Protocol of the Session on March 30, 2010

Meine Damen und Herren! Wir beginnen in der Abstimmung mit dem Antrag der Koalition. Wer der Drucksache 5/1868, Antrag der Koalition, zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist der Antrag angenommen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der NPD)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion GRÜNE. Dazu liegen mir zwei Änderungsanträge vor. Einer ist zurückgezogen worden.

Ich rufe auf den Änderungsantrag der CDU und der FDP, Drucksache 5/1938. Wird noch Einbringung gewünscht? – Herr Herbst, bitte.

Frau Präsidentin! Herr Staatsminister hat darauf hingewiesen, dass er im Ausschuss berichten möchte, wenn es neue Erkenntnisse gibt. Ich glaube, die Antragstellerin ist damit auch einverstanden. Alle Fraktionen unterstützen diesen Antrag.

Wird dazu noch einmal Diskussion gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich lasse über den Änderungsantrag abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Änderungsantrag ist einstimmig beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Drucksache 5/1870. Hier ist punktweise Abstimmung gewünscht worden.

Wir beginnen mit I 1. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Enthaltungen? – Der Punkt ist einstimmig beschlossen.

Wer gibt I 2. die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich stelle Einstimmigkeit fest. Der Punkt I 2. ist damit beschlossen.

Zu I 3. die Zustimmung, bitte? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Stimmen dafür, dennoch eine große Mehrheit dagegen. Damit ist dem Punkt I 3. nicht zugestimmt worden.

Ich rufe I 4. auf. Wer gibt die Zustimmung? – Die Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür und einer großen Mehrheit dagegen ist dem Punkt I 4. nicht zugestimmt worden.

Wer gibt I 5. die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe hier wieder Einstimmigkeit. Damit ist dieser Punkt beschlossen.

Wer gibt I 6. die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Punkt I 6. ist mit Mehrheit abgelehnt worden.

Wer gibt Punkt II die Zustimmung? – Die Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Dieser Punkt wurde einstimmig beschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt nochmals über den Gesamtantrag mit den beschlossenen Punkten abstimmen. Wer die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit sind die Punkte dieses Antrages einstimmig beschlossen.

Meine Damen und Herren! Wir schließen den Tagesordnungspunkt und kommen zum

Tagesordnungspunkt 5

Arbeitsmarktpolitische Schutzinstrumentarien im Vorfeld der Herstellung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union

Drucksache 5/51, Antrag der Fraktion DIE LINKE

In der Diskussion beginnt DIE LINKE. Danach folgen CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht.

Ich erteile nun der Linksfraktion das Wort. Herr Abg. Kosel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die ab 1. Mai 2011 definitiv umzusetzende Herstellung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedsstaaten kommt eigentlich nicht überraschend.

(Unruhe bei den Fraktionen)

Bereits in den Beitrittsverträgen aus dem Jahr 2003 wurde nach der sogenannten 2+3+2-Regelung festgelegt, dass diese Arbeitnehmerfreizügigkeit bis maximal zum 1. Mai 2011 ausgesetzt werden kann.

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Sechs der sieben Übergangsjahre sind jetzt vorbei. Meine Damen und Herren, es besteht daher Anlass zur Bilanz. In diesem Hohen Hause geht es natürlich zuvörderst darum: Welche Bilanz kann die Staatsregierung vorweisen, wie ist sie ihrer Verantwortung nachgekommen, wie hat sie sich und den Freistaat auf dieses historische Ereignis vorbereitet? Das wollen wir von der Linksfraktion heute wissen; denn es ist nicht nur Zeit zur Bilanz, sondern es sind auch noch 13 Monate Zeit, Versäumtes nachzuholen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es hat an Impulsen zur Bilanz und zur eigenen Aktivität für die Staatsregierung spätestens seit 2006 wahrlich nicht gefehlt. Lassen Sie mich einige Impulse benennen.

Am 8. Februar 2006 zog die EU-Kommission Bilanz. Sie empfahl allen EU-Staaten, auf Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nunmehr zu verzichten. Sie fügte hinzu – ich zitiere –: „Gleich welche Entscheidung die Mitgliedsstaaten zum jetzigen Zeitpunkt treffen, sie müssen sich auf die vollständige Öffnung ihrer Arbeitsmärkte vorbereiten, um die Verpflichtungen aus den Verträgen zu erfüllen.“

Am 22. März 2006 erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einer diesbezüglich angelegten Studie – Zitat –: „Spätestens im Jahre 2011 wird gegenüber den Staatsangehörigen der neuen Mitgliedsstaaten vollständige Freizügigkeit herrschen. Alle Mitgliedsstaa

ten sind aufgefordert, ihre Arbeitsmärkte entsprechend vorzubereiten.“

Die Bundesregierung war damals noch der Auffassung, ihrer Verpflichtung mit der Realisierung der Agenda 2010 nachkommen zu können. Dazu kann man mittlerweile nun wahrlich nicht mehr geteilter Meinung sein. Das ist augenscheinlich gescheitert.

Schließlich führte am 6. Mai 2006, meine Damen und Herren, meine Fraktion gemeinsam mit polnischen und tschechischen Partnern eine Konferenz zu länderübergreifenden Arbeitsmärkten in Görlitz durch. Dort beschlossen wir, Arbeitnehmerfreizügigkeit einzufordern und mit Mindeststandards zu verbinden. Zu diesen Mindeststandards und zu weiteren arbeitsmarktpolitischen Fragestellungen wird mein Kollege Thomas Kind noch in dieser Debatte Stellung nehmen.

Am 31. Juli 2006 agiert gar die Staatsregierung selbst. Sie antwortet auf einen Antrag meiner Fraktion – Zitat –: „Mit Ablauf der dritten Phase der Übergangsregelung zum 1. Mai 2011 wird die Arbeitnehmerfreizügigkeit in vollem Umfang bestehen.“ Erkannt hat sie es immerhin. Das ist nicht schlecht. Schaut man sich aber die damalige Antwort der Staatsregierung näher und in Gänze an, dann ist man doch ein Stück weit entsetzt. Denn es findet sich lediglich der Hinweis, dass sich auf diese Arbeitnehmerfreizügigkeit die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber schon jetzt einstellen müssen.

Aber, meine Damen und Herren, was ist mit der Staatsregierung? Was hat sie zu tun?

Auch die Handlungsempfehlungen der EnqueteKommission des Sächsischen Landtags aus dem Jahre 2008 zu Fragen der Zuwanderung und der Arbeitnehmerfreizügigkeit haben bisher zu keinem wahrnehmbaren – zumindest nicht hier im Hohen Hause oder, wie es so schön heißt, „draußen im Land“ – Handlungsimpuls der Staatsregierung geführt.

Meine Damen und Herren! Es ist also hier und jetzt dringend geboten, die Frage zu erörtern: Wie hat die Staatsregierung die Zeit der Übergangsregelung genutzt, um den sächsischen Arbeitsmarkt auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die sächsischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf den europäischen Arbeitsmarkt vorzubereiten, insbesondere den in Tschechien und Polen?

Grundsätzlich haben wir dazu die Fragen unseres Antrages formuliert. Aber, meine Damen und Herren, darüber

hinaus bedarf es der Antwort auf viele Detailfragen, die den Bürgerinnen und Bürgern, den Sozialpartnern und den Verwaltungen vor Ort oftmals noch unklar sind. Ich möchte einige Beispiele nennen.

Wie verhält es sich mit dem Abkommen zur Arbeitslosenversicherung? Wer zahlt wo ein? Wer bekommt wo seine Leistungen? Nach welcher Berechnungsformel? Wie verhält es sich mit Mischarbeitszeiten, insbesondere deutsch-polnischen? Oder die Frage nach dem Anspruch auf Förderung durch die Arbeitsämter in den jeweiligen Ländern. Schon jetzt wird auch die Frage nach Weiterbildungskursen gestellt. Oder aber die Frage nach den Rentenabkommen und Rentenregelungen, nach den Anteilen und Leistungen aus diesen Versicherungen. Schließlich und nicht zuletzt die Frage der Gleichwertigkeit und gegenseitigen Anerkennung der Berufsabschlüsse.

Aber, meine Damen und Herren, auch scheinbar nicht direkt arbeitsmarktpolitische Fragen sind zu erörtern, zum Beispiel: Warum sind die deutsch-polnische und die deutsch-tschechische Jugendarbeit und der deutschpolnische und deutsch-tschechische Jugendaustausch nach wie vor bei Weitem nicht so erfolgreich wie der deutschfranzösische?

Oder: Warum geht das Erlernen der Sprache unserer polnischen und tschechischen Nachbarn in Sachsen so schleppend voran? Letzteres halte ich für besonders wichtig. Denn ich hatte Gelegenheit, im Jahre 2008 an einem konkreten Beispiel zu erleben, von welcher Bedeutung Sprachkenntnisse unserer Nachbarn auf dem Arbeitsmarkt sein können.

In jenem Jahr suchte eine tschechische Firma, die sich mit der Herstellung technischen Glases beschäftigt, in Novy Bor händeringend Facharbeiter. Sie meinte, diese Arbeitnehmer in Sachsen, in der Oberlausitz, zum Beispiel in Weißwasser finden zu können. Auch mit dem Lohn schien es zu klappen. Aber natürlich läuft der Kommunikationsprozess in diesem tschechischen Werk in Novy Bor in tschechischer Sprache ab. Darauf aber waren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zum Beispiel die ehemaligen Glaswerker in Weißwasser, durch die Staatsregierung und andere Verantwortungsträger nicht vorbereitet worden.

Meine Damen und Herren! Es ist nicht zu übersehen, dass in jüngster Zeit auch manch Positives in die Debatte gekommen ist. Die Sozialpartner haben sich engagiert. Insbesondere die Gewerkschaften bemühen sich, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf beiden Seiten der Grenze die arbeitsrechtlichen Grundlagen verständlich und in ihrer Muttersprache zu übermitteln. Die grenzüberschreitende interregionale Zusammenarbeit der Gewerkschaften ist beispielhaft. Auch die jüngsten Initiativen des Sächsischen Ausländerbeauftragten sind durchaus zu loben und ebenfalls der Ministerpräsident – aber, meine Damen und Herren, leider meist nur der ehemalige.

Wir als Linksfraktion können beispielsweise Georg Milbradt durchaus zustimmen, wenn er am 12. März in

der Presse erklärt – Zitat –: „Wir müssen uns fragen: Sind wir für jemanden in Indien ein Land, wo er hin will?“ Das ist sicherlich eine wichtige Frage im Zusammenhang mit dem demografischen Faktor und der Zuwanderung. Aber vielleicht ist zunächst die Aufgabe zu lösen, ob wir für jemanden in Polen und Tschechien ein Land sind, wo er oder auch sie hin will.

Meine Damen und Herren! Sei es drum, es gibt zwischen den demokratischen Fraktionen übergreifende Anknüpfungspunkte für eine konstruktive Debatte, die die Chancen der Arbeitnehmerfreizügigkeit für den Freistaat und die Menschen hierzulande nutzbar machen kann.

Gegen unsere europäischen Nachbarn gerichtete Diffamierungen, sei es auf NPD-Wahlplakaten oder in Redebeiträgen hier im Landtag, gefährden diese Chancen und sind daher eindeutig abzulehnen.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! An der Verwirklichung von Chancen muss man arbeiten. Risiken realisieren sich leider oft aufgrund fehlenden Gegensteuerns von selbst. Lassen Sie uns deshalb unsere gemeinsame, an diesem Punkt auch europäische Verantwortung wahrnehmen! DIE LINKE wird ihren Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren, das war Herr Kosel von der Fraktion DIE LINKE. – Für die Fraktion der CDU rufe ich Herrn Abg. Krauß auf. Sie haben das Wort.