Protocol of the Session on April 28, 2010

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Organspende ist ein wichtiges und sensibles Thema. Ich finde es schade, dass uns in dieser wie auch in der letzten Legislaturperiode von der Koalition ein auf ein Berichtsbegehren beschränkter Antrag vorgelegt wurde. In diesem Fall bietet der Änderungsantrag der SPD wenigstens in Punkt 3 einen konkreten Handlungsauftrag.

Das Berichtsbegehren ist seitens der Staatsregierung mit der Stellungnahme weitgehend abgedeckt. Es beinhaltet allgemeine Maßnahmen zur Werbung für Organspende und die speziellen Dinge, die ich besonders begrüßen möchte, wie den Krankenhauspreis, der mit der Deutschen Stiftung Organspende in Mitteldeutschland vergeben wird, die Handreichung für Lehrkräfte, welche die Übernahme dieses Themas in den Schulunterricht vorbereiten soll, sowie die Arbeit der Transplantationsbeauftragten an den Krankenhäusern. Ich denke, dass sich in diesen bereits ein hohes professionelles Niveau eingestellt hat.

Trotz europaweiter Vernetzung – das ist von meinen Vorrednern bereits gesagt worden – wie Eurotransplant und der entsprechenden Zusammenarbeit, die wir als Nationaldemokraten ausdrücklich begrüßen, fehlen Organe zur Transplantation, und täglich sterben Menschen wegen fehlender Spenderorgane. Es stellt sich immer wieder die Frage: Was kann man dagegen tun?

Ich möchte in diesem Fall wie meine Vorrednerin, Frau Giegengack, auch für uns Nationaldemokraten klar sagen: Wir stehen weiterhin zum Prinzip des aktiven Einverständnisses zur Organspende und sind gegen das Prinzip des notwendigen Widerspruchs bei individueller Ablehnung. Somit ist es unsere Aufgabe, die Bürger besser als bisher zu erreichen. Nach den uns vorliegenden Zahlen haben 81 % der Sachsen prinzipiell eine positive Einstellung zur Organspende, doch – wie bereits gesagt – haben eben nicht 81 % einen Spenderausweis, sondern – wie von Frau Strempel ausgeführt – nur etwa 17 %.

Ein Verbesserungsansatz könnte aus unserer Sicht sein, intensiv bis in die Regionen zu werben. Dazu würden sich Plakatwerbungen, Anzeigen in großen Tageszeitungen und Werbung in Rundfunk- und Fernsehen sicher eignen, wobei diese eben nicht die Rendite abwerfen, die kommerzielle Werbung für Werbefirmen oder für die Medien bringen würde.

Ich möchte daran erinnern, dass es in der Medizin ein intensives Werbeprojekt bereits in einem ganz anderen Bereich gab: dem Ludwigshafener Herzinfarktprojekt. Die Bevölkerung wurde massiv durch öffentliche Werbung über die Optimierung von Behandlungsabläufen bei vermuteten Infarkten aufgeklärt. Dabei gab es ein sehr interessantes Ergebnis: Man hat die Sterblichkeit in dem Raum, in dem geworben wurde, deutlich senken können, weil die Leute schneller zur Therapie kamen und sich in diese Dinge hineindenken konnten.

Bei dem hohen Einverständnis zur Organspende, das es eigentlich gibt, müssen wir die Leute erreichen, damit sie sich mit dem Thema Organspende freiwillig mehr auseinandersetzen und sich den Ausweis selbst zulegen.

Eine weitere Anregung meiner Fraktion ist ein Organspendemobil, mit dem man beispielsweise Wochenmärkte erreichen und die Leute vor Ort zu diesem Thema aufklären könnte.

Der reine Berichtswunsch, der seitens der Koalition geäußert wurde, ist uns zu wenig. Dennoch werden wir beiden Anträgen zustimmen. Insbesondere finden wir gut, dass die SPD mit Punkt 3 wenigstens einen konkreten Handlungsauftrag an die Staatsregierung gegeben hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde der Redebeiträge der Fraktionen. Wird eine zweite Runde gewünscht? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort; bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz setzt sich seit Jahren für die Organspende ein. Und das mit gutem Grund, denn pro Tag sterben drei Menschen in Deutschland, weil es nicht genügend Spenderorgane gibt. Unsere Botschaft lautet: Organspende rettet Leben. Unser Ziel ist es, dass sich immer mehr Menschen in Sachsen als Organspender registrieren lassen.

(Beifall der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Mit diversen Aufklärungsmaßnahmen und Informationskampagnen versuchen wir unsere Bevölkerung für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren. Gleichzeitig arbeiten wir daran, alle Verantwortlichen und Engagierten in Sachsen noch besser zu vernetzen, denn mit uns arbeiten verschiedene Vereine und Selbsthilfegruppen mit eigenständigen Initiativen. Wir unterstützen ihre Arbeit zum Beispiel mit kostenlosen Organspendeausweisen. An dieser Stelle frage ich: Haben Sie alle einen solchen Ausweis, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten? Sie müssen mir diese Frage jetzt nicht beantworten, nur sich selbst müssen Sie die Antwort geben.

Weiterhin unterstützen wir diese Arbeit mit kostenlosen Werbematerialien. Außerdem führt das SMS als niedrigschwelliges Angebot auch die regelmäßigen Postkartenaktionen durch. Diese Postkarten enthalten auch einen Organspendeausweis. Weil wir damit insbesondere junge Erwachsene erreichen wollen, werden diese Karten in Kneipen und Diskotheken ausgelegt. Darüber hinaus führt mein Haus zahlreiche Veranstaltungen mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation durch, aber auch mit anderen Akteuren, beispielsweise unserer Sächsischen Landesärztekammer, den sächsischen Transplantationszentren sowie Vereinen und Selbsthilfegruppen.

Was die Selbsthilfegruppen und Vereine anbelangt, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass deren Arbeit sehr wohl finanziell unterstützt wird, und zwar auf der Grundlage der Richtlinie über die Förderung der Gesundheitsvorsorge und Gesundheitshilfe. Wie bisher stehen auch dort die Mittel zur Verfügung.

Aber, meine Damen und Herren, auch das wurde bereits deutlich in dieser Debatte: Die Spendenbereitschaft ist das eine. Es geht auch darum, dass Spenderorgane zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein müssen. Dazu gehört, dass unsere Krankenhäuser auf Organspenden gut vorbereitet sind, sowohl was die Logistik, aber auch was die menschliche, die ethische Seite anbelangt. Jeder, der sich mit diesem Thema befasst, wird mit den Grenzsituationen unseres Seins konfrontiert – sei es als Mitarbeiter im Transplantationsprozess, als Angehöriger der Verstorbenen oder als Kranker, der auf eine Spende wartet. Diese Verknüpfung von Leben und Tod hebt das Thema Organspende über die medizinischen Aspekte hinaus.

Das 2005 in Kraft getretene Sächsische Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz verpflichtet alle dafür infrage kommenden Krankenhäuser, einen Transplantationsbeauftragten zu bestellen. Diese Transplantationsbeauftragten sollen die interne Organisation der Krankenhäuser verbessern, einen effizienten Arbeitsablauf im Spendenfall sichern und vor allem dafür sorgen, dass die Angehörigen von potenziellen Spendern adäquat begleitet werden.

Das sächsische Ausführungsgesetz regelt dabei, dass die Transplantationsbeauftragten für ihre Tätigkeit und ihre Fortbildung im notwendigen Umfang freigestellt werden. Die Staatsregierung wird auch weiterhin darauf hinwirken, dass die Transplantationsbeauftragten von allen Beteiligten gut unterstützt werden. Wir werden dafür sorgen, dass weitere gute Beispiele bekannt werden.

2004 haben wir, gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation, erstmals in Sachsen ein Krankenhaus ausgezeichnet, das sich vorbildlich im Organspendeprozess engagiert. Seit 2005 finden diese Auszeichnungen von Krankenhäusern jedes Jahr gemeinsam mit den zuständigen Ministerien der Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie der DSO statt. 2009 haben wir das Universitätsklinikum Dresden ausgezeichnet.

(Beifall der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Unsere aktive Öffentlichkeitsarbeit lohnt sich, denn die Situation in unserer gemeinsamen Region Mitteldeutschland ist besser als in allen anderen Regionen Deutschlands.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist ein Dank an alle, die spenden wollen. Mitteldeutschland liegt bei der Zahl der Organspender im Verhältnis zur Einwohnerzahl bundesweit auf dem zweiten Platz 2009. 2008 hatten wir den ersten Platz.

Eines möchte ich abschließend nochmals betonen: Die Entscheidung für eine Organspende ist im höchsten Maße privat und darf nicht erzwungen werden. Es fordert jeden Menschen dazu heraus, eine persönliche Entscheidung zu treffen. Hier gibt es kein Falsch oder Richtig, und niemand hat das Recht, die getroffene Entscheidung zu kritisieren. Aber wir wollen Menschen dafür gewinnen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, auch wenn

es weit weg erscheint und vor allem so belastet ist vom Gedanken an den eigenen Tod und auch bedrohlich wirkt. Denn was passiert, wenn wir diesen Gedanken verdrängen oder Gespräche darüber vermeiden? Im Ernstfall müssen dann unsere Angehörigen entscheiden, und für diese ist die Situation ohnehin sehr schwer. Ich habe gerade kürzlich in einer Veranstaltung einen Teilnehmer sagen gehört: „Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie meine Frau zur Organspende stand. In mir herrschte Leere. Ich habe dann aber in ihrem Sinne entschieden“.

Sich informieren und dann entscheiden – dabei muss niemand fürchten, sich ein für allemal festzulegen und auch festlegen zu müssen, denn eine Entscheidung muss keine für immer sein. Deshalb engagiert sich die Sächsische Staatsregierung für eine aktive Öffentlichkeitsarbeit rund um das Thema Organspende, denn Organspende schenkt Leben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich danke Ihnen, Frau Staatsministerin, für Ihren Beitrag. Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist beendet. Wir kommen zum Schlusswort. Das hält für beide Fraktionen, die Fraktionen CDU und FDP, Frau Schütz. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dank auch Ihnen, Frau Staatsministerin, für Ihre Ausführungen, vor allem auch für das Klarstellen des Engagements der CDU- und FDP-Regierung hier bei uns in Sachsen.

Ich möchte das Schlusswort einleiten mit dem Satz, den Frau Strempel heute schon einmal genannt hat: Die Wahrscheinlichkeit, selbst ein Organ zu benötigen, ist dreimal höher, als ein Organ zu spenden. Das heißt, für jeden von uns ist die Wahrscheinlichkeit, einmal ein Organ zu brauchen, wesentlich höher, als dass er tatsächlich, vielleicht jetzt noch mit einem Angstbegriff besetzt, selbst für eine Spende infrage kommt.

Deshalb appelliere ich noch einmal an dieser Stelle an Sie! Füllen Sie einen Organspendeausweis aus! Delegieren Sie diese Verantwortung, die Sie selbst für sich haben, nicht an Ihre Angehörigen, die dann vielleicht in eine Situation kommen, die Sie nie gewollt haben, die aber dann leider so ist. Denn es wird dann nach einem mutmaßlichen Willen agiert.

Immerhin haben die Angehörigengespräche im Jahr 2009 ergeben, dass in 218 Fällen die Organentnahme von den Angehörigen abgelehnt wurde, weil sie zum Ausdruck brachten, dass sie den Willen des Verstorbenen nicht kannten, und weitere 82 Fälle, weil die Angehörigen untereinander nicht einig waren, was denn der mutmaßliche Wille des Verstorbenen hätte sein können. Das heißt, in 300 Fällen haben sich Angehörige gegen eine Entnahme von Organen entschieden. Ob das der Wille des Patienten gewesen ist, wissen wir nicht mehr.

Zu Ihrem Punkt 4. Bevor wir uns über die Rahmenbedingungen, die wir verbessern wollen, unterhalten, müssen wir uns darüber im Klaren sein, wie der Stand der Dinge vor Ort ist, wo es gegebenenfalls tatsächlich klemmt und wie Punkte gegeben worden sind. So, wie der Punkt genannt ist, ist er unausgegoren. Er ist einfach aus der Luft gegriffen und führt uns in unserem Berichtsantrag keinesfalls weiter.

Nicht selten stellt diese Entscheidung die Angehörigen vor eine enorme Belastung. Deshalb dieser Appell noch mal an Sie.

Am 5. Juni dieses Jahres ist wieder „Tag der Organspende“. Vielleicht schaffen Sie es ja, sich bis dahin zu entscheiden. Mein besonderer Appell geht noch einmal an unsere Hausärzte. 78 % der Hausärzte schätzen selbst ein, dass sie zu einer Steigerung der Organbereitschaft bei ihren Patienten beitragen können, durch ihre Einflussnahme auf die Patienten. Also, liebe Ärzte, tun Sie es auch. Klären Sie auf über den gesamten Umfang dieser Maßnahmen, die hier Leben und Tod betreffen.

Diese Fragen um Leben und Tod berühren uns. Sie sind niemals einfach. So ist es auch mit der Organspende. Es ist und bleibt Ihre eigene Entscheidung. Sie wird nirgendwo registriert. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für mich, das ist heute schon mehrfach gesagt worden: Haben Sie keine Angst, es gibt kein Richtig und kein Falsch, es gibt nur Ihre eigene Entscheidung. Deshalb sollten Sie von Ihrem Selbstbestimmungsrecht auf jeden Fall Gebrauch machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Edith Franke, Linksfraktion, steht am Mikrofon)

Ich danke Ihnen, Frau Schütz. Frau Dr. Franke?

Habe ich eine Kurzintervention – oder ist alles vorbei?

Wir sind mit der Debatte am Ende.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Bevor ich über den Antrag der einreichenden Fraktion abstimmen lasse, kommen wir zu einem Änderungsantrag, der Ihnen mit der Drucksache 5/2152 vorliegt. Frau Neukirch, Sie haben ihn bereits eingebracht. Möchte noch jemand von den Fraktionen Stellung nehmen? – Frau Schütz, bitte.

Sehr geehrtes Plenum! Es ist schon deutlich von Frau Ministerin ausgeführt worden, dass der Änderungspunkt 3 einerseits in der eigenen Verantwortung des Ministeriums liegt, also hier im Plenum nichts zu suchen hat, andererseits aber die bereitgestellten Mittel ausweist, so wie sie 2008 und 2009 eingestellt waren, auch 2010 wieder zur Verfügung stehen und bereits für Projekte zugewiesen worden sind, und zwar in der veranschlagten Höhe von 4 000 Euro, die in der Haushaltsstelle benannt wurden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Schütz. – Gibt es weitere Stellungnahmen? – Herr Dr. Pellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin doch sehr verwundert. Wir hatten hier eine sehr emotionale Debatte, die insgesamt wertvoll war, wenngleich der Grundantrag, über den wir uns verständigt haben, leider wenig Substanz hatte. Wenn Sie, verehrte Frau Schütz, sich jetzt winden und drehen, um notwendige und sinnvolle Ergänzungen, wie sie die SPD vorschlägt, damit das Ganze auch etwas Neuwert im Unterschied zu dem, was wir bisher hatten, bekommt, dann bin ich sehr verwundert und erstaunt. Das zeigt allerdings, dass wir von der nötigen Sensibilität, wenn wir gegen solche Ergänzungen stimmen, doch abrücken, und das ist für mich nicht nachvollziehbar, gerade bei diesem Thema.