Ich wünschte mir sehr, dass all diejenigen Leute, auch hier im Hohen Haus, die so häufig über Menschenrechte, über Frauenrechte, über Kinderrechte reden, auch ein wenig an die Menschen in Afghanistan denken würden. Das tun sie nicht. Aber der wahre Grund ist ein anderer, weshalb die Bundeswehr in Afghanistan ist: der internationale Terrorismus, der heute bekanntermaßen in Form einer asymmetrischen Bedrohung auch uns direkt betrifft.
(Jürgen Gansel, NPD: Sie lassen die Moslembande auch noch nach Deutschland. Das haben wir doch gestern gehört!)
Es ist ein schrecklicher Trugschluss zu glauben, wir stünden nicht im Visier. Haben Sie denn nicht zur Kenntnis genommen, dass es die Sauerland-Gruppe gibt?
Meine Damen und Herren! Ich möchte unseren Soldaten sagen: Die Bundeswehr wird nur ihren Auftrag erfüllen können, wenn sie sich auf den nötigen Rückhalt in unserer Gesellschaft verlassen kann. Das kann sie mit einem sofortigen Abzug nicht. Ich sage nur, wie es weitergeht: Die Londoner Strategie ist das beste Beispiel, wie jetzt ein geordneter Übergang von Verantwortung der internationalen Gemeinschaft auf Selbstverantwortung von Afghanistan hergestellt wird. Ich gehe davon aus, dass der Abzug ab 2011 geordnet beginnt. Wer jetzt das Herausgehen aus Afghanistan verlangt, handelt unverantwortlich, und das können wir nicht billigen.
Für die CDU-Fraktion sprach Herr Prof. Schneider. – In der Rednerreihe folgt Frau Kollegin Kliese für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Für und Wider des Afghanistaneinsatzes zu diskutieren ist weder Aufgabe des Sächsischen Landtages noch besonders gewinnreich, denn die Positionen der politischen Parteien sind zuletzt in der Bundestagsdebatte – wo dieses Thema hingehört – ausreichend erörtert worden.
Sowohl der Argumentation der Befürworter des Einsatzes als auch der Begründung derer, die einen sofortigen Abzug der Truppen fordern, liegt ein nachvollziehbares Verständnis von Politik zugrunde, das Max Weber einst in
Gesinnungsethik und Verantwortungsethik unterschieden hat. Die Verantwortungsethik beschreibt ein Handeln, dessen Ergebnis wichtiger ist als das Motiv. Gesinnungsethikern hingegen ist das reine Motiv des ethischen Handelns wichtiger als das Resultat. Der hier vorliegenden Initiative der NPD-Fraktion liegen allerdings weder gesinnungsethische noch verantwortungsethische Motive zugrunde.
(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der CDU und der Linksfraktion – Jürgen Gansel, NPD: Sowohl als auch!)
Ein Gesinnungsethiker, so meinte Max Weber, eigne sich zum Heiligen, ein Verantwortungsethiker zum Politiker. Für beides stellt die NPD kein Personal zur Verfügung.
Der Pazifismus der Linken ist ihr ebenso fremd wie ein Bekenntnis zu den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder etwa ein ernsthaftes Interesse und Verantwortungsbewusstsein für die menschenrechtliche Situation in anderen Ländern. Ihre Veröffentlichungen, in denen sie vor einer Niederlage der Deutschen in Afghanistan warnt, atmen den Geist eines größenwahnsinnigen nationalistischen Deutschlands, das längst und aus gutem Grund untergegangen ist.
Ist man sich innerhalb der demokratischen Fraktionen auch uneins über die Ausübung des Mandats in Afghanistan, so herrscht doch Einigkeit darin, wenn es darum geht, die Initiative der NPD-Fraktion zu diesem Thema zu bewerten. Sie ist genauso durchsichtig wie primitiv. Sie basiert auf der Angst – ich zitiere aus einer Pressemitteilung der NPD – „dass mit Afghanistan ein neues Trauma für deutsche Soldaten geschaffen wird, nachdem Deutschland bereits zwei Weltkriege verloren hat“. Damit zeigt uns die NPD zweierlei: zum einen, dass sie den Einsatz der deutschen Soldaten in Afghanistan in seinem Wesen in keiner Weise begriffen hat, und zum anderen, dass sie das Leben der deutschen Soldaten über das Leben anderer Menschen stellt, denn wo blieb ihr Aufschrei, als es erstmals zivile Opfer in Afghanistan zu beklagen galt?
(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der CDU und der Linksfraktion – Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD)
Wir, die demokratischen Fraktionen im Sächsischen Landtag, betrauern natürlich sächsische deutsche Soldaten, aber unser Mitgefühl gilt gleichermaßen den Familien und Angehörigen der Opfer der Zivilbevölkerung in Afghanistan.
Die NPD-Fraktion stellt diesen Antrag nicht, weil sie gegen den Krieg ist. Sie bemüht sich noch nicht einmal,
ihre zutiefst antihumanistischen Beweggründe zu verbergen. Doch eines sollte den Rechtsextremisten im Parlament klar sein: Die Deutschen sind nicht für einen deutschen Sieg in Afghanistan.
Herr Apfel, vielleicht bringen Sie mal Ihren Kameraden Gansel ein wenig zur Disziplin. Das zählt doch zu Ihren Primärtugenden.
Es geht vielmehr darum, die afghanische Regierung auf ihrem Weg in Eigenverantwortung, Freiheit und Unabhängigkeit zu unterstützen und ihr beim Aufbau demokratischer Strukturen zu helfen. Eine Etablierung demokratischer Strukturen war auch in Deutschland nach 1945 notwendig und nicht ohne Unterstützung anderer Länder möglich. Weshalb es überhaupt so weit kommen musste, hat die Mehrheit der Menschen in Deutschland nicht vergessen. Genau deshalb wird die NPD-Fraktion mit solchen und anderen Initiativen nicht in diesem Hause und auch nirgendwo sonst erfolgreich sein.
Das war Frau Kollegin Kliese von der SPD-Fraktion. – Gibt es Redebedarf von weiteren Rednern in der ersten Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Wir kommen damit zur zweiten Runde. Die einbringende Fraktion der NPD ergreift das Wort mit Herrn Storr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich nun seit fast neun Jahren im Krieg in Afghanistan. Natürlich stellt sich nach neun Jahren – das sind immerhin einige Jahre mehr, als der Zweite Weltkrieg gedauert hat – die Sinnfrage. Die Sinnfrage ist in Meinungsumfragen durchaus zu erkennen, sie ist aber auch zu erkennen, wenn man mit Bundeswehrsoldaten spricht. Ich hatte die Ehre, in der letzten Woche an einem Besuchergespräch teilzunehmen, zu dem Teilnehmer der Offiziersschule des Heeres im Sächsischen Landtag waren. Ganz zum Schluss stellte ein Oberstleutnant eine sehr interessante Frage. Er fragte nämlich die Landtagsabgeordneten – neben meiner Wenigkeit waren das Herr Gebhardt und Herr Günther: Stehen Sie noch hinter uns?
Ich glaube, diese Frage sagt sehr viel über den Zustand, auch über die Zweifel, die es mittlerweile nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Bundeswehr gibt. Ich bin mir sicher, dass das Eintreten der Bundestagsfraktionen außer der Linken für den Afghanistankrieg wohl kaum gemeint sein kann, denn das steht ja bekanntermaßen bis heute nicht infrage. Für die Gesamtsituation ist aber auch das Lavieren des Bundesverteidigungsministers zu Guttenberg oder auch der Bundeskanzlerin Angela
Das, glaube ich, sind Feststellungen, um die niemand hier herumkommen kann. Der Unterschied ist nur: Wir sagen es ganz offen.
Merkel bezeichnend. Es zeigt sich, dass man bis heute, obwohl der Krieg in Afghanistan neun Jahre andauert, nicht bereit ist, ganz offen davon zu sprechen, dass Krieg herrscht, dass sich die Bundesrepublik Deutschland im Krieg befindet. Das zeigt auch, dass hier keine politische Führung besteht, die wirklich ihrer Verantwortung nachkommt. So viel zur Einführung, was die Verantwortungsethik angeht.
Dieser Krieg wird nicht etwa als Verteidigungskrieg geführt, sondern er ist letztendlich ein verfassungswidriger Angriffskrieg. Es ist deutlich, dass es hier nicht etwa um einen staatlichen Aufbau, um Menschenrechte oder was sonst an Politlyrik hier verbreitet wird geht, sondern es geht um die Weltherrschaftsrolle der USA, um die Sicherung von Einflusssphären international.
Die Bundeswehr hat den Status einer Hilfstruppe, die Soldaten für US-imperialistische Interessen opfern muss. Das ist die Realität, mit der Sie sich auseinandersetzen müssen.
Aber, bitte schön, wie sieht es denn mit der politischen Perspektive in Afghanistan aus? Es zeigt sich – auch die ganze Diskussion der letzten Monate zeigt das –: Es gibt keine Perspektive, die überhaupt einen Sinn für diesen Afghanistan-Krieg vermitteln kann. Wir haben in Afghanistan eine korrupte Regierung. Der Bruder des afghanischen Staatspräsidenten Hamid Karsai, Herr Ahmed Wali Karsai, gilt zum Beispiel als einer der größten Drogenhändler Afghanistans. Es ist bekannt, dass in Afghanistan die Soldaten und die Polizei, also die afghanischen Soldaten und die afghanische Polizei, überhaupt nicht zuverlässig sind, ja, teilweise sogar zu den TalibanVerbänden überlaufen. Wir müssen in diesem Raum auch konstatieren: Diese Völker in Zwischenasien sind unfähig zur Staatenbildung, weil dort immer noch Clanstrukturen die politischen Strukturen vorgeben.
Wir müssen auch feststellen: Die Polizeiausbildung, an der sich die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich beteiligt, ist unterfinanziert, personell unterbesetzt und damit wirkungslos.
Wir müssen weiter feststellen: Die Taliban sind bis heute nach neun Jahren nicht geschlagen und kontrollieren seit 2006 in mehr als der Hälfte des Landes.
Lassen Sie mich noch einen Aspekt nennen, den man auch nicht unterschätzen sollte: Die Attentäter des 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York haben die Sprache des Gastlandes gesprochen, hatten eine akademische Ausbildung, waren äußerlich angepasst.
Trotzdem waren sie Terroristen. Das zeigt: Die terroristische Bedrohung kommt nicht von außen, sondern hat ihren Bodensatz in den multi-ethnischen Zuwanderungsgesellschaften des Westens. Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt.
Meine Damen und Herren! Gibt es jetzt weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Den kann ich nicht feststellen. Von der Staatsregierung sehe ich keinen Redebedarf.
Damit sind wir am Ende dieser 2. Aktuellen Debatte angekommen. Die Aktuelle Stunde ist abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt 2 beendet.
Wir treten jetzt in eine Mittagspause ein. Ich erinnere noch einmal daran, dass sich das Präsidium im Saal 2 trifft.