichen. Die 60 Werkstätten für behinderte Menschen, die wir in Sachsen haben, leisten eine ganz hervorragende Arbeit. 16 000 Betroffene haben dort diese Arbeit, von der ich sprach, und das soziale Umfeld gefunden. Sachsen hat in den letzten 20 Jahren hier eine ganz beachtliche Leistung erbracht, und eine Vielzahl von Trägern führt diese Werkstätten in ganz hervorragender Weise.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich denke, ihre Arbeit kann kaum überschätzt werden. Dennoch muss kritisch festgestellt werden: 16 dieser Werkstätten haben noch keine Außenarbeitsplätze. Die Zahl der Außenarbeitsplätze ist mit 6 % insgesamt zu gering.

Noch viel unbefriedigender ist die Situation bei der Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Hier liegen Sachsen und die Bundesrepublik bei deutlich unter 0,5 %.

Nach § 136 Abs. 1 des SGB IX haben die Werkstätten den gesetzlichen Auftrag, die dafür geeigneten Personen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu überführen. Diese Aufgabe ist in dreifacher Hinsicht schwierig. Zunächst haben sich diese Menschen an das soziale Umfeld gewöhnt, und sie müssen für diesen Schritt begeistert werden. Sie brauchen die Unterstützung der Wirtschaft,

um solche Arbeitsplätze vorzuhalten. Letztlich verlassen mit diesen Menschen die Leistungsträger die Werkstätten für behinderte Menschen.

Ich will daran erinnern, dass diese Werkstätten für behinderte Menschen einen nicht unerheblichen Teil ihres finanziellen Budgets selbst erarbeiten und diese deshalb nicht so leicht auf ihre Leistungsträger verzichten möchten. Notwendig bleibt aber dieses Vorgehen in doppelter Hinsicht: Erstens geht es darum, für diese Betroffenen höhere Lebensziele zu erreichen. Ich will es mit aller Deutlichkeit sagen: Es führt zu einer Kostendämpfung, und ich gehe sogar so weit zu sagen: Es ist ein klassisches Beispiel dafür, dass sich Kostendämpfung und Qualitätsverbesserung nicht ausschließen müssen.

Hinzu kommt, dass wir es ständig mit steigenden Zahlen für diese Behindertenwerkstätten zu tun haben, sodass wir es auch aus Kapazitätsgründen nötig haben. Der Kommunale Sozialverband hat im Dezember 2009 ein entsprechendes Maßnahmenkonzept erarbeitet, mit dem das Ziel, mehr Menschen in Außenarbeitsplätze zu bekommen, generell mehr Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren, erreicht werden kann. Unser Antrag soll den KSV in seiner Arbeit unterstützen und insgesamt dazu dienen, dass diese hehren Ziele erreicht werden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Für die FDP-Fraktion als zweite Rednerin der einreichenden Fraktionen spricht die Abg. Schütz. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Wir gehören zu euch!“ Diesen Titel eines Artikels einer sächsischen Tageszeitung, der vor Kurzem erschienen ist, sehe ich noch vor Augen. „Wir gehören zu euch!“ – ein Satz, den man als Tatsache verstehen kann, aber auch als Forderung. In diesem Artikel wurden uns drei Menschen vorgestellt, die ihren Willen kundtun, aber auch ihren tagtäglichen Kampf schildern, trotz ihrer Behinderung am Leben, am Arbeitsleben, teilzunehmen. Alle drei waren beruflich aktiv, ob als Telefonistin in der Dresdner Filiale der Deutschen Bundesbank oder an einem Computerarbeitsplatz im Sozialministerium.

Was bedeutet diese Teilnahme am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung? Sie bedeutet die Möglichkeit des sozialen Kontakts, Unabhängigkeit von staatlichen Hilfesystemen, die Möglichkeit einer individuellen und selbstbestimmten Lebensgestaltung, eine zeitliche Tagesstruktur, Selbstwertgefühl und Zufriedenheit – kurzum genauso viel wie für uns; Erwerbstätigkeit bedeutet für die Betroffenen genauso viel wie für uns Menschen ohne Behinderung.

Oftmals sind aber die Menschen ohne Behinderung von dieser Einstellung noch ein Stück weit entfernt, weil wir nicht glauben können, dass Behinderte genauso leistungs

fähig sind wie wir, und dieses Bewusstsein in unseren Köpfen noch nicht angekommen ist. Dennoch ist es für die Behinderten nach wie vor schwierig, eine passende Tätigkeit zu finden. Die Erwerbsquote von schwerbehinderten Menschen ist in der Regel deutlich geringer als die von Menschen ohne Behinderung. Deshalb brauchen diese Menschen unsere Unterstützung, nicht nur von uns Politikern, denn wir können bekanntermaßen keine Arbeitsplätze schaffen, sondern vor allen Dingen von den Unternehmen. Deren Hilfe ist nicht nur bei den Außenarbeitsplätzen, deren Zahl wir mit unserem Antrag erhöhen wollen, wichtig, sondern sie spielen beispielsweise eine existenzielle Rolle als Integrationsfirmen, und zwar dann, wenn wir die Behinderten auf den ersten Arbeitsmarkt bringen wollen.

Die Wirtschaftsunternehmen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu sensibilisieren und die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Menschen mit Behinderung bekannt zu machen ist das Ziel der Allianz zur Beschäftigungsförderung.

Im April hatte das Modellprojekt „Support“ seinen ersten öffentlichen Auftakt. Kleine und mittlere Unternehmen werden rund um das Thema „Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung“ gezielt unterstützt und beraten. Das ist es doch, was diese Firmen brauchen, wenn sie sich diesem Thema annähern: Service aus einer Hand.

Dass das Thema von großer Bedeutung ist, zeigte die Resonanz bei der Auftaktveranstaltung. Neben Vertretern von staatlicher Seite, das heißt, des Ministeriums für Soziales und Verbraucherschutz und des Kommunalen Sozialverbandes, waren auch Sozial- und Wirtschaftsverbände, Bildungsdienstleister und Unternehmer dabei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus diesem Grund möchten wir die Potenziale der Werkstätten für behinderte Menschen ausschöpfen. Von den 60 Werkstätten in Sachsen halten – wie mein Vorredner schon sagte – 16 Werkstätten keine ausgelagerten Arbeitsplätze vor. Diese Außenarbeitsplätze stellen eine Maßnahme dar, die Integration für den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten, und zwar für Werkstattbeschäftigte, die für den allgemeinen Arbeitsmarkt grundsätzlich geeignet sind.

Der Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist schwierig und tritt nur im günstigsten Fall ein. Das ist mir durchaus bewusst, aber ich möchte die gegebenenfalls vorhandenen Reserven nicht ungenutzt liegen lassen. Jede Werkstatt sollte Außenarbeitsplätze vorhalten, um die Möglichkeit für die Beschäftigten zu schaffen, auch über den Tellerrand hinauszuschauen und Arbeitsmarkterfahrung unter realen Bedingungen zu sammeln.

Wichtig ist, dass jeder Mitarbeiter an der Stelle im Unternehmen eingesetzt wird, an der er seine Fähigkeiten und Neigungen entfalten kann. Die beruflichen Wünsche der Menschen mit Behinderung müssen ernst genommen werden. Seine Potenziale müssen aber auch realistisch eingeschätzt werden. Nur dann sind die Mitarbeiter auch

mit ihrer Arbeit zufrieden, und das Unternehmen profitiert von dem guten und motivierten Einsatz.

Ich komme zum Schluss. Bewusstseinswandel, wie ich ihn in meiner Rede dargestellt habe, kann nicht verordnet, aber auf alle Fälle unterstützt werden. Ich erinnere an die Aktion auf EU-Basis, die von Sommer 2006 bis September 2007 für junge Leute unter dem Motto „Alle anders – alle gleich!“ stattfand. An dieser Aktion sollten wir uns in diesem Hohen Haus ruhig ein Beispiel nehmen.