Wie gesagt, kein Mensch wird ohne Fehler geboren. Das Außergewöhnliche und das Besondere gehört zu unserem Leben, macht es lebbar und macht es lebendig. Von daher bitte ich um Unterstützung zu unserem Antrag.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist sinnvoll und notwendig, dass sich der Sächsische Landtag in bestimmten Abständen mit Problemen, Schwierigkeiten und – ich sage auch – Nöten behinderter Menschen in unserer Gesellschaft im Freistaat Sachsen beschäftigt. Insofern unterstützen wir das.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren – das sage ich ganz freundlich, obwohl ich mich vorhin sehr geärgert habe –, ich hätte mir für diese Debatte einen Antrag gewünscht, der eine bestimmte Grundqualität hat. Dieser Antrag – das kann ich Ihnen nicht ersparen, meine sehr verehrten Damen und Herren – hat kaum Substanz. Ich weiß nicht, worüber wir im Detail – wenn man nur den Antrag betrachtet – debattieren sollen.
Sie haben in Ihren Redebeiträgen das Anliegen erweitert. Das war gut so. Aber manches hätten Sie bereits in Ihrem Antrag verankern müssen. Diesen Kritikpunkt muss man Ihnen ins Stammbuch schreiben.
Wenn man sich das Ganze ansieht, stellt sich die Frage: Wann soll denn wer berichten? Soll heute die Staatsregierung berichten? Sie haben den Antrag faktisch ohne Stellungnahmeersuchen an die Staatsregierung heute auf die Tagesordnung gesetzt. Man möchte doch wenigstens wissen, wann ein substanzieller Bericht wenigstens zu den zwei relativ bescheidenen Punkten, die Sie hier anbieten, kommen soll. Das müssen Sie wenigstens hineinschreiben. Oder war die Not so groß, dass Sie keinen anderen Antrag hatten und nach der Devise, wir wollen mal über Behinderte reden, vorgegangen sind?
Die nächste Frage: Wo sind, wenn wir über einen solchen Antrag debattieren – und wir hatten hier schon sehr
substanzielle Debatten zur Problematik behinderter Menschen –, die Vorschläge der Koalition? Das Einzige, wobei Sie die Staatsregierung mit einer Aufforderung konfrontieren, sind die Außenarbeitsplätze. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu gibt es bereits ausreichende Regelungen. Das kann ja wohl nicht das Einzige sein, was wir im Sinne der Beschäftigung behinderter Menschen im Freistaat tun können!
Wenn wir schon eine solche Debatte führen, dann will ich Ihnen in sieben Punkten, zunächst in Fragestellungen, deutlich machen, wozu wir wirklich einen Bericht, eine Analyse und eine Veränderung brauchen. Das hätte man in einem solchen Antrag verankern können. Ich kann Ihnen ankündigen: Wir werden Sie auch in den folgenden Monaten, im Rahmen dieser Legislaturperiode, immer wieder auf wichtige Dinge aufmerksam machen. Bereits morgen haben wir eine entsprechende Debatte. Wenn Sie schon keine substanziellen Anträge in dieser Angelegenheit zustande bringen, dann müssen wir Ihnen auf die Sprünge helfen.
Erstens. War die vorrangige und ausschließliche Förderung von Behindertenwerkstätten in diesem Ausmaß notwendig – das muss man nach 20 Jahren anfragen dürfen – oder hätte man nicht andere Wege mit den gleichen kostenintensiven Einträgen beschreiten müssen? Ich erinnere Sie: Wenn wir ähnlich hohe Mittel – die Mittel waren sehr hoch, das gebe ich zu und das ist uns bekannt – beispielsweise für Integrationsprojekte eingesetzt hätten, dann müssten wir heute vielleicht gar nicht mehr über das Problem von Außenarbeitsplätzen sprechen.
Also wäre diese Frage nach 20 Jahren zu stellen. Wir müssen das Problem der Behindertenwerkstätten doch einmal auf den Prüfstand stellen dürfen. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Behindertenwerkstätten sind für viele behinderte Menschen notwendig und eine sinnvolle Bereicherung ihres Lebens, aber – jetzt kommt mein Aber – eben nicht für alle. Viele, die heute in Behindertenwerkstätten sind – das ist im Redebeitrag der CDU zumindest angedeutet worden –, könnten sehr wohl an anderer Stelle im Arbeitsmarkt platziert werden oder sich selbst dort engagieren.
Zweitens. Wie soll denn die Regierung auf Außenarbeitsplätze – als einzigen dürren Punkt Ihres Antrages – einwirken? Wie soll denn das gehen? Wie wollen Sie solche Dinge umsetzen? Sie haben doch alle Macht in die Hand des kommunalen Sozialverbandes – früher: Landeswohlfahrtsverband – gegeben. Die Staatsregierung hat doch ganz bewusst auf Gestaltungsspielräume verzichtet, was wir immer kritisiert haben. Was soll das dann? Das ist ein Alibipunkt, wie Sie ihn angelegt haben.
Drittens. Wie können Werkstätten für Behinderte zum Umdenken in mancherlei Hinsicht stimuliert werden? Sollten wir nicht – von mir aus auch per Unterstützung –
finanziell viel stärker fördern, wenn Menschen aus den Behindertenwerkstätten zumindest auf den Außenarbeitsplatz wechseln oder vielleicht sogar den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt schaffen? Appelle allein nützen nichts. Hierzu erwarten wir konkrete Vorschläge, wie das unterstützt werden kann. Im Grundanliegen, dass das geschehen muss, sind wir uns doch einig.
Viertens. Wie hat sich die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen seit Inkrafttreten von Hartz IV entwickelt? Wir hatten – das kommt nächsten Monat an die Reihe, das darf ich Ihnen schon ankündigen – im Rahmen einer jetzt von der Staatsregierung beantworteten Großen Anfrage zu fünf Jahren Hartz IV danach gefragt. Was lese ich? Die Staatsregierung hat darüber keine Erkenntnisse.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fordern heute die Staatsregierung zu bestimmten Dingen auf, und nicht einmal zu dieser substanziellen Sache hat sie irgendwelche Erkenntnisse. Wie will sie denn dann überhaupt handeln? Das muss ich an dieser Stelle deutlich und scharf kritisieren.
Fünftens. Das ist ein generelles Problem, gehört aber zum Thema: Ist die Höhe der Ausgleichsabgabe noch zeitgemäß? Die FDP würde sie am liebsten ganz abschaffen; das ist mir völlig klar. Aber ich sage Ihnen: Wenn es für manchen Unternehmer und auch für den öffentlichen Dienst in vielerlei Hinsicht lukrativer ist, lieber die Ausgleichsabgabe zu entrichten, anstatt behindertengerechte Arbeitsplätze zu schaffen, dann muss man darüber nachdenken, ob das noch zeitgemäß ist.
Wir plädieren dafür – und sind uns darin mit Behinderten- und Sozialverbänden einig –, zu prüfen und nachzudenken, ob wir diese Ausgleichsabgabe, wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, nicht endlich beträchtlich erhöhen müssen. Ich sage auch, dass es von mir aus wehtun kann, wenn man die Barriere, behinderte Menschen einzustellen, nicht überspringt.
Sechstens. Reichen die gesetzlichen Bestimmungen in Sachsen für eine stärkere Integration behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt aus? Jetzt kommen Sie mir nicht und sagen, das sei alles Bundesrecht und hier könnten wir gar nichts tun. Ich sage Ihnen – und darauf werden Sie sich einstellen müssen –: Wir werden auch den dritten Anlauf für ein vernünftiges Gleichstellungsgesetz behinderter Menschen im Freistaat Sachsen beschreiten müssen, weil das gegenwärtig gültige Integrationsgesetz nicht greift. Wir haben Ihnen das immer gesagt und wir werden nicht lockerlassen und entsprechende Dinge vorschlagen. Ich hoffe, dass sich dann auch andere Fraktionen unserem Vorhaben anschließen.
Siebtens. Damit greife ich ein Problem, was ich schon angedeutet habe, abschließend auf: War denn die Kommunalisierung, insbesondere die Eingliederung behinderter Menschen betreffend, wirklich der Königsweg? Darüber müssen wir nachdenken. Das führte doch dazu, dass der Freistaat die Staatsregierung völlig aus ihrer
Verantwortung entlassen hat. Im Prinzip ist bestenfalls noch ein Kontrollelement, aber keinerlei Gestaltungselement mehr vorhanden. Alles ist auf den kommunalen Sozialverband übergegangen.
Das kann man gut finden. Ich habe es hier schon vor vielen Jahren kritisiert, dass sich die Staatsregierung auf den Weg begeben hat, sich aus der eigenen Verantwortung für die Daseinsvorsorge im sozialen und speziell in diesem Bereich zu entziehen. Jetzt haben wir die Situation. Sie können Anträge stellen, wie Sie wollen, dass die Staatsregierung hier und da eingreift. Sie werden daran scheitern, weil die Staatsregierung immer sagen kann, dass dafür doch die Kommunen zuständig sind.
Genau das ist ein Weg, den wir überdenken müssen. Das hat auch damit zu tun, dass die Kommunen bei ihrer finanziellen Situation auch im kommunalen Sozialverband – ich gehörte lange der Sozialversammlung an – immer wieder deutlich gemacht haben: Wir haben kein Geld. Wir können das nicht fördern. Die Behindertenwerkstätten sind viel zu teuer. Dies und jenes ist zu teuer. Es wird doch immer mehr nach Kassenlage entschieden. Das ist mit dadurch bedingt, dass sich die Staatsregierung aus ihrer Verantwortung gezogen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden selbstverständlich Ihrem Antrag zustimmen, aber ich sage Ihnen: Dieser Antrag wird nichts, aber auch gar nichts bewegen. Aber er schadet auch nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Artikel 27 der UNBehindertenrechtskonvention ist das Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderung festgeschrieben. Somit ist der vorliegende Antrag nicht mehr und nicht weniger als die logische Konsequenz der Ratifizierung der UNBehindertenrechtskonvention, für die auch die beiden heutigen Regierungsparteien gleichermaßen verantwortlich zeichnen.
In Sachsen sind – das haben wir gerade gehört – knapp 16 000 Menschen in Werkstätten für Menschen mit Behinderung beschäftigt. Im Jahr schaffen es gerade einmal 15 davon, auf dem ersten Arbeitsmarkt zu landen. Damit wir uns hier nicht missverstehen – ich möchte damit die Arbeit in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung nicht angreifen, und sie soll auch nicht überflüssig gemacht werden. Vielmehr sollten wir diese Debatte nutzen, um uns bei den Mitarbeitern in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung für ihre hervorragende Arbeit zu bedanken.
Wir werden diese Arbeit auch in den kommenden Jahren brauchen. Doch was wir auch benötigen, ist Wahlfreiheit,
Wahlfreiheit für Menschen mit Behinderung, ob sie in einer geschützten Werkstatt tätig sein oder ob sie den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt wagen wollen. Das ist besonders wichtig, da ihnen im Moment dieser Sprung erschwert wird durch den Verlust des Status „Mensch mit Behinderung“ oder verminderte Rentenansprüche. An dieser Stelle müssen wir arbeiten, doch dazu habe ich in dem Antrag leider nichts gefunden.
Die Perspektive, sehr geehrte Damen und Herren von der FDP, die leider bei dieser Debatte nicht mehr so zahlreich anwesend sind, aus der Sie sich diesem Thema nähern, ist die Perspektive der Leistungsfähigkeit und die Perspektive der Potenziale. Es ist richtig, dass Menschen mit Behinderung viel leisten können. Aber ich möchte Ihnen auch sagen, dass die Würde des Menschen niemals in Abhängigkeit zu seiner Leistungsfähigkeit steht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie eine Vielzahl von Beschäftigungsverhältnissen in Sachsen genauer ansehen, werden Sie sich die Frage stellen müssen, was wir Menschen – ob mit oder ohne Behinderung – zumuten können, ohne ihre Würde zu gefährden. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wie es sie noch viel zu oft gibt, erschweren Menschen mit Behinderung den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt. Daher muss der Integration von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt ein entschlossener Kampf gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorausgehen.
Mein Appell an die Staatsregierung lautet deshalb: Ergreifen Sie Maßnahmen, um menschenwürdige Beschäftigungsverhältnisse in allen Branchen für Sachsen zu gewähren! Damit helfen sie Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Menschen mit und Menschen ohne Behinderung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu einer Zeit, in der landauf, landab die UN-Behindertenkonvention diskutiert wird und Begriffe wie Barrierefreiheit und Inklusion überall zu hören sind, hätte ich mir schon gewünscht, dass Sie Ihren Antrag in diese Beziehung setzen. Was Sie uns heute vorlegen, ist ein Schmalspurantrag, der zum Ziel hat bzw. die Staatsregierung auffordert, darüber zu berichten, wie man mehr Außenarbeitsplätze schaffen könnte.
Wenn man die UN-Konvention ernst nimmt, geht es um Inklusion in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft und um selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft, zum Beispiel: Schule, Wohnen, politische Partizipation und natürlich auch Arbeit. Inklusion ist das erklärte Ziel, und der Weg dahin sind durchaus nicht nur Außenarbeitsplätze.
Wir haben verschiedene Möglichkeiten, um Inklusion zu verwirklichen. Unterstützte Beschäftigung und auch das von Herrn Pellmann angeführte Instrument der Ausgleichsabgabe kann genutzt werden, um Unternehmen anzuregen, mehr Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu schaffen.
Wenn wir Lebensläufe von Menschen mit Behinderung betrachten, sehen wir einen gewissen Automatismus. Die Bildungskarriere beginnt in der Förderschule, geht weiter über den Berufsbildungsbereich bis in die Werkstatt für Menschen mit Behinderung, wo diese meistens bis zum Eintritt des Rentenalters verbleiben. Der Gesetzgeber formuliert aber auch an die Werkstätten eine ganz andere Aufgabe, nämlich die Vorbereitung der Mitarbeitenden auf den ersten Arbeitsmarkt.
Nach Vorstellung des Gesetzgebers sollen geeignete Beschäftigte nur für eine bestimmte Zeit in der Werkstatt tätig sein. Jetzt müssen wir uns fragen, was die Hemmnisse sind, die dazu führen, dass Menschen mit Behinderung in vielen Fällen ein Leben lang in einer Werkstatt arbeiten, ohne die Arbeit der Werkstätten – das haben die Vorredner auch schon gesagt – in irgendeiner Weise nicht hoch genug zu schätzen.