Protocol of the Session on April 28, 2010

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Jähnigen hat hier Probleme geschildert, angesichts derer man auf den ersten Blick sagen könnte: eine verlockende Debatte. Führen wir sie mal! Wir sollten wirklich versuchen, die Debatte inhaltlich korrekt zu führen.

Über einen Flächentarif würde sich gerade die DB AG sehr freuen; denn damit hätte sie die Möglichkeit, ihre Wettbewerber zu zwingen, dasselbe Lohnniveau zu zahlen, das die DB AG jetzt zahlt.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Korrekt!)

Wollen wir, dass –

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Das wollen wir!)

hier in den Markt eingegriffen wird?

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Ja!)

Wir nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Stefan Brangs, SPD: Das glaube ich gern!)

Denn noch handelt es sich hier um einen freien Wettbewerb.

(Lachen der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Was dazugehört, das sollten wir auch beachten – das gilt gerade für meine Kollegen von den Linken –: Es handelt sich um Tarifrecht, das hier angetastet werden soll.

(Holger Zastrow, FDP: Ja, genau! – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wir haben doch gar keine Tarife! – Staatsminister Sven Morlok: Natürlich haben wir welche!)

Danke, Herr Staatsminister.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Scheingewerkschaften!)

Der zweite Punkt: Es geht um Standards. Klar, es würde jedem gefallen, wenn wir mehr Zugbegleiter hätten. Das stelle ich gar nicht in Abrede. Aber auch diese Standards werden von den Bestellern ausgelöst. Die Besteller sind in dem Fall die Zweckverbände. Diese wissen sehr genau, was sie bestellen; denn mit steigender Qualität und steigendem Service ist natürlich auch eine Kostensteigerung verbunden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Steigt denn die Qualität?)

Die Kostensteigerung führt dazu, dass wir die vorhandenen Regionalisierungsmittel hier überziehen würden. Egal, was wir bestellen – mehr Regionalisierungsmittel wird es nicht geben. Wer bezahlt also die Differenz? Der Nutzer. Ich glaube nicht, dass das unbedingt auf Gegenliebe stößt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Was schlägst du jetzt vor?)

Noch eine kleine Anmerkung: Es gibt das Rüffert-Urteil. Im vergangenen Jahr hat das Wirtschaftsministerium auf der Basis dieses Urteils eine Stellungnahme abgegeben. Herr Minister a. D. Jurk, Sie wissen bestimmt noch, dass Sie hier gesagt haben, dass dieser Eingriff in den Bahnbereich aufgrund dieses Urteils nicht möglich ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die CDU-Fraktion sprach Frau Kollegin Springer. – Jetzt ist die Fraktion DIE LINKE an der Reihe. Herr Kollege Stange, bitte ergreifen Sie das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will diese Debatte zunächst einmal in den Zusammenhang mit einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung einordnen, deren Ergebnisse Anfang April über die Ticker liefen. Demnach haben wir auch 20 Jahre nach Herstellung der staatlichen Einheit noch immer ein unterschiedliches Niveau im Tarifrecht bzw. in den Tarifstandards zwischen Ost und West: bei Einkommen, bei Arbeitszeit, bei Urlaub. In diesem Zusammenhang sollten wir auch die heutige Debatte betrachten.

Frau Springer, wenn Sie sagen, Sie wollten genau ein solches einheitliches Tarifrecht nicht, dann sagen Sie im Umkehrschluss: Sie wollen nicht gleiche Löhne für gleiche Arbeit. Genau das steht nämlich dahinter. Das sollte man dann dazusagen.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ich möchte an dieser Stelle den Herrn Staatsminister ausdrücklich auffordern, aus seiner Rede den Satz – ich kann ihn fast schon lesen – zu streichen, dass es sich hier ausschließlich um eine Frage der Tarifautonomie handele. Dem Bundesverkehrsminister Ramsauer folgend sollte man Verkehr, insbesondere Schienenverkehr, als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachten und damit den Regionalverkehr in Sachsen als ordnungspolitische Planungsaufgabe der Staatsregierung und des Freistaates.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie die Wettbewerbsordnung heranziehen, dann muss man klar sagen: Politische Mehrheiten, insbesondere aber die Europäische Union, haben sich entschlossen, den Verkehr in einer Wettbewerbsordnung zu organisieren. Im Ergebnis haben wir eben nicht den Wettbewerb um Qualitäts- und Versorgungsstandards, sondern wir haben Wettbewerb an der schwächsten Stelle, wie Ulrich Homburg, Personalvorstand der Deutschen Bahn AG, es bezeichnet hat, nämlich Wettbewerb um den niedrigsten Lohn im Schienenverkehr. Genau das sollte nicht Zielsetzung einer wettbewerblichen Ordnung sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an dieser Stellen den Herrn Staatsminister bitten, uns doch einmal klarzumachen, wie wir Sachsen zum Geberland machen wollen, wenn wir den Schienenverkehr in einer solchen Wettbewerbsordnung organisieren wollen und Wettbewerb gerade an der schwächsten Stelle stattfindet und wenn im Verkehrsbereich in Sachsen 35 000 Menschen arbeiten, von denen ein großer Teil mit ziemlich geringen Einkommen abgespeist wird. Man muss sich erst einmal vorrechnen lassen, wie das funktionieren soll. Das ist ebenfalls Aufgabe des Staatsministers. Damit schließt sich der Kreis zum Gestaltungsanspruch für den Staatsminister, für den Freistaat hierbei.

Wir brauchen dringend die Bindung sozialer Standards an die Vergabe der Regionalisierungsmittel für den Personenverkehr, meine Damen und Herren. Deshalb stehen wir als Linke hinter den Forderungen der Gewerkschaften für einen einheitlichen Flächentarif, denn anders werden wir es momentan nicht organisieren können. Wir unterstützen diese Forderung. Aber besser wäre die aktive Rolle der Staatsregierung und des Staatsministers bei der weiteren Ausgestaltung sozialer Standards im Schienenpersonenverkehr in Sachsen.

Wir wollen aber auch soziale Standards nicht nur auf der Leistungsseite, sondern wir wollen soziale Standards natürlich auch für die Fahrgäste in Sachsen. Das heißt für uns auch sozialer Standard, Barrierefreiheit; das heißt für uns Schienenverkehr auch im ländlichen Raum nachhaltig zu organisieren und ein integriertes Verkehrsentwicklungskonzept für Sachsen zu haben, das auch den ländlichen Raum mit alternativen Lösungen einschließt. Wir

brauchen künftig keine Entleerungsräume, sondern den Anschluss der ländlichen Räume an den Verkehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen also attraktive Angebote für Sachsen. Wir geben den Hinweis an die Staatsregierung: Unterstehen Sie sich, in der Haushaltsdebatte für 2011/2012 auch nur ansatzweise Hand an die Zuschüsse für den Personenverkehr zu legen!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die Linksfraktion war das Kollege Stange. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Kollege Brangs.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überaus dankbar für diese Aktuelle Debatte, weil sie mir auch die Möglichkeit einräumt, zu einigen Punkten Stellung zu nehmen, die aus meiner Sicht wichtig sind.

Als Erstes ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die SPD in Regierungsverantwortung, nämlich mit dem damaligen Staatsminister Jurk, versucht hat, genau diesen Konflikt, der hier beschrieben worden ist und damals bereits klar erkennbar war, zu lösen. Wir haben vor gut einem Jahr gemeinsam mit den Vertretern der Gewerkschaften und den Geschäftsführern der Zweckverbände darüber gesprochen, dass es sinnvoll ist, tarifliche Mindeststandards zu finden, um eben einen ruinösen Wettbewerb auf den Schultern der Beschäftigten zu verhindern. Die CDU hat damals schon ganz klar und natürlich erklärt, dass sie einen solchen Weg nicht mitgehen will. Das überrascht mich nicht.

So komme ich zum zweiten Teil, warum ich mich bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedanke: weil Kollegin Springer in charmanter Offenheit hier klar benannt hat, worum es eigentlich geht. Es geht hier darum, dass sie diesen Wettbewerb ausschließlich über Lohndumping und Lohndrückerei führen will und ausschließlich darüber glaubt eine Mehrheit bei den Menschen im Land zu bekommen, dass nur der Nahverkehr dann finanzierbar sei, wenn die, die dort arbeiten, zu Hungerlöhnen nach Hause gehen. Das ist genau das, was Sie hier beschreiben.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Das ist die Politik der Konservativen über Jahre. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie das noch einmal deutlich ausgesprochen haben.

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Herr Kollege?

Wollen wir warten, bis das Protokoll kommt, oder können Sie sich an das Zitat erinnern,

wo ich genau dieses gesagt habe? Das habe ich in keiner Weise gesagt.

Was haben Sie denn gesagt?

Sie können eine Zwischenfrage stellen.

Meine Zwischenfrage war, ob wir auf das Protokoll warten wollen oder ob das Zitat jetzt sofort vorgebracht werden kann, wann ich hier etwas über Lohndumping gesagt haben soll.

Wir müssen alle auf das Protokoll warten. Das ist unsere Aufgabe. Ich weiß nicht, was ich Ihnen jetzt antworten soll.