Zur Aufklärung gehört für mich ebenso die Auszeichnung der Krankenhäuser hier bei uns im Freistaat bzw. in ganz Mitteldeutschland; denn nur so kann das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Organspenden entstehen, nur so kommt das Thema in den Alltag der Menschen und nur so werden Organtransplantationen als selbstverständlicher Teil der Medizin anerkannt; denn Organtransplantation ist ein Versorgungsauftrag der Krankenhäuser.
Aber auch Ärzte müssen gut informiert sein. Die Funktion der Ärzte bei der Aufklärung über die Organspende sollten und dürfen wir keinesfalls vernachlässigen. Bei Medizinern zum Beispiel, die selbst einen Organspenderausweis besitzen – das ist immerhin jeder Zweite –, liegt der Anteil derer, die in ihrer Praxis Informationsmaterial auslegen, bei 74 %. Ich denke, das ist ein erheblicher Anteil. Bei Ärzten, die selbst über keinen Organspendeausweis verfügen, sind es dagegen nur 37 %. Hier gilt insbesondere: Nur wer selbst informiert und überzeugt ist, kann bei seinen Patientinnen und Patienten wertvolle Überzeugungsarbeit leisten. Deswegen halte ich es für außerordentlich wichtig, dass unsere Ärzte in Informationsveranstaltungen dieser Art eingebunden werden.
Sie sehen, wir fordern heute mit unserem Antrag keine eventuelle Gesetzesänderung. Nein, wir appellieren noch einmal ganz deutlich an die Gebote der eigenen Selbstverantwortung, der Solidarität und letzten Endes auch der Nächstenliebe. Organspende ist kein Thema, mit dem sich das Gesundheitswesen allein auseinandersetzen muss – Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen, Eurotransplant, Transplantationszentren oder die Deutsche Stiftung Organtransplantation –, nein, dieses Thema betrifft die Gesellschaft im Ganzen und letztlich jeden Einzelnen von Ihnen.
Das war Frau Schütz von der FDP-Fraktion, meine Damen und Herren. – Die Fraktion DIE LINKE ist nun an der Reihe; Frau Abg. Lauterbach, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Vielen Dank für Ihre Beispiele, Frau Schütz und Frau Strempel. Ja, es sind Schicksale, und gerade deshalb frage ich Sie: Ist Ihnen aufgefallen, dass wir alle zwei Jahre immer über den gleichen Arbeitsstand sprechen und keinen Schritt weiterkommen? Der medizinische Fortschritt macht es möglich, dass Menschen geholfen werden kann, bei denen ein lebenswichtiges Organ nicht mehr funktioniert. Aber es ist nicht unproblematisch, da dies nur durch die Spende eines Organs eines anderen Menschen geht. Es ist die letzte Chance für einen schwerkranken Patienten, weiterleben zu dürfen, und es ist eine Perspektive für die betroffene Familie.
Wenn 70 % der Bevölkerung bereit sind, nach dem Tod Organe zu spenden, aber nur 17 % tatsächlich einen Spenderausweis haben, ist es uns offensichtlich nicht gelungen, dieses Problem zu lösen. Wir können die Menschen nicht zwingen, wie zum Beispiel in Österreich. Hier gibt es kein eigenes Transplantationsgesetz. Die Regelungen befinden sich in einem Bundesgesetz. Die wesentliche Bestimmung ist die sogenannte Widerspruchslösung, nach der die Entnahme nur dann zulässig ist, wenn eine Erklärung vorliegt, mit der eine Organspende ausdrücklich abgelehnt wird – sicher nicht unkri
tisch zu betrachten. Aber da wir in Sachsen viele österreichische Ärzte haben, sollten wir ihre praktischen Erfahrungen nutzen. Ich denke, wir sollten ins Gespräch kommen, Frau Staatsministerin.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, mittlerweile ist in der Tat eine Reihe von Kampagnen entstanden, die eine finanzielle, materielle oder moralische Unterstützung finden. Es gibt ein Netzwerk von Stiftungen, Vereinen und Selbsthilfegruppen, die mit den hauptamtlichen Trägern zusammenarbeiten. Die Hauptlast der Öffentlichkeitsarbeit liegt meist auf den Schultern der ehrenamtlich Tätigen. Zerstören wir nicht das, was hier mühsam aufgebaut wurde! Die Staatsregierung lobt sich in ihrer Antwort mit der guten Förderung der Selbsthilfe der Vereine und Betroffenengruppen und kürzt aktuell die Haushaltsmittel genau für diese Gruppen um bis zu 50 %. Das ist einfach nicht fair.
Wie auch immer: Wir werden nicht umhinkommen, dass sich mehr Menschen bereit erklären müssen, ihre Organe zu spenden, wenn ihr Leben nicht aufrechterhalten werden kann. Das ist eine schwierige Frage, die sich mit diesem vorliegenden Antrag nicht regeln lässt. Natürlich unterstützen wir das Anliegen dieses Antrages, jedoch den Antrag in dieser Form nicht. Sollten Sie sich auf die Änderungen der SPD-Fraktion einlassen, können wir dem Antrag natürlich zustimmen. Aber vielleicht können wir uns über neue Wege verständigen und in den Ausschüssen darüber diskutieren. Die Staatsregierung sollte prüfen lassen, ob das Transplantationsgesetz in dieser jetzigen Form noch aktuell ist.
Aber, werte Abgeordneten, es sind auch tragfähige klinische Strukturen notwendig. Diese müssen effektiv sein und zuverlässig arbeiten, um die Arbeit am Patienten so sicher wie möglich leisten zu können. Dazu gehört der Transplantationsbeauftragte der Klinik, es muss eine gute Weiterbildung des Personals möglich sein und es bedarf einer Richtlinie für den Akutfall. All diese Voraussetzungen muss die Klinikleitung schaffen.
Wir sollten an dieser Stelle, Frau Staatsministerin, diejenigen nennen, bei denen das schon richtig gut klappt. Der Arzt/die Ärztin am OP-Tisch und am Krankenbett kann die Leistung nur vollbringen, wenn alles ringsum funktioniert. Auf diese Weise einem Menschen das Leben wiederzugeben wird wohl für jeden Arzt immer etwas Besonderes bleiben. Leisten wir in der Politik den Beitrag dazu, den wir leisten können!
Ich danke Ihnen, Frau Lauterbach, für Ihren Beitrag und bitte nun die SPDFraktion, Frau Abg. Neukirch, das Wort zu nehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Organspende ist nach wie vor ein – ich möchte sagen – eher ungemütliches Thema. Es hat mit Tod zu tun und mit dem
individuellen Umgang damit und vor allem auch mit der eigenen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Das fällt keinem von uns leicht, und deshalb ist die Debatte zu diesem Thema auch immer wieder nötig.
Aber es handelt sich auch nicht um eine hochgradig strittige ethisch-moralische Fragestellung, die den gesamten Vorgang Organspende infrage stellen muss; denn insgesamt ist Organspende in Deutschland akzeptiert und wird als lebensrettende Maßnahme von der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung nicht infrage gestellt. Die prinzipielle Zustimmung ist sehr hoch, die Frage nach der eigenen Spendebereitschaft wird jedoch noch zu wenig bejaht, und noch weniger wird dann daraus die Konsequenz gezogen, selbst einen Organspendeausweis mit sich zu tragen und sich dazu zu bekennen. Die Zahlen dazu sind von meinen Vorrednerinnen schon genannt worden.
Diese Tatsache, einen Organspendeausweis mit sich herumzutragen, ist aber in Deutschland nötig, weil bei uns die sogenannte erweiterte Zustimmungsregelung praktiziert wird, das heißt, der Wille des Verstorbenen muss bekannt sein, entweder im Ausweis vermerkt oder schriftlich bei den Angehörigen hinterlegt sein. In anderen europäischen Ländern gilt die Widerspruchsregelung. Dort wird davon ausgegangen, dass man Organspender ist, sofern man sich nicht dagegen bekannt hat. Deshalb haben andere Länder auch andere Spenderaten.
Allerdings – auch das muss dazu gesagt werden – liegt es nicht nur an der Art der Regelung, ob und inwieweit in anderen Ländern das Thema Organspende besser gehandhabt wird. In Schweden zum Beispiel, in dem beide Regelungen nacheinander ausprobiert worden sind, gab es auch nicht sofort eine bessere Transplantationsrate. Wichtig sind in diesem Bereich vor allen Dingen die organisatorischen Rahmenbedingungen. Das liegt daran, dass es sich bei der Organspende um einen hochkomplexen und medizinisch sehr schwierigen und anspruchsvollen organisatorischen Ablauf handelt, der auf diese spezialisierten Rahmenbedingungen angewiesen ist.
Spanien, das in Europa erfolgreichste Land, setzt hierbei deshalb auf starke Koordinatoren in den Krankenhäusern, die weitreichende Kompetenzen und Ressourcen zur Verfügung haben; deshalb dort auch die besten Zahlen.
Aber nun zu Sachsen. Sachsen steht im gesamtdeutschen Vergleich gar nicht so schlecht da. Bei den Organspendern pro eine Million Einwohner liegen wir mit 16,5 über dem bundesweiten Durchschnitt von 14,9. Vergleichen wir uns jedoch mit den anderen neuen Bundesländern, sind wir wiederum Schlusslicht. Spitzenreiter ist hier Mecklenburg-Vorpommern mit 20,5, aber auch dafür gibt es verschiedene Ursachen.
Die sächsischen Unikliniken stehen im Vergleich sehr gut da, während die einfachen sächsischen Krankenhäuser beim statistischen Vergleich abgeschlagen hinterherhinken. Meine These ist, dass dies auch etwas mit den Rahmenbedingungen in den Krankenhäusern zu tun hat.
Das Sächsische Transplantationsgesetz hat im Jahre 2005 eine sehr wichtige Grundlage für einheitliche Rahmenbedingungen in den sächsischen Krankenhäusern geschaffen. Ich habe mich über den Antrag der Koalition gefreut, weil es gerade jetzt an der Zeit ist, einmal nachzusehen, was dieses Gesetz gebracht hat, welche Rahmenbedingungen eingerichtet sind und wo es Änderungsbedarf gibt. Der Punkt 3 im Antrag hätte dazu ausreichend Möglichkeiten geboten – leider fehlt in der Stellungnahme der Staatsregierung jegliche Aussage zu den Ressourcen, die die Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern haben. Ich bin gespannt, wenn dem Antrag zugestimmt werden sollte, ob wir weitere Informationen bekommen.
Interessant wären schon solche Fragen wie zum Beispiel die Umsetzung des § 2 Abs. 5, das heißt, wie die Freistellungsregelung der Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern praktiziert wird. Wie viele Krankenhäuser haben neben dem ärztlichen Beauftragten noch Beauftragte aus dem pflegerischen Bereich bestellt? Auch das ist möglich. Wie erfolgen die vorgeschriebene innerklinische Information und Aufklärung der Krankenhausleitung sowie der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen? All das sind interessante Fragen, die man anhand eines solchen Antrages auch diskutieren könnte.
Die Statistik wiederum lässt vermuten, dass es hierbei noch Verbesserungsbedarf gibt. Da wir dem Antrag zustimmen, hoffen wir, dass wir noch ein paar Daten erhalten und dann vielleicht noch zu Verbesserungsnotwendigkeiten kommen.
Insgesamt ist es schon ein wenig verwunderlich, diesen Antrag in Zeiten einer existenziellen Haushaltssperre auf der Tagesordnung zu haben. Im gesamten Sozial- und Gesundheitsbereich ist auch dieser Förderbereich von den Sparmaßnahmen betroffen. Auch wenn es nur um eine relativ geringe Mittelmenge insgesamt geht: Auf der einen Seite das Signal einer Kürzung und auf der anderen Seite ein Antrag, in dem steht, dass dieser Bereich weiter gefördert werden soll, das passt nicht zusammen. Deshalb sage ich: Sie müssen vielleicht auch hier Farbe bekennen und sagen, dass die Kürzungen nach dem Rasenmäherprinzip im Sozialbereich weder angemessen noch sachlich gerechtfertigt waren und auch Ihre Unterstützung als CDU/FDP-Koalition nicht haben dürften.
Man kann nicht an die Bürgerinnen und Bürger appellieren, man wollte aufklären und informieren, und im Gegenzug die übernommene Verantwortung einstellen.
Ich will gleich unseren Änderungsantrag einbringen. Insgesamt – das habe ich schon mehrmals gesagt – unterstützen wir den Antrag der Koalitionsfraktionen. Es geht darum, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und aufzuklären; es geht darum, deutlich zu machen, dass Organspende Leben rettet und Leiden verringert. Es geht auch darum, gezielt Ängste und Vorbehalte abzubauen.
Unser Änderungsantrag will in Punkt 3 dafür sorgen, dass diese Beispiele weiterhin erhalten bleiben. Deshalb möchten wir die Haushaltssperre in der entsprechenden Förderrichtlinie wieder aufgehoben wissen. Ferner müssen auch die Strukturen und die Rahmenbedingungen in den Blick genommen werden. Ich habe gerade ausgeführt, dass wir darüber zu wenig wissen. Leider steht in der Stellungnahme nicht viel drin. Deshalb haben wir im Änderungsantrag noch einmal die Zielstellung jeglicher Evaluation des Gesetzes aufgelistet. Es geht nämlich um Verbesserungen in diesem Bereich, und zwar dort, wo die Frage der Organspende akut auftritt: in den Krankenhäusern. Dort ist die Stelle, wo das ärztliche und das pflegerische Personal permanent mit dieser Frage konfrontiert werden. Dort müssen die Ressourcen vorgehalten werden.
Ich sage das nicht nur als Oppositionsmitglied, weil einige denken, man müsse hier immer mehr fördern; sondern es geht an dieser Stelle wirklich um konkrete Menschenleben, die mit verbesserten Rahmenbedingungen einfach gerettet werden können.
Vielen Dank, Frau Neukirch. – Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist an der Reihe. Es wird die Abg. Frau Giegengack sprechen. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch vor Jahren war die Diagnose von schweren Herz-, Nieren- und Leberschäden ein Todesurteil. Aufgrund der Tatsache, dass immer mehr Transplantationen von Medizinern als durchführbar angesehen werden, entsteht aber nun ein immer größer werdendes Dilemma.
Angesichts des relativ geringen Angebotes an Spenderorganen besteht zwar immer noch ein hohes Mortalitätsrisiko, jedoch quälen sich die Patienten und Angehörigen nun bis zuletzt mit der Hoffnung auf ein Spenderorgan. Ich sage bewusst „quälen“, da sich die Patienten in einem ethischen Konflikt befinden, nämlich auf den Tod eines anderen Menschen hoffen zu müssen, um selbst weiterleben zu können. Ich bin der Organspende gegenüber sehr positiv eingestellt, aber wir sollten nicht so tun, als wäre dieses Dilemma auflösbar.
Schaut man sich die Statistik von Eurotransplant an, wird plastisch, wie stark die Nachfrage nach Organen das Angebot von Organen übersteigt. Der Grund für dieses Ungleichverhältnis ist nicht zuletzt der medizinische Fortschritt selbst. Er erhöht zum einen die Nachfrage nach Spenderorganen und senkt durch erfolgreiche Intensivmedizin – wenn Sie so wollen – gleichzeitig das Angebot an Spenderorganen.
Wesentlich dürfte in diesem Zusammenhang die mangelnde Aufklärung und Sensibilisierung in puncto Organ
spende sein. Auch der Nationale Ethikrat verweist darauf, dass nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung – es wurde schon gesagt –, einen Spenderausweis besitzt. Dementsprechend selten kann im Ernstfall auf den schriftlichen Willen eines Patienten zurückgegriffen werden. Das führt zu sehr schwierigen Situationen in den Kliniken. Es ist so, dass Angehörige, die eben mit dem Tod eines Familienangehörigen konfrontiert worden sind, angesprochen werden müssen, ob sie bereit sind, die Organe zu spenden.
Aus diesem Dilemma kommt man am ehesten heraus, wenn man aufklärt und explizit dafür wirbt, dass Menschen von sich aus schriftlich erklären: Ja, ich bin bereit, dass, wenn ich versterbe oder einen Unfall habe, meine Organe gespendet werden können. Aus diesem Grunde unterstützt meine Fraktion das Anliegen des Antrages, die Bereitschaft und Sensibilisierung für dieses Thema in Sachsen zu erhöhen.
In der Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag werden zwar viele Maßnahmen und Initiativen zur Förderung der Bereitschaft zur Organspende beschrieben, allerdings sind diese – soweit ich das gelesen habe – eher älteren Datums. Im Abschnitt E – Maßnahmen zur Organspendeaufklärung, Gesundheitsvorsorge und Gesundheitshilfeförderrichtlinie des SMS –, ein absolutes Unwort, waren bzw. werden in den Jahren 2009 und 2010 keine Fördermittel eingestellt. Ein Fördermittelantrag über 1 680 Euro wurde 2009 sogar abgelehnt.
Daraus kann ich kein besonders großes Engagement vonseiten des Freistaates erkennen. Gerade angesichts dessen, dass in Deutschland die sogenannte erweiterte Zustimmungsregel gilt, was ich persönlich grundsätzlich befürworte, sind wir auf Informationen und die Aufklärung in puncto Organspende angewiesen, um Angehörige und medizinisches Personal von dieser schwierigen Entscheidung zu entlasten und vor allem mehr Spenderorgane zu gewinnen.
Eine Widerspruchsreglung, wie sie Frau Lauterbach ins Gespräch gebracht hat und die übrigens bereits zu DDRZeiten gegolten hat, wird es mit uns GRÜNEN auf keinen Fall geben.