Protocol of the Session on April 29, 2010

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das kann man erwarten. Dass Sie natürlich im Wahljahr noch eine Investitionspauschale drin haben, die Sie überhaupt erst über diese Prozentzahlschwelle gehoben haben, kann ich verstehen. Dass Sie sie nach dem Wahljahr herausstreichen, kann ich auch noch verstehen. Wenn Sie aber erwarten, dass die Kommunen in den nächsten Jahren weiterhin Investitionen tätigen, dann müssen Sie den Kommunen außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes Investitionsmittel zur freien Verfügung geben, damit Sie die Kofinanzierung der Programme des Landes überhaupt hinbekommen. Das müssen Sie. Sie kommen gar nicht umhin. Da können Sie Absagen erteilen, so viele Sie wollen. Dann sagen die Kommunen einfach: Schön, dann wird aber bei uns nichts mehr stattfinden. Und dann haben wir meines Erachtens insgesamt als Land ein Problem.

Insofern höre ich es gern, dass Sie sagen, Sie wollen die Einnahmenbasis der Kommunen stabilisieren. Dazu gehört aber, dass Sie den Kommunen freie Verfügung über die noch verbliebenen FAG-Mittel geben und ihnen aus dem Haushalt zusätzlich eine Investitionspauschale zukommen lassen, und dafür bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

Eines möchte ich noch sagen: Die „Bild“ hat zu der Bundesdebatte gesagt: – –

Sie kommen bitte zum Schluss, Herr Scheel?

– Ja. – „Die Ostdeutschen arbeiten länger und verdienen weniger.“ Das ist das Grundproblem und die Grundkrankheit dieses Einkommensteuerhebesatzmodells. Dabei brauchen wir gar nicht zu prüfen, was da hin- und hergeht. Das bleibt das Grundproblem. Deshalb bitte ich Sie, Herr Ministerpräsident, nochmals, im Bund Ihren Einfluss geltend zu machen, damit dieses Modell auf jeden Fall nicht auf die Agenda kommt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache 5/2086. Ich bitte bei Zustimmung um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die Mehrheit gefunden und ist abgelehnt. Damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Wohnortnahe Schulen für alle sichern

Drucksache 5/780, Antrag der Fraktion der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Meine Damen und Herren! Die Fraktionen können zu dem Antrag in folgender Reihenfolge Stellung nehmen: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Aussprache ist eröffnet. Ich rufe die Fraktion der SPD auf. Es spricht Frau Abg. Dr. Stange. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch diese Aussprache mit einem Zitat beginnen: „Statt Schulen zu schließen, muss der Kultusminister Kreativität beweisen. Über jahrgangsübergreifenden Unterricht sowie die Absenkung der Mindestzügigkeit nachzudenken darf kein Tabu sein.“

Auch wenn Herr Herbst nicht im Raum ist: Im Jahre 2006 waren das seine Worte, an denen wir gern bei dem heutigen Antrag Anleihe nehmen.

Ihnen liegt ein Antrag vor, der genau diese Kreativität ein Stück mit behelfen soll. Es sind Vorschläge, die nicht neu im Raum stehen. Es geht darum, eine wohnortnahe Schule zu erhalten und zwar mit vernünftigen und qualitativ guten pädagogischen Konzepten. Die Größe einer Schule an sich sagt noch nichts über deren Qualität aus, entscheidend ist, was in der Schule geschieht.

Mit dem Antrag unterbreiten wir der Landesregierung Vorschläge im Rahmen des § 4a des gültigen Schulgesetzes. Wir sind für den Ergänzungsantrag sehr dankbar. Wenn das Schulgesetz geändert würde, wäre es leichter, diese Dinge durchzusetzen.

Die Stellungnahme des Staatsministeriums zu dem Antrag ist mehr als dünn und zeugt von einem pädagogischen Verständnis in den Schulen, was zu hinterfragen ist.

Im ersten Punkt schlagen wir vor, dass Mittelschulen auch einzügig und Gymnasien zweizügig zugelassen werden sollten. In der Stellungnahme der Staatsregierung bezüglich der Jahrgangsmischung wird unter anderem auf den Beschluss der Kultusministerkonferenz verwiesen, der es nicht zulassen würde, dass man von Bildungsgängen Abstand nimmt. Das ist leider überholt. Vielleicht sollten die entsprechenden Mitarbeiter im Kultusministerium genau hinschauen: Es gibt einen neuen Beschluss der Kultusministerkonferenz. So ganz neu ist er auch wieder nicht, er stammt aus dem Jahre 2006. Dieser war von den Ländern getragen, die verstärkt unter dem demographischen Druck stehen, nicht nur im Osten, sondern auch in den westlichen Bundesländern.

Dort steht eindeutig: „Anstelle von Kursen“ – also nicht nur von Bildungsgängen, sondern auch von leistungsdifferenzierenden Kursen – „können zur Vermeidung unzu

mutbarer langer Schulwege und zur Erprobung besonderer pädagogischer Konzepte klasseninterne Lerngruppen in Deutsch und in den naturwissenschaftlichen Fächern in allen Jahrgangsstufen – in Mathematik nur in der Jahrgangsstufe 7 – gebildet werden.“

Weiter heißt es: „Aus demografischen bzw. schulstrukturellen Gründen können in den genannten Fächern“ – dazu gehört dann auch die Mathematik – „klasseninterne Lerngruppen auf weitere Jahrgangsstufen ausgedehnt werden.“

So der Beschluss der Kultusministerkonferenz, der, so denke ich, auch in Sachsen Gültigkeit hat, wenn man ihn anwenden möchte.

Damit ist es möglich, jahrgangsgemischte Gruppen durchzuführen und Mittelschulen einzügig oder Gymnasien zweizügig zu halten. Bei der Einzügigkeit von Mittelschulen will ich vor allen Dingen auf unsere Diskussion von heute Morgen verweisen. Der überwiegende Teil der Schulen in freier Trägerschaft – der Staatsminister hat es heute Morgen dargestellt, das ist auch eine qualitative Konkurrenz für die staatlichen Schulen – ist in der Regel einzügig, weil aus finanziellen Gründen zunächst gar keine Zweizügigkeit möglich ist. Ich denke, auch dort beweisen die Schulen in freier Trägerschaft, dass es anders geht.

Was mir noch mehr Sorge bereitet, ist die Antwort in der Stellungnahme, dass sich eine individuelle Förderung von heterogenen Gruppen sehr schwer gestaltet.

Es heißt weiter: „dass... durch ungenügende Förderung sich die Chancen von Schülern, anschließend am beruflichen Gymnasium das Abitur abzulegen, verringern würden und durch ungenügende Förderung sich die Zahl von Schülern ohne Abschluss erhöhen würde.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade jahrgangsübergreifende Gruppen oder die individuelle Förderung in heterogenen Gruppen der Mittelschulen – diese sind heute schon heterogen, es gibt keine homogenen Schulklassen – machten es erforderlich, dass Lehrerinnen und Lehrer individuell fördernd unterrichten. Ich denke, hier ist es eher an der Zeit, dass die Fort- und Weiterbildung in den Schulen – dort, wo es noch nicht geschehen ist – dieser Individualität entsprechend Rechnung trägt.

Mir wird es etwas mulmig, wenn ich nur daran denke: Ich weiß nicht, wie es aussehen soll, wenn die UNBehindertenrechtskonvention in den Schulen umgesetzt werden wird und wir ein inklusives Bildungssystem umsetzen wollen, bei dem es auf eine individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern ankommt. Gerade jahrgangsgemischte Gruppen – das zeigen unsere Grundschulen in hervorragender Weise –, in denen das praktiziert wird, müssen individuelle Förderung praktizieren. Das ist die beste Voraussetzung, um Schulversagen oder Schulverweigerung bzw. einen ungenügenden Schulabschluss zu verhindern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir schlagen weiterhin vor – auch dazu war eine Anleihe bei der FDP

möglich –, Schulverbünde zu gründen, nämlich eine Schule an mehreren Schulstandorten. Mir leuchtet bis heute nicht ein, warum das in Sachsen nicht möglich sein soll, was in anderen Ländern längst möglich ist, zumal es in Sachsen seit Längerem Praxis ist, dass Schulleiter von vollständigen Schulen, zum Beispiel großen Gymnasien, über einen längeren Zeitraum Schulleiter von zwei Schulstandorten sind, weil ein Schulstandort längere Zeit leider nicht besetzt werden kann.

Ich möchte einen weiteren Punkt benennen. Natürlich ist die Gemeinschaftsschule – das zeigen uns zum Beispiel Länder wie Schleswig-Holstein, dort sind es in der Regel CDU-Bürgermeister, oder in Nordrhein-Westfalen sind es FDP-Bürgermeister – eine geeignete Möglichkeit, Schulstandorte kostengünstig zu erhalten und vor allen Dingen – das ist das, was wir gestern besprochen haben – längeres gemeinsames Lernen zur individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern umzusetzen.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die Schulwegezeiten nach wie vor nicht verbindlich festgelegt sind, sondern es möglich ist, dass Grundschüler – zugegebenermaßen nicht, wenn man den Fahrplan zugrunde legt, sondern wenn man die realen Fahrzeiten zugrunde legt – bis zu einer Stunde Fahrzeit haben, kann nicht die Normalität sein. Man muss sich das einmal überlegen: Das sind Sechsjährige oder in der 5. Klasse Zehnjährige, die im Laufe ihres Tages zwei Stunden an Lebenszeit schlicht und ergreifend in der Bahn oder im Bus verbringen.

Ich kann mich entsinnen: Vor einigen Jahren hat ein CDU-Abgeordneter bei dieser Gelegenheit gesagt – das fand ich schon ein ziemlich hanebüchenes Argument –, wie toll es doch wäre, mit anderen Schülern gemeinsam eine Stunde im Bus zu fahren. Ich finde das schon etwas ironisch. Wer weiß, was Kinder in dieser Zeit an Lebenszeit verlieren, der wird dem keine Zustimmung geben können.

Lassen Sie mich den letzten Punkt ansprechen. Wir haben es heute früh schon einmal gehört, es geht um die Angliederung von Förderschulteilen oder im ersten Schritt um die Integration von Kindern mit diagnostiziertem Förderbedarf in die normalen Schulen. Das wäre ein erster und notwendiger Schritt, auch auf dem Weg zur inklusiven Schule weiterzukommen und die Integration zu fördern. Auch hier geht mir die Entwicklung viel zu langsam voran. Die Stellungnahme ist bei Weitem nicht befriedigend. Es geht nicht nur um bauliche Voraussetzungen, denn es handelt sich nicht nur um Körperbehinderte, die hier integriert werden können und sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir möchten diesen Antrag gern zur namentlichen Abstimmung stellen, und auch hierzu nehme ich gern Anleihe bei Herrn Zastrow. Herr Zastrow hat in seinem Redebeitrag im Jahre 2005 an dieser Stelle gesagt: “Dann werden die Wähler sehen, wie sich ihre Abgeordneten positionieren

und welche es vorziehen, der Abstimmung einfach fernzubleiben, um ihr Abstimmungsverhalten nicht begründen zu müssen.“ Ich hoffe, dass Sie sich heute bei der namentlichen Abstimmung dieses Auftrages Ihrer Wählerinnen und Wähler bewusst sind und unserem Antrag – der zweifelsohne eine kreative Möglichkeit ist, wohnortnahe Schulen zu erhalten – Ihre Zustimmung geben werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Vielen Dank, Frau Dr. Stange. – Nun ist die Fraktion der CDU an der Reihe. Es spricht Herr Abg. Colditz; bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, nach den Ausführungen von Frau Dr. Stange ist es notwendig, noch einmal deutlich zu machen, worum es geht und vor welchem Hintergrund dieser Antrag entstanden ist.

Meine Damen und Herren! Es geht nicht – das haben wir heute Vormittag schon recht deutlich artikuliert – um eine neue Etappe der landesweiten Schulnetzplanung,

(Beifall des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

sondern es geht um 37 Schulen, die in den Eingangsklassen die Mindestvorgaben nicht erfüllen. Ich sage es noch einmal mit Nachdruck: Das bedeutet nicht, dass wir 37 Schulen in diesem Land schließen werden. Das ist nicht wahr; davon gehe ich nicht aus und davon sollten auch wir gemeinsam nicht ausgehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Kultusministerium ist zunächst an den Gesetzesbuchstaben formal gebunden. In § 4 Schulgesetz sind klare Vorgaben zu den gesetzlichen Mindestschülerzahlen ausgewiesen. Aus Sicht des Kultusministeriums können die betroffenen Schulen, die angeschrieben worden sind, die dort vorgegebenen Größen bei den Eingangsklassen nicht bilden. Ich gehe davon aus, dass es die absolute Ausnahme sein wird, dass von Schulschließung bzw. von der Nichteinrichtung von Klassen Gebrauch gemacht wird. Das wird wirklich nur der Ausnahmefall sein.

Wie gesagt, die Zahl der betroffenen Schulen hält sich in Grenzen. Mittlerweile sind es nur noch 20 Grundschulen und 17 Mittelschulen, die die geforderte Schülerzahl von 15 bzw. 20 bei den 5. Klassen nicht erreichen. Gymnasien sind völlig außen vor. Obwohl auch dort in diesem Jahr Verwerfungen existieren, gibt es keine weiteren Aktivitäten der Verwaltung in dieser Richtung.

Meine Damen und Herren! In den gesetzlichen Ausnahmefällen sind Ausnahmen von den geltenden Vorgaben zur Mindestschülerzahl zulässig. Dies gilt insbesondere bei unzumutbaren Schulwegbedingungen, auch bei Schulen mit überregionaler Bedeutung. Ich denke dabei insbesondere an die sorbischen Schulen, die wir in diesem Zusammenhang immer wieder sehr kontrovers diskutiert haben.

Deshalb sollten Sie, Frau Dr. Stange, nicht davon ausgehen, dass nur die Zustimmung zu Ihrem Antrag möglich ist, um wohnortnahe Schulen zu erhalten. Im Rahmen dieses Ausnahmenkataloges wird es sehr wohl möglich sein, wie es bereits in der Vergangenheit möglich war, wohnortnahe Schulen zu erhalten.

Trotzdem möchte ich das Ministerium gerade aufgrund der aktuellen Situation noch einmal bitten, von den Ausnahmeregelungen weitestgehend Gebrauch zu machen und dies im jeweiligen Fall zu prüfen, zumal – das habe ich heute Vormittag bereits erwähnt – zwei Bedingungen besonders zu bedenken sind: Zum einen kann es sein, dass die Mindestschülerzahlen nur temporär nicht erreicht werden. Das heißt, beispielsweise in diesem Schuljahr findet eine Unterschreitung statt und ansonsten setzt wieder eine Stabilität ein. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir gestern über eine neue Bildungsempfehlung gesprochen haben, wodurch auch Schulstandorte – dabei denke ich insbesondere an Mittelschulen – erhalten bleiben können.